Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 19.01.1999, Az.: I 859/97 Ki
Voraussetzungen für die Gewährung von Kindergeld; Steuerliche Bewertung des Aufbaustudiums "Meisterschüler" als Berufsausbildung für einen freischaffenden Künstler
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 19.01.1999
- Aktenzeichen
- I 859/97 Ki
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1999, 20378
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1999:0119.I859.97KI.0A
Rechtsgrundlagen
- § 32 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 EStG
- § 62 Abs. 1 EStG
- § 63 Abs. 1 EStG
Verfahrensgegenstand
Kindergeld für den Sohn Oliver für August und September 1997
Amtlicher Leitsatz
Das Aufbaustudium "Meisterschüler" ist keine Berufsausbildung für einen freischaffenden Künstler.
In dem Rechtsstreit
hat der I. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
im Einverständnis beider Parteien ohne mündliche Verhandlung
in der Sitzung vom 19. Januar 1999,
an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter ... am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ..., Richter am Finanzgericht ...
ehrenamtlicher Richter ..., ehrenamtlicher Richter ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird auf Kosten der Klägerin abgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Frage, ob der Sohn der Klägerin (Kl'in.) in den Monaten August und September 1997 für einen Beruf ausgebildet wurde und sie deshalb einen Anspruch auf Kindergeld hat.
Der am 19. Februar 1969 geborene Sohn Oliver der Kl'in. istnicht verheiratet und lebt in ihrem Haushalt. Oliver begann am 1. März 1989 damit, seinen gesetzlichen Zivildienst abzuleisten, der seinerzeit noch 20 Monate betrug. Im Jahre 1990 wurde die Dauer des Zivildienstes auf 15 Monate herabgesetzt. Die Gesetzesänderung trat zum 1. Oktober 1990 in Kraft. Oliver wurde daraufhin am 30. September 1990 nach Ableistung von 19 Monaten aus dem Zivildienst entlassen. Auf die schriftlichen Bestätigungen des Bundesamtes für den Zivildienst vom 28. November 1990 und 9. Oktober 1998 (Bl. 15 und 20 der Gerichtsakten - GA -) wird Bezug genommen. In der Folgezeit nahm Oliver an der Fachhochschule H das Studium "Freie Kunst" auf. Am 2. Juli 1997 schloss er das Studium erfolgreich mit der Diplomprüfung ab. Noch am selben Tag wurde er zum Aufbaustudium Freie Kunst "Meisterschüler" zugelassen. Auf die Bescheinigung der Fachhochschule H vom 11. Juli 1997 (Bl. 7 der Kindergeldakten des Beklagten - Bekl. -) wird verwiesen. Das Aufbaustudium dauert 1 Jahr und schließt mit einer Prüfung ab, in der der Nachweis einer eigenständigen künstlerischen Arbeit erbracht werden soll. Der erfolgreiche Abschluss des Aufbaustudiums schließt mit der Ernennung zum "Meisterschüler" ab. Zulassungsvoraussetzung für das Aufbaustudium ist der Diplomabschluss und eine besondere überragende künstlerische Befähigung.
Die im öffentlichen Dienst tätige Kl'in. erhielt für ihren Sohn laufend Kindergeld in Höhe von zuletzt 220,00 DM monatlich. Die Zahlung des Kindergeldes war zunächst befristet bis 31. Juli 1997. Mit Bescheid vom 24. Juni 1997 wurde ihr Kindergeld auch für die Monate August und September 1997 zuerkannt. Dieser Bescheid wurde nach erfolgreichem Abschluss der Diplomprüfung mit weiterem Bescheid vom 11. August 1997 aufgehoben und eine Kindergeldzahlung ab 1. August 1997 abgelehnt. Gegen diesen Bescheid hat die Kl'in. nach erfolglosem Vorverfahren Klage erhoben, mit der sie die Weiterzahlung des Kindergeldes für die beiden Monate August und September 1997 erstrebt. Sie ist der Auffassung, dass sich ihr Sohn auch nach dem Diplom noch in einer Berufsausbildung befunden habe und verweist dazu auf das Aufbaustudium zum "Meisterschüler". Ihr Sohn habe die Absicht, ein freischaffender bildender Künstler zu werden. Da für das Aufbaustudium nur hochbegabte Künstler berufen würden, komme dem Titel "Meisterschüler" auf dem Kunstmarkt ein weitaus höherer Stellenwert zu als dem einfachen Diplom. Somit diene das Aufbaustudium der enormen Verbesserung der beruflichen Perspektive und schaffe eigentlich erst die Basis für eine erfolgreiche künstlerische Laufbahn.
Die Kl'in. beantragt,
den Aufhebungs- und Ablehnungsbescheid vom 11. August 1997 und den Einspruchsbescheid vom 22. September 1997 aufzuheben.
Der Bekl. beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, dass das Aufbaustudium keine Berufsausbildung sei. In einer Berufsausbildung würden Fähigkeiten vermittelt, die die Ausübung eines künftigen Berufes ermöglichten. Das sei dem Sohn mit dem bestandenen Diplom gelungen. Die Ernennung zum Meisterschüler sei für die Tätigkeit eines Künstlers nicht zwingend erforderlich. Mit dem Titel Meisterschüler weise ein Künstler seine herausragende künstlerische Qualifikation nach, wobei die eigenständige künstlerische Arbeit im Vordergrund stehe. Damit sei das Aufbaustudium einer Promotion vergleichbar.
Wegen des Vortrags der Parteien im übrigen wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze im Klage- und Vorverfahren nebst Anlagen verwiesen.
Die Parteien haben durch Schriftsätze der Kl'in. vom 25. November 1997 und des Bekl. vom 19. Dezember 1997 auf eine mündliche Verhandlung vor dem Senat verzichtet.
Entscheidungsgründe
I.
Die Klage hat keinen Erfolg.
1.
Nach §§ 62 Abs. 1, 63 Abs. 1, 32 Abs. IV Satz 1 Nr. 2 a Einkommensteuergesetz (EStG) besteht ein Anspruch auf Kindergeldfür Kinder, die das 18., noch nicht aber das 27. Lebensjahr vollendet haben, wenn sie für einen Beruf ausgebildet werden. Hat ein Kind, das für einen Beruf ausgebildet wird, den gesetzlichen Zivildienst geleistet, so wird Kindergeld auch über das 27. Lebensjahr hinaus geleistet, und zwar für einen die Dauer dieses Dienstes entsprechenden Zeitraum, höchstens jedoch für die Dauer des gesetzlichen Zivildienstes (§ 32 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG).
2.
Im Streitfall hat der Sohn der Kl'in. bereits im Februar 1996 das 27. Lebensjahr vollendet. Dennoch ist mit dem Erreichen dieser Altersgrenze der Kindergeldanspruch der Kl'in. nicht erloschen, da ihr Sohn in der Zeit vom 1. März 1989 bis 30. September 1990 Zivildienst geleistet hat. Wie das Bundesamt für den Zivildienst dem Gericht auf Anfrage mitgeteilt hat, entspricht dieser Zeitraum der Dauer des gesetzlichen Zivildienstes (vgl. Bl. 20, 22 der GA). Folglich verlängert sich - sofern die Anspruchsvoraussetzungen im übrigen vorliegen - der Kindergeldanspruch um längstens 19 weitere Monate bis einschließlich September 1997.
3.
Obwohl der Sohn der Kl'in. die Altersgrenze in den im Streit befangenen Monaten August und September 1997 noch nicht erreicht hat, musste der Klage gleichwohl der Erfolg versagt bleiben, weil das Kind in dieser Zeit nicht mehr für einen Beruf ausgebildet wurde.
Der Begriff der Berufsausbildung ist im EStG nicht definiert. Wie der Bundesfinanzhof (BFH) nach ständiger Rechtsprechung zu den Kinderfreibeträgen erkannt hat, befindet sich in Berufsausbildung, wer sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernstlich darauf vorbereitet. Dabei wird das Berufsziel weitgehend von den Vorstellungen der Eltern und des Kindes bestimmt (BFH-Urteile vom 2. Juli 1993 III R 70/92, BFHE 172, 411, BStBl II 1994, 102; III R 81/91, BFHE 172, 59, BStBl II 1993, 870). Nach dem zum Kindergeld ergangenen Urteil des Bundessozialgerichtes (BSG) vom 27. September 1994 10 RKg 1/93 handelt es sich bei der Berufsausbildung um eine Ausbildung, die dazu dient, Fähigkeiten zu erlangen, die die Ausübung eines zukünftigen Berufes ermöglichen. Dazu werden Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt, die zum Erreichen des Ausbildungszieles und für die darauffolgende Erwerbstätigkeit benötigt werden. Für einen Juristen gehört die Vorbereitung auf die Promotion danach nicht mehr zur Berufsausbildung, weil eine Promotion für die Berufsausübung eines Juristen weder vorgeschrieben noch erforderlich ist. Ein begrifflicher Unterschied zwischen der Berufsausbildung im Sinne der steuerlichen Kinderfreibeträge einerseits und der im Sinne des Kindergeldrechtes andererseits besteht nicht. Wegen des dualen Systems des Kinderlastenausgleichs durch Gewährung von Kindergeld und steuerlichen Entlastungen in Form von Kinderfreibeträgen ist eine einheitliche Auslegung geboten (BFH, BFHE 172, 59).
Für den Streitfall ist der Senat der Überzeugung, dass der Sohn der Kl'in. seine Berufsausbildung mit der erfolgreichen Diplomprüfung im Juli 1997 abgeschlossen hat. Er strebte den Beruf eines freischaffenden bildenden Künstlers an. Diesen Beruf konnte er mit dem Diplom ausüben. Die Auszeichnung "Meisterschüler" ist für die Berufsausübung eines freischaffenden Künstlers nicht erforderlich. Das zeigt sich bereits daran, dass weniger begabte Künstler auch ohne diesen Titel erfolgreich beruflich tätig sind. Dass der Titel - vergleichbar einer Promotion - die berufliche Perspektive verbessert, worauf die Kl'in. zu Recht hingewiesen hat, berührt den Abschluss der Berufsausbildung als solcher nicht. Soweit das Finanzgericht Münster ein Promotionsstudium als Berufsausbildung anerkannt hat (Urteil vom 21. April 1998 15 K 4283/96 Kg, EFG 1998, 1687), folgt dem der Senat nicht.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Der Senat hat die Revision gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Zu der Frage, ob das Aufbaustudium "Meisterschüler" einer Berufsausbildung gleichkommt, liegt höchstrichterliche Rechtsprechung bislang nicht vor.