Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 08.01.2007, Az.: 7 ME 187/06

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
08.01.2007
Aktenzeichen
7 ME 187/06
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2007, 63279
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2007:0108.7ME187.06.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Braunschweig - AZ: 2 B 426/06

Tatbestand:

1

I.

Die Antragsgegnerin erteilte dem Beigeladenen mit Bescheid vom 9. Oktober 2006 eine gaststättenrechtliche Erlaubnis für die Durchführung eines "Oktoberfestes" am 14. Oktober 2006 im Hinterhof des Grundstücks E., F.. Die Antragsteller sind Nachbarn dieses Grundstücks und wandten sich daraufhin wegen einer befürchteten dauerhaften und baurechtlich beachtlichen Umnutzung dieses Hinterhofes an die Antragsgegnerin, Abteilung Stadtplanung und Bauberatung, mit dem Ziel eines bauaufsichtlichen Einschreitens gegen die beabsichtigte (gaststättenrechtliche) Nutzung des Hinterhofes.

2

Mit Beschluss vom 13. Oktober 2006 hat das Verwaltungsgericht auf Antrag der Antragsteller festgestellt, dass ihr Widerspruch gegen die dem Beigeladenen erteilte gaststättenrechtliche Erlaubnis aufschiebende Wirkung entfaltet, da die Antragsteller von der Durchführung des Oktoberfestes unmittelbar betroffen wären und die Missachtung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs durch die Antragsgegnerin und den Beigeladenen zu erwarten sei. Im Übrigen hat es den weiteren, auf bauaufsichtliches Einschreiten gerichteten Antrag abgelehnt. Am gleichen Tage legten die Antragsteller bei der Antragsgegnerin faxnachrichtlich nochmals ausdrücklich Widerspruch gegen die gaststättenrechtliche Erlaubnis ein.

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Gegen die Feststellung im verwaltungsgerichtlichen Beschluss wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer am 23. Oktober 2006 erhobenen Beschwerde. Nach ihrer Auffassung habe sich zwar durch Verstreichen des für das Oktoberfest des Beigeladenen geplanten Termins die beantragte einstweilige Anordnung erledigt. Gleichwohl dauere ihre materielle Beschwer - die Belastung mit Verfahrenskosten - fort. Ein Rechtsschutzbedürfnis für die Beschwerde sei damit anzuerkennen. Inhaltlich sei der Beschluss nicht tragfähig, da gegen die erteilte gaststättenrechtliche Erlaubnis der Widerspruch nicht statthaft sei und die nachbarlichen Interessen durch die Beschränkung der Betriebszeit auf 16.00 bis 22.00 Uhr gewahrt gewesen seien.

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Die Antragsgegnerin beantragt,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 13. Oktober 2006 abzuändern und den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abzulehnen.

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Die Antragsteller sind der Beschwerde entgegen getreten. Der Beigeladene hat sich nicht geäußert.

Gründe

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II.

Die Beschwerde ist unzulässig.

7

Ein Rechtsschutzbedürfnis für den von der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren gestellten Sachantrag ist nicht anzuerkennen. Denn tritt zwischen den Instanzen eine Erledigung des Hauptsacheverfahrens ein (hier Verstreichen des Termins für das geplante "Oktoberfest"), bedarf es einer Abänderung der erstinstanzlichen Sachentscheidung nicht mehr, da eine solche Änderung einen rechtlichen Vorteil nicht mehr bringen könnte.

8

Soweit die Antragsgegnerin das Rechtsschutzbedürfnis mit der erstinstanzlichen Kostengrundentscheidung begründet, wonach sie die Verfahrenskosten zu tragen hat, vermag dies den Sachantrag ebenfalls nicht zu rechtfertigen, da die Kostenlast lediglich eine formelle, aber nicht eine materielle Beschwer begründet. Die Zulässigkeit der Einlegung einer Beschwerde ausschließlich mit dem Ziel einer günstigeren Kostenentscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist selbst für den Fall umstritten, wenn mit ihr die Hauptsache für erledigt erklärt wird. Denn nach § 158 Abs. 1 VwGO sei die Anfechtung der Entscheidung über die Kosten unzulässig, wenn nicht gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt werde, und bei einer Erledigung der Hauptsache zwischen den Instanzen komme eine Darlegung der Beschwerdegründe im Sinne von § 146 Abs. 4 S. 3 VwGO in Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Beschluss nicht mehr in Betracht. Ein Rechtsschutzbedürfnis sei allenfalls dann und ausnahmsweise anzuerkennen, wenn etwa der Rechtsmittelführer ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Unwirksamkeit der erstinstanzlichen Entscheidung in der Sache habe (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 31.05.2002 - 21 B 931/02 -, NVwZ-RR 2002, 895; Bader, VwGO, 3. Aufl., § 146, Rn. 37). Demgegenüber ist der überwiegende Teil der Rechtsprechung und Literatur der Auffassung, dass das Rechtsschutzbedürfnis für eine zum Zweck der Erledigungserklärung eingelegte Beschwerde regelmäßig gegeben ist, wenn hierdurch eine günstigere Kostenentscheidung erreicht werden kann (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 27.101997 - 7 M 4238/97 -, NVwZ-RR 1998, 337; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 16.12.2002 - 13 S 1743/02-, NVwZ-RR 2003, 392; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 26.03.2003 - 8 B 82/03 -, NVwZ-RR 2003, 701; Clausing, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: April 2006, § 161, Rn. 19a; Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 146, Rn. 42 a. E.; wohl auch Guckelberger, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl., § 146, Rn. 83). Dieser Streit bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Denn selbst wenn der Senat im Anschluss an seine frühere Rechtsprechung an der überwiegend vertretenen Auffassung zu Gunsten der Antragsgegnerin festhalten und eine Beschwerde mit dem Ziel einer günstigeren Kostenentscheidung für zulässig erachten würde, wäre vorliegend ein Rechtsschutzbedürfnis nicht anzuerkennen, da die Antragsgegnerin ihren Sachantrag, auf dessen Unzulässigkeit der Senat hingewiesen hat, nicht umgestellt und die Hauptsache nicht mit dem o. g. Ziel für erledigt erklärt hat. Auf die offensichtliche inhaltliche Unrichtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung - die Feststellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die gaststättenrechtliche Erlaubnis war schon deshalb rechtswidrig, weil der Widerspruch gemäß § 8a Nds. AG VwGO unstatthaft war - kommt es damit nicht an.

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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst, da er keinen Antrag gestellt und sich damit einem Kostenrisiko nicht ausgesetzt hat. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 63 Abs. 2 S. 1, 53 Abs. 3, 52 Abs. 1, 39 Abs. 1 GKG. Der Wert des für die Streitwertfestsetzung maßgeblichen Antrags der Rechtsmittelführerin richtet sich grundsätzlich und auch vorliegend nach dem von der Bedeutung für - hier - die Antragsteller abhängigen Streitwert (BVerwG, Beschl. v. 01.08.2001 - 3 C 19.00 -, Buchholz § 14 GKG Nr. 6; Beschl. v. 09.11.1988 - 4 B 185.88 -, NVwZ-RR 1989, 280). Dieser war in Anlehnung an Nr. 19.2 i. V. m. Nr. 2.2.2 des Streitwertkatalogs 2004 (u. a. veröffentlicht in DVBl. 2004, 1525) zu bestimmen und auf 7.500,- EUR für jedes betroffene Nachbargrundstück, also auf insgesamt 15.000,- EUR festzusetzen. Der Senat vermindert dabei in ständiger Rechtsprechung entgegen der Empfehlung des Streitwertkataloges den Streitwert in Eilverfahren nicht, weil § 53 Abs. 3 GKG für Verfahren nach § 80 Abs. 5 und § 123 VwGO uneingeschränkt auf § 52 Abs. 1 GKG verweist und der gegenüber dem Hauptsacheverfahren möglicherweise geringeren Bedeutung der erstrebten vorläufigen Regelung durch die geringeren Gebührensätze des Kostenverzeichnisses der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG (lfd. Nrn. 5210 ff.) Rechnung getragen wird.