Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 13.01.1999, Az.: XII 533/98
Pauschale Ermittlung von Werbungskosten bei Gebäuden die Wohnzwecken dienen; Annahme eines durchlaufenden Postens; Gezahlte Mietnebenkosten eines Mieters an den Vermieter als Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 13.01.1999
- Aktenzeichen
- XII 533/98
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1999, 19469
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1999:0113.XII533.98.0A
Rechtsgrundlagen
- § 9a S. 1 Nr. 2 EStG
- § 8 Abs. 1 EStG
- § 4 Abs. 3 S. 2 EStG
Verfahrensgegenstand
Einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 1996
Amtlicher Leitsatz
Mietnebenkosten kein durchlaufender Posten, sondern Einnahmen. Bei pauschaler Ermittlung der Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung gehören die vom Mieter an den Vermieter gezahlten Mietnebenkosten zu den Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung, EStG § 9 a Satz 1 Nr. 2, § 8 Abs. 1
In dem Rechtsstreit
hat der XII. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung
in der Sitzung vom 13. Januar 1999,
an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter ... am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
ehrenamtliche Richterin ... Sparkassenkauffrau
ehrenamtlicher Richter ... Prokurist
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerinnen tragen die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, wie Umlagen bei Anwendung des § 9 a Satz 1 Nr. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) im Jahre 1996 steuerlich zu behandeln sind.
Die Klägerinnen (Kl.) sind Eigentümer zweier Häuser; in einem der Häuser bewohnen sie eine Wohnung gemeinsam mit ihren Eltern, die anderen Wohnungen sind vermietet.
In ihrer Erklärung zur einheitlichen und gesonderten Feststellung von Einkünften für das Jahr 1996 machten sie als Werbungskosten die Pauschbeträge von 3.755 DM und 12.869 DM geltend, in Zeile 5 der Anlagen V (Umlagen) machten sie jeweils einen Strich. Das beklagte Finanzamt (FA) erfasste, da Einnahmen aus Umlagen nicht erklärt waren, im Schätzungswege Einnahmen aus Umlagen in Höhe der Pauschalen.
Im Einspruchsverfahren erklärten die Kl., im Streitjahr Einnahmen aus Umlagen in Höhe von 7.201 DM und 2.017 DM erzielt zu haben. In einem Änderungsbescheid wurden diese Einnahmen erfasst und die Pauschalen abgezogen. Der Einspruch wurde alsdann durch förmlichen Bescheid zurückgewisen.
Hiergegen wenden sich die Kl. mit ihrer Klage, die sie im Wesentlichen damit begründen, dass Umlagen für Wärme, Wasser, Abwasser, Müllabfuhr, Grundsteuer usw. nicht zu den Einnahmen bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung zählten, sondern durchlaufende Posten seien. Die Umlagen dienten allein dazu, Auslagen erstattet zu bekommen, nicht aber dazu, Einkünfte zu erzielen. Durch derartige durchlaufende Posten werde die steuerliche Leistungsfähigkeit von Grundstückseigentümern nicht gesteigert. Im Übrigen gelangten die Umlagebeträge gar nicht in den Besitz der Kl., sondern würden, wie vereinbart, an die Hausverwaltung gezahlt, die die Beträge weiterleite. Somit hätten sie nicht einmal eine Möglichkeit, über diese Beträge selbst zu verfügen.Auch aus diesem Grunde könne es sich nicht um steuerpflichtige Einnahmen handeln.
Die Kl. beantragen sinngemäß,
unter Aufhebung der Einspruchsbescheide vom 23. Juli 1998 und Änderung des Feststellungsbescheids vom 11. Februar 1998 die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung 1996 auf 18.649 DM herabzusetzen und sie den Kl. je zur Hälfte zuzurechnen.
Das beklagte FA beantragt Klagabweisung aus Rechtsgründen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Nach § 9 a Satz 1 Nr. 2 EStG können bei Gebäuden, die Wohnzwecken dienen, die Werbungskosten pauschal ermittelt werden. Daneben können nur bestimmte, in § 9 a Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG genannte Werbunskosten abgezogen werden. Dazu gehören die von den Kl. als Umlagen vereinnahmten Beträge nicht. Denn bei den umgelegten Aufwendungen handelt es sich nicht um durchlaufende Posten, sondern um Einnahmen der Kl. aus den Mietverhältnissen.Durchlaufende Posten sind solche Einnahmen, die im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt werden (§ 4 Abs. 3 Satz 2 EStG, ebenso Brockhaus-Wahrig, Deutsches Wörterbuch, "durchlaufen 1" Nr. 6). Es reicht hiernach nicht aus, dass sie im Interesse eines anderen vereinnahmt und verausgabt werden; auch ist es unerheblich, wenn die Beträge später erstattet werden.
Entscheidend ist vielmehr, dass die Kl. Vertragspartner der Ent- und Versorgungsunternehmen usw. sind und den Mietern gegenüber zur Ent- und Versorgung verpflichtet sind. Die Mieter wären, wenn die Kl. als Vermieter nicht ihre mietvertraglichen Nebenpflichten erfüllen, zur Minderung der Miete berechtigt (Bilsdorfer, Information 1997, 395, 398). Die Kl. erfüllten somit durch die Zahlung der umlegbaren Aufwendungen eine eigene Verpflichtung und handelten nicht wie es bei durchlaufenden Posten geschieht, im Namen und für Rechnung ihrer Mieter.
Zahlt ein Vermieter die Beträge, die im Regelfall von den Mietern als Umlage erhoben werden, aus eigener Tasche, ohne von den Mietern ihre Erstattung zu verlangen, handelt es sich um Werbungskosten (Schmidt, EStG, 17. Aufl., § 21 Anm. 65 "Umlagen"). Dies ist gerechtfertigt, weil der Vermieter diese Aufwendungen trägt, um Einnahmen aus dem Mietverhältnis zu erzielen, sie sind daher durch das Mietverhältnis veranlasst (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG, Bilsdorfer, a.a.O.). Nimmt ein Vermieter Beträge ein, die Werbungskosten ersetzen, sind diese im Jahre des Zuflusses steuerliche Einnahmen bei der Einkunftsart, bei der die Aufwendungen als Werbungskosten abzuziehen sind (BFH-Urteil vom 22.09.1994 IX R 13/93, BStBl II 1995, 118 m.w.N.). Als Werbungskosten ist ihr Abzug neben der Pauschale nicht zulässig (§ 9 a Satz 1 Nr. 2, Satz 2 EStG, ebenso Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 22.07.1998 III 347/97, EFG 1999, 17, und Urteil des Finanzgerichts München vom 15.09.1998 2 K 2551/97, EFG 1999, 19); die Umlagen sind sogar der Hauptbestandteil der mit den Werbungskostenpauschalen abgegoltenen Beträge (Urban, Finanzrundschau 1996, 1, 7).
Die von den Kl. gegen dieses Ergebnis vorgebrachten Einwendungen greifen nicht durch. Nicht nachvollziehbar ist ihr Vortrag, sie hätten die Verwaltung der Gelder einer Hausverwaltung übertragen und deshalb keinen Zugriff auf sie. Die Hausverwaltung ist den Weisungen der Eigentümer unterworfen, so dass die Empfangnahme von Geldern durch sie den Kl. als den Eigentümern zuzurechnen ist (§ 39 Abgabenordnung - AO -). Auch im Falle der Weiterleitung der als Umlagen von der Hausverwaltung eingenommenen Gelder durch die Hausverwaltung sind sie zunächst zugeflossen im Sinne von § 11 EStG (BFH-Urteil vom 30.01.1975 IV R 190/71, BStBl II 1975, 776). Die Kl. werden auch nicht ersthaft bestreiten können, dass die Mieten, sollten auch sie nach den Mietverträgen andie Hausverwaltung und nicht an sie zu entrichten sein, ihnen nicht zugeflossen seien, sondern erst zu dem Zeitpunkt, in dem diese die Mieten an sie auskehrt. Dass ihre steuerliche Leistungsfähigkeit durch die Umlagen und ihre Weiterleitung nicht erhöht wird, ist offenkundig. Sie haben jedoch durch die Inanspruchnahme der Pauschalierung der Werbungskosten einen nicht unerheblichen steuerlichen Vorteil (Urban, a.a.O., S. 9), wird doch durchsie bereits das zu versteuernde Einkommen statt um 9.218 DM - den Betrag der eigenen umlagefähigen Aufwendungen - um 13.624 DM gemindert.
Den von den Kl. angeführten Literaturstellen vermag der Senat aus den angeführten Gründen nicht zu folgen. Soweit sie sich auf gesetzliche Vorschriften beziehen, die als Sonderregelung für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit geschaffen worden sind, ist eine entsprechende Anwendung auf andere Einkunftsarten nicht möglich.
Da die entschiedene Rechtsfrage in zahlreichen Fällen von Bedeutung ist und wegen einander widersprechender Literaturmeinungen ein Klärungsbedarf durch die höchstrichterliche Rechtsprechung besteht, ist die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Gegen dieses Urteil ist die Revision zugelassen worden.