Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 30.08.2022, Az.: 9 Sa 945/21

Beauftragung eines Rechtsanwalts; erforderliche Kosten des Betriebsrats; Geschäftsführung ohne Auftrag; Kosten des Betriebsrats; Rückforderung; Rückforderung durch Arbeitgeber bei fehlender Erforderlichkeit

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
30.08.2022
Aktenzeichen
9 Sa 945/21
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2022, 41907
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2022:0830.9Sa945.21.00

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Stade - 02.09.2021 - AZ: 1 Ca 177/21

Fundstellen

  • AE 2022, 242-243
  • ArbRB 2022, 363-364
  • FA 2022, 328
  • NZA-RR 2022, 640-642

Amtlicher Leitsatz

Der Arbeitgeber ist nicht berechtigt, von ihm gezahlten Kosten des Betriebsrats iSv § 40 BetrVG im Wege der Aufrechnung von dem betroffenen Betriebsratsmitglied zurückzuverlangen, nachdem er die - nicht erforderlichen - Kosten zunächst übernommen hat. Die Regelungen der Geschäftsführung ohne Auftrag gem §§ 677 ff. BGB sind insoweit durch §§ 2 Abs 1, 40 Abs 1, 78 Satz 2 BetrVG verdrängt.

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stade vom 02.09.2021, 1 Ca 177/21 abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 413,90 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.06.2021 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Zahlungsanspruch im Zusammenhang mit der Erforderlichkeit von Kosten des Betriebsrats.

Der am 00.00.1963 geborene, keinen anderen Personen zum Unterhalt verpflichtete Kläger ist seit dem 20. September 1993 bei der Beklagten als Busfahrer beschäftigt und ist Mitglied des bei der Beklagten gebildeten Betriebsrates.

Mit Beschluss vom 23. Oktober 2019 entsandte der Betriebsrat den Kläger zu drei Schulungsveranstaltungen: "Arbeitsrecht Teil 2" vom 17. Februar bis 21. Februar 2020 in F., "Arbeitsrecht Teil 3" vom 4. Mai bis 8. Mai 2020 in B. sowie "Der gläserne Mitarbeiter" vom 19. Oktober bis 23. Oktober 2020 in D. Der Kläger nahm an der erstgenannten Schulung zum genannten Zeitpunkt teil.

Mit Schreiben vom 16. März 2020 teilte die Beklagte dem Betriebsrat mit:

"... erteilen wir Ihnen keine Genehmigung zur Teilnahme an den Seminaren aus folgenden Gründen:

a. Aufgrund der aktuellen Situation (Corona) ist die Reisetätigkeit bis auf Weiteres beschränkt und ist nur in besonderen betrieblichen Angelegenheiten möglich,

b. Das Thema Datenschutz betrifft alle Mitglieder des Betriebsrates, daher schlagen wir vor, dieses nicht in einer Einzelmaßnahme, sondern in einer Inhouse-Schulung durch unseren Datenschutzbeauftragten durchzuführen. Wir werden den Vorgang mit dem GBR entsprechend abstimmen.

..." .

Für den gesamten Inhalt des Schreibens wird auf Bl. 47 dA Anlage B4 Bezug genommen.

Die Schulung "Arbeitsrecht Teil 3" wurde abgesagt und auf den Zeitraum 10. August bis 14. August 2020 verschoben.

Am 19. Mai 2020 fasste der Betriebsrat den Beschluss, den Kläger zur Schulung "Arbeitsrecht Teil 3" in dem geänderten Zeitraum zu entsenden.

Mit Schreiben vom 8. Juni 2020 (Anlage A1, Bl. 7 f. dA) teilte der Prozessbevollmächtige des Klägers der Beklagten ua. mit:

"Der Betriebsrat (...) hat mit Beschlussfassung vom 23.10.2019 beschlossen das Betriebsratsmitglied A. auf folgende Seminare zu entsenden:

- Arbeitsrecht Teil 2 vom 17.02.-21.02.2020 in F.,

- Arbeitsrecht Teil 3 vom 04.05.-08.05.2020 in B.,

- Der gläserne Mitarbeiter vom 19.10.-23.10.2020 in D.

Eine Mitteilung über den Beschluss sowie die Seminarthemen, -zeiten und den jeweiligen Seminarort wurde Ihnen zur Kenntnis gebracht.

Mit Anschreiben vom 16.03.2020 wurde die Genehmigung der Seminare abgelehnt. Hierzu wurde einerseits auf coronabedingte Reiseeinschränkungen Bezug genommen, andererseits wurde hinsichtlich des Themas Datenschutz ein Inhouseseminar angeregt.

Hierzu teilen wir Ihnen mit, dass der Betriebsrat Reiseeinschränkungen nicht ohne weiteres unterfällt, es sei denn diese sind durch den Landesgesetzgeber verbindlich verhängt.

Da die Seminaranbieter bis in die Kalenderwoche 22 ohnehin sämtliche Seminare abgesagt haben, musste dieser Sachverhalt bisher nicht weiter geklärt werden. Wir teilen Ihnen aber mit, dass inzwischen der Seminarbetrieb der Seminarveranstalter wieder aufgenommen wurde. Wir bitten namens unseres Mandanten mithin um Benachrichtigung, dass den Seminaren jedenfalls keine Reiseeinschränkungen entgegenstehen.

Hinsichtlich des Seminars "Der gläserne Mitarbeiter" teilen wir Ihnen mit, dass es dem Betriebsrat obliegt den Seminarveranstalter zu wählen im Rahmen eines dem Betriebsrat zukommenden Beurteilungsspielraums. Ihre Anregung die Schulung als Inhouseseminar für den gesamten Betriebsrat stattfinden und durch den Datenschutzbeauftragten durchführen zu lassen wurde zur Kenntnis genommen. Dennoch behält es sich unser Mandant vor das Seminar "Der gläserne Mitarbeiter" vom 19.10.-23.10.2020 in D. wahrzunehmen.

Es wird auch insofern um Benachrichtigung gebeten, dass arbeitgeberseitig dem Seminar zugestimmt wird."

Die Prozessbevollmächtigten des Klägers stellten der Beklagten mit Schreiben vom 3. Juli 2020 einen Betrag in Höhe von Euro 413,90 netto in Rechnung. Diese Rechnung leitete die Beklagte mit Mail vom 6. Juli 2020 an den Betriebsrat weiter mit der Bitte, diese dem Kläger vorzulegen mit der Bitte um persönlichen Ausgleich. Zudem wies die Beklagte in der Mail darauf hin, dass kein Beschluss des Betriebsrats über die Beauftragung eines Rechtsanwalts vorliege. Für den Inhalt der Mail wird auf Bl. 30 dA., Anlage B 2 Bezug genommen. Eine Zahlung durch den Kläger erfolgte nicht. Die Beklagte beglich sodann die Rechnung.

Der Kläger nahm an der Schulung Arbeitsrecht Teil 3 im Zeitraum 10. August bis 14. August 2020 und an der Schulung "Der gläserne Mitarbeiter" im Zeitraum vom 19. Oktober bis 23. Oktober 2020 teil.

Ausweislich der Abrechnung für den Monat Dezember 2020 (Anlage B3, Bl. 31 f. dA) zog die Beklagte einen Nettobetrag iHv. Euro 413,90 vom Nettoverdienst des Klägers unter der Bezeichnung "Vorschuss Fachanwalt Arbeitsrecht" ab und zahlte lediglich den um diesen Betrag geminderten Nettobetrag an den Kläger aus.

Der Kläger begehrt die Auszahlung des von seinem Nettolohn einbehaltenen Betrages.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass die Beklagte gemäß § 40 BetrVG für Rechtsverfolgungskosten des Betriebsrates auch im Falle der Durchsetzung eines bestehenden Seminaranspruchs durch das einzelne Betriebsratsmitglied aufzukommen habe. Für die Beauftragung eines Rechtsanwaltes mit der Durchsetzung eines Schulungsanspruches gemäß § 37 Abs. 6 BetrVG benötige es keinen weiteren Betriebsratsbeschluss neben dem Entsendungsbeschluss zur Schulung, wenn diese durch das im Entsendebeschluss benannte einzelne Betriebsratsmitglied erfolge. Die Beauftragung sei geboten gewesen, da die Beklagte die Seminare trotz Erforderlichkeit nicht genehmigt habe. Das Vorgehen der Beklagten könne eine Benachteiligung eines Betriebsratsmitglieds nach § 78 BetrVG darstellen.

Der Kläger hat beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, 413,90 Euro netto nebst Zinsen hierauf in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 3. Juni 2021 an den Kläger zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass ein Arbeitnehmer, soweit er einen Rechtsanwalt beauftrage, in analoger Anwendung des § 12a ArbGG keinen Kostenerstattungsanspruch gegen den Arbeitgeber habe. Zudem liege kein ordnungsgemäßer Betriebsratsbeschluss zur Beauftragung eines Rechtsanwaltes vor. Nach Ablehnung der Schulungen hätte sich erst einmal der Betriebsrat damit auseinandersetzen müssen und es hätte eines Betriebsratsbeschlusses bedurft, dass der Betriebsrat an der Entsendung des Klägers festhalte und diesen ggf. damit beauftragt, die Prozessbevollmächtigten zu beauftragen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 02.September 2021 abgewiesen und dabei im Wesentlichen darauf abgestellt, dass die Beauftragung des Prozessbevollmächtigten durch den Kläger nicht erforderlich i.S.v. § 40 Abs. 1 BetrVG war mit der Folge, dass der Beklagten ein Rückforderungsanspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag zustehe. Für die Entscheidungsgründe wird auf das arbeitsgerichtliche Urteil verwiesen (§ 69 Abs. 2 ArbGG).

Das Urteil wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 28. September 2021 zugestellt. Die dagegen gerichtete Berufung ging am 27.Oktober 2021 beim Landesarbeitsgericht ein. Die Berufungsbegründung ging am 23. Dezember 2021 ein, nachdem die Berufungsbegründungsfrist auf Antrag des Klägervertreters vom 14. November 2021 gem. Beschluss vom 15. November 2021 bis 28. Dezember 2021 verlängert worden war.

Der Kläger wendet sich gegen das arbeitsgerichtliche Urteil nach Maßgabe seiner Berufungsbegründung. Er wiederholt und vertieft seine Auffassung, nach der ein Betriebsratsbeschluss für die Beauftragung des Prozessbevollmächtigten entbehrlich gewesen sei. Mit dem Beschluss des Betriebsrates über seine Entsendung habe er aus eigener Rechtstellung einen Prozessbevollmächtigten beauftragen können. Die Beauftragung sei auch erforderlich gewesen, insbesondere habe der Betriebsrat am 19. Mai 2020 beschlossen, dass er an der Schulung "Arbeitsrecht Teil 3" auch zu dem geänderten Termin entsandt werde. Im Übrigen sei nach seiner Auffassung das Verhalten des Arbeitgebers widersprüchlich und verstoße gegen das Benachteiligungsverbot nach § 78 BetrVG.

Der Kläger und Berufungskläger beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 413,90 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.06.2021 zu zahlen.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung. Sie bleibt insbesondere bei ihrer Rechtsauffassung, nach der ein Betriebsratsbeschluss vor der Beauftragung des Prozessbevollmächtigten des Klägers erforderlich gewesen wäre.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gemäß § 313 Abs. 2 ZPO auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und die Protokollerklärungen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

Die Berufung ist zulässig. Die Berufung wurde vom Arbeitsgericht durch Urteil zugelassen und ist daher statthaft. Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt worden und setzt sich hinreichend mit den Entscheidungsgründen des arbeitsgerichtlichen Urteils auseinander (§§ 64, 66 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO).

B.

Die Berufung ist auch begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Auszahlung der Vergütung in Höhe von 413,90 EUR netto nebst Zinsen. Die Beauftragung des Prozessbevollmächtigten durch ihn war zwar nicht erforderlich i.S.v. § 40 Abs. 1 BetrVG. Die Beklagte kann dennoch keine Erstattung der von ihr gezahlten Rechtsanwaltsvergütung über § 683, 670 BGB oder 684, § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB verlangen.

I.

Der Kläger hat gem. § 611 a BGB Anspruch auf weitere Vergütung in Höhe von 413,90 EUR netto, die die Beklagte von der Lohnabrechnung Dezember 2020 in Abzug gebracht hat. Der Beklagten stand keine Gegenforderung i.S.v. § 387 BGB zu mit der Folge, dass der Vergütungsanspruch des Klägers in Höhe von 413,90 EUR netto nicht durch Aufrechnung gem. § 389 BGB erloschen ist. Dabei hat das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt, dass einer Aufrechnung die Pfändungsfreigrenzen gem. § 394 BGB nicht entgegenstehen. Die Kammer macht sich die Ausführungen des Arbeitsgerichts insoweit zu eigen, § 69 Abs. 2 ArbGG.

II.

Die Beklagte hat keinen Anspruch gegen den Kläger aus Geschäftsführung ohne Auftrag gem. § 684 S. 1, § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB, mit dem sie aufrechnen konnte.

1.

Die Beklagte hat mit der Bezahlung der anwaltlichen Rechnung vom 03.07.2020 zumindest ein auch fremdes Geschäft i.S.v. § 267, § 362 Abs. 1 BGB getilgt. Das kann auch ohne das Einverständnis des Schuldners erfolgen, § 267 Abs. 1 S. 2 BGB. Grundsätzlich ist bei der Zahlung einer fremden Schuld nach § 267 BGB gem. §§ 683, 670 BGB oder §§ 684 S. 1, 812 BGB vom Schuldner das Erlangte (die getilgte Schuld) herauszugeben, je nachdem ob die Zahlung dem Interesse oder mutmaßlichen Willen des Schuldners entspricht. Die Rechnung war an die Beklagte gerichtet. Damit hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers aber lediglich den Freistellungsanspruch des Klägers gem. § 40 Abs. 1 BetrVG geltend gemacht hat. Die Beklagte ging davon aus, dass sie die Rechnung für den Kläger bezahlte. Für die Annahme eines fremden Geschäfts i.S.v. § 683 BGB reicht es aber auch aus, wenn ein zumindest "auch fremdes" Geschäft geführt wird. Vorausgesetzt ist, dass dieses mit Fremdgeschäftsführungswillen ausgeführt wurde. Die Frage ob es sich objektiv um ein fremdes oder ein eigenes Geschäft handelte, hängt davon ab, ob die Beklagte die Rechtsanwaltskosten nach § 40 Abs. 1 BetrVG als Betriebsratskosten tragen muss oder nicht.

2.

Die Beklagte war nicht verpflichtet, die Kosten nach § 40 Abs. 1 BetrVG für die Beauftragung des Prozessbevollmächtigten des Klägers zu tragen.

a.

Dabei kann dahinstehen, ob für die Beauftragung des Prozessbevollmächtigten durch den Kläger die Beschlussfassung des Betriebsrats als Gremium erforderlich ist.

aa.

Der Betriebsrat hat im Zeitpunkt seiner Beschlussfassung zu beurteilen, ob die ausgelösten Kosten erforderlich waren. Der Betriebsrat hat das Alleinbeurteilungsrecht über die Erforderlichkeit einer Maßnahme die der Erledigung von Betriebsratsaufgaben dient. Dazu gehört auch die Entscheidung über die Beauftragung eines Anwalts, der den Betriebsrat in einem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren vertritt. Der Betriebsrat hat bei der Entscheidung über die Erforderlichkeit die berechtigten Interessen der Belegschaft wie des Arbeitgebers gegeneinander auf der Grundlage der ihm im Zeitpunkt der Beschlussfassung bekannten Umstände abzuwägen (BAG, 15.11.2000 - 7 ABR 24/00, Rn. 18, 17.11.2021- 7 ABR 27/20, BAG 18.03.2015 - 7 ABR 4/13, Rn. 11).

bb.

Allerdings ist zu berücksichtigen, dass das einzelne Betriebsratsmitglied mit der Beschlussfassung über seine Entsendung einen eigenen individualrechtlichen abgeleiteten Anspruch des Betriebsrates erhält (BAG, 06.11.1973, 1 ABR 8/73). Dementsprechend ist die Anspruchsberechtigung nicht auf den Betriebsrat beschränkt. Auch das einzelne Betriebsratsmitglied kann Anspruchsteller in einem entsprechenden Beschlussverfahren sein. Zum Teil wird darüber hinaus in der Kommentarliteratur darauf abgestellt, dass das Betriebsratsmitglied einen eigenen (nicht nur abgeleiteten) Anspruch auf Freistellung zur Teilnahme an einer Schulung erhält und damit selbst antragsbefugt wird (Richardi, BetrVG, 17. Aufl. § 37 Rn. 122, Korinth, Einstweiliger Rechtsschutz im arbeitsgerichtlichen Verfahren, 4. Aufl. Buchst. K Rn. 33). Daraus könnte geschlussfolgert werden, dass auch die von einem Betriebsratsmitglied für seine Tätigkeit erbrachten Aufwendungen zur Führung von Rechtsstreitigkeiten in betriebsverfassungsrechtlichen Angelegenheiten Kosten der Betriebsratstätigkeit nach § 40 Abs. 1 BetrVG sind (BAG vom 05.04.2000 7 ABR 6/99 Rn. 21; BAG vom 19.04.1989 7 ABR 6/88 Rn. 36). Insofern könnte angenommen werden, dass in einzelnen Fällen das Betriebsratsmitglied zur Wahrnehmung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Rechte auch ohne Beschluss des Gremiums einen Prozessbevollmächtigten beauftragen kann. Das ist beispielsweise anerkannt, wenn sich ein Betriebsratsmitglied im Rahmen eines Ausschlussverfahrens nach § 23 Abs. 1 BetrVG ausgesetzt sieht (BAG vom 19.04.1989, 7 ABR 6/88, Rn. 36 ff.). Es kann dahinstehen, ob die hiesige Situation mit der eines Ausschlussverfahrens vergleichbar ist, in der es einem Betriebsratsmitglied nicht zugemutet werden kann, sich nur in Abhängigkeit von einem Gremiumsbeschluss gegen den Ausschluss verteidigen zu können. Bei der Entsendung zu einer Schulungsmaßnahme mag das anders zu beurteilen sein, weil hier die Gesamtinteressen des Betriebes gegen die Interessen des Betriebsrates und die des einzelnen Betriebsratsmitgliedes abzuwägen sind und das Gremium entscheiden können muss, ob an dem Entsendebeschluss festgehalten und mit anwaltlicher Hilfe durchgesetzt werden soll. Das kann letztendlich offenbleiben.

b.

Die Beauftragung eines Prozessbevollmächtigten war jedenfalls nicht erforderlich. Der Betriebsrat hat nach der Ablehnung des Arbeitgebers mit Schreiben vom 16. März 2020 am 19. Mai 2020 erneut den Beschluss gefasst, den Kläger zu der Schulung "Arbeitsrecht Teil 3" im August zu entsenden. Infolgedessen gab es keine weitere Ablehnung des Arbeitgebers und auch keine weiteren Gespräche. Warum dennoch das Schreiben des Prozessbevollmächtigten am 08. Juni 2020 erforderlich war, ist aus den Umständen nicht ersichtlich. Zu berücksichtigen ist, dass die Ablehnung des Arbeitgebers offensichtlich auf Beschränkungen der Reisetätigkeiten im Rahmen des ersten Lockdowns während der Corona-Pandemie erfolgte. Das gilt jedenfalls für die Entsendung zur Schulung "Arbeitsrecht Teil 3". Aber auch hinsichtlich der Schulung "Der gläserne Mitarbeiter" im Oktober 2020 war die Beauftragung des Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht erforderlich. Maßstab ist eine verständige Partei, die die Kosten eines Rechtsstreites und die Beauftragung eines Prozessbevollmächtigten selbst zu tragen hätte (vgl. BAG 18.03.2015 aaO. Rn. 11). Diese würde in dieser Situation das Gespräch darüber suchen, ob neben der vom Arbeitgeber angedachten Inhouse-Schulung für mehrere Beteiligte die Schulungsteilnahme endgültig abgelehnt wird. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass es keine weiteren Gespräche gab. Es ist auch nicht entscheidend, wer in der Pflicht ist, zuerst das Gespräch zu suchen. So der Hinweis von der Klägerseite, dass es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass stets der Betriebsrat zuerst das Gespräch suchen muss. Es ist richtig, dass es einen solchen Grundsatz nicht gibt. Der Betriebsrat/das einzelne Betriebsratsmitglied muss aber vor Beauftragung eines Prozessbevollmächtigten sämtliche Umstände abwägen, die die Erforderlichkeit der Maßnahme bedingen. Solche Umstände sind hier nicht ersichtlich und wurden auch nicht vorgetragen. Auch aus dem Hinweis des Klägers in der mündlichen Verhandlung, wonach im Vorfeld seitens des Geschäftsführers die hohen Schulungskosten für den Kläger beanstandet wurden, folgen solche Umstände nicht. Das hieraus eine abschließende Ablehnung weiterer Schulungen folgt, hat der Kläger nicht dargelegt. Im Übrigen schließt die Veranstaltung einer Inhouse-Schulung für mehrere Beteiligte die Schulungsmaßnahme für ein einzelnes Betriebsratsmitglied ohne weitere Umstände nicht endgültig aus. Das hätte der Kläger vor Beauftragung eines Rechtsanwaltes im eigenen Kosteninteresse prüfen müssen.

c.

Die Beklagte kann dennoch die Erstattung der von ihr gezahlten Rechtsanwaltskosten nicht vom Kläger verlangen.

aa.

Die Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag gem. §§ 677 ff. BGB sind Auffangvorschriften, die dann greifen, wenn ein Interessenausgleich erforderlich ist, ohne dass eine vertragliche oder gesetzliche Regelung existiert. Sobald eine gesetzliche Sonderregelung eine gesetzlich vorgesehene Risikoverteilung vorsieht, kommen die Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag nicht zur Anwendung, weil sonst die gesetzlich vorgesehene Risikoverteilung unterlaufen würde (Palandt/Sprau, 80. Aufl., § 677 BGB, Rn. 7a, Einführung vor § 677 BGB Rn. 2). Vor Anwendung der Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag ist zudem die Privatautonomie des Geschäftsherrn zu berücksichtigen. Anderenfalls wären bei denkbarer Bejahung eines Fremdgeschäftsführungswillen Ergebnisse zugelassen, die weder sach- noch interessengerecht wären (vgl. auch Erman/Dornis, BGB § 677 Rn. 46, BGH 23.09.1999 III ZR 322/98). Der Geschäftsherr muss sich in der Regel die Geschäftsübernahme nicht aufdrängen lassen (vgl. auch MüKo/Schäfer, BGB, 8. Aufl., § 677 Rn. 26 ff.).

bb.

Der Anwendung der §§ 677 ff. BGB stehen § 40 Abs. 1, § 2 Abs. 1, § 78 S. 2 BetrVG entgegen. Das Betriebsverfassungsgesetz regelt die Rechtsstellung des Betriebsrates, der einzelnen Betriebsratsmitglieder und die vertrauensvolle Zusammenarbeit der Betriebspartner. In § 40 BetrVG ist die Kostenübernahme für Betriebsratstätigkeiten durch den Arbeitgeber geregelt, soweit sie erforderlich sind. Der Betriebsrat hat danach einen Anspruch auf Freistellung von seinen Kosten gegenüber dem Arbeitgeber. Demzufolge kann entweder der Betriebsrat die Freistellung gegenüber dem Arbeitgeber geltend machen oder seinen Freistellungsanspruch an einen beauftragten Prozessbevollmächtigten abtreten, der seine Kosten dann direkt mit dem Arbeitgeber abrechnet. In diesen Fällen kann der Arbeitgeber vor Erstattung der Kosten prüfen, ob die Voraussetzungen für die Kostenübernahme vorliegen. Dementsprechend hat der Arbeitgeber gemäß E-Mail vom 6. Juli 2021 darauf hingewiesen, dass ein Betriebsratsbeschluss für die Übernahme der Kosten des Prozessbevollmächtigten erforderlich war und nicht vorlag mit der Folge, dass der Kläger die Kosten selbst zu tragen habe. Das schließt es aus, dass der Arbeitgeber (aus welchen Gründen auch immer) die Tilgung der Schuld an sich zieht und dann über eine individualrechtliche Maßnahme, nämlich den Abzug der Rechnung von der Nettovergütung des Arbeitnehmers vornimmt. Wenn der Arbeitgeber der Auffassung ist, dass die geltend gemachten Kosten nicht erforderlich i.S.v. § 40 Abs. 1 BetrVG waren, mag er die Übernahme der Kosten verweigern. Der beauftragte Rechtsanwalt mag sich dann mit dem einzelnen Betriebsratsmitglied/dem Betriebsrat auseinandersetzen. Die Möglichkeit, die Rechnungserstattung von der Nettovergütung des Klägers abzuziehen, kann außerdem eine Benachteiligung i.S.v. § 78 BetrVG darstellen. Eine Benachteiligung i.S.v. § 78 BetrVG liegt bereits dann vor, wenn eine Schlechterstellung im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern, die nicht aus sachlichen oder in der Person des Betroffenen liegen, sondern wegen ihrer Tätigkeit innerhalb der Betriebsverfassung erfolgt (Fitting, BetrVG, 31. Aufl. § 78 Rn. 17). Ein anderer Arbeitnehmer wäre nicht in der Situation des Klägers, weil es sich um Kosten für die Betriebsratstätigkeit handelt (vgl. LAG Hamm, 15.02.2013 - 13 TaBV 9/13 Rn. 20). Insgesamt würde es der gesetzlichen Regelung im Betriebsverfassungsgesetz widersprechen, wenn der Arbeitgeber es an sich ziehen könnte, auch unberechtigte Kosten des Betriebsrates zu erstatten und im Gegenzug von den Arbeitsvergütungen der Betriebsratsmitglieder abzuziehen. Damit würden diese, obwohl sie darauf hingewiesen haben, dass nach ihrer Auffassung der Arbeitgeber die Kosten zu tragen hat, in eine Prozesssituation versetzt, die nach § 40 Abs. 1 BetrVG so nicht vorgesehen ist und § 78 BetrVG widerspricht. Inwieweit das Vorgehen der Beklagten auch § 814 BGB widerspricht, wonach eine Rückforderung bei Leistung trotz Kenntnis der Nichtschuld angesichts des Inhalts der Mail vom 6. Juli 2020 ausgeschlossen ist, kann offen bleiben.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Die Zulassung der Revision folgt aus § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.