Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 28.01.1999, Az.: XI 641/97
Vom Arbeitgeber gewährte Preisvorteile im Mitarbeiterverkauf als steuerpflichtiger Arbeitslohn; Verpflichtung des Arbeitgebers zum Lohnsteuerabzug der Preisvorteile; Haftung des Arbeitgebers für fahrlässig nicht abgegführte Lohnsteuer
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 28.01.1999
- Aktenzeichen
- XI 641/97
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1999, 18023
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1999:0128.XI641.97.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 10.05.2006 - AZ: IX R 110/00
Rechtsgrundlagen
- § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG
- § 2 Abs. 1 LStDV
- § 42 d Abs. 1 Nr. 1 EStG
- § 38 Abs. 1 S. 2 EStG
- § 42 e EStG
Fundstelle
- DStRE 2000, 1024-1026 (Volltext mit amtl. LS)
Tenor:
Die Klage wird auf Kosten der Klägerin abgewiesen.
Tatbestand
Verfahrensgegenstand ist der Haftungs- und Nachforderungsbescheid des Beklagten (Finanzamt - FA -) vom 5. Februar 1997 (Bl. 7 bis 8 GA) in der Fassung des Einspruchsbescheids vom 10. November 1997 (Bl. 9 bis 18 GA - dort mit falscher Datumsangabe).
Streitig ist, ob und in welchem Umfang die Klägerin für Lohnsteuer in Haftung genommen werden durfte, weil ihre Mitarbeiter die Möglichkeit hatten, in dem von einer demselben Konzern wie die Klägerin angehörenden Gesellschaft betriebenen Mitarbeiterverkaufsladen Konzern- und Handelswaren verbilligt zu erwerben.
Streitjahre sind 1991 bis einschließlich 1995.
Die Klägerin gehört dem im Wesentlichen mit der Herstellung und dem Vertrieb von Schreibwaren befassten P...-Konzern an. Zum 1. Januar 1996 firmierte sie um in P... Vertriebsgesellschaft mbH & Co. KG.
Die Klägerin beschäftigte von den am Standort der Klägerin insgesamt beschäftigten 2.200 bis 3.300 Mitarbeitern des Konzerns im Streitzeitraum 14. Die Mitarbeiter erhielten von ihrem Arbeitgeber Berechtigungskarten zum Einkauf in dem von der Schwestergesellschaft der Klägerin betriebenen Mitarbeiterverkaufsladen. Dort konnten die Mitarbeiter P...- und Handelswaren verbilligt erwerben. Die Preise lagen nach den unbestrittenen Feststellungen des FA im Durchschnitt um 40% unter denüblichen Preisen am Abgabeort.
Das FA sah im Rahmen einer Lohnsteuer-Außenprüfung die so gewährten Preisvorteile als Arbeitslohn an. Der Umfang der den einzelnen Mitarbeitern tatsächlich gewährten Preisvorteile wurde vom Prüfer mangels entsprechender Aufzeichnungen geschätzt. Dabei ging der Prüfer vom Gesamtumsatz des Mitarbeiterverkaufs aus und schied zunächst Umsätze aus Sonderverkäufen und mit Waren zweiter Wahl aus. Von den so verbleibenden Umsätzen zog er - obwohl ein entsprechender Nachweis nicht geführt wurde - 10% zur Berücksichtigung von Einkäufen durch Dritte ohne Einkaufsberechtigung ab. Von den verbleibenden Beträgen zog er wiederum 25% ab, um die Verkäufe an ehemalige Mitarbeiter auszuscheiden. Dabei ging er davon aus, dass diese nicht im gleichen Umfang wie die aktiven Arbeitnehmer am Mitarbeiterverkauf teilhaben. Die danach verbleibenden Beträge verteilte der Prüfer nach Köpfen auf die in den verschiedenen Gesellschaften der P...-Gruppe am Standort beschäftigten Arbeitnehmer. Nach dieser Schätzung hat jeder Arbeitnehmer im Prüfungszeitraum durchschnittlich für über 1.200,00 DM - ca. 250,00 DM pro Jahr - im Mitarbeiterverkaufsladen eingekauft.
Nach Abzug eines Bewertungsabschlags von 4% ergab sich für den Prüfer der auf die Klägerin entfallende geldwerte Vorteil. Auf die nachzuversteuernden Beträge wandte er einen näherungsweise nach den durchschnittlichen Verhältnissen bei den Arbeitnehmern des P...-Konzerns am Standort der Klägerin ermittelten Bruttosteuersatz von 31,2% an. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf Bl. 8 bis 10 der Einspruchsentscheidung (Bl. 16 bis 18 der Akte) verwiesen.
Gegen die Einspruchsentscheidung wendet sich die Klägerin mit ihrer Klage. Sie ist der Meinung, es liege bereits kein Arbeitslohn vor, da die Preisvorteile im normalen, jedermann zugänglichen Geschäftsverkehr erzielt, aus betrieblichem Interesse der P...-Gruppe gewährt und den Arbeitnehmern nicht von der Klägerin und nicht anlässlich ihres Dienstverhältnisses gewährt worden seien.
Weiterhin habe die Klägerin nicht in Haftung genommen werden dürfen, da die Vorteile nicht von ihr gewährt worden seien und sie weder gewusst habe noch habe wissen müssen, in welchem Umfang ihre Arbeitnehmer im Mitarbeiterverkaufsladen einkauften. Vielmehr habe sich der zuständige Mitarbeiter der Klägerin in einem entschuldbaren Rechtsirrtum befunden. Jedenfalls fehle es in den angegriffenen Bescheiden an entsprechenden Ermessenserwägungen des FA.
Schließlich seien die Haftungsbeträge auch viel zu hoch, da die vom Prüfer vorgenommene Schätzung den Anteil der aktiven Arbeitnehmer der P...-Gruppe an den Gesamtumsätzen des Mitarbeiterverkaufs viel zu hoch ansetze.
Der Vertreter der Klägerin beantragt,
dem Lohnsteuer-Haftungsbescheid vom 5. Februar 1997 und den dazu ergangenen Einspruchsbescheid vom 10. November 1997 aufzuheben.
Der Vertreter des Beklagten beantragt Klagabweisung.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen im Einspruchs- und Klageverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Gründe
Die Klage war abzuweisen; denn bei den den Arbeitnehmern der Klägerin im Streitzeitraum gewährten Preisvorteilen im Mitarbeiterverkauf handelt es sich um steuerpflichtigen Arbeitslohn. Die Inanspruchnahme der Klägerin im Wege der Lohnsteuerhaftung erfolgte, auch in der Höhe, zu Recht.
1.
Die den Arbeitnehmern der Klägerin durch den Mitarbeiterverkauf gewährten Preisvorteile sind Arbeitslohn und damit Einkünfte der Arbeitnehmer nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG), § 2 Abs. 1 Lohnsteuerdurchführungsverordnung (LStDV). Auch Leistungen durch einen Dritten sind Arbeitslohn, wenn der Arbeitnehmer den erlangten Vorteil vernünftigerweise als Frucht seiner Arbeit betrachten kann (BFH-Urteil vom 5. Juli 1996 VI R 10/96, BFHE 180, 441, BStBl II 1996, 545). Das ist insbesondere der Fall, wenn, wie hier wegen der Ausgabe der Berechtigungskarten durch die Klägerin, der Arbeitgeber an der Gewährung der Preisvorteile durch den Dritten mitwirkt.
a)
Zwar begründet ein Preisnachlass keinen Vorteil im Sinne des§ 19 EStG, wenn er auch im normalen Geschäftsverkehr erzielt werden könnte. Die Klägerin hat jedoch nicht glaubhaft machen können, dass der auf dem Konzerngelände gelegene Mitarbeiterverkaufsladen dem normalen Geschäftsverkehr zugänglich war. Ihrem Vortrag, Kontrollen der Berechtigungskarten erfolgten allenfalls ausnahmsweise, hat der Vertreter des FA in der mündlichen Verhandlung entgegengehalten, bei verschiedenen von Mitarbeitern des FA vorgenommenen Stichproben sei es ihnen nicht gelungen, ohne Berechtigungskarte in dem Mitarbeiterverkaufsladen etwas einzukaufen. Der erkennende Senat geht danach davon aus, dass der Mitarbeiterverkaufsladen dem normalen Geschäftsverkehr nicht zugänglich war.
b)
Der in der Ersparnis höherer Aufwendungen liegende Vorteil war auch durch das Dienstverhältnis der Arbeitnehmer zur Klägerin veranlasst, denn nur die Arbeitnehmer erhielten Berechtigungskarten für den Einkauf. Der Veranlassung durch das Dienstverhältnis steht auch nicht entgegen, dass die Preisnachlässe von einer Schwestergesellschaft der Klägerin und nicht von ihr selbst gewährt wurden. Der Umstand, dass die Klägerin durch die Ausgabe der Berechtigungskarten an der Gewährung der Preisvorteile mitgewirkt hat ist vielmehr ausreichend für eine Veranlassung der Vorteilsgewährung durch das Dienstverhältnis. Das ergibt sich auch aus § 8 Abs. 3 Satz 1 EStG, denn anderenfalls hätte der Gesetzgeber die Freibetragsregelung nicht auf Bezüge vom Arbeitgeber zu beschränken brauchen.
c)
Schließlich wird die Einordnung der Preisvorteile als Arbeitslohn auch nicht durch das betriebliche Interesse der Klägerin bzw. ihrer Schwestergesellschaft an den Umsätzen aus dem Mitarbeiterverkauf ausgeschlossen. Denn allein der Umstand, dass durch die große Zahl er einkaufsberechtigten Mitarbeiter ein spezieller Kundenkreis geschaffen wird, ändert nichts daran, dass Personalrabatte grundsätzlich Arbeitslohn darstellen (BFH-Urteil vom 4. Juni 1993 VI R 95/92, BFHE 171, 774, BStBl II 1993, 687). Besondere Umstände, die in Abweichung hiervon die Preisvorteile nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzungen erweisen (vgl. BFH a.a.O.), sind im Streitfall nicht ersichtlich.
d)
Auch die Gewährung eines Freibetrags nach § 8 Abs. 3 Satz 2 EStG für die Einkäufe kam nicht in Betracht, weil die Vorschrift lediglich unmittelbar vom Arbeitgeber gewährte Vorteile begünstigt, während von anderen Konzerngesellschaften gewährte Vorteile zu versteuern sind (BFH-Urteil vom 15. Januar 1993 VI R 32/92, BFHE 170, 190, BStBl II 1993, 356).
2.
Das FA hat die Klägerin auch in ermessensfehlerfreier Weise nach § 42 d EStG in Anspruch genommen.
a)
Die Klägerin war, obwohl die Preisvorteile durch eine Schwestergesellschaft gewährt wurden, nach § 38 Abs. 1 Satz 2 zum Lohnsteuerabzug hierfür verpflichtet (vgl. Schmidt/Drenseck EStG § 38 Rz. 10). Sie hat gegen diese Pflicht verstoßen und haftet deshalb nach § 42 d Abs. 1 Nr. 1 EStG für die nicht abgeführte Steuer. Dabei kann dahin stehen, ob die Haftung nach § 42 d EStG ein Verschulden voraussetzt, denn die Klägerin bzw. die für sie handelnde Organe und Mitarbeiter haben jedenfalls fahrlässig gegen die Pflicht nach§ 38 Abs. 1 Satz 2 EStG verstoßen. Angesichts des Umstandes, dass die Klägerin die Berechtigungskarten ausgegeben hat und damit der Lohnzufluss innerhalb ihrer Herrschaftssphäre erfolgte (vgl. zum ganzen Schmidt/Drenseck EStG § 42 d Rz. 6, 7), hätte die Klägerin sicherstellen müssen, dass die Umsätze im Mitarbeiterverkauf nach Arbeitnehmern erfasst und einer Lohnversteuerung zugeführt wurden. Dabei kann sie sich nicht darauf berufen, der zuständige Mitarbeiter habe, was die Verpflichtung zum Lohnsteuerabzug anging, einem entschuldbaren Rechtsirrtum unterlegen. Denn selbst bei Unklarheit über die Rechtslage hätte die Klägerin eine Anrufungsauskunft nach § 42 e EStG einholen können und müssen. Auch die Tatsache, dass die betroffenen Arbeitnehmer ihre Einkäufe der Klägerin nicht gemeldet haben, steht deren Haftung nicht entgegen. Vielmehr war sie selbst verpflichtet, deren Umfang aufzuzeichnen und entsprechend zu versteuern.
b)
Aus diesen Gründen hat das FA auch sein Erschließungs- und Auswahlermessen zutreffend ausgeübt und im Einspruchsbescheid auch ausführlich dargelegt. Hinsichtlich des Auswahlermessens gilt das auch deshalb, weil mehrere Konzerngesellschaften und damit eine Vielzahl von Arbeitnehmern von der Problematik betroffen waren.
c)
Auch die Höhe des Haftungsbetrages führt nicht zur Rechtswidrigkeit der angegriffenen Bescheide. Der Prüfer und ihm folgend das FA haben die auf die einzelnen Arbeitnehmer entfallenden Preisvorteile zu Recht geschätzt und sich dabei in einem vertretbaren Schätzungsrahmen gehalten. Sie haben in schlüssiger und plausibler Weise den Umfang der Umsätze pro Arbeitnehmer ermittelt. Dabei haben sie sich durch die Anerkennung einer in keiner Weise belegten Quote von 10% der Umsätze für Einkäufe durch Betriebsfremde am unteren Schätzungsrahmen gehalten. Der erkennende Senat sieht keinen Anlass, von seiner Befugnis zu einer eigenen Schätzung nach § 96 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) in Verbindung mit §§ 158, 162 Abgabenordnung (AO) Gebrauch zu machen und von der Schätzung des FA abzuweichen.
Zwar hat die Klägerin vorgetragen, der Anteil der ehemaligen Mitarbeiter an den Gesamtumsätzen sei zu niedrig geschätzt. Sie hat jedoch weder eine eigene Schätzung vorgelegt noch hat sie konkrete Umstände vorgetragen, die es dem Gericht ermöglichen, sich der Auffassung der Klägerin insoweit anzuschließen. Die Inanspruchnahme der Klägerin erfolgte daher insgesamt zu Recht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Gründe für die Zulassung der Revision waren nicht ersichtlich.