Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 19.01.1999, Az.: I 158/98 Ki

Voraussetzungen der Gewährung von Kindergeld für ein volljähriges Kind; Voraussetzung der Arbeitslosigkeit des Kindes; Begriff der Arbeitslosigkeit

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
19.01.1999
Aktenzeichen
I 158/98 Ki
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1999, 19470
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1999:0119.I158.98KI.0A

Verfahrensgegenstand

Zum Begriff der Arbeitslosigkeit

Kindergeldes für die Tochter Natascha für die Monate April bis August 1997

Der I. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat
ohne mündliche Verhandlung
in der Sitzung vom 19. Januar 1999,
an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter ... am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
ehrenamtlicher Richter ...
ehrenamtlicher Richter ...
fürRecht erkannt:

Tenor:

Der Bescheid des Beklagten vom 16. Oktober 1997 und die Einspruchsentscheidung vom 26. Januar 1998 werden insoweit aufgehoben, als die Festsetzung von Kindergeld für die Tochter Natascha für die Monate April bis August 1997 abgelehnt worden ist. Der Beklagte wird verpflichtet, für den Kläger für die Monate April bis August 1997 Kindergeld für Natascha festzusetzen.

Der Beklagte trägt die Kosten.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Geldbetrages in Höhe der an den Kläger zuerstattenden Kosten abwenden, sofern dieser nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig.

Tatbestand

1

Im Streit ist das Kindergeld für die Tochter Natascha, geboren am 18.07.1978, für die Monate April bis August 1997.

2

Natascha arbeitete ab 25.11.1996 bei der Firma Z GmbH, Lizenznehmer der Firma D.. Das Arbeitsverhältnis wurde vom Arbeitgeber zum 20.01.1997 gekündigt. Sie meldete sich am 13.01.1997 beim Arbeitsamt als arbeitslos. Die Firma E. "G. f." A. B. Osnabrück hat mit Datum vom 29.09.1998 der Tochter Natascha folgendes bestätigt:

"Sehr geehrte Frau Lahrmann,

hiermit bestätige ich Ihnen, daß Sie als Geringverdiener (Aushilfe) von März bis Mai 1997 bei mir beschäftigt waren. Die monatlichen Arbeitszeiten waren variabel bei einem Stundenlohn von DM 10,-.

Im Monat März haben Sie DM 260,-, im April DM 380,- und im Mai 97 DM 470,- verdient."

3

Auf die Kopie des Schreibens - Bl. 29 der Gerichtsakte (GA) -wird Bezug genommen.

4

In den Kindergeldakten befindet sich auf Bl. 67 Rs. folgender handschriftlicher Vermerk, datiert vom 27.02.1997: "Ab 07.03.1997 Arbeitsaufnahme der Tochter Natascha laut telefonischer Mitteilung der Tochter."

5

Der Kläger (Kl.) hat am 10.09.1997 Kindergeld für Natascha beantragt. Der Beklagte (Bekl.) hat mit Bescheid vom 16.10.1997 für die Monate Januar bis März 1997 und ab September 1997 Kindergeld für Natascha bewilligt, für die Monate April bis August 1997 nicht, weil die Tochter weder bei der Berufsberatung noch bei der Arbeitsvermittlung gemeldet gewesen sei. Gegen die Ablehnung der Kindergeldfestsetung für April bis August 1997 richtet sich nach erfolglosem Vorverfahren die Klage, zu deren Begründung der Kl. ausführt:

6

Am 13.01.1997 habe sich Natascha in der Arbeitsvermittlung des Arbeitsamtes Osnabrück arbeitssuchend gemeldet. Diese Arbeitslosenmeldung habe die Tochter Natascha in den folgenden Monaten nicht zurückgenommen. Sie habe insbesondere keinen Arbeitsplatz gefunden, sondern habe fortwährend der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden. Natascha sei lediglich zwischendurch einer geringfügigen Beschäftigung in einer Eisdiele nachgegangen. Dieses geringfügige Beschäftigungsverhältnis ändere jedoch nichts daran, dass Natascha auch in dieser Zeit arbeitslos gewesen sei und der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden habe. Natascha habe dem Arbeitsamt die geringfügige Beschäftigung und die Höhe ihres Verdienstes und die Arbeitsbedingungen mitgeteilt, sie habe dabei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich nur um ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis handele und sie weiterhin der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehe. Sie habe sich nicht ab dem 07.03.1997 beim Arbeitsamt abgemeldet. Danach sei Natascha nach § 32 Abs. 4 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) als Kind zu berücksichtigen und Kindergeld nach §§ 62 Abs. 1 Nr. 1, 63 Abs. 1 Nr. 1 EStG auch für die Monate April bis August 1997 zu gewähren.

7

Der Kl. beantragt sinngemäß,

den Bescheid des Bekl. vom 16.10.1997 und die Einspruchsentscheidung vom 26.01.1998 insoweit aufzuheben, als Kindergeld für die Tochter Natascha für die Monate April bis August 1997 abgelehnt worden ist, und den Bekl. zu verurteilen, an den Kl. für die Monate April bis August 1997 für die Tochter des Kl., Natascha, geboren am 18.07.1978, Kindergeld zu zahlen.

8

Der Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen.

9

Der Bekl. trägt vor: Die Tochter Natascha könne nicht nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 a bis c EStG als Kind berücksichtigt werden. Insbesondere lägen die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG nicht vor. Als arbeitslos im Sinne dieser Vorschrift sei ein Kind anzusehen, das die Voraussetzungen des § 101 i.V.m. § 102 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) erfülle.Nach Aktenlage habe sich Natascha am 13.01.1997 beim Arbeitsamt O als arbeitslos gemeldet. In dem Antrag auf Auszahlung des anteiligen Kindergeldes vom 13.01.1997 habe sie erklärt, dass sie sich nicht in einer Ausbildung befinde und keinen Ausbildungsplatz suche, sondern sich arbeitslos melde. Telefonisch habe sie am 27.02.1997 mitgeteilt, dass sie ab 07.03.1997 eine Arbeit aufnehmen werde. Der entsprechende Aktenvermerk enthalte keinen Hinweis darauf, dass Natascha nähere Angaben zu ihrem Beschäftigungsverhältnis gemacht habe. Mit der Abmeldung "in Arbeit ab 07.03.1997" sei die Tochter nicht mehr arbeitssuchend und auch nicht mehr arbeitslos. Arbeitslos im Sinne des AFG sei ein Arbeitnehmer, der vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehe oder nur eine geringfügige Beschäftigung ausübe - § 101 Abs. 1 AFG -. Die Beschäftigung der Tochter sei mehr als nur geringfügig im Sinne von§ 8 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch (SGB IV) gewesen.

10

Im übrigen wird auf den Inhalt der GA und der Kindergeldakte des Bekl. Bezug genommen.

11

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung vor dem Senat verzichtet.

Entscheidungsgründe

12

Die Klage ist begründet.

13

Der Kl. hat Anspruch auf Kindergeld für die Tochter Natascha auch für die Monate April bis August 1997 nach § 62 Abs. 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 Nr. 1, § 32 Abs. 1 und 4 EStG.

14

Nach § 32 Abs. 4 Nr. 1 EStG wird ein Kind, das das 18. aber noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat, berücksichtigt, wenn es arbeitslos ist und der Arbeitsvermittlung im Inland zur Verfügung steht. Diese Voraussetzungen lagen in den Monaten April bis August 1997 vor, und zwar aus folgenden Gründen:

15

Der Begriff der Arbeitslosigkeit ist in § 101 Abs. 1 AFG definiert, danach ist arbeitslos ein Arbeitnehmer, der vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht oder nur eine geringfügige Beschäftigung (§ 8 des 4. Buches des SGB) ausübt.Nach der Verdienstbescheinigung der Firma E vom 29.09.1998 hat Natascha nur eine geringfügige Beschäftigung in diesem Sinne ausgeübt. Sie hat der Arbeitsvermittlung auch im Sinne von§ 103 AFG zur Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden. Das Gericht kann aus den Akten nicht feststellen, dass Natascha sich beim Arbeitsamt in dem Sinne abgemeldet hat, dass sie keine Beschäftigung mehr vermittelt haben wollte. Der handschriftliche Vermerk vom 27.02.1997 auf der Rückseite von Bl. 67 der Kindergeldakten sagt darüber nichts aus. Er enthält insbesondere keinen Hinweis auf den Umfang und die Art der beabsichtigten Tätigkeit, ob mit der beabsichtigten Arbeitsaufnahme die Arbeitslosigkeit behoben werden sollte. Der Kl. selbst hat zu Protokoll am 05.03.1997 - Bl. 68 Kindergeldakten - erklärt: "Ob Natascha ab 07.03.1997 erwerbstätig ist, ist nicht bekannt."

16

Danach ist davon auszugehen, dass die Arbeitslosmeldung vom 13.01.1997 fortgalt und Natascha der Arbeitsvermittlung weiterim Sinne von§ 32 Abs. 4 Nr. 1 EStG zur Verfügung stand.

17

Der Klage war danach stattzugeben.

18

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1,§ 139 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung. Die übrigen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 151 Abs. 3 und 155 FGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.

19

Die Revision ist nicht zugelassen worden.