Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 12.07.2022, Az.: 10 Sa 1217/21

Kein Anspruch auf Dankes- und Wunschformel im Arbeitszeugnis; Bindung des Arbeitgebers an den Inhalt des von ihm erteilten Arbeitszeugnisses; Beachtung des Maßregelungsverbots des § 612a BGB bei nachträglicher Änderung des Arbeitszeugnisses; Weitergeltung aller Zeugnisgrundsätze und des Maßregelungsverbots auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
12.07.2022
Aktenzeichen
10 Sa 1217/21
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2022, 29067
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2022:0712.10Sa1217.21.00

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Braunschweig - 03.12.2021 - AZ: 4 Ca 376/21

Fundstellen

  • ArbR 2022, 462
  • AuA 2023, 57
  • FA 2022, 256
  • GWR 2022, 326
  • NZA-RR 2022, 557
  • RdW 2023, 423-425
  • ZAP EN-Nr. 658/2022
  • ZAP 2022, 1030-1031

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Ein Arbeitnehmer kann unmittelbar aus § 109 Abs. 1 Satz 3 GewO keinen Anspruch auf eine Dankes- und Wunschformel ableiten. Das Interesse des Arbeitgebers, seine innere Einstellung zu dem Arbeitnehmer sowie seine Gedanken- und Gefühlswelt nicht offenbaren zu müssen, ist dabei höher zu bewerten als das Interesse des Arbeitnehmers an einer Schlussformel. Dies gilt auch für Zeugnisse mit einer weit überdurchschnittlichen Bewertung.

  2. 2.

    Der Arbeitgeber ist an den Inhalt eines erteilten Zeugnisses jedoch grundsätzlich gebunden. Von den in ihm enthaltenen Wissenserklärungen des Arbeitgebers zum Verhalten oder zur Leistung des Arbeitnehmers kann er nur dann abrücken, wenn ihm nachträglich Umstände bekannt werden, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen. Das ergibt sich auch aus dem Rechtsgedanken des Maßregelungsverbots (§ 612a BGB). Der Arbeitgeber ist deshalb nicht befugt, vom Arbeitnehmer nicht beanstandete Teile des Zeugnisses grundlos über die zu Recht verlangten Berichtigungen hinaus zu ändern. Dies gilt auch für eine erteilte Dankes-, Bedauerns- und Wunschformel.

  3. 3.

    Dass das Arbeitsverhältnis bei Erteilung des (berichtigten) Zeugnisses nicht mehr besteht, hindert nicht die Anwendung des Maßregelungsverbotes.

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts A-Stadt vom 3. Dezember 2021 - 4 Ca 376/21 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um den Inhalt eines Arbeitszeugnisses.

Die Klägerin schied zum Ende des Monats Februar 2021 aus den Diensten der Beklagten aus. Diese erteilte ihr im März 2021 ein Arbeitszeugnis (Anlage K 2 zur Klageschrift - Bl. 12 f. d.A.); es endete mit dem Absatz: "Frau A. verlässt unser Unternehmen auf eigenen Wunsch. Wir danken ihr für ihre wertvolle Mitarbeit und bedauern es, sie als Mitarbeiterin zu verlieren. Für ihren weiteren Berufs- und Lebensweg wünschen wir ihr alles Gute und auch weiterhin viel Erfolg". Nachdem die Klägerin verlangt hatte, die Bewertung ihres Arbeits- und Sozialverhaltens zu verbessern, erteilte die Beklagte ein geändertes Zeugnis und, nachdem die Klägerin auch dieses beanstandet und durch Anwaltsschreiben unter Fristsetzung sowie Androhung "weitere(r) rechtliche(r) Schritte" weitergehende Korrekturen verlangt hatte, schließlich eine dritte, in der Bewertung verbesserte Version. Dieses enthält als Schlusssatz den vorzitierten Hinweis auf die Gründe des Ausscheidens, jedoch nicht mehr die weiteren Sätze, mit denen die Beklagte ihren Dank, das Bedauern des Ausscheidens und ihre guten Wünsche für die Zukunft ausgedrückt hatte.

Die Klägerin hat geltend gemacht: Auch wenn grundsätzlich kein Anspruch auf die begehrte Formulierung bestehe, habe sich die Beklagte vorliegend doch selbst gebunden. Aus dem Maßregelungsverbot, das ungeachtet der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eingreife, folge, dass die Beklagte nicht befugt sei, die nicht beanstandeten Teile grundlos zu ändern.

Die Klägerin hat beantragt,

ihr Zug um Zug gegen Herausgabe der drei bereits erteilten Zeugnisse vom 28. Februar 2021 ein Zeugnis mit dem folgenden Inhalt zu erteilen:

Arbeitszeugnis

Frau A., geboren am 00.00.1993, ist seit dem 15.08.2017 als Persönliche Assistentin der Geschäftsführung für unser Unternehmen tätig gewesen. Auf Grund sehr guter Leistungen war Frau A. im Zeitraum 01.10.2019 bis zum 28.02.2021 als Managerin of Administration and Central Services tätig.

Die H. GmbH verwaltet die braunschweigische H. Gruppe, welche sich aus 10 Fitnessstudios in A-Stadt und Umgebung zusammensetzt. Hierzu zählen die Konzepte H., V. und M.!.

Der Wirkungs- und Verantwortungsbereich von Frau A. umfasste im Wesentlichen die eigenverantwortliche und selbstständige Erledigung folgender Aufgaben:

Assistenztätigkeit

- Ansprechpartnerin für Geschäftspartner und Mitarbeiter

- Allgemeine Korrespondenz und Terminmanagement

- Verwaltung und Bearbeitung von eingehenden Rechtsfällen

- Koordination und Administration von Aufgaben im Rahmen der Eröffnung neuer Fitnessstudios

- Allgemeines Vertragswesen

- Bearbeitung des Posteingangs

- Protokollantin während Führungskräfte-Meetings

- Empfangen von Besuchern

- Nachbereitung von Vereinbarungen

- Planung von Veranstaltungen

- Vorbereitung von Schulungen

In Vertretung / Personalwesen

- Bearbeitung des Karriere-Postfachs

- Erstellung und Veröffentlichung von Stellenanzeigen

- Bearbeitung von Urlaubsanträgen und Krankmeldungen

- Terminkoordination von Bewerbungsgesprächen

- Korrespondenz mit den Universitäten und Ausbildungsinstitutionen

- Erstellung von folgenden Schriftstücken:

• Arbeits- und Ausbildungsverträge

• Nachträge

• Kündigungen

• Abmahnungen

• Arbeitszeugnisse

• Arbeitsbescheinigungen

- Pflege der Organigramme

- Korrespondenz mit Personalvermittlungsagenturen & dem Jobcenter

- Rechtsfälle Personal

- Nachkontrolle der Aushilfen-Abrechnungen

In Vertretung / Vertragswesen

- Bearbeitung und Prüfung von Leasingangeboten

- Korrespondenz mit Leasinggebern

- Überprüfung gestellter Rechnungen zu den Leasingobjekten

- Bearbeitung von Kündigungen und Übernahme der Leasingobjekte

- Versicherungen der PKWs und Studios

- Betreuung des Fuhrparks (TÜV, Reparaturen, Instandhaltung)

Frau A. verfügt über ein äußerst umfassendes und hervorragendes Fachwissen, das sie zur Bewältigung ihrer Aufgaben stets sehr sicher und erfolgreich einsetzte. Daher war sie in unserem Hause ein allseits geschätzter Ansprechpartner bei allen fachlichen Problemstellungen.

Durch ihre schnelle Auffassungsgabe hat sie sich innerhalb kürzester Zeit in den ihr gestellten Aufgabenbereich eingearbeitet und verfolgte die vereinbarten Ziele nachhaltig und mit höchstem Erfolg. Frau A. war äußerst zuverlässig und ihr Arbeitsstil war stets geprägt durch sehr sorgfältige Planung und Systematik. Ihre Arbeitsergebnisse waren, auch bei wechselnden Anforderungen und unter sehr schwierigen Bedingungen, stets von sehr guter Qualität.

Selbst unter sehr starker Belastung bewältigte sie alle Aufgaben mit äußerster Sorgfalt sowie in allerbester Weise und war jederzeit bereit, auch zusätzliche Verantwortung zu übernehmen. Qualität und Quantität der Arbeit von Frau A. waren jederzeit sehr gut. Fristen und vorgegebene Termine kontrollierte sie absolut selbstständig und hielt diese auch unter schwierigsten Bedingungen ein.

Frau A. hat ihre Aufgaben stets zu unserer vollsten Zufriedenheit erledigt und unseren Erwartungen in jeder Hinsicht optimal entsprochen. Gegenüber Vorgesetzten, Mitarbeitern und Kunden verhielt Frau A. sich stets vorbildlich. Sie trug zu einer hervorragenden und effizienten Teamarbeit bei.

Frau A. verlässt unser Unternehmen auf eigenen Wunsch.

Wir danken ihr für ihre wertvolle Mitarbeit und bedauern es, sie als Mitarbeiterin zu verlieren. Für ihren weiteren Berufs- und Lebensweg wünschen wir ihr alles Gute und auch weiterhin viel Erfolg.

A-Stadt, den 28.02.2021

H. GmbH

C. H.

Gesellschafter Geschäftsführer

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat geltend gemacht, in Ermangelung eines fortbestehenden Arbeitsverhältnisses greife das Maßregelungsverbot vorliegend nicht ein, denn ein Machtungleichgewicht der Parteien liege nicht mehr vor, so dass es dieses Korrektivs nicht bedürfe. Auch habe die Klägerin nicht in zulässiger Weise ihre Rechte ausgeübt, denn ein Anspruch auf die gewünschte Formulierung bestehe nicht. Diese gehöre nicht zum gesetzlichen Zeugnisinhalt mit der Folge, dass sie auch nicht an der Bindungswirkung eines erteilten Zeugnisses teilnehme. Aus der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folge, dass die Kenntnis neuer Tatsachen eine Bewertungsänderung rechtfertigen könne. Dies müsse auch gelten, wenn sich das subjektive Empfinden des Arbeitgebers geändert habe, das er mit der beantragten Formulierung in einem früheren Zeugnis ausgedrückt habe, zumal es sich um einen Zeugnisbestandteil handele, auf den kein Anspruch bestehe. Ein Arbeitszeugnis sei keine objektive und standardisierte Leistungsbewertung, so dass keine "zu überzogene oder starre Selbstbindung des Arbeitgebers" bestehe. Erst recht hinsichtlich der Schlussformel sei nicht objektivierbar, ob sie einem Arbeitnehmer zustehe oder nicht, denn es handele sich nicht um Wissenserklärungen zur Leistung oder zum Verhalten.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Es hat ausgeführt: Die Selbstbindung des Arbeitgebers an die unbeanstandeten Teile eines erteilten Zeugnisses erstrecke sich auch auf die im Streit stehende Formulierung. Die Klägerin begehre keine Umformulierung, sondern die exakte Wiedergabe des zuvor in zwei Endzeugnissen bereits verwendeten Wortlauts. Umstände, die ein Abrücken hiervon rechtfertigten, habe die Beklagte nicht vorgetragen.

Gegen das ihr am 8. Dezember 2021 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Beklagte am 16. Dezember 2021 Berufung eingelegt und diese am 31. Januar 2022 begründet.

Die Berufung führt aus: Die vom Arbeitsgericht zur Begründung herangezogene Selbstbindung des Arbeitgebers bestehe nur für dessen Wissenserklärungen; die im Streit stehende Formulierung gehöre nicht dazu. Sie sei Zeichen der Höflichkeit und Ausdruck persönlicher Empfindungen und gehe daher über den geschuldeten Umfang des qualifizierten Zeugnisses hinaus. Habe der Arbeitgeber bei Ausstellung des Zeugnisses diese Empfindungen nicht mehr, so könne er nicht verpflichtet sein, sie zu bescheinigen und damit gegen den Grundsatz der Zeugniswahrheit zu verstoßen. Das Fehlen der Schlussformel entwerte auch nicht das im Übrigen tadellose, mit besten Bewertungen versehene Zeugnis. Ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot bestehe nicht, weil die Klägerin ihr Recht auf Zeugnisberichtigung erst ausgeübt habe, als das Arbeitsverhältnis bereits beendet gewesen sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angegriffene Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungsbeantwortung (Bl. 117 bis 122 d.A.) und macht insbesondere geltend: Es sei unerheblich, ob die Klägerin Anspruch auf eine selbstverfasste Schlussformel habe, denn sie verlange keine Korrektur der von der Beklagten gewählten Formulierung, sondern nur deren Verwendung. Die Beklagte unterlasse sie nur, weil die Klägerin ihr Recht auf Zeugnisberichtigung geltend gemacht habe, und verstoße daher gegen das Maßregelungsverbot. Dessen Zweck bestehe, wie sich vorliegend zeige, über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus fort.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung und Entscheidung durch die Kammer waren.

Entscheidungsgründe

Die Berufung hat keinen Erfolg.

I.

Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist von dieser fristgemäß und formgerecht eingelegt und begründet worden (§ 66 Abs. 1, 2 ArbGG, §§ 519, 520 Abs. 1, 2 ZPO) und damit insgesamt zulässig.

II.

Die Berufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die vorliegend allein streitige sogenannte Dankes-, Bedauerns- und Wunschformel in das Arbeitszeugnis aufzunehmen. Zwar besteht auf eine solche Formulierung grundsätzlich kein Anspruch; weil jedoch die Beklagte die Formel zuvor selbst verwendete, ist sie nunmehr daran gebunden. Ihre Weigerung verstößt überdies gegen das Maßregelungsverbot.

1.

Ein Arbeitnehmer kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich das erkennende Gericht anschließt, unmittelbar aus § 109 Abs. 1 Satz 3 GewO keinen Anspruch auf eine Dankes- und Wunschformel ableiten. Bei der Beurteilung, ob der Anspruch auf Erteilung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses aus § 109 GewO auch die Formulierung einer gegebenenfalls auf die Gesamtnote abgestimmten Schlussformel umfasst, sind auf Seiten des Arbeitgebers die Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG und seine durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Unternehmerfreiheit sowie auf Seiten des Arbeitnehmers aufgrund der durch eine Schlussformel erhöhten Bewerbungschancen (vgl. BAG 11. Dezember 2012 - 9 AZR 227/11 - Rn. 12, BAGE 144, 103), dessen Berufsausübungsfreit (Art. 12 Abs. 1 GG) und gegebenenfalls das aus Art. 2 Abs. 1 GG iVm. Art. 1 Abs. 1 GG abgeleitete allgemeine Persönlichkeitsrecht betroffen. Das Interesse des Arbeitgebers, seine innere Einstellung zu dem Arbeitnehmer sowie seine Gedanken- und Gefühlswelt nicht offenbaren zu müssen, ist dabei höher zu bewerten als das Interesse des Arbeitnehmers an einer Schlussformel (BAG 25. Januar 2022 - 9 AZR 146/21 - Rn. 14). Wäre eine Dankes- und Wunschformel integraler Bestandteil eines qualifizierten Zeugnisses, wäre der Arbeitgeber verpflichtet, innere Gedanken über und Gefühle für den aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidenden Arbeitnehmer zu äußern. Hierdurch würde seine durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte negative Meinungsfreiheit beeinträchtigt, die Freiheit also, eine Meinung nicht zu haben, nicht zu äußern und insoweit zu schweigen und nicht gezwungen zu werden, eine fremde Meinung als eigene zu verbreiten (BAG 25. Januar 2022 - 9 AZR 146/21 - Rn. 19 mwN).

Der Anspruch ist auch angesichts der weit überdurchschnittlichen Bewertung, welche die Beklagte in dem zuletzt erteilten Zeugnis vornahm, nicht aus dem Rücksichtnahmegebot des § 241 Abs. 2 BGB iVm. § 109 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 GewO abzuleiten. Es kann nicht herangezogen werden, um abschließende gesetzliche Regelungen zu erweitern. Die Regelung zum Inhalt eines qualifizierten Arbeitszeugnisses in § 109 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 GewO ist abschließend. Die Ableitung eines Anspruchs aus § 241 Abs. 2 BGB die Grenzen zulässiger Auslegung und richterlicher Rechtsfortbildung überschreiten (vgl. BAG 25. Januar 2022 - 9 AZR 146/21 - Rn. 21 bis 24).

Dementsprechend kann ein Arbeitnehmer, der mit einer vom Arbeitgeber in das Zeugnis aufgenommenen Schlussformel nicht einverstanden ist, nur die Erteilung eines Zeugnisses ohne diese Formulierung verlangen. Ein Anspruch auf Erteilung eines Zeugnisses mit einem vom Arbeitnehmer formulierten Schlusssatz besteht nicht (BAG 11. Dezember 2012 - 9 AZR 227/11 - Rn. 17, BAGE 144, 103).

2.

Vorliegend war die Beklagte jedoch nach Treu und Glauben gehindert, von der zuvor erteilten Dankes-, Bedauerns- und Wunschformel abzuweichen.

a)

Der Arbeitgeber ist an den Inhalt eines erteilten Zeugnisses grundsätzlich gebunden. Die Bindung kann sich aus den Grundsätzen von Treu und Glauben ergeben (vgl. BAG 21. Juni 2005 - 9 AZR 352/04 - BAGE 115, 130, Rn. 13; 8. Februar 1972 - 1 AZR 189/71 - BAGE 24, 112). Sie kann darauf beruhen, dass das Zeugnis Wissenserklärungen des Arbeitgebers zum Verhalten oder der Leistung des Arbeitnehmers enthält, von denen er nur dann abrücken kann, wenn ihm nachträglich Umstände bekannt werden, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen (vgl. BAG 21. Juni 2005 - 9 AZR 352/04 - BAGE 115, 130, Rn. 13; 3. März 1993 - 5 AZR 182/92 - AP BGB § 630 Nr. 20 = EzA BGB § 630 Nr. 17). Das ergibt sich auch aus dem Rechtsgedanken des Maßregelungsverbots (§ 612a BGB). Danach darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer nicht deshalb benachteiligen, weil dieser in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Der Arbeitgeber ist deshalb nicht befugt, vom Arbeitnehmer nicht beanstandete Teile des Zeugnisses grundlos über die zu Recht verlangten Berichtigungen hinaus zu ändern (BAG 21. Juni 2005 - 9 AZR 352/04 - BAGE 115, 130, Rn. 13).

b)

Die Auffassung der Berufung, im Falle einer erteilten Dankes-, Bedauerns- und Wunschformel seien andere Maßstäbe anzulegen, überzeugt nicht.

aa)

Die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse an der Formulierung. Auch wenn der Schlusssatz - wie bereits ausgeführt - nicht zu den gesetzlich vorgesehenen Zeugnisbestandteilen gehört, ist er doch für die Aussagekraft des Zeugnisses nicht ohne jede Bedeutung. Positive Schlusssätze wie der zuvor erteilte und nunmehr verweigerte können geeignet sein, die Bewerbungschancen des Arbeitnehmers zu erhöhen. Ein Zeugnis wird durch einen Schlusssatz aufgewertet, in dem der Arbeitgeber seinen Dank für die guten Leistungen zum Ausdruck bringt und dem Arbeitnehmer für die berufliche Zukunft weiterhin alles Gute wünscht (vgl. BAG 25. Januar 2022 - 9 AZR 146/21 - Rn. 17; 11. Dezember 2012 - 9 AZR 227/11 - Rn. 12, BAGE 144, 103; 20. Februar 2001 - 9 AZR 44/00 - zu B I 2 b bb (3) der Gründe, BAGE 97, 57). Selbst wenn Arbeitgeber die Schlussformel teilweise nur floskelhaft aus Gründen der Höflichkeit verwenden, ohne die mitgeteilten Gefühle zu empfinden, enthält sie überprüfbare innere Tatsachen (vgl. BAG 25. Januar 2022 - 9 AZR 146/21 - Rn. 19), mithin Wissenserklärungen.

bb)

Ob die Beklagte bzw. ihr gesetzlicher Vertreter die in den zuvor erteilten Zeugnissen ausgedrückten positiven Empfindungen noch hegt oder inzwischen verloren hat, ist ohne Belang.

(1)

Nach dem Ausscheiden der Klägerin aus ihren Diensten bescheinigte die Beklagte ihr in zwei Zeugnisversionen Dank für die geleistete Arbeit, Bedauern über ihr Ausscheiden und gute Wünsche für die Zukunft. Alle Zeugnisse, auch das zuletzt ohne den Schlusssatz erteilte, nennen als Ausstellungsdatum den 28. Februar 2021, also den letzten Tag des Arbeitsverhältnisses. Dies entspricht der Üblichkeit; auch besteht Anspruch darauf, dass das berichtigte Zeugnis das Datum des ursprünglich und erstmals erteilten Zeugnisses trägt, und zwar unabhängig davon, ob der Arbeitgeber die Berichtigung von sich aus vornimmt oder ob er dazu gerichtlich verurteilt oder durch Prozessvergleich angehalten wurde (BAG 9. September 1992 - 5 AZR 509/91 - Rn. 15 mwN). Hieraus folgt, dass es darauf ankommt, welche inneren Tatsachen (Dank, Bedauern, gute Wünsche) die Beklagte bezogen auf das Beendigungsdatum bekunden wollte und bekundet hat, nicht auf spätere Gefühlsentwicklungen. Wollte man es anders sehen, so müssten Arbeitgeber konsequenterweise zum Widerruf eines erteilten Zeugnisses berechtigt sein, wenn sie die dort ausgedrückten Dankesgefühle verloren haben. Dies wäre weder redlich noch praktikabel.

(2)

Die Beklagte beruft sich auch nicht auf den Ausnahmetatbestand, dass ihr nachträglich Umstände bekannt geworden seien, die Anlass böten, vom einmal gewährten Zeugnisinhalt abzuweichen, etwa später aufgedeckte erhebliche Vertragspflichtverletzungen. Soweit ersichtlich, beschränkte sich der Kontakt der Parteien nach Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses auf die Korrespondenz zum Zeugnisinhalt und auf den vorliegenden Rechtsstreit.

(3)

Die Beklagte kann das Abrücken von der bereits erteilten Schlussformel auch nicht damit begründen, dass sie das Arbeitszeugnis auf Verlangen der Klägerin zu ändern hatte, denn dadurch verstößt sie gegen das Maßregelungsverbot. Gemäß § 612a BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. So liegt es hier. Das Verlangen der Klägerin, die Leistungs- und Verhaltensbeurteilung aufzubessern, war offenbar berechtigt, denn anderenfalls wäre die Beklagte ihm nicht nachgekommen. Dann aber ist es ihr verwehrt, der Klägerin als Sanktion die bereits gewährte Schlussformel wieder zu entziehen.

Der Umstand, dass das Arbeitsverhältnis nicht mehr besteht, hindert nicht die Anwendbarkeit des Maßregelungsverbotes. Der Zeugnisanspruch entspringt dem Arbeitsvertrag, setzt aber dessen Beendigung voraus. Es ist nicht ersichtlich, weshalb der Rechtsgedanke des Maßregelungsverbots nicht eingreifen sollte, wenn der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer nicht beanstandete Teile des Zeugnisses grundlos über die zu Recht verlangten Berichtigungen hinaus ändert (vgl. BAG 21. Juni 2005 - 9 AZR 352/04 - BAGE 115, 130, Rn. 13).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

IV.

Die Revision war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der entscheidungserheblichen Rechtsfrage zuzulassen, § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG.