Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 11.10.2022, Az.: 11 Sa 196/22 E

Lehramtsbefähigung für Gymnasien bei Einsatz des Lehrers im Sekundarbereich I einer integrierten Gesamtschule; Eingruppierungsregelungen gem. § 12 TV-L

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
11.10.2022
Aktenzeichen
11 Sa 196/22 E
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2022, 48882
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2022:1011.11Sa196.22.00

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Hannover - 26.01.2022 - AZ: 1 Ca 276/21 E

Fundstelle

  • öAT 2023, 37

Amtlicher Leitsatz

In dem durch Schulgesetz und konkretisierende Erlasse im Land Niedersachsen geregelten Rahmen entspricht die Tätigkeit einer angestellten Lehrkraft, der als sog. Quereinsteiger eine Lehrbefähigung für ein Fach an Gymnasien zuerkannt wurde, und die im Sekundarbereich I einer integrierten Gesamtschule eingesetzt ist, ihrer Lehrbefähigung für Gymnasien. Sie ist nach Abschnitt 2 der Anlage EntgO-L in Entgeltgruppe 12 eingruppiert.

Redaktioneller Leitsatz

Die Lehrkraft ist in der Entgeltgruppe eingruppiert, die sich für die gesamte von ihr nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit aus den Eingruppierungsregelungen ergibt. Es kommt danach nicht auf die Bildung von Arbeitsvorgängen an.

Tenor:

  1. 1.

    Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover - 1 Ca 276/21 E - vom 26.01.2022 wird zurückgewiesen.

  2. 2.

    Das beklagte Land trägt die Kosten der Berufung.

  3. 3.

    Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Eingruppierung der Klägerin nach der Entgeltordnung für Lehrkräfte der Länder (TV EntgeltO-L). Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht Hannover hat mit Urteil vom 26.01.22 der Klage stattgegeben und festgestellt, dass das beklagte Land verpflichtet ist, der Klägerin ab 00.00.2020 Vergütung nach Entgeltgruppe 12 TV-L zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei als Eingruppierungsfeststellungsklage zulässig; die Entgeltstufe sei zwischen den Parteien nicht streitig. Nach Abschnitt 2 Ziffer 2 Satz 2 und 3 der Anlage EntgeltO-L habe die Klägerin einen Anspruch auf Vergütung nach Entgeltgruppe 12 TV-L. Für die Klägerin als Lehrkraft sei nach Abschnitt 2 Ziffer 2 Satz 2 das Beamtenverhältnis zugrunde zu legen, in das sie übernommen werden könnte, wenn sie aufgrund eines einschlägigen abgeschlossenen Lehramtsstudiums die Fähigkeit zum Unterricht und den Vorbereitungsdienst abgeschlossen hätte. Die von der Klägerin als Diplom-Biologin abgeschlossene wissenschaftliche Hochschulbildung sei vom beklagten Land als dem Lehramt an Gymnasien entsprechend anerkannt worden. Aufgrund dieses Studiums habe die Klägerin die fachlichen Voraussetzungen zum Unterricht in mindestens einem Schulfach. Die Qualifizierungsphase für das Lehramt habe sie erfolgreich abgeschlossen. Nach Abschnitt 2 Ziffer 2 Satz 3 der Anlage EntgeltO-L sei sie nach Entgeltgruppe 12 TV-L zu vergüten, weil eine Gymnasiallehrkraft der Besoldungsgruppe A 13 zugeordnet sei.

Irrelevant sei, dass die Klägerin in der IGS I. im Sekundarbereich I unterrichte. Nach Abschnitt 2 Vorbemerkung 2 Satz 1 und 3 sei die Lehrkraft nach der Tätigkeit eingruppiert, die mindestens zur Hälfte anfällt, wenn sie ihre Tätigkeit an verschiedenen Schulformen oder in mehreren Schulzweigen oder Klassenstufen auszuüben habe. Dies komme jedoch nicht zum Tragen, weil die integrierte Gesamtschule kein Schulzweig, sondern eine Schulform sei, die auch nicht in Schulzweige untergliedert sei (BAG 6 AZR 321/19). Auf den Abschnitt 2 Ziffer 2 Satz 2 letzter Halbsatz der Anlage EntgeltO-L komme es jedenfalls nicht an. Die Lehrkräfte in integrierten Gesamtschulen im Sekundarbereich I hätten nicht nur den Stoff von Haupt- und Realschulen, sondern auch den des Gymnasiums zu unterrichten. Dies decke sich mit der unstreitigen Praxis des beklagten Landes, wonach Gymnasiallehrkräfte in der IGS auch in der Sekundarstufe I zum Einsatz kommen. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass innerhalb der Klassenstufen der integrierten Gesamtschule stets im Unterricht eine Ausdifferenzierung erfolge. Dies beinhalte die Unterrichtung eines Teils der Schülerschaft auf gymnasialem Niveau. Die Klägerin übe also im Sekundarbereich I eine Tätigkeit als Gymnasiallehrer aus.

Gegen dieses ihm am 15.02.2022 zugestellte Urteil hat das beklagte Land am 11.03.2022 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsfrist fristgemäß am 11.05.2022 begründet.

Zur Begründung führt es aus, die tarifrechtlichen Fragen zur Auslegung des maßgeblichen Abschnitt 2 Ziffer 2 Abs. 2 der Entgeltordnung seien vom Bundesarbeitsgericht bisher noch nicht entschieden worden. Die Fragestellung betreffe ca. 380 Lehrkräfte im L. Die in dem angefochtenen Urteil wiederholt zitierte Entscheidung des BAG vom 16.07.2020 6 AZR 321/19 habe allein die Auslegung des Abschnitts 5 der EntgeltO-L betroffen. Die 4., 6., 12. und 14. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen hätten in diversen stattgebenden Verfahren die Revision nicht zugelassen. Erstmalig mit Urteilen der 8. Kammer aus Mai 2022 seien entsprechende Eingruppierungsfeststellungsklagen abgewiesen worden. Die Verfahren befänden sich zurzeit in der Revision.

Das Arbeitsgericht lege zutreffend dem Abschnitt 2 Ziffer 2 zugrunde. Das sei von Bedeutung, weil nur hier aber gemäß letztem Halbsatz die positive Feststellung zu treffen sei, dass die Tätigkeit der Lehramtsbefähigung entspreche. Nach Rechtsauffassung des beklagten Landes sei die Klage abzuweisen, weil die Tätigkeit im Sekundarbereich I einer IGS der Tätigkeit an einem Gymnasium nicht entspreche und eine solche Feststellung nicht getroffen werden könne, weil diese Tätigkeit "nur" der Tätigkeit an einer Haupt- bzw. Realschule entspreche. Eine "Gymnasialentsprechung" sei auch nicht im Urteil des 6. Senats festgestellt worden. Das Bundesarbeitsgericht habe dort lediglich festgestellt, dass die Tätigkeit im Sekundarbereich I einer IGS nicht einer anderen als der Lehrerausbildung der Klagepartei entsprochen habe.

Der maßgebliche Abschnitt 2 gelte für Lehrkräfte, bei denen die fachlichen und pädagogischen Voraussetzungen für die Übernahme in das Beamtenverhältnis nicht erfüllt sind (sog. Nichterfüller).

Die Gleichwertigkeitsfeststellung des Arbeitsgerichts auf S. 8 des Urteils ("die Klägerin übt also im Sekundarbereich I eine Tätigkeit als gymnasiale Lehrkraft aus") treffe nicht zu. Denn die Tätigkeit im Sekundarbereich I einer IGS entspreche nicht der Tätigkeit an einem Gymnasium, bei dem der gesamte Klassenverband auf gymnasialem Niveau durchgeführt werde. Sie entspreche nicht allein deshalb im Tarifsinne der Tätigkeit einer Gymnasialkraft, weil im Rahmen der Binnendifferenzierung ein Teil der Schülerschaft auf gymnasialem Niveau unterrichtet werde bzw. unterrichtet werden solle.

Im Sekundarbereich I einer IGS würden Schüler unterschiedlicher Leistungsstärke unterrichtet, die nach den klassischen Schulformen sowohl Hauptschulniveau, Realschulniveau und Gymnasialniveau entsprächen. Das "Durchschnittsniveau" entspreche somit der Tätigkeit an einer Realschule. Allein die wissenschaftliche Qualifikation und die Gymnasiallehramtsbefähigung führten nicht zu einer Eingruppierung in die Entgeltgruppe 12; hinzukommen müsse (arbeitszeitlich überwiegend) die Tätigkeit auf gymnasialem Niveau. Danach hätte das Arbeitsgericht zutreffend feststellen müssen, dass die Klägerin in die Entgeltgruppe 10 eingruppiert sei.

Das beklagte Land beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 26.01.2022 - 1 Ca 276/21 E - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das beklagte Land vertrete die Auffassung, dass es zwischen dem Abschnitt 2 und Abschnitt 5 der EntgO-L einen wesentlichen Unterschied bezüglich der Darlegungs- und Beweislast gäbe. Das sei nicht zutreffend, es komme aber auch nicht darauf an.

Es sei essentieller Bestandteil integrierter Gesamtschulen, dass dort neben anderen Lehrkräften beamtete Gymnasiallehrer in ihrer Funktion als Gymnasiallehrer tätig seien.

Eine im Sekundarbereich I einer integrierten Gesamtschule eingesetzte Lehrkraft mit gymnasialer Lehrbefähigung nehme die Tätigkeit einer beamteten Gymnasiallehrerin im Sinne des Abschnitt 2 Ziffer 2 EntgO-L wahr. Das ergebe sich zwingend aus den gesetzlichen und durch Erlassregelungen konkretisierten Vorgaben des Landes.

Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 des Niedersächsischen Schulgesetzes (NSchG) sei vorgesehen, dass an Gesamtschulen und Oberschulen Lehrkräfte mit der Lehrbefähigung "für Schulformen der allgemeinbildenden Schulen" einzusetzen seien. Das Gesetz gebe mithin vor, dass Gymnasiallehrer regulär, also nicht etwa "unterwertig" an Gesamtschulen eingesetzt werden können. Dies werde auch nochmal unter Nr. 1.5 des Erlasses "Die Arbeit in den Schuljahrgängen 5 - 10 der integrierten Gesamtschulen" (IGF) vom 01.08.2014 bestätigt.

Nach den Vorgaben des NSchG vermittele

- die Hauptschule ihren Schülern eine grundlegende Allgemeinbildung (§ 9)

- die Realschule eine erweiterte Allgemeinbildung (§ 10)

- das Gymnasium eine breite und vertiefte Allgemeinbildung (§ 11)

- die Gesamtschule eine grundlegende, erweiterte oder breite und vertiefte Allgemeinbildung (§ 12).

Zu dem vom beklagten Land gewünschten Auslegungsergebnis könne man nur gelangen, wenn man die Schüler gedanklich in Haupt- und Realschüler auf der einen Seite und gymnasiale Schüler aufgliedere. Dies entspreche aber nicht dem Bildungsauftrag der IGS. Vielmehr sei auch in dem Erlass vom 01.08.2014 in der Fassung vom 17.09.2015 unter Nr. 5 "Differenzierung und Förderung" vorgesehen, dass Differenzierungsmaßnahmen der individuellen Förderung der Schülerinnen und Schüler dienten.

Solange integrierte Gesamtschulen in N. bestünden, würden dort beamtete Gymnasiallehrer eingesetzt. Das gelte auch für integrierte Gesamtschulen, die nicht über eine eigene Oberstufe verfügten. Bisher sei niemand auf die Idee gekommen, diesen Einsatz als unterwertig zu qualifizieren.

Der vom beklagten Land geltend gemachte Unterschied zwischen Abschnitt 2 und Abschnitt 5 der EntgO bestehe nicht. Insbesondere die Formulierung der maßgeblichen Ziffer 1 Abs. 2 Satz 1 sei in beiden Abschnitten inhaltlich vollkommen identisch. Das Bundesarbeitsgericht habe zum Abschnitt 5 festgestellt, es sei positiv nachzuweisen, dass es für die "andere Schulform" eine abweichende Lehrerausbildung gebe. Da es aber keine Lehrerausbildung für integrierte Gesamtschulen gebe, könne die Ausnahmeregelung insoweit nicht greifen. Diese Ausführungen gölten gleicherweise für die wortlautgleiche Bestimmung des Abschnitts 2. Dem vom beklagten Land zitierten Ziff. 2 Satz 2 komme demgegenüber keine eigenständige Bedeutung zu.

Im Weiteren habe der 6. Senat ausdrücklich klargestellt, dass der Unterricht im Sekundarbereich I an der IGS keine Mischtätigkeit im Sinne der Vorbemerkung Nr. 2 zum Abschnitt 5 EntgO-L darstelle.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die Protokollerklärung der Parteien Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig gemäß §§ 519, 520 ZPO, § 64, 66 ArbGG.

Sie ist aber nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zutreffend entschieden.

1.

Die Klägerin ist gem. 12 Abs. 1 TV-L in der Fassung des § 3 TV EntgO-L in Entgeltgruppe 12 eingruppiert.

Unstreitig findet für die Eingruppierung der Klägerin Abschn. 2 der Anlage 2 zur EntgO-L Anwendung, weil bei der Klägerin die Voraussetzungen für die Übernahme in das Beamtenverhältnis nicht erfüllt sind (sog. Nichterfüllerin).

Unstreitig ist die abgeschlossene wissenschaftliche Hochschulbildung der Klägerin als Biologin vom beklagten Land als dem Lehramt an Gymnasien entsprechende Ausbildung anerkannt worden gem. Abschn. 2 Ziff. 2 Satz 1 der Anlage EntgO-L. Die Klägerin hat damit die fachlichen Voraussetzungen zum Unterricht in mindestens einem Fach. Sie hat ferner die Qualifizierungsphase im Studienseminar erfolgreich abgeschlossen.

Nach der Tabelle in Abschn. 2 Ziff. 2 Satz 3 entspricht einer Beamtenbesoldung in Besoldungsgruppe A12 die Entgeltgruppe 10, der Besoldungsgruppe A 13 die Tarifgruppe E 12.

2.

Das Arbeitsgericht hat zutreffend die Ziff. 2 des Abschnitt 2 angewendet. Während die Klägerin dies in der Klagschrift ebenfalls getan hat, wird in der Berufungserwiderung im Hinblick auf die Parallelität zu Abschnitt 5 mit Ziff. 1 argumentiert. Die Klägerin hat aber unstreitig kein Lehramtsstudium absolviert und hat daher nur die Unterrichtsbefähigung in einem Schulfall gemäß Ziff. 2.

Die Referenzlehrkraft, auf die in Ziff. 2 Satz 2 abzustellen ist, ist eine Lehrkraft mit der Lehrbefähigung an Gymnasien in Besoldungsgruppe A 13.

Abschnitt 2 ist systematisch und sprachlich anders aufgebaut als Abschnitt 1. Da im Abschnitt 1 (sog. Erfüller) die Voraussetzungen für die Übernahme in ein Beamtenverhältnis erfüllt sind, werden als Referenzlehrkraft schlicht die den Schulformen entsprechenden Beamten-Besoldungsgruppen zugrunde gelegt. Der Schwerpunkt des Abschnitt 1 liegt sodann auf dem Einsatz in einer anderen Schulform.

In Abschnitt 2 (und ebenso Abschnitt 5) muss die Vergleichbarkeit mit einer beamteten Lehrkraft erst positiv hergestellt werden. Ziff. 1 betrifft die fachlich am besten qualifizierte Gruppe, nämlich Personen die ein Lehramtsstudium absolviert und die fachlichen Voraussetzungen zum Unterrichten in zwei Fächern erworben haben. Die Klägerin fällt als studierte Biologin unter Ziff. 2. Für die Ermittlung der Referenzlehrkraft wird in Satz 2 unter Buchst. a) die Unterrichtsbefähigung für zwei Fächer fingiert.

Bezüglich dieser Referenzlehrkraft heißt es abweichend von Abschnitt 1:

"das Lehramtsstudium ist nur dann einschlägig, wenn es der auszuübenden Tätigkeit entspricht."

Die Problematik der einschlägigen Schulform, die in Abschnitt 1 ausführlich abgehandelt ist, findest sich in Abschnitt 2 lediglich in der Protokollerklärung Nr.5:

"Ein Lehramtsstudium entspricht der auszuübenden Tätigkeit, wenn es dem Lehramt für die Schulform entspricht, in der die Tätigkeit auszuüben ist."

Die Kombination von Lehramtsstudium und auszuübender Tätigkeit erfordert in jedem Einzelfall eine positive Entscheidung über beide Elemente. Eine Regel-Ausnahme-Betrachtung ist, anders als das beklagte Land argumentiert, in diesem Schema nicht vorgegeben. Das beklagte Land kann seinerseits zu einer Eingruppierung nach E 10 nur gelangen, wenn es für die Tätigkeit im Sekundarbereich I an der IGS die Ausbildung zum Realschullehrer als "einschlägig" ansieht. Das trifft aber nicht zu. Für die vom beklagten Land angenommene Bildung einer "Durchschnittsanforderung" fehlt die Grundlage.

Charakteristikum einer Integrierten Gesamtschule ist es, dass Schüler aller Leistungsstufen, die den traditionellen Schulformen Haupt-, Realschule und Gymnasium zuzuordnen wären, im Grundsatz gemeinsam unterrichtet werden und die unterschiedlichen Leistungsstärken im Wege einer Binnendifferenzierung zur Geltung gebracht werden. Diese Binnendifferenzierung ist nicht an die Schulstufe Sekundarbereich I oder Sekundarbereich II geknüpft. Die Protokollerklärung Nr. 5 stellt eindeutig auf die Schulform ab. Bereits im Sekundarbereich I findet eine Binnendifferenzierung statt - das ist zwischen den Parteien unstreitig, weitere Einzelheiten im Sachvortrag sind insoweit entbehrlich. Um das Leistungsprofil des gymnasialen Bildungsziels, das auf das Abitur abzielt, abzubilden, werden in Integrierten Gesamtschulden des L. schon immer auch Gymnasiallehrkräfte eingesetzt. Soweit es sich dabei um beamtete Lehrkräfte handelt (Studienrätinnen und Studienräte), wird deren Einsatz an der IGS bisher immer als deren Lehramt entsprechend angesehen. Dies gilt im Ergebnis auch für angestellte Lehrkräfte, die als "Quereinsteiger" über eine entsprechend anerkannte Ausbildung verfügen, wie die Klägerin.

Die Unterrichtstätigkeit an einer IGS ist zwar nicht identisch mit einer Tätigkeit am Gymnasium. Gleichwohl "entspricht" sie aber den fachlichen und pädagogischen Anforderungen einer Ausbildung zum Gymnasiallehrer. Denn die vom niedersächsischen Schulgesetz gewünschte und geforderte Binnendifferenzierung kann nur dann stattfinden, wenn in jeder Klassenstufe auch Unterricht erteilt wird, der gymnasialen Anforderungen entspricht.

Im Ergebnis ist daher die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 16.07.2020 - 6 AZR 321/19 zu Abschnitt 5 auch auf die Eingruppierung nach Abschnitt 2 zu übertragen. Soweit in der Anmerkung von Geyer (ZTR 2020, 696) eine durch die Rechtsprechung verursachte "Unwucht" konstatiert wird, liegt diese darin begründet, dass bis heute landesrechtlich schulformspezifische Regelungen für ein Lehramt an Gesamtschulen und dessen vergütungsrechtliche Bewertung nicht bestehen. Eine Lehramtsbefähigung für Gesamtschulen ist nicht definiert. Wenn das beklagte Land die fachlichen Anforderungen an die Lehrtätigkeit an Integrierten Gesamtschulen "im Durchschnitt" auf Realschulniveau bewerten will, würde dies umgekehrt bezüglich des Einsatzes beamteter Gymnasiallehrer erhebliche Fragen aufwerfen.

Die Entgeltordnung wäre zwar auch offen für eine Differenzierung nach Schul- bzw. Klassenstufen. Satz 3 der Protokollerklärung Nr. 5 zu Abschnitt 2 lautet:

"Soweit in Schulformen Lehrämter nach Schul- bzw. Klassenstufen unterschieden werden, entspricht ein Lehramtsstudium der auszuübenden Tätigkeit, wenn es dem Lehramt für die Schul- bzw. Klassenstufe entspricht, in der die Tätigkeit auszuüben ist."

Die Besoldung der beamteten Lehrer in N. (Anlage 1 zum Nieders. BesoldungsG) differenziert jedoch nicht nach einer Tätigkeit in Sekundarbereich I oder Sekundarbereich II, sondern nach der Schulform Haupt- und Realschule oder Gymnasium. Dabei umfasst die Tätigkeit an Gymnasien auch die Sekundarstufe I. Andererseits sind die Tätigkeiten im Sekundarbereich I in Realschulen und Gymnasien nicht identisch.

3.

a) Erforderlich ist auch nicht, dass die Klägerin an der IGS zeitlich zu mindestens der Hälfte einer Gymnasiallehrkraft entsprechende Tätigkeiten ausübt. Denn Arbeitsvorgänge werden für die Eingruppierung der Lehrkräfte gem. § 3 TV EntgO-L in Abweichung von § 12 Satz 1 TV-L nicht gebildet. Nach § 3 TV EntgO-L gilt § 12 TV-L in folgender Fassung:

"1Die Eingruppierung der Lehrkraft richtet sich nach den Eingruppierungsregelungen der Entgeltordnung Lehrkräfte (Anlage zum TV EntgO-L). 2Die Lehrkraft erhält Entgelt nach der Entgeltgruppe, in der sie eingruppiert ist. 3Die Lehrkraft ist in der Entgeltgruppe eingruppiert, die sich für die gesamte von ihr nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit aus den Eingruppierungsregelungen ergibt."

In der Tätigkeit der Klägerin fallen jedenfalls in rechtlich nicht unerheblichem Maße Leistungen an, die der Tätigkeit einer Lehrkraft an Gymnasien entsprechen (LAG Niedersachsen vom 22.07.19, 8 Sa 563/18 E). Der Einsatz von Gymnasiallehrkräften in der IGS dient gerade dazu, die vorgesehene Differenzierung des Bildungsangebotes innerhalb der Jahrgangsstufen zu gewährleisten. Die Feststellung, dass die Tätigkeit an einer IGS generell einer Lehrerausbildung bzw. dem Lehramt für die (Haupt- und) Realschule entspricht, lässt sich aufgrund des integrativen Charakters nicht treffen (vgl. BAG 6 AZR 321/19).

b) Eine Mischtätigkeit im Sinn der Vorbem. Nr. 2 zum Abschnitt 1 liegt beim Einsatz in einer IGS ebenfalls nicht vor (BAG 6 AZR 321/19).

4.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Revision war zuzulassen gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.