Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 20.01.1999, Az.: XI 256/94
Versteuerung von Einkünften aus Landwirtschaft und Forstwirtschaft; Putenmast und Bodenbewirtschaftung; Gesamtwürdigung zur Bestimmung eines einheitlichen land- und forstwirtschaftlichen Betriebes; Räumliche Entfernung zwischen Betriebsstätten; Planmäßige Verbindung im Interesse des Hauptbetriebes; Bedeutung der Futtererzeugungsmöglichkeit und der Eigenfutterverwendung; Zurechnung von Tierzucht und Tierhaltung zur Lanwirtschaft; Berücksichtigung der Verkehrsanschauung; Bewirtschaftung der Flächen durch Dritte
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 20.01.1999
- Aktenzeichen
- XI 256/94
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1999, 20449
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1999:0120.XI256.94.0A
Rechtsgrundlagen
- § 13 Abs. 1 EStG
- § 33 Abs. 1 BewG
- § 2 BewG
- § 51a Abs. 1 BewG
Fundstelle
- NWB DokSt 2000, 1039
Verfahrensgegenstand
Einheitlicher Betrieb (L + F) bei mehreren räumlich getrennten Betriebsstätten.
Gewinnfeststellung 1988-1990
In dem Rechtsstreit
hat der XI. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
nach mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 20. Januar 1999,
an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter ... am Finanzgericht ...
Richterin am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
ehrenamtliche Richterin ...
ehrenamtlicher Richter ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Unter Änderung der Gewinnfeststellungsbescheide 1988 und 1989 vom 31.07.1992, des Gewinnfeststellungsbescheids 1990 vom 25.04.1994 sowie des Einspruchsbescheids vom 16.05.1994 werden die Einkünfe für 1988 bis 1990 als solche aus Land- und Forstwirtschaft wie folgt festgestellt:
1988: | Verlust | 12.147 DM |
---|---|---|
(Verlustanteil | : 1.728 DM | |
Verlustanteil | : 10.419 DM); | |
1989: | Gewinn | 15.448 DM |
(Gewinnanteil | : 17.433 DM, | |
Verlustanteil | : 1.985 DM); | |
1990: | Gewinn | 4.673 DM |
(Gewinnanteil | : 18.702 DM | |
Verlustanteil | : 14.029 DM). |
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der an den Kläger zu erstattenden Kosten abwenden, wenn nicht dieser vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Streitig ist, ob land- und forstwirtschaftliche oder gewerbliche Einkünfte vorliegen.
Der Kläger ist Komplementär der ... KG (KG). Die KG wurde 1985 gegründet. Sitz der Gesellschaft ist ... Kommanditistin ist die Tochter des Komplementärs, .... Der Kläger ist darüber hinaus an weiteren Personengesellschaften beteiligt.
Zu Beginn ihrer Tätigkeit betrieb die KG Schweinezucht in den Ställen und auf Flächen des Komplementärs. Vom 01.07.1987 bis zum 30.06.1988 ruhte der Geschäftsbetrieb der KG. Anfang 1987 erwarb der Kläger ein Grundstück mit aufstehendem Wohnhaus und Hähnchenmastställen in .... Dieses Grundstückverpachtete er nach durchgeführten Umbauarbeiten zunächst an die ... KG und die ... KG, später nur noch an die letztgenannte KG. Ab 30.06.1990 wurde es als Sonderbetriebsvermögen der KG erklärt. Diese betreibt auf dem Grundstück in seit dem 01.07.1988 eine Putenmast. Ferner pachtete die KG von dem Kläger ca. 52,2 ha landwirtschaftliche Flächen in ..., die der Kläger von einem Dritten bereits seit 1983 gepachtet hatte.
Der Gewinn bzw. Verlust aus dem Betrieb in ... und der Bearbeitung der landwirtschaftlichen Flächen in ... wurde erklärungsgemäß als Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft gesondert und einheitlich festgestellt. Die Feststellung erfolgte unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Anfang 1992 wurde bei der KG eine Außenprüfung durchgeführt. Dabei wurde festgestellt, dass die Betreuung der Geflügelfarm durch eine angestellte, auf dem Hof wohnende Kraft erfolgte. Das Ausstallen der Tiere besorgte der Kläger zusammen mit Hilfskräften aus .... Der Transport der Tiere wurde durch einen Lohnunternehmer in Vechta durchgeführt. Die gepachteten landwirtschaftlichen Flächen in wurden im Auftrag der KG gegen Bezahlung vom Einzelbetrieb des Klägers bewirtschaftet. Die in der Putenmast anfallenden Tierexkremente (Gülle und überwiegend Festmist) wurden auf die Ackerflächen in ... aufgebracht. Rechnungen über entsprechende Transporte befinden sich sowohl bei der Gerichtsakte als auch bei den Steuerakten.
Getreide, das in ... angebaut wurde (vorrangig Mais und Gerste), wurde an ein Futtermittelwerk geliefert, von dem die KG - unter Verrechnung des von ihr gelieferten Getreides - Mehrkomponentenfutter bezog, das an die Tiere in ... verfüttert wurde. Außerdem wurde Stroh von ... nach ... geliefert.
Der Betrieb in ... hat eine Größe von 2,35 ha und liegt ca. 115 km von den gepachteten Flächen in ... bzw. dem Sitz der Gesellschaft in ... entfernt. Bei der Berechnung der tatsächlichen Vieheinheiten (VE) für ... ergab sich für die Prüfungsjahre eine durchschnittliche Größe von 276 VE pro Wirtschaftsjahr. Die zulässigen VE im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) waren bei isolierter Betrachtung des Betriebsteils in ... weit überschritten. Die Außenprüfung sah in der Putenmast in ... und in den landwirtschaftlichen Flächen in ... zwei wirtschaftliche Einheiten und ordnete die Einkünfte wegen der Überschreitung der Vieheinheiten nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 EStG in Bezug auf § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG ab dem Wirtschaftsjahr 1989/90 in voller Höhe den Einkünften aus Gewerbebetrieb zu. Der anteilige Verlust aus dem Wirtschaftsjahr 1987/88 wurde als Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft festgestellt.
Der Beklagte erließ entsprechend geänderte Feststellungsbescheide. Gegen diese Bescheide wendet sich der Kläger nacherfolglosem Einspruchsverfahren und trägt dazu im wesentlichen vor:
Die Betriebsstätten in ... und ... stellten einen einheitlichen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb dar, es bestünden demzufolge nur land- und forstwirtschaftliche Einkünfte. Allein die Bewirtschaftung einer bestimmten Fläche und das Halten einer bestimmten Anzahl Tiere führe nach dem Wortlaut des § 13 EStG zueiner landwirtschaftlichen Tierhaltung, wenn das gesamte Verhältnis von Tieren zur Fläche gewahrt sei. Dies sei im vorliegenden Fall gegeben. Eine unmittelbare Verbindung zwischen Boden und Tierhaltung sei vom Gesetzgeber nicht gefordert.
Lediglich bis 1965 habe die gesetzliche Regelung gegolten, dass das für die Ernährung der Tiere verwendete Futter überwiegend von den selbst bewirtschafteten Flächen stammen müsse. Diese Voraussetzung habe der Gesetzgeber aufgegeben, weil er die möglichen Vieheinheiten je ha jedenfalls für kleinere Betriebeerhöhte, so dass die möglichen Tiere gar nicht mehr ausreichend von den eigenen Flächen ernährt werden konnten und im übrigen das Überprüfen dieser Voraussetzung mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden gewesen wäre.
Nach den gesetzlichen Abgrenzungsvorschriften könne demnach eine Tierhaltung selbst dann der Landwirtschaft zugerechnet werden, wenn sie in keinerlei sachlicher Beziehung zur Bodenbewirtschaftung stehe.
Im Streitfall sei, knüpfe man an den allgemeinen Betriebsbegriff an, nur ein Betrieb gegeben. Denn der Tierhaltungsbereich und die Bodenbewirtschaftung seien miteinander organisatorisch verbunden. Es werde eine einheitliche Buchführung erstellt, das gesamte Finanzwesen laufe zusammen, für beide Bereiche bestünden übereinstimmende Geschäftsverbindungen.
Würde eine Verbindung zwischen Bodenbewirtschaftung und der Tierhaltung gefordert, so sei die engste überhaupt denkbare darin zu sehen, dass die Bodenerzeugnisse tatsächlich zum Bezugder Futtermittel für die Tiere eingesetzt würden und andererseits tierische Exkremente als Düngemittel und zur Entsorgung auf die Flächen aufgebracht würden. Dieses sei im vorliegenden Fall tatsächlich erfolgt. Wie weit die gegenseitige Verquickung der beiden Betriebsstätten gehe, zeige auch deutlich die Gewinn- und Verlustrechnung für das Wirtschaftsjahr 1990/91, in der nur Erträge aus der Bodenbewirtschaftung in Höhe von 3.737 DM + 13.454 DM ausgewiesen seien, dagegen Erträge aus der Tierhaltung in Höhe von 1.064.000 DM. Dadurch werde deutlich, dass die Erzeugnisse des Bodens über die Tierhaltung veredelt würden. Angesichts der mageren Ergebnisse der Bodenbewirtschaftung werde deutlich, dass es sich bei dieser nicht um einen eigenständigen Betrieb handeln könne.
Die Argumentation des Beklagten, die beiden Betriebsteile seien zu weit voneinander entfernt, als dass sie einen einheitlichen Betrieb darstellen könnten, entspreche weder der heutigen Verkehrsauffassung von landwirtschaftlichen Betrieben noch der neuesten Rechtsprechung des BFH. Dieser habe deutlich herausgestellt, dass die Entfernung zwischen den Betriebsteilen für die Beurteilung der Frage, ob ein einheitlicher oder zwei selbständige Betriebe vorlägen, nur eines von mehreren Kriterien im Rahmen einer Gesamtbetrachtung sei.
Der Kläger beantragt,
die angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheide 1988 - 1990 vom 31.07.1992 (für 1990 in der Fassung vom 25.04.1994) und den dazu ergangenen Einspruchsbescheid vom 16.05.1994 nach Maßgabe der im Schriftsatz vom 19.10.1994 (Bl. 38 der Gerichtsakte) im einzelnen angegebenen Verlust- bzw. Gewinnanteile für die drei Streitjahre zu ändern.
Der Beklagte beantragt Klageabweisung.
Seiner Auffassung nach liegen im Streitfall zwei Betriebe vor. Da die Vieheinheitsgrenzen nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 EStG in ... weit überschritten würden, lägen für diesen Betrieb Einkünfteaus gewerblicher Tierzucht vor. Dies führe auch für die Erträgnisse aus der Bodenbewirtschaftung in zu Einkünften aus Gewerbebetrieb. Zur Begründung seiner Rechtsansicht führt der Beklagte im wesentlichen aus: Nach § 13 EStG lägen nur dann Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft auch bei Tierzucht vor, wenn eine bestimmte Anzahl Vieheinheiten im Verhältnis zurbewirtschafteten Fläche nicht überschritten werde. Maßgebend als Vergleichsfläche sei die vom Inhaber eines Betriebes regelmäßig bewirtschaftete landwirtschaftliche Fläche. Hierzu gehörten alle Flächen, die dem Betriebsinhaber als Eigentümer oder Pächter zuzurechnen seien. Eine Einschränkung ergebe sich dadurch, dass nur Flächen berücksichtigt werden könnten, die demselben Betrieb des Steuerpflichtigen zuzurechnen seien.
Betrieb sei jede planmäßig organisierte Wirtschaftseinheit, in der Arbeitskräfte und Betriebsmittel zur landwirtschaftlichen Produktion zusammengefasst seien. Die einzelnen Flächen müsstenin einem räumlichen Zusammenhang stehen und betriebswirtschaftlich so miteinander verbunden sein, dass sie von der Hofstelle aus bewirtschaftet werden könnten. Die Bewirtschaftung der Flächen in ... und der Geflügelfarm in ... erfolge von ... aus, dem Sitz der KG. Dort hätten auch die anderen Personengesellschaften, an denen der Kläger beteiligt sei, ihren Sitz. Aufgrund der großen räumlichen Entfernung und zweier ganz verschiedener Betriebsbereiche könne nicht von einem einheitlichen Betrieb gesprochen werden. In ... werde in gepachteten Ställen eine Putenmast betrieben. Die Ställe seien bis Ende 1988 zudem auch noch von einer anderen Gesellschaft, an der der Komplementär beteiligt gewesen sei, genutzt worden. Flächen würden dort nicht bewirtschaftet. Der Großteil der Arbeiten in ... werde von dem auf dem Hof lebenden Verwalter durchgeführt. Auch in ... würden die Flächen nicht von der KG bewirtschaftet, sondern vom Einzelunternehmen des Klägers gegen Entlohnung. Hinsichtlich der Gebäude und des jeweiligen Inventars seien die Betriebsteile vollständig unabhängig voneinander. Es erfolge eine jeweils selbständige Bewirtschaftung, die vollkommen unterschiedliche Strukturen aufweise.
Nur deshalb, weil in ... angebautes Getreide der Art nach als Futtermittel in ... verwendet werde und zum Teil Düngemittel aus ... auf die Flächen nach ... gebracht würden, könne nicht schon von einer einheitlichen Bewirtschaftung ausgegangen werden. Das angebaute Getreide sei nur der Art nach im Futtermittel enthalten, das zum Teil aus 17 Einzelkomponenten bestehe.
Nach der Verkehrsauffassung sei es in der Landwirtschaft nicht üblich, dass weit entfernt liegende Ställe, die zur Tieraufzucht verwandt würden, eine Einheit mit der landwirtschaftlich genutzten Fläche bildeten. Der BFH habe bereits eine Entfernung von 10 km ausreichen lassen für die Ablehnung einer betrieblichen Einheit. Für die Grunderwerbsteuer habe er entschieden, dass keine Aufstockung eines vorhandenen landwirtschaftlichen Betriebes vorliege, wenn der hinzu erworbene Landbesitz rd. 75 km entfernt von der Hofstelle liege. Auch das Bewertungsgestz (BewG) unterstelle, dass die Grundstücke eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes in einem gewissen räumlichen Zusammenhang liegen müssten. Nach § 51 a BewG könnten land- und forstwirtschaftliche Einkünfte bei gemeinsamer Tierhaltung von Gesellschaften und Genossenschaften nur angenommen werden, wenn der Betrieb des Gesellschafters oder Mitglieds nicht mehr als 40 km von der Produktionsstätte entfernt liege.
Auch unter Berücksichtigung modernster Betriebsmittel und Bewirtschaftungsmethoden sowie vor dem Hintergrund der neuesten BFH-Rechtsprechung, nach der es keine feste Grenze für zulässige Entfernungen zwischen getrennten Betriebsstätten für die Anerkennung eines einheitlichen land- und forstwirtschaftlichen Betriebes gebe, sei bei einer Entfernung von 115 km zwischen den Betriebsstätten in ... und ... unter Berücksichtigung der Gesamtumstände von zwei Betrieben auszugehen.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vorgelegten Steuerakten sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20. Januar 1999.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Es liegen Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft vor, denn die Putenmast in ... und die Bodenbewirtschaftung in ... bilden einen einheitlichen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb.
Zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft gehören nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 EStG neben den Einkünften aus dem Betrieb der Landwirtschaft auch die Einkünfte aus Tierzucht und Tierhaltung, wenn die Tierbestände bestimmte, in § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG angegebene Grenzen nicht überschreiten. Anderenfallsist die Tierzucht oder Tierhaltung gewerblich.
Land- und forstwirtschaftliche Einkünfte aus Tierzucht oder Tierhaltung können nur dann vorliegen, wenn die Tiere zu einem einheitlichen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gehören. Eine Definition, was ein solcher Betrieb sei, findet sich in § 13 EStG nicht. Es ist daher die Regelung des § 33 Abs. 1 BewG heranzuziehen, nach der ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft die wirtschaftliche Einheit des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens ist (BFH-Urteil vom 10.04.1997 IV R 48/96, BFH/NV 1997, 749). Der Umfang einer wirtschaftlichen Einheit ist gem. § 2 Abs. 1 Sätze 3 und 4 BewG nach der Verkehrsanschauung zu bestimmen. Dabei sind örtliche Gewohnheit, tatsächliche Übung und die Zweckbestimmung sowie die wirtschaftliche Zusammengehörigkeit der einzelnen Wirtschaftsgüter zu berücksichtigen. Zur Beantwortung der Frage, was noch zu einem einheitlichen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft gehört, mussdaher eine Gesamtwürdigung der betrieblichen Verhältnisse vorgenommen werden.
Eine solche Gesamtwürdigung ist auch dann anzustellen, wenn die einzelnen Betriebsstätten räumlich weiter als 40 km auseinander liegen. Nach der neuesten Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 10.04.1997 IV R 48/96, a.a.O.) können entgegen einer in Literatur und Finanzgerichtsrechtsprechung vertretenen Meinung (Schmidt/Seeger EStG 17. Aufl. § 13 Rdnr. 81; z.B. Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 07.09.1993 I 183/88, EFG 1994, 83; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.12.1994 IX K 407/89, EFG 1995, 644, jeweils unter Hinweis auf § 51 a Bewertungsgesetz) auch weiter voneinander entfernte Betriebsteile einen einheitlichen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb bilden. Eine feste Grenze für die höchstzulässige Entfernung gibt es nicht. Eine solche absolute Grenze von 40 km findet sich zwar in § 51 aAbs. 1 Satz 1 Nr. 3 BeWG, betrifft aber eine andere Fallgestaltung. Dort ist die gemeinschaftliche Tierhaltung von Genossenschaften, Gesellschaften und deren Gesellschaftern geregelt. Bei Einführung der Entfernungsgrenze von 40 km in § 51 a BewG war der Wille des Gesetzgebers, eine Ausweitung der Kooperation der Gesellschaften und ihrer Gesellschafter in ihren Tätigkeitsbereich über allzu große Gebiete zu verhindern und für die Finanzverwaltung eine gewisse Übersichtlichkeit herzustellen (vgl. Bericht des Finanzausschusses zu BTDruck VI/2334 Seite 3).
Dieser gesetzgeberische Wille ist nicht entscheidend für die Beantwortung der Frage, ob ein einheitlicher landwirtschaftlicher Betrieb vorliegt oder nicht.
Allerdings ist die räumliche Entfernung zwischen zwei Betriebsstätten ein Umstand, der in die Gesamtwürdigung der betrieblichen Verhältnisse einzubeziehen ist.
Ein einheitliches land- und forstwirtschaftliches Unternehmen ist gegeben, wenn die Verbindung planmäßig im Interesse des Hauptbetriebes gewollt ist, die eine Art der Betätigung der anderen zu dienen bestimmt ist und die Betätigung nach der Verkehrsauffassung insgesamt als Einheit erscheint (BFH-Urteil vom 13.10.1988 IV R 136/85 BStBl II 1989, 7).
Diese Voraussetzungen sind im vorligenden Fall gegeben.
Die Betriebsstätten in ... und ... sind in wirtschaftlicher, finanzieller und organisatorischer Hinsicht eng miteinander verknüpft. Denn für beide Betriebsteile wird die Buchführung und die gesamte kaufmännische Arbeit am Sitz der KG in ... ausgeführt. Ebenso werden dort sämtliche Einkäufe landwirtschaftlicher Betriebsmittel, der Jungtiere und Verkäufe des Mastgeflügels getätigt. Bankkonten werden nur in ..., am Verwaltungssitz der KG, geführt.
Eine enge Verknüpfung der Betriebsteile in ... und ... ist insbesondere auch dadurch gegeben, dass die in der Putenmast angefallenen Tierexkremente (Gülle und Festmist) auf die Ackerflächen in ... aufgebracht wurden.
Im Gegenzug wurden die in ... angebauten Produkte, wie Mais und Gerste, unter Einschaltung des Mühlenbetriebs - zur Herstellung bzw. zum Erwerb des Tierfutters verwendet, das dann in dem Putenmastbetrieb in ... verfüttert worden ist. Ebenso ist Stroh aus der Bodenbewirtschaftung in ... an den Putenmastbetrieb geliefert worden und dort in den Ställen zum Einsatz gekommen.
Das Argument des Beklagten, es sei nicht das "reine" in ... angebaute Getreide, sondern eine Futtermischung, der zum Teil 17 Komponenten beigemischt worden seien, in der Putenmast verfüttert und außerdem auch etwas an Futter und Stroh hinzugekauft für den Betrieb in ..., spricht insbesondere angesichts der gesetzlichen Fiktion in § 13 Abs. 1 EStG bezüglich des Schlüssels von Vieheinheiten pro ha nicht gegen die Annahme eines einheitlichen land- und forstwirtschaftlichen Betriebes.
Vom Wirtschaftsjahr 1965/66 an hat sich der Gesetzgeber von dem bis dahin geltenden Grundsatz der Abgrenzung nach der Futtererzeugungsmöglichkeit im eigenen Betrieb bzw. nach der tatsächlichen Verwendung von Eigenerzeugnissen für die Tierzucht und Tierhaltung gelöst. Das Gesetz unterschied bis dahin zwischen einer sogenannten "Zubehörtierhaltung" (Tierzucht oder Tierhaltung), für die die überwiegende Futtererzeugungsmöglichkeit im eigenen Betrieb vorhanden war - § 13 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1963 - und einer "speziellen Tierzucht und Tierhaltung" (die Tierzucht und Tierhaltung bestimmte das Gesamtbild des Betriebes). Jedoch mussten für die Annahme landwirtschaftlicher Tierzucht und Tierhaltung nachhaltig überwiegend Erzeugnisse verwendet werden, die im eigenen Betrieb mit Hilfe der Naturkräfte gewonnen wurden -§ 13 Abs. 1 Nr. 2 EStG 1963 -.
Vom Wirtschaftsjahr 1965/66 an gehören die gehaltenen oder erzeugten Tiere in vollem Umfang zur Landwirtschaft, wenn im Wirtschaftsjahr nicht mehr als die in § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG genannten Vieheinheiten je ha der vom Inhaber des Betriebes regelmäßig landwirtschaftlich genutzten Fläche erzeugt oder gehalten werden. Auf die Futtererzeugungsmöglichkeiten und den Umfang der tatsächlichen Eigenfutterverwendung sowie des Futtermittelzukaufs kommt es nicht an (vgl. hierzu Felsmann, Einkommenbesteuerung der Land- und Forstwirte, Abschnitt A Rdnr. 31, 31 a).
Der in § 13 Abs. 1 Nr. 1 EStG festgelegte Maßstab stellt eine nicht widerlegbare Fiktion für eine der wesentlichen Voraussetzungen der Zurechnung von Tierzucht und Tierhaltung zur Landwirtschaft dar, dass nämlich die gehaltenen Tiere eine ausreichende pflanzliche Futtergrundlage in dem Betrieb haben (BFH- Urteil vom 16.11.1978 IV R 191/74 BStBl II 1979, 246; BFH-Urteil vom 29.06.1988 X R 33/82, BStBl II 1988, 922). Agrarpolitisch wurde mit dieser Gesetzesfassung das Ziel verfolgt, die Produktionsgrundlagen für möglichst viele selbständige bäuerliche Betriebe zu bewahren und ausreichende Bestandsgrößen für landwirtschaftliche Betriebe in der Tierhaltung gerade auch im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit und die Sicherung von landwirtschaftlichem Einkommen zu ermöglichen (vgl. Altehoefer, Bsteuerung der Land- und Forstwirtschaft, 2. Auflage, S. 59).
Diese vom Gesetzgeber bewusst herbeigeführte Vereinfachung der Abgrenzung der landwirtschaftlichen von der gewerblichen Tierhaltung und Tierzucht kann im Rahmen der Gesamtwürdigung der betrieblichen Verhältnisse zur Beantwortung der Frage, was noch zu einem einheitlichen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft gehört, nicht ignoriert werden.
Außerdem hat sich die Verkehrsauffassung hinsichtlich des Erscheinungsbildes eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Den klassischen Bauernhof mit Tierhaltung und Bodenbewirtschaftung direkt bei oder in nächstem Umkreis zur Hofstelle gibt es immer weniger. Durchaus üblich ist das Hinzupachten auch weiter entfernt liegender Flächen sowie die Bewirtschaftung weiter entfernt liegender Betriebsteile. Auch der BFH hat in seinem Urteil vom 10.04.1997 IV 48/96 vor dem Hintergrund eines Falles mit zwei Betriebsstätten, die 82 km voneinander entfernt lagen, darauf hingewiesen, dass der strukturelle Wandel in der Landwirtschaft zur Ablösung des Leitbildes des arrondierten Hofes geführt habe (BFH/NV 1997, 749). Eine feste Grenze für die höchstzulässige Entfernung zwischen Betriebsteilen gebe es nicht.
Es lag in der unternehmerischen Entscheidung des Klägers, die langen Transportwege zwischen und für Gülle und Festmist einerseits sowie für Viehfutter und Stroh andererseits sowie die langen Anfahrtswege zwischen und hinzunehmen. Diese Entscheidung war betriebswirtschaftlich, solange die Geflügelpreise verhältnismäßig hoch waren, wie z.B. im Wirtschaftsjahr 1990/91, auch richtig. Steuerrechtlich ist diese unternehmerische Entscheidung nicht zu bewerten.
Auch das Argument des Beklagten, der Kläger habe die Ackerflächen nicht selbst bewirtschaftet und die Putenmast nicht selbst vor Ort betrieben, führt nicht dazu, dass statt eines einheitlichen land- und forstwirtschaftlichen Betriebes zwei getrennte Betriebe anzunehmen sind. Jeder Landwirt kann sich der Hilfe fremder Arbeitskräfte oder Maschinen bedienen. Dieses ändert nichts an der Qualifizierung seiner Einkünfte als solcher aus Land- und Forstwirtschaft.
Im übrigen hat der Kläger die Ackerflächen in ... mit seinem Einzelunternehmen bewirtschaftet und sich in ... lediglich eines Verwalters bedient und auch dort bei den sogenannten Ausstallungsarbeiten selbst und mit Aushilfskräften Hand angelegt. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 3 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).