Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 21.11.2022, Az.: 6 Sa 27/22

Rückwirkende Abänderung tariflicher Ansprüche durch Tarifregelung unter Beachtung der Grundsätze des Vertrauensschutzes; Parallelentscheidung zu LAG Niedersachsen 6 Sa 24/22 v. 21.11.2022

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
21.11.2022
Aktenzeichen
6 Sa 27/22
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2022, 49305
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2022:1121.6Sa27.22.00

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Hannover - 25.11.2021 - AZ: 2 Ca 103/21

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Der Rechtscharakter einer von den Tarifvertragsparteien vereinbarten Protokollnotiz ist im Wege der Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB zu ermitteln.

  2. 2.

    Die Tarifvertragsparteien können selbst geschaffene Ansprüche unter Beachtung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Rückwirkung von Gesetzen nachträglich abbedingen.

  3. 3.

    Einzelfallentscheidungen zu Ansprüchen eines Flugkapitäns aus einem Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung für Mitarbeiter des Cockpitpersonals in Übereinstimmung mit der Entscheidung des LAG Düsseldorf vom 16.08.2021 - 8 Sa 505/20 - (Revision BAG 5 AZR 27/22).

  4. 4.

    Die Tarifvertragsparteien können bei der Herausnahme von Normunterworfenen aus dem Geltungsbereich eines belastenden Tarifvertrages danach differenzieren, ob diese einen Aufhebungsvertrag im Rahmen einer Betriebsänderung oder davor vereinbart haben.

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts D-Stadt vom 25.11.2021 - 2 Ca 103/21 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über tarifliche Ansprüche des Klägers auf Vergütung von nicht abgerufenen Standby-Diensten sowie auf eine lineare Gehaltserhöhung vom 01.01.2018 bis 28.02.2021 und auf Vergütungsdifferenzansprüche wegen tarifvertraglicher Gehaltsreduzierungen vom 01.03. bis 30.06.2021.

Die Beklagte ist eine aus der früheren H.Fluggesellschaft mbH hervorgegangene, international agierende Fluggesellschaft mit Sitz in C-Stadt, welche zum Konzernverbund der T.AG gehört. Sie beschäftigte (Stand 16.04.2021) 2.151 Mitarbeiter, von denen 527 dem Cockpitpersonal angehörten.

Der am 01.01.1965 geborene Kläger war seit dem 01.02.2004 auf Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 23.01.2014 (Bl. 21 - 25 d.A.) zuletzt als First Officer/Pilot bei der Beklagten beschäftigt. Seine durchschnittliche monatliche Bruttovergütung betrug in Vollzeit 10.000 €.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die zwischen der Vereinigung Cockpit e.V. (im Folgenden: VC) und der Beklagten abgeschlossenen Tarifverträge Anwendung.

In § 15 Abs.14 des Manteltarifvertrages Nr. 4 für das Cockpitpersonal der C. vom 01.11.2016 (im Folgenden: MTV Nr. 4, vgl. 38 d. A.) ist geregelt:

"Nicht abgerufene Standby Dienste werden wertmäßig mit jeweils 2 Mehrflugstunden (in erster Stufe des jeweils gültigen VTV; jeweils für First Officer bzw. Captain) vergütet".

Am 23.11.2017 schloss die Beklagte mit dem VC eine Tarifvereinbarung (im Folgenden: TV 2017, vgl. Bl. 31-36 d. A.), die u.a. nachstehende Regelungen beinhaltet:

"I. Betrieb von 39 Flugzeugen

1.

Ab dem Sommerflugplan 2018 werden mindestens 35 Flugzeuge vom Typ Boeing 737 von T. betrieben, wobei bis maximal 7 der 35 Flugzeuge im Wet-Lease an Dritte vermarktet werden. Ab Sommerflugplan 2019 werden, für die verbleibende Laufzeit dieser Vereinbarung (bis zum 31.12.2020), insgesamt mindestens 39 Flugzeuge vom Typ Boeing 737 von der T. betrieben, wobei bis zu maximal 7 der 39 Flugzeuge im Wet-Lease an Dritte vermarktet werden.

Zum Ausgleich von saisonalen Schwankungen gilt die Mindestanzahl von 35 Flugzeugen für folgende Zeiträume:

- 01.05.2018 bis 31.10.2018

Zum Ausgleich von saisonalen Schwankungen gilt die Mindestanzahl von 39 Flugzeugen für folgende Zeiträume:

- 01.05.2019 bis 31.10.2019

- 01.05.2020 bis 31.10.2020

...

2.

Der unter Ziffer 1. beschriebene Betrieb von mindestens 35 Flugzeugen in dem Jahr 2018 und 39 Flugzeugen ab dem Jahr 2019 samt den dort aufgeführten Regelungen betreffend der saisonalen Schwankungen sowie der Verfahren zum Phase-in/Phase-out stellt bindende Geschäftsgrundlage und ist die Voraussetzung für die nachfolgend aufgeführten Maßnahmen dar. ...

II.

Vergütungstarifvertrag

1.

Bei dem zum 01.Januar 2018 in Kraft tretenden Vergütungstarifvertrag Nr.6 vom 28.September (nachfolgend VTV Nr.6) kommt die vereinbarte Vergütungserhöhung von 2,5 % nicht zur Anwendung. Zur Klarstellung wird darauf hingewiesen, dass damit die derzeit angewandten Gehaltstabellen von 2017 sowie die Tabellen zur Mehrflugstunden-Vergütung von 2017 gemäß Anlage I des Vergütungstarifvertrages Nr.5 vom 30.April 2014 (nachfolgend VTV Nr.5) in der Zeit bis 31.12.2018 zur Anwendung kommen (Anlage 1)....

III. Manteltarifvertrag

3.

Die zum 1. November 2016 in § 15 Abs. 14 MTV Nr. 4 eingeführte Bezahlung für nicht abgerufene Standby Dienste wird zum 31. Dezember 2017 ersatzlos gestrichen. Die Tarifvertragsparteien sind sich darüber einig, dass im Rahmen der MTV-Verhandlungen eine neue Standbyregelung verhandelt wird. ...

IV. Unterschreitung der Anzahl an Flugzeugen

1.

Sobald der unter I. Ziffer 1 geregelte Betrieb der vereinbarten Mindestanzahl (35 Flugzeuge im Jahr 2019 und 39 Flugzeuge ab dem Jahr 2019 (während der Laufzeit dieser Vereinbarung (bis zum 31.12.2020) unterschritten wird, leben die Regelungen zum Standby-Konzept und der Dienstplanstabilität, die unter III. Ziffer 2 und 3 dieser Tarifvereinbarung ausgesetzt wurden, mit sofortiger Wirkung wieder auf. Dies gilt unabhängig von anderslautenden Regelungen eines jeweils gültigen Manteltarifvertrages zum Standby Konzept und der Dienstplanstabilität.

Darüber hinaus wird in diesem Fall rückwirkend zum 01. Januar des jeweiligen Vorjahres eine zusätzliche lineare Gehaltssteigerung von 2,5 % vorgenommen. Klarstellend wird darauf hingewiesen, dass die vereinbarten Vergütungserhöhungen hiervon unberührt bleiben. Auf dieser Gehaltssteigerung basierend sind alle Bezüge des VTV Nr. 6 (bspw. Gehaltstabellen, Mehrflugstundenvergütung, Trainerzulagen, etc.) der Folgejahre nachzuberechnen.

2.

Sofern im Falle der Einflottung eines anderen Flugzeugmusters eine Reduzierung der Flugzeugflotte und damit eine Unterschreitung der unter I. Ziffer 1 festgestellten Mindestanzahl von Flugzeugen erfolgt, verpflichten sich die Parteien hinsichtlich einer Anpassung der Flugzeugflottengröße zu verhandeln. Ausgenommen von der Verhandlungsverpflichtung ist die Einführung einer Langstreckenoption, soweit die T. sicherstellt, dass keine Personalüberdeckung und keine Verringerung des Personalbedarfs entstehen. Unterschreitet die T. die unter I. Ziffer 1 vereinbarte Mindestanzahl (35 Flugzeuge im Jahr 2018 und 39 Flugzeuge ab dem Jahr 2019) während der Laufzeit dieser Vereinbarung (bis zum 31.12.2020), obwohl die Tarifvertragsparteien keine Einigung erzielten, kommt die Regelung unter IV. Ziffer 1 zur Anwendung.

Die unter Ziffer 1. Ziffer 1 festgelegte Mindestanzahl der Flugzeuge kann bei höherer Gewalt unterschritten werden. Die Feststellung von höherer Gewalt und eine damit etwaige Reduzierung der unter I. geregelten Flottengrößen bedürfen jedoch einer einvernehmlichen Feststellung zwischen den Tarifvertragsparteien...

VII. Inkrafttreten und Vertragsdauer

Diese Tarifvereinbarung tritt mit Unterzeichnung in Kraft und endet automatisch, ohne dass es einer Kündigung bedarf, am 31. Dezember 2020. Diese Tarifvereinbarung entfaltet keine Nachwirkung hinsichtlich der Ziffern I., IV., und VI. Gem. II. Ziffer 3 und III. Ziffer 1 entfalten der Vergütungstarifvertrag und der Manteltarifvertrag weiterhin Nachwirkung. Sollte es während der Laufzeit dieser Vereinbarung zur Unterschreitung der in I. vereinbarten Mindestanzahl von Flugzeugen kommen, dann entfalten zudem die in IV. Ziffer 1, zweiter Absatz genannten Regelungen zum Vergütungstarifvertrag weiter Nachwirkung."

Die Beklagte hat den Sommerflugplan 2018 mit der tariflich geregelten Mindestanzahl von Flugzeugen des Typs Boeing 737 betrieben. Sie plante den Sommerflugplan 2019 mit einer Flottengröße von 39 Flugzeugen. Die Entwicklung um das Flugzeugmuster Boeing 737 MAX 8 und MAX 9 führte im März 2019 zur Anordnung eines behördlichen Flugverbotes. Deshalb unterblieb die Auslieferung von Flugzeugen des Typs. Die Beklagte hatte ab Sommer 2019 mit vier und ab Sommer 2020 mit acht entsprechenden Flugzeugen gerechnet. Die Beklagte unterschritt ab April 2019 die tarifvertraglich festgelegte Mindestanzahl von 39 Flugzeugen.

In der Folge stritten die Tarifvertragsparteien über ein Aufleben der Ansprüche gemäß IV. Ziffer 1 TV 2017 und führten hierzu Verhandlungen. Hierüber informierte der VC die Mitarbeiter*Innen der Beklagten mit Schreiben vom 25.06.2019, 16.08.2019 (Bl. 235 d. A.), 04.09.2019 (Bl. 164- 166 d. A.) und 10.09.2019 (Bl. 106 d.A.). Dem entsprach die Beklagte mit einem Infoschreiben vom 06.09.2019 (Bl. 104, 105).

In einer Protokollnotiz vom 09./17.07.2019 zum TV 2017 (vgl. Bl. 103 d. A.) vereinbarten die Tarifvertragsparteien auszugsweise Nachstehendes:

"Der unter I. Ziffer 1 der Tarifvereinbarung vereinbarte Betrieb der Mindestanzahl von 39 Flugzeugen wird seitens T. derzeit unterschritten. Die Folgen, die eine Unterschreitung der vereinbarten Mindestanzahl auslöst, ist unter IV. der Tarifvereinbarung geregelt. Da zwischen den Parteien kein Einvernehmen i. S. d. IV. Ziffer 2 letzter Absatz besteht, vereinbaren die Parteien, die Regelung unter IV. Ziffer 1 bis zum 31. August 2019 außer Kraft zu setzen. In dieser Zeit soll der Versuch unternommen werden, gemeinsam zu einer Lösung zu gelangen...."

Die Gespräche der Tarifvertragsparteien blieben weiterhin erfolglos. Innerhalb der gesetzten Frist (31.08.2019) wurde keine Einigung erzielt. Im November 2019 nahmen sie die Verhandlung wieder auf. Ergebnis war der am 20.11.2022 vereinbarte "Tarifvertrag 2019" (im Folgenden: TV 2019, Bl. 88 - 97 d. A.). Darin ist unter D. vereinbart, dass IV. des TV 2017 gestrichen wird. In H. Ziffer 2 ist bestimmt, dass die in D. getroffene Regelung sofort in Kraft tritt, jedoch entfällt, wenn nicht - wie unter H. Ziffer 1 vereinbart - bis zum 31.03.2020 ein Beschluss zur Aufnahme der Langstrecke bei der Beklagten getroffen wird.

In einer Protokollnotiz zum TV 2019 vom 13.03.2020 (Bl. 98 d. A.) legten die Tarifvertragsparteien zudem fest, dass keine Ansprüche von Cockpitmitarbeitern für die Zeit ab dem 01.01.2018 wegen einer rückwirkenden Erhöhung der Entgeltbestandteile aus dem TV 2017 wegen Unterschreitung der Flottengröße bestehen. Zugleich wurde vereinbart, dass diese Regelung rückwirkend entfällt, wenn die Beklagte bis zum 31.03.2020 keinen Beschluss zur Aufnahme der Langstrecke trifft.

Weder bis zum 31.03.2020, noch bis zum Ablauf der mit der Protokollnotiz zum TV 2019 vom 09.04.2020 "Moratorium" (Bl. 99 und 100 d. A.) zum 31. Juli 2020 verlängerten Frist fasste die Beklagte einen Beschluss zur Aufnahme der Langstrecke. Vielmehr teilte sie dem VC im Juni 2020 mit, keine deutsche Langstrecke einzuführen.

Der Kläger wurde vom VC mit Schreiben vom 17.12.2020 darüber informiert, seine Vergütungsansprüche aus dem TV 2017 innerhalb der tarifvertraglichen Ausschlussfristen geltend zu machen. Dem entsprach Kläger mit Schreiben vom 17.12.2021 (Bl. 43,44 d. A.). Die Beklagte wies seine Ansprüche mit E-Mail vom 28.01.2021 (Bl. 45 d. A.) zurück.

Im Hinblick auf die zwischen den Tarifvertragsparteien streitige Frage des Vorliegens höherer Gewalt erhob die Beklagte am 23. Dezember 2020 von dem Arbeitsgericht B-Stadt Klage gegen den VC (vgl. Bl. 107 - 119 d.A.). Dieser Rechtsstreit wurde in ein Mediationsverfahren überführt. In dessen Folge sowie tarifvertraglicher Verhandlungen über ein neues Gesamtpaket vereinbarten die Tarifvertragsparteien unter dem 5. März 2021 eine weitere Protokollnotiz zum TV 2017 (Bl. 60 d. A.) mit folgendem Inhalt:

"Im Rahmen der Mediation zum Abschluss des Gesamtpakets 2021 haben die Parteien Folgendes vereinbart:

Die Parteien vereinbaren, dass keine Ansprüche der Arbeitnehmer für die Zeit ab dem 01.01.2018 wegen Unterschreitung der Flottengröße aus dem TV 2017 bestehen."

Am 18.06.2020 hatte der Aufsichtsrat der Beklagten auszugsweise folgenden Beschluss (vgl. Bl. 238 d.A.) gefasst:

"Der Aufsichtsrat der C. stimmt ....den folgenden Maßnahmen zu, wobei alle Maßnahmen - vorbehaltlich der Mitbestimmungsrechte der jeweils betriebsverfassungsrechtlichen Gremien - jeweils zum nächst-möglichen Zeitpunkt erfolgen sollen:

1. Flottenreduzierung durch dauerhaften Abbau der Anzahl der auf dem AOC der C. mit eigenen Crews betriebenen Flugzeuge auf 17 Flugzeuge(A/C).

2. Personalanpassungen beim fliegenden Personal (Cockpit-Personal und Kabinenpersonal) entsprechend der Flottenreduzierung auf 17 Flugzeuge (A/C).....

5. Stationsschließungen an den Flughäfen Hamburg (HAM), Münster-Osnabrück (FMO), Berlin-Tegel (TXL), Bremen (BRE), Nürnberg (NUE) und Köln (CGN).....

10. Unverzügliche Aufnahme von Verhandlungen mit den zuständigen betrieblichen Gremien (Arbeitnehmervertretungen), um die vorgenannten Maßnahmen, soweit sie Betriebsänderungen darstellen oder aus sonstige Gründen Mitwirkungs- bzw. Mitbestimmungsrechte auslösen, mit den zuständigen betrieblichen Mitbestimmungsgremien unter Wahrung von deren Rechten zu verhandeln mit dem Ziel, schnellstmöglich die Umsetzung der der Maßnahmen unter Beachtung der Ergebnisse der Mitbestimmung einleiten und durchführen zu können......."

Am 5.11.2020 vereinbarten die Parteien im Zuge eines Freiwilligenprogramms einen Aufhebungsvertrag. Nach dessen Ziffer 1. ist das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis einvernehmlich aus betrieblichen Gründen gegen Zahlung einer Abfindung (Ziffer 3.) zum 31.12.2021 beendet worden. Nach Ziffer 4. dieses Vertrages ist der Kläger unwiderruflich unter Fortzahlung der Vergütung und Anrechnung sämtlicher Urlaubsansprüche bis zum 31.12.2021 von der Arbeit freigestellt worden. Wegen der weiteren Einzelheiten dieses Aufhebungsvertrages wird auf Blatt 176 und 177 d.A. verwiesen.

Am 05.03.2021 schlossen die Beklagte und der VC eine "Tarifvereinbarung zur Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen durch das Corona Virus 2.0" (TV Corona) ab. Darin wurde für alle Arbeitnehmer*innen des Cockpitpersonals vom 01.03.2021 bis zum 31.12.2021 eine Arbeitszeitreduzierung um 20 % und eine dementsprechende Reduzierung des Grundgehaltes und der Flugzulagen I sowie II vereinbart. Ausgenommen hiervon wurden nach § 1 TV Corona "die Arbeitnehmer, die betriebsbedingt gekündigt werden oder auf Grundlage des Freiwilligenprogamms aus März 2021 einen Aufhebungsvertrag unterzeichnen". Wegen der weiteren Einzelheiten des TV Corona wird auf Blatt 178 bis 182 d.A. Bezug genommen.

Ebenfalls am 05.03.2021 schloss die Beklagte mit der Gesamtvertretung Bord einen Interessenausgleich, dieser sah u.a. eine Flottenreduzierung auf 22 Flugzeuge und eine Mindestbeschäftigtenzahl im Cockpit von 370 Personen vor. Wegen der weiteren Einzelheiten dieses Interessenausgleichs wird auf Blatt 167 bis 172 d. A. verwiesen.

Unter dem 11.03.2021 vereinbarten die Beklagte und die Personalvertretung Cockpit einen Sozialplan, der nach § 1 Ziffer 3. u.a. Cockpitpersonal von seinem Anwendungsbereich ausnimmt, das aufgrund einer vor dem 05.03.2021 abgeschlossenen Abwicklungs-/Aufhebungsvereinbarung ausscheidet bzw. ausscheiden wird, und in § 4 Ziffer 7. ein sog. Freiwilligenprogramm regelt. Wegen der weiteren Einzelheiten dieses Sozialplans wird auf Blatt 242 - 248 d.A. Bezug genommen.

Anschließend kündigte die Beklagte ca. 180 Mitarbeiter*innen des Cockpitpersonals betriebsbedingt.

Von März bis Juni 2021 kürzte die Beklagte die Vergütung des Klägers entsprechend dem TV Corona.

Mit der am 23.03.2021 beim Arbeitsgericht D-Stadt eingegangenen und unter dem 16.08.2021 erweiterten Klage hat der Kläger - soweit für das Berufungsverfahren von Bedeutung - die Beklagte auf Zahlung von nicht abgerufenen Standby Dienste sowie eine lineare Gehaltserhöhung ab 01.01.2018 und Vergütungsdifferenzen von März bis Juni 2021 in Anspruch genommen. Er hat die Ansicht vertreten, ihm stünden Ansprüche auf Differenzvergütung aufgrund einer linearen Gehaltssteigerung von 2,5 % seit dem 01.01.2018 ebenso wie auf Vergütung von nicht abgerufenen Standby-Diensten zu. Durch die Unterschreitung der Mindestanzahl von Flugzeugen sei der tariflich vereinbarte Ausschluss dieser Gehaltsbestandteile rückwirkend entfallen. Die Protokollnotiz vom 05. März 2021 könne die entstandenen Ansprüche nicht beseitigen. Unter anderem weil die Laufzeit des TV 2017 bereits am 31.12.2020 geendet habe, handele es sich dabei um eine unzulässige echte Rückwirkung in bestehende Rechte des Klägers. Auf tarifliche Ausschlussfristen könne sich die Beklagte nicht berufen. Zudem habe die Beklagte sein Gehalt zu Unrecht auf Basis des TV Corona von März bis Juni 2021 gekürzt. Zum einen sei der Tarifvertrag auf den Kläger nach seinem Sinn und Zweck nicht anwendbar. Soweit die Tarifvertragsparteien in § 1 Satz 2 TV Corona lediglich Arbeitnehmer*innen, die ab März 2021 einen Aufhebungsvertrag abgeschlossen bzw. eine betriebsbedingte Kündigung erhalten hätten, von seinem Anwendungsbereich ausnehme, handele es sich um einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Überdies sei darin eine unzulässige Rückwirkung und ein Verstoß gegen den bestehenden Vertrauensschutz des Klägers auf Fortzahlung seiner unveränderten Vergütung gemäß Aufhebungsvertrag vom 5.11.2020 zu sehen.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 24.983,42 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %- Punkten über dem Basiszinssatz ab den 30.03.2021 zu zahlen;

2. es wird festgestellt, dass die vereinbarten Vergütungserhöhungen für das Kalenderjahr 2018 und der darauffolgenden Kalenderjahre basierend auf der um 2,5 % erhöhten Vergütung für das Jahr 2017 gem. Ziffer 4 IV UA 2 der Tarifvereinbarung vom 23.11.2017 zu berechnen sind;

3. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.447,90 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 2.149,30 Euro brutto seit dem 01.05.2021, aus 1.074,65 € brutto seit dem 01.05.2021 und aus 2.149,30 € brutto seit dem 01.06.2021und aus 1.074,65 € brutto seit 01.07.2021 zu zahlen;

4. es wird festgestellt, dass die Tarifvereinbarung zur Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen durch das Corona-Virus 2.0 vom 05.03.2021 auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Beteiligten keine Anwendung findet.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, die Klage sei insgesamt unbegründet, und hat dazu wie folgt vorgetragen:

Die im TV 2017 vereinbarten Regelungen zur Unterschreitung der Mindestanzahl von Flugzeugen seien aufgrund der zu weit gehenden Einschränkung ihrer grundgesetzlich geschützten unternehmerischen Freiheit aus Artikel 12 GG unwirksam. Ohnehin habe insoweit nach der Entscheidung der europäischen Luftfahrtbehörde zur Sperrung des europäischen Luftraums für die Maschinen des Typs Boeing 737 Max 8 und Max 9 ein Fall der höheren Gewalt vorgelegen. Schließlich sei etwaigen Ansprüchen des Klägers durch die Protokollnotiz vom 05.03.2021 die Grundlage entzogen worden. Der Kläger könne sich nicht auf einen Vertrauensschutz berufen. Zwischen den Tarifvertragsparteien sei über die Frage der Vergütungsansprüche wegen Unterschreitung der Flottengröße durchgehend betriebsöffentlich gestritten und die Mitarbeiter*innen seien hierüber durch wechselseitige Schreiben zusätzlich informiert worden. Die Gehaltsreduzierungen ab März 2021 seien zu Recht auf Grundlage des TV Corona erfolgt. Nach dessen eindeutigen Wortlaut sei der Kläger im Gegensatz zu den Arbeitnehmer*innen, die auf Grundlage des Freiwilligenprogramms im März 2021 ausgeschieden seien, nicht von dessen Anwendung ausgenommen worden. Bei Abschluss des Aufhebungsvertrages mit dem Kläger seien betriebsbedingte Kündigungen noch nicht konkret absehbar gewesen. Die Aufhebungsvereinbarung des Klägers unterscheide sich zudem wesentlich von den später abgeschlossenen Vereinbarungen im Rahmen des Freiwilligenprogramms auf Grundlage des Interessenausgleichs und Sozialplans aus März 2021.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vortrages der Parteien wird Bezug genommen auf die zwischen ihnen in erster Instanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die in der erstinstanzlichen Verhandlung wechselseitig abgegebenen Erklärungen.

Mit Urteil vom 25.11.2021 hat das Arbeitsgericht D-Stadt die Klage insgesamt abgewiesen. Wegen der rechtlichen Würdigung wird Bezug genommen auf dessen Entscheidungsgründe (Seiten 12 bis 18 desselben, Bl. 374 R bis 377 R). Das Urteil ist dem Kläger am 16.12.2021 zugestellt worden. Mit am 14.01.2022 beim LAG Niedersachsen eingegangenem Schriftsatz hat er hiergegen Berufung eingelegt und diese, nachdem ihm zuvor Fristverlängerung gewährt worden war, unter dem 14.04.2022 begründet.

Der Kläger ist weiterhin der Auffassung, Ansprüche auf Vergütung von nicht abgerufenen Standby Dienste nach § 15 Abs. 14 MTV Nr. 4 und eine lineare Gehaltssteigerung von 2,5 % gem. der angepassten Gehaltstabelle des VTV Nr. 6 vom 28.09.2016 jeweils iVm. Arbeitsvertrag in der geltend gemachten Höhe zu haben. Zwar hätten die Tarifvertragsparteien diese Anspruchsgrundlagen durch III. Ziffer 2., 3. und II. Ziffer 1. TV 2017 gestrichen. Aufgrund der Unterschreitung der Flottengröße zum 01.04.2019 seien diese jedoch nach Abschnitt IV. Ziffer 1. TV 2017 wiederaufgelebt. Dabei seien die Ansprüche nicht auf die Laufzeit des TV 2017 bis zum 31.12.2020 begrenzt, sondern würden über den 01.01.2021 hinaus bestehen. Das ergebe sich aus VII. Satz 3 TV 2017. Die Tarifvertragsparteien hätten nach der Flottenunterschreitung die in diesem Zusammenhang bestehenden Ansprüche durch die Protokollnotiz vom 09./17.07.2019 bis Ende August 2019 ausgesetzt. Nach Ablauf dieser Frist seien die Ansprüche dies Klägers endgültig entstanden und der Kläger habe darauf vertrauen können, dass diese Ansprüche nicht nachträglich beseitigt werden würden. Dem stünden die Schreiben des VC und der Beklagten ab dem 04.09.2019 nicht entgegen, da diese erst nach dem Ablauf der Frist und somit nach Entstehung des Vertrauensschutzes veröffentlicht worden seien. Deshalb entfalte bereits der TV 2019 eine unzulässige echte Rückwirkung. Der VC habe im Schreiben vom 06.09.2019 mitgeteilt, dass die Verhandlungen nach Ablaufen der Aussetzungsfrist ohne Ergebnis geendet hätten, und habe u.a. den Kläger dazu aufgefordert, seine Ansprüche gegenüber der Beklagten geltend zu machen. Dem habe der Kläger entsprochen. Abgesehen davon hätten die Tarifvertragsparteien mit dem TV 2019 zwar erkennbar die aus dem TV 2017 resultierenden Ansprüche auf Gehaltssteigerung und Vergütung nicht abgerufener Standby Dienste ausschließen wollen. Der Ausschluss habe jedoch unter Bedingungen gestanden, dass es bis zum 31.03.2020 und nach Fristverlängerung bis zum 31.07.2020 zur Etablierung einer Langstrecke komme. Die Langstrecke sei aber unstreitig nicht etabliert worden. Spätestens nach Ablauf des 31.07.2020 habe der Kläger darauf vertrauen können, dass seine Ansprüche aus dem TV 2017 entstanden seien und nicht mehr rückwirkend beseitigt werden könnten. Dieses Vertrauen habe sich durch das Schreiben des VC vom 17.12.2020 gefestigt. Dem stehe die Klage der Beklagten vom 23.12.2020 gegen den VC nicht entgegen. Diese habe die Beklagte erst eingereicht, nachdem sämtliche Fristen im Zusammenhang mit einer Verständigung über den TV 2017 abgelaufen gewesen seien. Außerdem habe die Beklagte weder den VC noch die Belegschaft über die Klageeinreichung informiert. Ein Fall höherer Gewalt für die Unterschreitung der Flottengröße habe ebenso wenig wie eine dahingehende einvernehmliche Feststellung der Tarifvertragsparteien vorgelegen. Selbst wenn der Wirksamkeit der Protokollnotiz vom 05.03.2021 keine Vertrauensschutzgründen entgegenstehen würde, habe diese lediglich die Ansprüche auf eine lineare Gehaltserhöhung, nicht aber auch diejenigen auf Vergütung von nicht abgerufenen Standby Diensten ausgeschlossen. Nur dieses Ergebnis stehe im Einklang mit den Regelungen im TV 2019, der sich ausweislich der Protokollnotiz vom 13.03.2020 allein auf Ansprüche "wegen einer rückwirkenden Erhöhung der Entgelttabellen" beziehe. Im Hinblick auf den Anspruch des Klägers auf Zahlung der Differenzvergütung für die Monate März bis Juni 2021 sei hervorzuheben, dass der Kläger nicht in den Anwendungsbereich des TV Corona falle. Aus dessen Präambel ergebe sich, dass die darin vereinbarte Arbeitszeitreduzierung mit entsprechender Gehaltskürzung der verbesserten Aufgabenstruktur und somit der Sicherung der Arbeitsplätze habe dienen sollen. Durch die Gehaltsreduzierung beim Kläger könne keiner dieser Zwecke erreicht werden. Die Parteien hätten sich bereits vorher im Aufhebungsvertrag vom 15.12.2020 auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses verständigt zu für die Beklagte vorhersehbaren finanziellen Konditionen. Da der Kläger im Aufhebungsvertrag zudem bis zum 31.12.2021 unwiderruflich von der Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt worden sei, könne er von einer tatsächlichen Arbeitszeitreduzierung gem. § 3 TV Corona gar nicht betroffen sein. Für ihn sei auch § 6 TV Corona unmaßgeblich, weil er bereits aufgrund seiner unwiderruflichen Freistellung für Nebentätigkeiten keiner Genehmigung durch die Beklagte bedurft habe. Die Anwendung des TV Corona auf die Vergütung des Klägers verstoße außerdem gegen das Günstigkeitsprinzip. Die Beklagte und der Kläger hätten sich bei Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages individual-rechtlich auf die Fortzahlung der Vergütung aus November 2020 geeinigt. Der ursprüngliche TV Corona habe zum 30.09.2020 geendet. Die Beklagte habe den Kläger bei Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages nicht auf eine geplante Tarifvereinbarung hingewiesen. Eine solche habe seinerzeit nicht angestanden. Die Vergütungsregelung im Aushebungsvertrag sei für den Kläger günstiger, als die nachträglichen Bestimmungen im TV Corona. Eine tarifvertragliche Bezugnahme enthalte der Aufhebungsvertrag nicht. Auch verstoße die Beklagte dadurch, dass sie den Kläger in den Anwendungsbereich des TV Corona einbeziehe, gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Sie habe sachfremde Gruppen gebildet, indem sie hinsichtlich der Anwendbarkeit des TV Corona zwischen denjenigen Mitarbeiter*innen, die einen Aufhebungsvertrag im Rahmen des Freiwilligenprogramms März 2021 und denjenigen, die einen Aufhebungsvertrag vorher im Herbst 2020 unterzeichnet hätten, unterscheide. Beiden Mitarbeitergruppen sei gemein, dass ihr Arbeitsverhältnis aufgrund derselben Umstrukturierungsmaßnahmen betriebsbedingt zum 31.12.2021 ende. Keine Gruppe profitiere von dem Sinn und Zweck der Tarifvereinbarung. Nicht nur der Kläger, sondern auch Mitarbeiter*innen, die ab März 2021 einen Aufhebungsvertrag unterzeichnet hätten, seien bezahlt freigestellt worden. Allen - einschließlich Kläger - wäre betriebsbedingt gekündigt worden, sofern sie keinen Aufhebungsvertrag unterzeichnet hätten. Andernfalls hätte die Beklagte dem Kläger kein Aufhebungsangebot unterbreitet. Die Beklagte trage selbst vor, dass sie sich insoweit "Rechtssicherheit" erkauft habe. Hätte der Kläger keinen Aufhebungsvertrag unterzeichnet, wäre er gekündigt worden und würde unstreitig nicht in den Anwendungsbereich des TV Corona fallen. Letztlich verstoße die Gehaltskürzung gegen den Vertrauensgrundsatz aus Artikel 20 Abs. 3 GG. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrages seien die Ansprüche des Klägers auf Vergütung entsprechend dem Vergütungstarifvertrag bereits entstanden, ohne dass der Kläger seine Arbeitsleistung dafür habe erbringen müssen. Ab dem Zeitpunkt der Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages im Dezember 2020 bis April 2021 habe er auf eine reguläre weitere Vergütung vertraut. Sonst hätte er den Aufhebungsvertrag nicht unterzeichnet. Der Kläger habe erstmals durch seine Gehaltsabrechnung für März von der Gehaltskürzung erfahren. Es liege somit eine unzulässige echte Rückwirkung vor.

Der Kläger beantragt,

dass Urteil des Arbeitsgerichts D-Stadt vom 25.11.2021 - 2 Ca 103/21 - teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen,

1. an den Kläger 24.983,42 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

2. an den Kläger 6447,90 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz aus 2.149,30 € brutto seit dem 01.05.2021, aus1075,65 € brutto seit dem 01.05.2021, aus 2.149,30 € brutto seit dem 01.06.2021 und aus 1.074,65 € brutto seit dem 01.07.2021 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil als zutreffend und führt dabei unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vortrages unter anderem nachstehendes aus:

Zunächst sei IV. des TV 2017 unwirksam. Die Zusage einer Mindestflottengröße sei tariflich nicht regelbar. Unabhängig davon sei die Flottenunterschreitung eine Folge höhere Gewalt gewesen, weshalb der Kläger keine Ansprüche auf eine rückwirkende Vergütungserhöhung geltend machen könne. Es komme nicht darauf an, ob das Vorliegen höhere Gewalt von den Tarifvertragsparteien einvernehmlich festgestellt worden sei. Etwaige Ansprüche des Klägers seien letztendlich jedenfalls mit der Protokollnotiz vom 05.03.2021 aufgehoben worden. Darin hätten sich die Tarifvertragsparteien darauf verständigt, dass das Cockpitpersonal keine rückwirkenden Ansprüche auf eine Vergütungserhöhung und auf nicht abgerufene Standby Dienste seit dem 01.01.2018 haben solle. Da im TV 2017 keine Einigungsfrist geregelt sei, habe diese Protokollnotiz auch noch nach Ablauf des TV 2017, mithin nach dem 31.12.2020, vereinbart werden können. Ohnehin habe die Beklagte bereits vor Ablauf des 31.12.2020 Klage gegen den VC vor dem Arbeitsgericht B-Stadt erhoben, und zwar am 23.12.2020. Die Beseitigung der Anspruchsgrundlage für die Klageforderung sei auch zulässig gewesen. Selbst wenn es sich dabei um eine echte Rückwirkung handele, könne sich der Kläger nicht auf Vertrauensschutz berufen. Die Ansprüche seien von Anfang an umstritten gewesen. Die widerstreitenden Rechtsauffassungen zwischen der Beklagten und dem VC seien wiederholt und regelmäßig in die Belegschaft kommuniziert worden. Der Kläger habe zu keinem Zeitpunkt davon ausgehen können, dass eine rückwirkende Vergütungserhöhung auf Grundlage der Ziffer IV. des TV 2017 Realität werden würde. Er habe auch nicht berechtigterweise davon ausgehen können, dass der Streit über das Vorliegen höherer Gewalt entschieden worden sei, weil die Tarifvertragsparteien zwischenzeitlich keine weitere Information über den Streit herausgegeben hätten. Da der Kläger in Anwendungsbereich des TV Corona falle, habe die Beklagte zudem zu Recht dessen Vergütung von März bis Juni 2021 reduziert. Die Tarifvertragsparteien hätten den Geltungsbereich des TV Corona unmissverständlich festgelegt. Es sei nicht erkennbar, inwieweit die Tarifvertragsparteien den ihnen zustehenden Gestaltungsspielraum überschritten und den Kläger aus sachwidrigen Gründen nicht aus dem Geltungsbereich des TV Corona herausgenommen haben sollten. Die Bedingungen der im Herbst 2020 abgeschlossenen Aufhebungsverträge seien mit denen nach dem Freiwilligenprogramm aus März 2021 nicht deckungsgleich.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird Bezug genommen auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze vom 14.04.2022, 22.06.2022 und 09.11.2022 sowie auf die in der mündlichen Verhandlung am 17.11.2022 wechselseitig abgegebenen Erklärungen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

A.

Sie ist zwar insgesamt zulässig. Sie ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 64, 66 ArbGG und 519, 520 ZPO.

B.

Die Berufung ist jedoch insgesamt unbegründet.

Dem Kläger stehen weder Ansprüche auf Vergütung für nicht abgerufene Standby Dienste und auf eine lineare Gehaltserhöhung von 2,5% ab dem 01.01.2018 (I.) noch auf Vergütungsdifferenzen für die Monate März bis Juni 2021 (II.) zu. Das Arbeitsgericht die die Klage insoweit zu Recht abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers unterliegt der Zurückweisung.

I.

Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von insgesamt 24.983,42 Euro Brutto nebst Zinsen gemäß § 15 Abs.14 MTV Nr.4 und IV. Ziffer 1. Abs.2 TV 2017.

1.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die im TV 2017 vorgenommene Verknüpfung von Ansprüchen des normunterworfenen Cockpitpersonals mit dem Erreichen oder Unterschreiten einer Mindestflottengröße von 39 Flugzeugen rechtlich zulässig ist oder einen ungerechtfertigten Eingriff in den grundgesetzlich geschützten Kernbereich der unternehmerischen Betätigungsfreiheit der Beklagten darstellt. Auch kann offenbleiben, ob das im März 2019 behördlich verordnete Grounding der Boeing 737 objektiv ein Fall "höherer Gewalt" im Sinne von IV. Ziffer 2. Abs. 2 TV 2017 und ursächlich für die Flottenunterschreitung war. Denn wie das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat in einem parallel liegenden Fall (Urteil vom 26.08.2021 - 8 Sa 505/20 - siehe juris; Revisionsverfahren anhängig beim BAG zum Aktenzeichen - 5 AZR 27/21 -; dem LAG Düsseldorf zustimmend LAG München, 27.04.2022 - 5 Sa 739/21 - und LAG Hamburg, 24.05.2022 - 4 Sa 54/21-) überzeugend entschieden hat, ist beiden tariflichen Ansprüchen des Klägers jedenfalls durch die Protokollnotiz vom 05.03.2021 zum TV 2017 die Grundlage entzogen worden. Dem schließt sich die Kammer nach Beratung ausdrücklich an.

2.

Danach gilt Folgendes:

a)

Dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien die haustariflichen Bestimmungen bei der Beklagten Anwendung finden, ist zwischen den Parteien nicht im Streit.

b)

In der Protokollnotiz vom 05.03.2021 haben die Tarifvertragsparteien (VC und die Beklagte) vereinbart, dass keine Ansprüche der Arbeitnehmer für die Zeit ab dem 01.01.2018 wegen Unterschreitung der Flottengröße aus dem TV 2017 bestehen. Dadurch haben die Tarifvertragsparteien mit bindender Wirkung für den Kläger die Regelung unter IV. Ziffer 1. TV 2017 abbedungen, wonach bei Unterschreitung einer festgelegten Flottengröße unter anderem die Vergütung von Standby-Diensten gemäß § 15 Abs. 14 MTV sowie eine rückwirkende Gehaltsanpassung um 2,5 % zu erfolgen hat.

aa)

Die Protokollnotiz vom 05.03.2021 zum TV 2017 hat Rechtsnormqualität.

(1)

Welchen Charakter eine von den Tarifvertragsparteien vereinbarte Protokollnotiz hat, ist nach dem im Wege der Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB zu ermittelnden Willen der Tarifvertragsparteien festzustellen (BAG, 26.02.2020 - 4 AZR 48/19 - Rn. 31). Darüber hinaus muss die Protokollnotiz, um Rechtsnormqualität zu haben, dem Schriftformerfordernis des § 1 Abs. 2 TVG in Verbindung mit §§ 126, 126 a BGB genügen.

(2)

Die Protokollnotiz vom 05.03.2021 ist zunächst von beiden Tarifvertragsparteien handschriftlich unterzeichnet worden im Sinne von § 1 Abs. 2 TVG in Verbindung mit § 126 BGB. Der Rechtssetzungswillen wird eindeutig daraus erkennbar, dass die Tarifvertragsparteien selbst ausdrücklich ausgeführt haben "die Tarifvertragsparteien vereinbaren...". Der Begriff der Vereinbarung beinhaltet schon vom Wortlaut her unzweifelhaft, dass die Tarifvertragsparteien eine verbindliche Regelung mit Außenwirkung und keine bloße Auslegungshilfe treffen wollten. Darüber hinaus ergibt sich aus Sinn und Zweck der Protokollnotiz bei objektiver Betrachtung vom Empfängerhorizont unmissverständlich, dass damit normative Ansprüche Dritter aus einem Tarifvertrag, einer anderweitigen, rechtswirksamen und abschließenden Regelung zugeführt werden sollten. Die Protokollnotiz markiert den Endpunkt einer jahrelangen Auseinandersetzung zwischen den Tarifvertragsparteien über die Feststellung von höherer Gewalt als Ursache für die Unterschreitung der Flottengröße gemäß I. Ziffer 1. TV 2017 als Voraussetzung dafür, dass daran anknüpfende Ansprüche der normunterworfenen Arbeitnehmer*innen entweder gar nicht erst - wieder - entstehen oder jedenfalls - wieder - entfallen.

bb)

Die Tarifvertragsparteien haben in der Protokollnotiz zum Ausdruck gebracht, dass Ansprüche der normunterworfenen Arbeitnehmer*innen für die Zeit ab dem 01.01.2018 wegen Unterschreitung der Flottengröße aus dem TV 2017 nicht bestehen sollen. Zu den Ansprüchen aus dem TV 2017 gehören auch die streitgegenständlichen Ansprüche des Klägers auf Vergütung von Standby-Diensten gemäß § 15 Abs. 14 MTV und eine lineare Gehaltserhöhung von 2,5% nach IV. 1. Abs. 2 TV 2017 ab dem 01.01.2018. Das ergibt die Auslegung zweifelsfrei.

(1)

Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regelungen. Danach ist zunächst vom Wortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne an den Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragspartei zu berücksichtigen, soweit er in der tariflichen Norm seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist zudem auf den tariflichen Gesamtzusammenhang. Sind dann zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu ermitteln, können weitere Kriterien, wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages herangezogen werden. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führen (BAG, 13.07.2021 - 3 AZR 363/20 - Rn. 23).

(2)

Danach wollten die Tarifvertragsparteien mit der Protokollnotiz sämtliche Ansprüche, die aus der Unterschreitung der Flottengröße nach dem Tarifvertrag 2017 für die normunterworfenen Arbeitnehmer*innen resultiert haben, endgültig zum Erlöschen bringen. Der Wortlaut lässt insoweit schon keine Zweifel zu, als danach ohne Differenzierung von "keinen Ansprüchen" die Rede ist und damit unterschiedslos auf alle Ansprüche für die Zeit ab dem 01.01.2018 abgestellt wird. Als Bezugspunkt für die Ansprüche wird ausdrücklich der TV 2017 und als Anlass für die Ansprüche die "Unterschreitung der Flottengröße" genannt. Die Tarifvertragsparteien haben damit erkennbar an die durch das Unterschreiten einer Mindestflottengröße entstehenden bzw. wiederauflebenden tariflichen Ansprüche angeknüpft. Den Normunterworfenen sollten alle Ansprüche aus dem TV 2017 entzogen werden, die aus einem Unterschreiten der in diesem Tarifvertrag festgelegten Mindestanzahl von Flugzeugen resultieren. Eine Begrenzung des Anspruchsverlusts auf die lineare Gehaltsteigerung mit Blick auf den TV 2019 hat in der Protokollnotiz keinerlei Anklang gefunden. Darin wird allein auf den TV 2017 abgestellt. Dem steht zudem entgegen, dass die Tarifvertragsparteien offensichtlich eine klare und eindeutige Rechtslage schaffen und so u.a. einen Schlussstrich unter ihren jahrelangen Streit zur Feststellung der höheren Gewalt im Sinne von IV. 2. Abs. 2 TV 2017 ziehen wollten, der in ein Verfahren vor dem Arbeitsgericht B-Stadt samt anschließender Mediation gemündet war. Das haben sie unmissverständlich durch den Eingangssatz der Protokollnotiz, wonach die Parteien die Protokollnotiz "im Rahmen der Mediation zum Abschluss eines Gesamtpakets 2021" vereinbart haben, zum Ausdruck gebracht. Nach der Vereinbarung der Protokollnotiz vom 05.03.2021 hat die Beklagte dementsprechend ihren Antrag beim Arbeitsgericht B-Stadt zurückgenommen und sowohl die Tarifvertragsparteien haben u.a. mit dem TV Corona am 05.03.2021 als auch die Betriebsparteien haben mit dem Interessenausgleich und Sozialplan im März 2021 "im Rahmen eines Gesamtpakets" weitere Regelungen zur wirtschaftlichen Konsolidierung der Beklagten getroffen.

(3)

Dass die Tarifvertragsparteien sich in der Protokollnotiz nicht an den Begrifflichkeiten des TV 2017 orientiert und keine Aussage zum Bestehen "höherer Gewalt" getroffen haben, führt zu keinem anderen Auslegungsergebnis. Nach der von ihnen in der Protokollnotiz gewählten Formulierung sollte erkennbar allen mit der Flottenunterschreitung zusammenhängenden Ansprüchen aus dem TV 2017 die Grundlage entzogen werden, unabhängig davon, ob das behördlich verordnete Grounding der Boeing 737 objektiv ein Fall höherer Gewalt darstellte oder von ihnen dazu eine einvernehmliche Feststellung getroffen worden war.

c)

Die Protokollnotiz vom 05.03.2021 zum TV 2017 ist nicht wegen Verstoßes gegen das Rückwirkungsverbot unwirksam.

aa)

Tarifvertragliche Regelungen tragen den immanenten Vorbehalt ihrer nachträglichen Abänderung durch Tarifvertrag in sich. Der jüngere Tarifvertrag löst dabei grundsätzlich den älteren ab. Ein Günstigkeitsvergleich gemäß § 4 Abs.3 TVG findet zwischen Tarifverträgen nicht statt. Die Gestaltungswirkung der Tarifvertragsparteien zur rückwirkenden Änderung tarifvertraglicher Regelungen ist allerdings durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes der Normunterworfenen begrenzt. Es gelten insoweit die gleichen Regelungen wie nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Rückwirkung von Gesetzen. Zu unterscheiden ist danach zwischen echter und unechter Rückwirkung. Eine echte Rückwirkung ist gegeben, wenn eine Rechtsnorm nachträglich in abgeschlossene Sachverhalte eingreift. Unechte Rechtswirkung kommt solchen Normen zu, die auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirken und damit zugleich die getroffene Rechtsposition entwerten. Das ist der Fall, wenn sich belastende Rechtsfolgen erst nach ihrem in Kraft treten realisieren, tatbestandlich aber von einem bereits "ins Werk gesetzten" Sachverhalt ausgelöst werden. Unechte Rückwirkung ist grundsätzlich zulässig. Der zu beachtende Vertrauensschutz geht nicht so weit, den normunterworfenen Personenkreis vor Enttäuschungen zu bewahren. Die bloße Erwartung, das geltende Recht werde künftig unverändert fortbestehen, ist nicht schutzwürdig. Vielmehr müssen dann besondere Momente der Schutzbedürftigkeit hinzutreten. Einer echten Rückwirkung sind demgegenüber durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes engere Grenzen gesetzt. Die Grundlage für schutzwertes Vertrauen besteht nur dann nicht mehr, wenn und sobald die Normunterworfenen mit einer Änderung des Tarifvertrages rechnen müssen. Das hat zur Voraussetzung, dass bereits vor der Entstehung des Tarifanspruchs hinreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Tarifvertragsparteien den - zukünftigen - Anspruch zu Ungunsten der Arbeitnehmer ändern werden. Dabei erfordert der Wegfall des Vertrauensschutzes nicht, dass die/der einzelne Tarifunterworfene positive Kenntnis von den maßgeblichen Umständen hat. Entscheidend und ausreichend ist die Kenntnis der betroffenen Kreise (vgl. hierzu BAG, 20.06.2018 - 7 AZR 737/16 - Rn. 23 bis 25 m.w.N.; BAG 06.12.2017 - 10 AZR 575/16 - Rn. 36 ff.).

bb)

Bei der gebotenen Zugrundelegung dieser Vorgaben unterliegt es keinen rechtlichen Bedenken, dass die Tarifvertragsparteien die tariflichen Ansprüche aus dem TV 2017 mit der Protokollnotiz vom 05.03.2021 nachträglich beseitigt haben.

(1)

Zunächst greift die Protokollnotiz nicht in bereits entstandene Tarifansprüche der normunterworfenen Cockpitmitarbeiter*innen ein. Der Protokollnotiz kommt keine echte, sondern lediglich unechte Rückwirkung zu.

(a)

Die Ansprüche auf Vergütung für nicht abgerufene Standby Dienste und auf Gewährung einer 2,5 %-igen linearen Gehaltserhörung waren nicht bereits mit dem erstmaligen Unterschreiten der Mindestanzahl von 39 Flugzeugen des Typs Boeing 737 am 01.05.2019 (Beginn des Sommerflugplans) entstanden. Sie standen vielmehr unter der aufschiebenden Bedingung, dass die Tarifvertragsparteien keinen Fall der höheren Gewalt als Ursache hierfür feststellten. Andernfalls würde IV. Ziffer 2 Abs. 2 des TV 2017 trotz der zwangsläufig stets späteren Feststellung dazu führen, dass für einen Zwischenzeitraum zunächst immer ein Anspruch auf die in Rede stehenden finanziellen Leistungen begründet würde. Die Beklagte könnte dann zumindest vorübergehend ihrer Leistungspflicht niemals entgehen, weil der Zeitpunkt der übereinstimmenden Feststellung der Tarifvertragsparteien zum Vorliegen höherer Gewalt nur später als das Ereignis datieren kann, das den Feststellungsbedarf an sich ausgelöst hat. Diese Feststellungen können rein tatsächlich stets erst dann getroffen worden, wenn die Reduzierung der Flottengröße bereits eingetreten ist. Eine andere Sichtweise wäre auch in der praktischen Umsetzung mit erheblichem Aufwand verbunden. Weil die Beklagte die zunächst zu tätigende Zahlungen bei anschließender Feststellung zur höheren Gewalt wieder rückabwickeln müsste/könnte; hätten die Arbeitnehmer*innen ggf. bereits vereinnahmte und ausgegebene finanzielle Mittel zurückzahlen müssen. Dass die Tarifvertragsparteien eine derart unpraktische Regelung treffen wollten, ist nicht anzunehmen. Insgesamt ist deshalb im Rahmen der gebotenen Auslegung davon auszugehen, dass nach dem TV 2017 ab dem behördlich verordneten Einsatzverbot der Boeing 737 ein in der Entwicklung befindlicher Sachverhalt gegeben war, der erst mit der endgültigen Entscheidung beider Tarifvertragsparteien im Hinblick auf die Feststellung des Vorliegens höherer Gewalt seinen Abschluss finden konnte (vgl. LAG Düsseldorf, 26.08.2021 - 8 Sa 505/21 - Rn. 76).

(b)

Eine solche einvernehmliche Festlegung war vor dem 05.03.2021 unstreitig von den Tarifvertragsparteien nicht getroffen worden. Dem kann nicht entgegengehalten werden, objektiv habe kein Fall von höherer Gewalt vorgelegen. Wenn es nach dem Willen der Tarifvertragsparteien allein auf die objektiven Gegebenheiten und nicht die einvernehmliche Feststellung angekommen wäre, hätte es nahegelegen, den Begriff der höheren Gewalt im TV 2017 zu definieren oder zumindest zu erläutern. Dem haben sie nicht entsprochen, sondern stattdessen erkennbar eine Konsensual- und Verhandlungslösung gewählt, indem sie in IV. Ziffer 2 Abs.2 TV 2017 das Erfordernis einer einvernehmlichen Feststellung der Tarifvertragsparteien aufgestellt haben. Im Falle einer von beiden Seiten nicht beeinflussbaren, unvorhersehbaren Situation sollten Gespräche und Vereinbarungen stattfinden, um eine adäquate Lösung zu finden. Auch wenn im TV 2017 keine Konfliktlösung geregelt worden ist, ist davon auszugehen, dass eine fehlende Zustimmung gegebenenfalls im Klagewege sollte erzwungen werden können. Andernfalls hätte eine Tarifvertragspartei die Feststellung blockiere und so die eindeutig gewollte konsensuale Lösung verhindern können.

(c)

Dementsprechend haben die Tarifvertragsparteien nach Eintritt des behördlichen Flugverbots und der sich daran anschließenden Unterschreitung der vereinbarten Mindestanzahl von Flugzeugen Verhandlungen über die Folgen aufgenommen und die Regelungen zunächst befristet ausgesetzt, dann aufschiebend bedingt und zuletzt in der Protokollnotiz vom 05.03.2021 endgültig gestrichen. Da keine tarifliche Frist für die einvernehmliche Feststellung "höhere Gewalt" gesetzt worden ist, war während des gesamten Zeitraumes offen, ob die Beklagte verpflichtet sein würde, die Vergütung rückwirkend zum 01.01.2018 um 2,5 % zu erhöhen und nicht abgerufene Standby Dienste zu zahlen.

(d)

Daran änderte auch das Ende der Laufzeit des TV 2017 am 31.12.2020 nichts. Damit ist die Verhandlungsobliegenheit bzw. -verpflichtung nicht entfallen. Diese hätte unabhängig von dem vorliegenden Fall ohne Frage auch für solche Flottenunterschreitungen bestanden, die erst kurz vor Ablauf der Laufzeit des TV 2017 eintreten. Dass die Tarifvertragsparteien den Willen hatten, bei einer z.B. erstmals Anfang Dezember 2020 eingetretenen Flottenreduzierung sich für die einvernehmliche Feststellung höherer Gewalt nur Zeit bis zum 31.12.2020 zu gewähren, ist nicht ersichtlich. Das würde zum einen der von ihnen vereinbarten konsensualen Lösung widersprechen und wäre zum anderen wegen des damit verbundenen Zeitdruck unpraktikabel und nicht sachgerecht. Der Sachverhalt und die daran anknüpfenden Ansprüche der Normunterworfenen waren also solange offen, wie die Tarifvertragsparteien entweder keine einvernehmliche Feststellung zur höheren Gewalt getroffen hatten oder dazu eine rechtskräftige Feststellung eines Arbeitsgerichtes erwirkt worden war. Keine dieser Voraussetzungen war am 05.03.2021 gegeben.

(e)

Auf diesen nicht abgeschlossenen Sachverhalt und die daraus resultierenden Rechtsbeziehungen zu den normunterworfenen Arbeitnehmer*innen haben die Tarifvertragsparteien mit der Protokollnotiz vom 05.03.2021 für die Zukunft eingewirkt. Es liegt mithin eine zulässige unechte Rückwirkung vor, durch die schutzwürdige Erwartungen der betroffenen Arbeitnehmer*innen und so auch des Klägers nicht beeinträchtigt worden sind (LAG Düsseldorf aaO, Rn. 79).

(2)

Selbst wenn man gleichwohl von einer echten Rückwirkung ausgehen wollte, ist diese nicht unzulässig, weil der Kläger wie auch das übrige normunterworfene Cockpitpersonal zu keinem Zeitpunkt darauf vertrauen konnte, dass es nicht doch noch zu einer Feststellung des Vorliegens höherer Gewalt durch die Tarifvertragsparteien kommen oder der TV 2017 mit denselben Folgen für die Existenz der hier streitgegenständlichen Ansprüche von den Tarifvertragsparteien inhaltlich modifiziert werden würde.

(a)

Die Beklagte und der VC führten durchgehend Verhandlungen über die Frage, welche Folge das Unterschreiten der vereinbarten Flottengröße haben sollte. Damit wurde ausweislich des Informationsschreiben der VC vom 25.06.2019 unmittelbar nach Verhängung des Flugverbotes bereits im April 2019 begonnen. Nach den weiter zur Akte gereichten Schreiben beider Tarifvertragsparteien an die Belegschaft dauerten die Verhandlungen den ganzen Sommer 2019 über an. Das wurde in der Protokollnotiz vom 09./17.07.2019 zum TV 2017 bestätigt, worin festgehalten worden ist, dass kein Einvernehmen über das Vorliegen höherer Gewalt hergestellt werden konnte. Die Verhandlungen mündeten im TV 2019, der im Zusammenhang mit der Protokollnotiz vom 13.03.2020 die Ansprüche der normunterworfenen Arbeitnehmer*innen aus dem TV 2017 erkennbar zumindest modifizierte.

(b)

Dass weder die Beklagte noch der VC den Kläger und die anderen Arbeitnehmer*innen über die Fortdauer der Verhandlung einerseits nach dem 31.08.2019 und andererseits dem Ablauf der in der Protokollnotiz "Moratorium" vom 9.04.2020 zum TV 2019 verlängerten und ergebnislos verstrichenen Frist zur Etablierung einer Langstrecke informiert hatten, konnte bei den Normunterworfenen kein Vertrauen in den Bestand ihrer Ansprüche begründen. Unstreitig haben die Tarifvertragsparteien zu keiner Zeit in die Belegschaft kommuniziert, dass sie endgültig keine einvernehmliche Feststellung treffen konnten und/oder wollten. Allein der Umstand, dass die jeweiligen Positionen zeitweilig festgefahren waren und dies der Belegschaft auch mitgeteilt worden ist, bedeutete nicht zugleich, dass die Mitarbeiter*innen davon ausgehen konnten, weitere Verhandlungen bis hin zu einer gerichtlichen Feststellung würden nicht mehr nicht stattfinden. Die Mitarbeiter*innen konnten sich ihrer Ansprüche vielmehr durchgehend nicht sicher sein. Die Belegschaft wurde durch die Schreiben des VC vom 16.08.2019, 04.09.2019 und 10.09.2021 und das Schreiben der Beklagten vom 10.09.20219 über den zwischen den Tarifvertragsparteien bestehenden Dissens informiert. Nach der in der Corona Pandemie erfolgten Weigerung der Beklagten und der T. AG, die beabsichtigte Langstreckenoperation zu etablieren, blieben die Tarifvertragsparteien weiter in Gesprächen und setzten sich eine interne Erklärungsfrist bis zum 31.12.2020. Als der VC eine Verlängerung dieser Frist um ein weiteres Jahr verweigert und seine Mitglieder mit Schreiben vom 17.12.2020 zur Geltendmachung ihrer Ansprüche aufgefordert hatte, reichte die Beklagte noch innerhalb der Laufzeit des TV 2017 im Dezember 2020 beim Arbeitsgericht B-Stadt eine gegen den VC auf Abgabe einer Erklärung zum bzw. auf Feststellung des Vorliegens höherer Gewalt gerichtete Klage ein. Dieser Rechtstreit dauerte an, bis die Beklagte nach der Einigung vom 05.03.2021 in Gestalt der Protokollnotiz die Klage zurückgenommen hat.

(c)

Von den maßgeblichen Umständen und Entwicklungen besaßen der Kläger bzw. jedenfalls die sogenannten "betroffenen Kreise" auch Kenntnis. Der Umstand des Groundings der Boeing 737 MAX war allgemein bekannt. Aufgrund der Bestimmung im TV 2017 musste den Mitarbeiter*innen bewusst sein, dass die Tarifvertragsparteien wegen der Unterschreitung der Flottengröße zur Feststellung des Vorliegens höherer Gewalt Gesprächsbedarf haben würden und dazu gemeinsame Feststellungen zu treffen waren. Hiervon wurde die Belegschaft zudem bereits mit Schreiben des VC vom 25.06.2019 und 16.08.2019 in Kenntnis gesetzt. Über den Verhandlungsverlauf im Hinblick auf den im November 2019 abgeschlossenen TV 2019 und die wechselseitigen Standpunkte zur Feststellung des Vorliegens höherer Gewalt wurden die Mitarbeiter der Beklagten mit diversen Schreiben sowohl des VC als auch der Beklagte durchgehend informiert. Dass sich die Feststellung zur höherer Gewalt mit der Ablehnung der Etablierung einer Langstrecke und der damit einhergehenden Nichtgeltung der Bestimmungen in D. TV 2019 im Zusammenhang mit der Protokollnotiz vom 13.03.2020 erledigt haben könnte, konnten die Normunterworfenen bei verständiger Betrachtung nicht annehmen. Die wirtschaftliche Situation der Beklagten hatte sich durch die Corona Pandemie offensichtlich weiter verschlechtert. Soweit der VC u.a. den Kläger mit Schreiben vom 17.12.2020 dazu aufforderte, seine Ansprüche geltend zu machen, bezog sich das erkennbar allein auf die fristwahrende Geltendmachung der Ansprüche und markierte ersichtlich nicht das Ende der Verhandlungen. Nur weil der VC darin weiter ausgeführt hat, die Beklagte habe sein Angebot, die tarifvertraglich vereinbarten Ausschlussfristen für die sich aus dem TV 2017 ergebenden Ansprüche zu verlängern bzw. deren Laufzeit erst später beginnen zu lassen, abgelehnt und stattdessen unannehmbare Gegenvorschläge unterbreitet, folgte daraus das nicht die endgültige Nichtfeststellung höherer Gewalt durch die Tarifvertragsparteien. Einerseits war zu diesem Zeitpunkt die Laufzeit des TV 2017 noch nicht beendet. Die Tarifvertragsparteien hatten mithin auch für den Kläger erkennbar noch Zeit, eine entsprechende Feststellung zu treffen. Andererseits musste der Kläger damit rechnen, dass, soweit diese Feststellung nicht einvernehmlich getroffen werden konnte, die Beklagte den Klageweg bestreiten würde. Ob er positive Kenntnis davon hatte, dass die Beklagte tatsächlich noch im Dezember 2020 eine entsprechende Klage erhoben hatte, kann deshalb dahingestellt bleiben. Erkennbar waren die Tarifvertragsparteien im Dezember 2020 trotz ihrer bis dahin gegensätzlichen Positionen nicht gehindert, entweder gleichwohl noch eine Übereinkunft zu erzielen oder aber den Rechtsweg zu beschreiten.

(d)

Auch nach dem Ende der Laufzeit des TV 2017 am 31.12.2020 konnten die normunterworfenen Arbeitnehmer*innen einschließlich des Klägers nicht auf ein Ausbleiben der Feststellung höherer Gewalt vertrauen. Wie bereits oben ausgeführt, sieht IV. Ziffer 2. Satz 2 TV 2017 zum einen keine Frist für die erforderliche einvernehmliche Feststellung zur höheren Gewalt vor. Zum anderen wird aus der Tarifsystematik des TV 2017 für die betroffenen Kreise erkennbar, dass auch dann, wenn das Ereignis, welches zur Unterschreitung der vereinbarten Flottengröße führt, z.B. erst im Dezember 2020 eintritt, es für die Tarifvertragsparteien ohne Zeitdruck möglich sein muss, über die Laufzeit des Tarifvertrages hinaus Verhandlungen zwecks einvernehmlicher Feststellung zum Vorliegen höherer Gewalt zu führen (vgl. LAG Düsseldorf, aaO, Rn. 83). Bevor eine endgültige Feststellung der Tarifvertragsparteien zur höherer Gewalt im Sinne von IV. Ziffer 2. Abs. 2 TV 2017 weder einvernehmlich noch durch das Arbeitsgericht getroffen war und die Belegschaft davon Kenntnis erhalten hatte, haben die Tarifvertragsparteien sich am 05.03.2021 in der Protokollnotiz zum TV 2017 darauf verständigt, dass dieser Tarifvertrag keine Ansprüche der Arbeitnehmer in Folge der Flottenreduzierung begründen kann.

d.

Ob das im März 2019 behördlich verordnete Grounding der Boeing 737 objektiv ein Fall höherer Gewalt im Sinne des TV 2017 war, bedarf danach keiner Entscheidung. Ebenso wenig mussten die Tarifvertragsparteien dazu vor oder bei Vereinbarung der Protokollnotiz vom 05.03.2021 zum TV 2017 eine einvernehmliche Feststellung im Sinne von IV. Ziffer 2 Abs.2 Satz 2 TV 2017 treffen. Vielmehr war es ihnen unbenommen, mit der Protokollnotiz vom 5.03.2021 im Zuge einer - wie oben ausgeführt - zulässigen unechten bzw. echten Rückwirkung eine für die Normunterworfenen - zeitlich ältere - tarifvertragliche Vergünstigung durch eine - zeitlich nachfolgende, neue - tarifvertragliche Vereinbarung entfallen zu lassen.

II.

Der Kläger hat gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Zahlung rückständiger Vergütung für die Monate März bis Juni 2021 in Höhe von insgesamt 6.447,90 Euro brutto. Seine dahingehenden Ansprüche aus § 611 a Abs. 2 BGB, § 19 MTV iVm. §§ 2, 4 des Vergütungstarifvertrages für das Cockpitpersonal Nr. 7 (VTV Nr. 7) sind gem. §§ 3, 4 TV Corona entfallen.

1.

Der TV Corona findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung.

2.

Der Kläger fällt in den Geltungsbereich des TV Corona.

a.

Gem. § 1 Satz 1 TV Corona gilt der Tarifvertrag für alle Arbeitnehmer des Cockpitpersonals. Der Kläger gehört als Kapitän offensichtlich zum Cockpitpersonal der Beklagten.

b.

Von der Anwendung des Tarifvertrages sind gem. § 1 Satz 2 TV Corona nur Arbeitnehmer*innen, die entweder betriebsbedingt gekündigt worden sind oder aufgrund des Freiwilligenprogramms aus März 2021 einen Aufhebungsvertrag unterzeichnet haben, ausgenommen. Der Kläger hat weder eine betriebsbedingte Kündigung erhalten, noch hat er auf Grundlage des Freiwilligenprogramms aus März 2021 einen Aufhebungsvertrag abgeschlossen. Vielmehr datiert der zwischen den Parteien vereinbarte Aufhebungsvertrag auf den 5.11.2020 und ist unstreitig im Zuge eines Freiwilligenprogramms aus dem Herbst 2020 abgeschlossen worden.

c.

Die Bestimmung in § 1 Satz 2 TV Corona erfasst nicht auch Arbeitnehmer*innen, die - wie der Kläger - eine Aufhebungsvereinbarung mit der Beklagten außerhalb des Freiwilligenprogramms im März 2021, nämlich bereits im Jahr 2020 getroffen haben. Das ergibt die Auslegung des TV Corona (vgl. zur Auslegung von Tarifverträgen BAG, 13.10.2021 - 4 AZR 365/20 - Rn. 21) eindeutig.

aa.

Bereits der Wortlaut ist insoweit eindeutig. In § 1 Satz 2 TV Corona werden ausdrücklich nur die Aufhebungsvereinbarungen auf Grundlage des Freiwilligenprogramms aus März 2021 genannt. Dass die Tarifvertragsparteien - versehentlich - schlicht vergessen haben könnten, dass bereits vor dem Programm im März 2021 andere Freiwilligenprogramme mit entsprechenden Aufhebungsverträgen durchgeführt worden sind, ist nicht ansatzweise ersichtlich. Dem steht zunächst eindeutig entgegen, dass die Herausnahme aus seinem Geltungsbereich sich nach dem Wortlaut von § 1 Satz 2 TV Corona explizit nur auf Arbeitnehmer*innen bezieht, die entweder betriebsbedingt gekündigt "werden" bzw. eine Aufhebungsvereinbarung "unterzeichnen". Es wird also erkennbar an zukünftige Beendigungstatbestände angeknüpft. Außerdem ist der TV Corona im Rahmen eines umfassenden Gesamtpaketes auf betrieblicher Ebene vereinbart worden. Dazu gehört unter anderem der Interessenausgleich vom 05.03.2021 sowie der daran anknüpfende Sozialplan vom 11.03.2021. Das ergibt sich schon aus der zeitlichen Übereinstimmung. In § 4 Ziffer 2 des Interessenausgleiches wird der zukünftige Personalabbau durch Beendigungs-, Änderungskündigung und Aufhebungsverträge geregelt. Nach § 1 Ziffer 3. gilt der Sozialplan u.a. nicht für Mitarbeiter des Cockpitpersonals, die "auf Grund einer vor dem 05.03.2021 abgeschlossenen Abwicklungs-/Aufhebungsvereinbarung ausscheiden bzw. ausgeschieden sind". Zudem bestimmt § 4 Ziffer 7 des Sozialplans, dass die Beklagte den von einer betriebsbedingten Kündigung betroffenen Mitarbeiter/innen einen Aufhebungsvertrag zu festgelegten Konditionen anzubieten hat, was ausdrücklich als "Freiwilligenprogramm" bezeichnet wird. An diese Begrifflichkeit haben die Tarifvertragsparteien in § 1 Satz 2 TV Corona offensichtlich angeknüpft. Sowohl der Interessenausgleich als auch der Sozialplan müssen ihnen deshalb auch inhaltlich bekannt gewesen sein.

bb.

Weder die Systematik des TV Corona noch dessen Sinn und Zweck gebieten die Herausnahme von Arbeitnehmer*innen aus seinem Geltungsbereich, die mit der Beklagten vor dem Freiwilligenprogramm aus März 2021 einen Aufhebungsvertrag abgeschlossen haben. Der TV Corona bezweckt ausweislich seiner Präambel, die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Geschäftsbetrieb der Beklagten durch einen monatlichen Gehaltsverzicht der gesamten Belegschaft einzudämmen. Hiervon ausgenommen werden ausschließlich Arbeitnehmer*innen, die entweder betriebsbedingt gekündigt werden bzw. einen Aufhebungsvertrag auf Grundlage des Freiwilligenprogramms aus März 2021 abgeschlossen haben. Schon der Ausnahmecharakter dieser Regelung gebietet seine enge Auslegung. Ausnahmebestimmungen sind grundsätzlich restriktiv auszulegen. Da die Beklagte im Hinblick auf die zukünftige Beendigung von Arbeitsverhältnissen im Zuge der Betriebsänderung gem. Interessenausgleich vom 05.03.2021 anders als beim Kläger, mit dem bereits im Dezember 2020 ein rechtswirksamer Aufhebungsvertrag vereinbart worden war, bei Abschluss des TV Corona noch keine Rechtssicherheit hatte, ist die Herausnahme der von dieser Betriebsänderung betroffenen Mitarbeiter*innen aus dem Anwendungsbereich des TV Corona erkennbar als zusätzlicher über den Sozialplan vom 11.03.2021 hinausgehender finanzieller Anreiz bzw. Ausgleich installiert worden.

cc.

Dass §§ 2 und 3 TV Corona eine Verknüpfung zwischen Arbeitszeitverkürzung und Gehaltsreduzierung vornehmen, spricht ebenso wenig wie die Bestimmungen in §§ 6 und 8 TV Corona dafür, dass Arbeitnehmer, die wie der Kläger bereits Ende 2020 einen Aufhebungsvertrag mit der Beklagten vereinbart haben, nach dem Willen der Tarifvertragsparteien aus dem Anwendungsbereich des TV-Corona herauszunehmen sind. Die mit dem TV Corona beabsichtigte finanziellen Entlastung der Beklagten durch einen teilweisen Gehaltsverzicht der Belegschaft findet unabhängig davon statt, ob die Arbeitszeit allein auf Grundlage des TV Corona oder bereits zuvor auf einer anderen Rechtsgrundlage, wie z. Bsp. einer Freistellungsvereinbarung, erfolgt ist. Entscheidend ist der daran anknüpfende Gehaltsverzicht. Dieser orientiert sich an der vertraglichen/tarifvertraglichen regelmäßigen monatlichen Arbeitszeit und hängt nicht davon ab, dass tatsächlich Arbeit geleistet wird. Anderenfalls wäre es nicht erforderlich gewesen, dass die Tarifvertragsparteien in § 4 Ziffer 2 Satz 3 TV-Corona unter anderem die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall von der im Tarifvertrag angeordneten Gehaltskürzung ausgenommen haben. Während der Arbeitsunfähigkeit ist die/der Arbeitnehmer*in auch unabhängig vom TV Corona nicht zur tatsächlichen Leistungserbringung verpflichtet. Die Härtefallregelung in § 8 TV-Corona knüpft ebenfalls allein an die finanziellen Auswirkungen der Arbeitszeitreduzierung in Gestalt der in § 4 genannten Gehaltskürzung und nicht daran an, ob die Arbeitszeitreduzierung tatsächlich umgesetzt werden konnte oder musste. Die Regelung in § 6 TV Corona mag für Arbeitnehmer*innen, die wie der Kläger bereits zuvor aufgrund einer einzelvertraglichen Vereinbarung zu 100 % unwiderruflich freigestellt worden waren und deshalb keine Nebentätigkeitsgenehmigung bedürfen, keine Bedeutung haben. Das gilt aber nicht für die Arbeitnehmer*innen, die eine solche Vereinbarung nicht getroffen haben und deren Arbeitszeitreduzierung allein aufgrund des TV Corona beruht.

3.

§ 1 Satz 2 TV Corona ist wirksam.

a.

Die Herausnahme ausschließlich von Arbeitnehmer*innen, die betriebsbedingt kündigt werden oder einen Aufhebungsvertrag im Rahmen des Freiwilligenprogramms im März 2021 abgeschlossen haben, begegnet keine rechtlichen Bedenken.

a.

Soweit der Manteltarifvertrag und der Vergütungstarifvertrag eine nicht reduzierte 100%-ige Arbeitszeit und eine daran anknüpfende nicht reduzierte 100%-ige Vergütung vorsehen, konnte hiervon gem. § 4 Abs. 3 TVG durch TV-Corona abgewichen werden. Das Günstigkeitsprinzip gilt insoweit nicht.

b.

Die Regelungen in § 1 Satz 2 TVG verstößt nicht gegen Artikel 3 GG. Mitarbeiter*innen, die wie der Kläger bereits Ende 2020 und damit vor dem Freiwilligenprogramm im März 2021 einen Aufhebungsvertrag vereinbart haben, werden dadurch nicht gleichheitswidrig schlechter gestellt.

aa.

Der allgemeine Gleichheitsgrundsatz des Artikel 3 Abs. 1 GG bildet als grundlegende Gerechtigkeitsnorm in seiner Ausstrahlungswirkung als verfassungsrechtliche Wertentscheidung oder auch "Richtlinie" eine ungeschriebene Grenze der Tarifautonomie. Diese Grenze ist zu beachten, obwohl Tarifnormen nicht selten Ergebnisse tarifpolitischer Kompromisse sind. Die Tarifvertragsparteien können durch die Ausstrahlungswirkung von Artikel 3 Abs. 1 GG darin beschränkt sein, ihre Tarifautonomie als kollektivierte, von Artikel 9 Abs. 3 GG geschützte Privatautonomie auszuüben. Daraus folgt für die Tarifvertragsparteien auch im Rahmen von Tarifverträgen das Gebot, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Das gilt für ungleiche Belastungen und ungleiche Begünstigungen. Verboten ist zudem ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem die Begünstigung einem Personenkreis gewährt und einem anderen Personenkreis vorenthalten wird. Differenzierungen sind zwar nicht untersagt. Sie müssen jedoch durch Sachgründe gerechtfertigt sein, die nach Ziel und Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Dabei verlangt Artikel 3 Abs. 1 GG für das Maß der Differenzierung einen inneren Zusammenhang zwischen den vorgefundenen Verschiedenheiten und der differenzierenden Regelung. Dieser innere Zusammenhang muss sich als sachlich vertretbarer Unterscheidungsgesichtspunkt von hinreichendem Gewicht erweisen (vgl. BAG 09.12.2020 - 10 AZR 334/20 - Rn. 31, 33, 36). Die Schutzfunktion der Grundrechte verpflichtet die Arbeitsgerichte, Tarifregelungen die Durchsetzung zu verweigern, die nicht mit Artikel 3 Abs. 1 GG im Einklang stehen. Dabei ist jedoch die besondere Sachnähe der Tarifvertragsparteien zu berücksichtigen sowie der Umstand, dass sich die Arbeitnehmer*innen durch den Beitritt zu einer Gewerkschaft bewusst und freiwillig der Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien auch für die Zukunft unterworfen haben. Den Tarifvertragsparteien steht deshalb bei der Normsetzung ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Ihnen kommt eine Einschätzungsprärogative zu, soweit die tatsächlichen Gegebenheiten, die betroffenen Interessen und Rechtsfolgen zu beurteilen sind. Sie sind nicht verpflichtet, die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen (BAG Urteil vom 19.12.2019 - 6 AZR 563/18 - Rn. 26). Dies bedingt im Ergebnis eine zurückgenommene Prüfungsdichte durch die Gerichte. Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz ist vor diesem Hintergrund erst dann anzunehmen, wenn die Tarifvertragsparteien es versäumt haben, tatsächliche Gemeinsamkeiten oder Unterschiede der zu ordnenden Lebensverhältnisse zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise hätten beachtet werden müssen. Dabei dürfen die Tarifvertragsparteien bei der Gruppenbildung generalisieren und typisieren. Allerdings müssen die Differenzierungsmerkmale im Normzweck angelegt sein und ihm nicht widersprechen (BAG 09.12.2020 - 10 AZR 334/20 - Rn. 42).

bb.

Danach hält sich die ausschließliche Herausnahme von Arbeitnehmer*innen aus dem Geltungsbereich des TV-Corona, die eine betriebsbedingte Kündigung im Zuge der Umsetzung der Betriebsänderung gem. Interessenausgleich vom 05.03.2021 erhalten werden oder auf Grundlage des Freiwilligenprogramms aus dem März 2021 gem. Sozialplan vom 11.03.2021 einen Aufhebungsvertrag mit der Beklagten abschließen, im Rahmen der Einschätzungsprärogative der Tarifvertragsparteien. Diese Gruppe ist aus sachlichen Gründen zu unterscheiden von den Arbeitnehmer*innen, die wie der Kläger bereits zuvor im Jahre 2020 einen Aufhebungsvertrag mit der Beklagten unterzeichnet haben. Letztere befanden sich nicht einer vergleichbaren Situation wie die Mitarbeiter*innen, die im März 2021 von einer Kündigung betroffen sind oder einen Aufhebungsvertrag unterzeichnen. Dabei kann hingestellt bleiben, ob der Kläger durch seine langandauernde Freistellungsvereinbarung bessergestellt wird als diejenigen Arbeitnehmer*innen, die durch Aufhebungsvertrag im Rahmen des Freiwilligenprogramms im März 2021 ausscheiden. Es kann auch davon ausgegangen werden, dass die finanziellen Konditionen in den Aufhebungsverträgen von Mitarbeiter*innen, die im Rahmen des Freiwilligenprogramms im März 2021 ausgeschieden sind, besser sind, als diejenigen, die der Kläger mit der Beklagten in seinem Aufhebungsvertrag am 5.11.2020 vereinbart hat. Zweck eines Sozialplanes generell und damit auch des Sozialplans vom 11.03.2021 einschließlich des darin festgehaltenen Freiwilligenprogramms ist es gemäß § 112 Abs.1 Satz 2 BetrVG, die den Arbeitnehmern durch die Betriebsänderung entstehenden wirtschaftlichen Nachteile auszugleichen oder abzumildern. Dabei können die Betriebsparteien eine typisierende Betrachtung dahingehend vornehmen, dass Arbeitnehmer, die "vorzeitig", also zu einem früheren Zeitpunkt als durch die Betriebsänderung veranlasst, einvernehmlich aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden, geringere wirtschaftliche Nachteile erleiden als die anderen Arbeitnehmer (vgl. BAG 15.05.2007 - 1 AZR 870/06 - Rn. 16). Dementsprechend konnten auch die Tarifvertragsparteien des TV Corona auf Grundlage der ihnen zustehenden generalisierenden Betrachtungsweise zu Grunde legen, dass das finanzielle Entlastungsbedürfnis dieser Mitarbeiter*innen geringer ist als dasjenige der Arbeitnehmer*innen, die infolge der Betriebsänderung ihren Arbeitsplatz verlieren. Ebenso konnte sie davon ausgehen, dass diese Mitarbeiter*innen konkret von der Betriebsänderung betroffen sind, die Beendigung deren Arbeitsverhältnisse also durch die Betriebsänderung veranlasst ist, während das bei Arbeitnehmer*innen, die vorher eine Aufhebungsvereinbarung abgeschlossen haben, nicht der Fall ist (vgl. BAG, 17.11.20215 - 1 AZR 881/13 -Rn.19). Auch wenn der Kläger bei Abschluss des Aufhebungsvertrages im Dezember 2020 die von der Beklagten kommunizierten Erwartung haben konnte und musste, der Bestand seines Arbeitsverhältnisses sei durch die von der Beklagten geplante Betriebsänderung gefährdet, hatte diese Gefährdung jedoch noch keine konkrete Form angenommen. Zwar hatte der Aufsichtsrat unter dem 18.06.2020 u.a. eine Flotten- und daran anknüpfende Personalreduzierung beschlossen. Der Beklagten war es aber nicht möglich, diesen Beschluss einfach umzusetzen. Vielmehr hatte sie dazu noch die erforderlichen Verhandlungen mit den zuständigen Arbeitnehmervertretungen zu führen. Diese waren bei der Vereinbarung des Aufhebungsvertrages am 5.11.2020 noch nicht abgeschlossen. Deren Ergebnis war zu diesem Zeitpunkt noch offen. Letztendlich musste die Beklagte die nach dem Beschluss vom 18.06.2020 ursprünglich beabsichtigten Betriebsänderung im Nachhinein nicht unerheblich abschwächen. Ausweislich des Interessenausgleichs vom 05.03.2021 erfolgte im Rahmen der Betriebsänderung nicht wie ursprünglich beabsichtigt eine Flottenreduzierung auf 17, sondern auf 22 Flugzeuge. Die daran anknüpfende Personalreduzierung beim Cockpitpersonal ist im Interessenausgleich auf 370 Köpfe begrenzt worden. Der Aufhebungsvertrag vom 5.11.2020 mag also durch die von der Beklagten geplante Betriebsänderung motiviert worden sein, gilt aber nicht als durch diese veranlasst. Erst der Wegfall seines Arbeitsplatzes und die personelle Konkretisierung auf gerade seine Person im Rahmen der sozialen Auswahl hätte beim Kläger die berechtigte Annahme begründen können, sein Arbeitsverhältnis werde ohne den Aufhebungsvertrag betriebsbedingt beendet werden. Weder der Umfang des Personalabbaus noch die sozialen Kriterien zur personellen Konkretisierung der konkret zur Kündigung anstehenden Mitarbeiter*innen standen bei Abschluss des Aufhebungsvertragen Ende 2020 fest. Diese Festlegungen sind erst im Interesseausgleich und Sozialplan im März 2021 erfolgt. Der bloße Hinweis der Beklagten auf eine zukünftig notwendig werdende Betriebsänderung und damit verbundene Personalreduzierungen genügt nicht, um davon auszugehen, dass der Aufhebungsvertrag seinerzeit wegen der Betriebsänderung, auch Gegenstand des Freiwilligenprogramms im März 2021 gewesen ist, abgeschlossen worden ist (vgl. hierzu BAG 17.04.1996 - 10 AZR 560/95 - Rn. 39). Die Situation des Klägers bei Abschluss des Aufhebungsvertrages Ende 2020 unterschied sich mithin maßgeblich von derjenigen der Arbeitnehmer*innen, die auf Grundlage des Freiwilligenprogramms im März 2021 einen Aufhebungsvertrag mit der Beklagten abgeschlossen haben. Im März 2021 standen die Betriebsänderung in ihren Auswirkungen auf den Personalbedarf in Folge des Interessenausgleichs vom 05.03.2021 und die sozialen Kriterien zur personellen Konkretisierung der betroffenen Arbeitnehmer*innen aufgrund des Sozialplans vom 11.03.2021 fest. Nur die danach zur Kündigung anstehenden Arbeitnehmer*innen konnten am Freiwilligenprogramm im März 2021 teilnehmen. Zudem haben die Tarifvertragsparteien durch das Abstellen auf das Freiwilligenprogramm im März 2021 zur Herstellung von Rechtssicherheit im Ergebnis eine Stichtagsregelung getroffen. Das ist unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten nicht zu beanstanden. Durch die Anknüpfung an das Freiwilligenprogramm im März 2021 wird eindeutig festgelegt, ob der zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses und zur Herausnahme aus dem Anwendungsbereich des TV-Corona führende Tatbestand durch die Betriebsänderung gemäß Interessenausgleich vom 05.03.2021 veranlasst worden ist. Zweifelsfragen, ob das auch für Aufhebungsverträge zu irgendeinem gedachten Zeitpunkt zuvor gilt und wann ja, in welchem zeitlichen Rahmen, werden dadurch vermieden.

c.

Der TV-Corona verstößt auch nicht gegen das Rückwirkungsverbot und den Vertrauensschutzgrundsatz aus Artikel 20 GG.

aa.

Soweit Arbeitnehmer, wie der Kläger, zuvor einen Aufhebungsvertrag unter vollständiger Freistellung bis zum vereinbarten Ende des Arbeitsverhältnisses getroffen haben, greift der TV Corona nicht einen abgeschlossenen Sachverhalt ein (sog. echte Rückwirkung), weil das Arbeitsverhältnis der Parteien von März bis Juni 2021 unstreitig noch nicht beendet war, die monatliche Vergütung jeweils erst zum Ende des Monats zur Auszahlung fällig wurde und der TV Corona ausschließlich zukunftsgerichtet, nämlich mit erst mit Inkrafttreten ab März 2021 auf die Rechtsbeziehung der Parteien einwirken konnte.

bb.

Ein besonderes schutzwürdiges Interesse des Klägers ist insoweit nicht zu erkennen. Tarifliche Normen stehen grundsätzlich unter dem Vorbehalt ihrer Abänderbarkeit. Von etwas Anderem konnte auch der Kläger nicht ausgehen. Bereits im Jahre 2020 hatte es einen Tarifvertrag Corona mit darin geregelten Gehaltsreduzierungen gegeben. Allein der Umstand, dass dessen Laufzeit bis zum 30.09.2020 bei Abschluss des Aufhebungsvertrages im Dezember 2020 bereits abgelaufen war, konnte beim Kläger angesichts der auch ihm bekannten Fortdauer der Corona Pandemie nicht die berechtigte Erwartung begründen, es werde es zu keinen neuerlichen pandemiebedingten tariflichen Regelungen u.a. zur Gehaltsreduzierung kommen. Allein seine dahingehende Erwartung oder Hoffnung sind zwar nachvollziehbar, als solche aber nicht schutzwürdig.

3.

Schließlich haben die Parteien auch keine dem normativ geltenden TV Corona unter dem Aspekt des Günstigkeitsvergleich gem. § 4 Abs. 3 TVG vorgehende individualrechtliche Vereinbarung zur Höhe der Vergütung für den Zeitraum von März bis Juni 2021 getroffen.

a.

Der Aufhebungsvertrag vom 5.11.2020 verhält sich ausdrücklich weder zur konkreten Höhe der für die Dauer der Freistellung fortzuzahlende Vergütung noch zu den Auswirkungen etwaigen zukünftiger tariflichen Veränderungen derselben. Er schreibt auch nicht explizit diejenige Vergütung, die sich bei Abschluss des Aufhebungsvertrages am 5.11.2020 für den Kläger bei der gebotenen Anwendung der normativ geltenden Tarifverträge ergab, als maßgeblich für die gesamte Dauer der Freistellung fest.

b.

Unabhängig davon, ob man die Bestimmungen im Aufhebungsvertrag vom 5.11.2020 als individualrechtliche Vereinbarung, dann Auslegung nach § 133, 157 BGB, oder als Allgemeine Geschäftsbedingungen, dann generell abstrakte Auslegung, qualifizieren will, musste sowohl der Kläger als auch jede/r verständige Arbeitnehmer*in bei objektiver Betrachtung davon ausgehen, dass die Parteien sich seinerzeit für die Dauer der Freistellung - dynamisch - auf die Fortzahlungen der Vergütung verständigt haben, die sich aus den jeweils auf das Arbeitsverhältnis der Parteien normativ geltenden Tarifverträgen in der jeweiligen Fassung ergeben würde. Das beinhaltet nicht nur, dass ohne Frage etwaige Erhöhungen der tariflichen Vergütung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses von der Beklagten zu Gunsten des Klägers umzusetzen waren, sondern auch, dass der Kläger Verschlechterung der tariflichen Vergütung hinzunehmen hatte. Die von der Beklagten dem Kläger während seiner Freistellung geschuldete Vergütung entsprach derjenigen, die sich aus den tariflichen Normen für ihn auch bei tatsächlicher Beschäftigung ergeben hätte. Das beinhaltet die Gehaltsreduzierung auf Grundlage des TV Corona.

c.

Da beide Parteien bei Abschluss des Aufhebungsvertrages am 5.11.2020 wegen des der jeder tariflichen Bestimmung immanenten Änderungsvorbehaltes damit rechnen mussten, dass sich die Bestimmungen zur tarifliche Vergütung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses am 31.12.2021 verändern konnten - eine Änderung mithin vorhersehbar war - und sich die zeitlich begrenzte Reduzierung der Vergütung nach dem TV-Corona zwischen 10 % und 20 % bewegt - deshalb nicht als schwerwiegend zu qualifizieren ist - kommt eine Anpassung des Aufhebungsvertrages nach den Grundsätzen der Störung bzw. des Wegfalls der Geschäftsgrundlage gem. § 313 BGB nicht in Betracht.

d.

Der Kläger hat die von der Beklagten nach dem TV Corona somit dem Grunde nach zu Recht vorgenommenen Gehaltsreduzierungen in den Monaten März bis Juni 2021 der Höhe nach nicht bestritten; ihm stehen deshalb insoweit keine Vergütungsdifferenzansprüche zu.

C.

Der Kläger hat die Kosten seiner insgesamt erfolgslosen Berufung gemäß § 97 Abs.1 ZPO zu tragen.

D.

Die Revision war für den Kläger gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG einerseits im Hinblick auf das beim BAG anhängige Verfahren zum Az. 5 AZR 27/21 und andererseits wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.