Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 21.04.2022, Az.: 5 Sa 99/21

Anforderungen an die Berufungsbegründung; Umsetzung von EU-Richtlinien durch nationale Tarifverträge; Längere AÜG-Überlassungszeiten durch Tarifvertrag; Negative Koalitionsfreiheit

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
21.04.2022
Aktenzeichen
5 Sa 99/21
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2022, 22434
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2022:0421.5Sa99.21.00

Verfahrensgang

nachfolgend
BAG - 05.04.2023 - AZ: 7 AZR 245/22

Fundstellen

  • ArbR 2022, 353
  • EzA-SD 2/2023, 4
  • FA 2022, 239

Amtlicher Leitsatz

§ 1 Abs.1b AÜG ist europarechtskonform und verstößt nicht gegen die Leiharbeitsrichtlinie der EU.

Redaktioneller Leitsatz

1. Die Berufungsbegründung muss die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergeben. Sie muss auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten sein und sich mit den rechtlichen und tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen. Bloße formelhafte Wendungen oder Wiederholungen bisherigen Vorbringens reichen nicht aus.

2. Der Europäische Gerichtshof hält es grundsätzlich für unionsrechtlich zulässig, wenn EU-Richtlinien durch Tarifverträge umgesetzt werden. Der Mitgliedsstaat muss dabei aber gewährleisten, dass die in den Richtlinien enthaltenen Ziele eingehalten werden.

3. Den Tarifvertragsparteien ist in § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG gestattet, die Höchstgrenze der Überlassungsdauer nach dem AÜG von 18 Monaten um bis zum Dreifachen (= 54 Monate) zu überschreiten. Diese Überlassungsdauer beachtet noch das Merkmal der "vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung" und ist europarechtskonform.

4. Unter der negativen Koalitionsfreiheit versteht man allgemein das Recht, aus einer Koalition auszutreten oder einer Koalition fernzubleiben. Sie schützt jedoch nicht vor jeder Fernwirkung der kollektiven Interessenwahrung. Dass Nichtorganisierte von der Rechtsordnung anders behandelt werden als Organisierte, bedeutet keine Verletzung der Koalitionsfreiheit.

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts A-Stadt vom 14.12.2020, 2 Ca 130/20, wird auf seine Kosten teils als unzulässig verworfen, teils zurückgewiesen.

Die Revision wird insoweit zugelassen, als die Berufung nicht als unzulässig verworfen worden ist, im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer arbeitsvertraglichen Befristung und die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über das vereinbarte Befristungsende hinaus. Ferner begehrt die klagende Partei hilfsweise die Weiterbeschäftigung und weiter hilfsweise die Wiedereinstellung zu den bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen.

Ursprünglich war der Kläger Arbeitnehmer der Firma A.V. - der Personaldienstleister GmbH & Co. KG (im Folgenden: A.V.). Dieses seit dem 15.09.2016 bestehende befristete Arbeitsverhältnis wurde durch mehrere Vertragsverlängerungen bis zum 31.08.2019 fortgesetzt. Im Rahmen dieses Arbeitsverhältnisses überließ die A.V. den Kläger durchgängig dem Betrieb der Beklagten in A-Stadt-S. im Wege der Arbeitnehmerüberlassung. Der Arbeitsvertrag des Klägers zu A.V. enthält in § 8 folgende Vereinbarung:

§ 8

Verweisung auf Tarifrecht / Betriebsvereinbarungen

Auf das Arbeitsverhältnis finden der Mantel- und Entgeltrahmentarifvertrag für Zeitarbeit zwischen einerseits der A.V. Zeitarbeit GmbH & Co. OHG und andererseits der IG Metall und der Entgelttarifvertrag für Zeitarbeit zwischen einerseits der A.V. Zeitarbeit GmbH & Co. OHG und andererseits der IG Metall in ihrer jeweils gültigen Fassung und alle weiteren zukünftigen Tarifverträge in vollem Umfang Anwendung.

Auf das Arbeitsverhältnis sind bestehende Betriebsvereinbarungen anwendbar.

A.V., die Beklagte und die IG Metall Bezirksleitung Niedersachsen/Sachsen-Anhalt schlossen unter dem 05.12.2013 einen Tarifvertrag über die Vergütung und Einsatzbedingungen von Zeitarbeitnehmern (nachfolgend TV VEZ), der unter anderem folgendes vorsieht:

4.3.1

Der Einsatz von Zeitarbeitnehmer der A.V. Zeitarbeit GmbH & Co. OHG ist auf maximal 36 aufeinanderfolgende Monate befristet. Der Zeitraum eines vorangegangenen Einsatzes als Zeitarbeitnehmer der A.V. Zeitarbeit GmbH & Co. KG, der A.V. GmbH bzw. der C-Stadt AG ist anzurechnen, wenn die Beendigung nicht länger als 6 Monate vor dem Beginn des neuen Einsatzes zurückliegt.

4.3.2

Eine Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis bei der C. erfolgt regelmäßig nach 36 Monaten Einsatzdauer.

...

Die Beklagte begründete mit dem Kläger im unmittelbaren Anschluss an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit A.V. am 01.09.2019 ein Arbeitsverhältnis als Produktionshelfer. Der Arbeitsvertrag der Parteien enthielt eine Befristungsabrede und sah als Befristungsende den 31.05.2020 vor. Mit Schreiben vom 12.05.2020 teilte die Beklagte dem Kläger mit, ihm keine Anschlussbeschäftigung anbieten zu können und informierte ihn über die bevorstehende Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Mit seiner Klage hat der Kläger beim Arbeitsgericht die Unwirksamkeit der Befristungsabrede sowie das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten bereits vor dem 01.09.2019 geltend gemacht. Ferner hat er die vorläufige Weiterbeschäftigung begehrt und hilfsweise einen Anspruch auf Einstellung. Er hat die Auffassung vertreten, die streitgegenständliche Befristung sei deswegen als sachgrundlose Befristung unwirksam, weil bereits zuvor ein Arbeitsverhältnis zu der Beklagten bestanden habe. Denn es habe ein Verstoß gegen die Höchstüberlassungsdauer nach dem AÜG vorgelegen, die tarifvertragliche Verlängerung und Abweichung vom Gesetz sei als Verstoß gegen EU-Recht und Verfassungsrecht rechtswidrig. Darüber hinaus hat sich der Kläger auf Rechtsmissbrauch berufen.

Wegen weiterer Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (dort Bl. 2 - 8 desselben, Bl. 182 - 185 der Gerichtsakte) verwiesen.

Mit Urteil vom 14.12.2020 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Wegen der genauen Einzelheiten der rechtlichen Würdigung wird auf die Entscheidungsgründe dieses Urteils (dort Bl. 8 - 16 desselben, Bl. 185 - 189 d. Gerichtsakte) verwiesen.

Dieses Urteil ist dem Kläger am 05.01.2021 zugestellt worden. Mit einem am 05.02.2021 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat er Berufung eingelegt und diese mit einem am 06.04.2021 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet, nachdem zuvor das Berufungsgericht mit Beschluss vom 05.03.2021 die Rechtsmittelbegründungsfrist bis zum 06.04.2021 verlängert hatte.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger in vollem Umfang sein erstinstanzliches Klageziel weiter. Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. In erster Linie vertritt er die Auffassung, die tarifvertragliche Ermächtigung des TV VEZ verstoße gegen verfassungsrechtliche bzw. unionsrechtliche Vorgaben. Bei einer Arbeitnehmerüberlassung für einen Zeitraum von 36 Monaten könne nicht mehr von einer "vorübergehender" Überlassung gesprochen werden, dies fordere jedoch die Leiharbeitsrichtlinie der EU. Die tarifliche Öffnungsklausel des AÜG sei dementsprechend nicht mehr vom europäischen Recht gedeckt.

Darüber hinaus vertritt er weiterhin die Auffassung, die sachgrundlose Befristung sei rechtsmissbräuchlich. Es gebe Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte und die Firma A.V. im bewussten und gewollten Zusammenwirken aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge mit dem Kläger hätten abschließen wollen. Hierbei weist er insbesondere auf die unstreitige Tatsache hin, der zu Folge die Beklagte von 207 befristeten Beschäftigten nicht einen einzigen fest übernommen habe.

Soweit die Beklagte eine Gewerkschaftsmitgliedschaft des Klägers behauptet, könne er nicht sagen, ob sie seinerzeit vorgelegen habe.

Der Kläger beantragt,

I. das Urteil des Arbeitsgerichts A-Stadt vom 14.12.2020, Aktenzeichen 2 Ca 130/20, abzuändern und festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristungsabrede im Arbeitsvertrag vom 03.07.2019 zur vereinbarten Befristung zum 31.05.2020 beendet wurde

II. Es wird festgestellt, dass zwischen den Parteien in der Zeit vom 01.11.2018 bis zum 31.08.2019 ein Arbeitsverhältnis bestanden hat.

Hilfsweise, für den Fall des Unterliegens:

III. Die Beklagte wird verurteilt, sein Angebot auf Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages zu den bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen als Produktionswerker ab dem 01.06.2020 anzunehmen.

Hilfsweise, für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu I:

IV. Die Beklagte wird verurteilt, ihn bis zur rechtskräftigen Beendigung des vorliegenden Rechtsstreits zu den bisherigen vertraglichen Bedingungen als Produktionswerker weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Sie behauptet, der Kläger sei Gewerkschaftsmitglied der IG Metall und sei es bereits während der Dauer des Arbeitsverhältnisses mit A.V. gewesen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufung wird auf ihre Schriftsätze vom 06.04., 14.07.2021, 29.03. und 13.04.2022 sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 21.04.2022 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung musste erfolglos bleiben.

A.

I.

Soweit es die Berufungsanträge zu Ziff. I. und II. anbelangt, ist die Berufung zulässig. Sie ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 64, 66 ArbGG und 519, 520 ZPO).

II.

Unzulässig ist die Berufung indes bezüglich des Berufungsantrages zu III. der Berufungsbegründung. Dieser Antrag fällt als echter Hilfsantrag mangels Begründetheit der Anträge zu Ziff. I. und II. dem Berufungsgericht zur Entscheidung an. Er ist unzulässig, weil es an einer hinreichenden Auseinandersetzung mit den erstinstanzlichen Entscheidungsgründen gemäß § 520 Abs. 3 ZPO fehlt.

1.

Das Begründungserfordernis des § 520 Abs. 3 ZPO, das auch im Arbeitsgerichtsprozess gilt, erfordert vom Rechtsmittelführer eine hinreichende Auseinandersetzung mit den erstinstanzlichen Entscheidungsgründen. Es muss für das Rechtsmittelgericht erkennbar sein, aus welchen Gründen der Rechtsmittelführer das angefochtene Urteil für fehlerhaft hält. Hierbei wird eine schlüssige Argumentation nicht erwartet. Jedoch genügt eine pauschale Rüge der Rechtsfehlerhaftigkeit eben so wenig, wie eine kommentarlose Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens.

2.

Diesem Maßstab entspricht die Berufungsbegründung bezüglich des vorgenannten Antrages nicht.

a)

Das angefochtene Urteil hat in seinen Entscheidungsgründen den echten Hilfsantrag auf Annahme des Angebotes des Klägers auf Abschluss eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses mit der Begründung zurückgewiesen, die Ziffer 4.3.2 des TV VEZ beinhalte keinen individuellen Rechtsanspruch, sondern schreibe lediglich einen tarifvertraglichen Regelfall vor. Es ist zu dem Ergebnis gekommen, die Entscheidung über eine Festanstellung liege bei den Betriebspartnern.

b)

Mit dieser tragenden Kernbegründung des erstinstanzlichen Urteils hat sich der Kläger nicht auseinandergesetzt. Seine Ausführungen in der Berufungsbegründung beschränken sich auf die Angriffspunkte "sachgrundlose Befristung - Vorbeschäftigung - Höchstdauer der Eingliederung als Leiharbeitnehmer" und "Rechtsmissbrauch". Es ist nicht erkennbar, dass diese Argumentationsstränge in irgendeiner Weise Ausführungen zur Fehlerhaftigkeit der Zurückweisung des Abschlusses eines neuen Arbeitsvertrages enthalten könnten.

B.

Soweit die Berufung zulässig ist, ist sie unbegründet. Denn das Arbeitsverhältnis der Parteien hat durch die arbeitsvertraglich vereinbarte Befristung zum 31.05.2020 wirksam sein Ende gefunden.

Insbesondere durften die Parteien das Arbeitsverhältnis rechtswirksam gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG sachgrundlos befristen, eine Vorbeschäftigung in Folge der Überschreitung der gesetzlichen Höchstüberlassungsdauer gemäß § 1 Abs. 1 AÜG i. V. m. §§ 9 Abs. 1 Nr. 1 b, 10 Abs. 1 AÜG liegt nicht vor. Auch ist der Abschluss eines befristeten Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten im Anschluss an die Eingliederung durch die A.V. als Vertragsarbeitgeberin nicht rechtsmissbräuchlich gewesen.

I.

Zunächst einmal macht sich die Berufungskammer die vorzüglichen Ausführungen der erstinstanzlichen Entscheidungsgründe zu eigen, verweist auf diese und stellt dies fest (§ 69 Abs. 2 ArbGG).

II.

Das Vorbringen der Berufung und der Sach- und der Streitstand im Übrigen veranlassen folgende ergänzende Anmerkungen:

1.

Eine Überschreitung der gesetzlichen Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten gemäß § 1 Abs. 1 b Satz 1 AÜG im Verhältnis zur A.V. hat nicht vorgelegen. Es greift die Ausnahmebestimmung des Satzes 3 ein, der zu Folge in einem Tarifvertrag von Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche eine von Satz 1 abweichende Höchstüberlassungsdauer festgelegt werden kann.

a)

Eine derartige Regelung enthält Ziff. 4.3.1 des TV VEZ, der auf das Arbeitsverhältnis des Klägers zur A.V. auch Anwendung gefunden hat. Der TV VEZ fand gemäß § 3 Abs. 1 TVG kraft beidseitiger Tarifbindung Anwendung. Insbesondere ist von der Gewerkschaftsmitgliedschaft des Klägers zum Zeitpunkt des Arbeitsverhältnisses bei A.V. auszugehen. Dies hat die Beklagte entsprechend ihrer Darlegungslast behauptet und der Kläger ist dieser Behauptung nicht in ausreichendem Maße entgegengetreten, so dass sie gemäß § 138 Abs. 3 und Abs. 4 ZPO als zugestanden gilt. Soweit der Kläger im Termin zur Kammerverhandlung vom 21.04.2022 erklärt hat, nicht sagen zu können, ob eine Gewerkschaftsmitgliedschaft seinerzeit vorgelegen habe, bleibt zunächst unklar, ob damit mit Nichtwissen die Behauptung der Beklagten bestritten werden sollte. Dies kann jedoch auf sich beruhen. Selbst wenn dieses Vorbringen so zu verstehen sein sollte, wäre es prozessual unzureichend.

Es handelt sich um eine Tatsache, die aufgrund eigener Wahrnehmung und eigenen Wissens nicht mit Nichtwissen bestritten werden darf, wie aus § 138 Abs. 4 ZPO hervorgeht. Auch wenn von dieser Vorschrift Ausnahmen anerkannt sind, müssen diese Ausnahmen besonders begründet werden (nicht mehr erinnern), woran es im vorliegenden Streitfall fehlt.

b.

Die streitgegenständliche Ermächtigung des TV VEZ in Ziff. 4.3.1 mit der Erlaubnis, Leiharbeitnehmer 36 Monate zu entleihen, ist unter jedem rechtlich denkbaren Gesichtspunkt wirksam. Denn der EuGH hält es grundsätzlich für unionsrechtlich zulässig, wenn EU-Richtlinien durch Tarifverträge umgesetzt werden. Der Mitgliedsstaat müsse lediglich gewährleisten, dass die in der Richtlinie enthaltenen Ziele eingehalten werden (EuGH - 18. Dezember 2008 - Rechtssache Andersen). Unterstützt wird diese klare Rechtsauffassung bereits durch den Wortlaut des Artikel 288 Abs. 3 AEUV, dem zu Folge die Richtlinie für die Mitgliedsstaaten grundsätzlich nur das zu erreichende Ziel festlegt, aber die Wahl der Mittel zur Erreichung des Ziels den Mitgliedsstaaten überlassen bleibt. Deswegen wird die zum Teil in der Literatur vertretene Auffassung, der nationale Gesetzgeber sei der Umsetzungspflicht der Richtlinie nicht nachgekommen, mit dem Argument, ihm obliege es allein, den unbestimmten und in der Leiharbeitsrichtlinie enthaltenen Rechtsbegriff "vorübergehend" näher zu konkretisieren (so Ulber, RdA 2018, 50, 51), nicht geteilt.

Im Ausgangspunkt zutreffend weist die Berufungsbegründung selbstverständlich darauf hin, dass die Gestattung gegenüber den Tarifvertragsparteien in § 1 Abs. 1 b Satz 3 AÜG nicht der Begrenzung der Leiharbeitsrichtlinie mit ihrem Merkmal "vorübergehend" zuwiderlaufen dürfe. Diese Problematik wird durch eine europarechtskonforme Auslegung der vorgenannten Vorschrift sichergestellt. Weil diese Problematik der Problematik ähnelt, die auch die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverhältnissen und die Öffnungsklausel in § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG betreffen, wird entsprechend der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG vom 26.10.2010 - 7 AZR 140/15 - Juris) eine dreifache Überschreitung der durch das AÜG bestimmten Höchstgrenze von 18 Monaten, mithin 54 Monate, als zulässige Überlassungshöchstdauer anzusehen sein (ähnlich auch Koch in Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 120 Rn. 9; Wank, ErfK, § 1 AÜG Rn. 70; Hamann in Schüren/Hamann § 1 AÜG, Rn. 358).

Mit dieser Auslegung ist den europarechtlichen Vorgaben, insbesondere dem Artikel 1 Abs. 1 der Leiharbeitsrichtlinie, die Leiharbeit nur "vorübergehend" zulässt und dem Artikel 5 Abs. 5 der RL 2008/104/EG, wonach die Mitgliedsstaaten Maßnahmen ergreifen, um aufeinanderfolgende Überlassungen, mit denen die Bestimmung der Richtlinie umgangen werden sollen, zu verhindern, Genüge getan und sie eingehalten worden.

c)

Der Einwand, die Öffnungsklausel gemäß § 1 Abs. 1 Satz 3 AÜG verstoße gegen die negative Koalitionsfreiheit, wird diesseits nicht geteilt. Unter der negativen Koalitionsfreiheit versteht man allgemein das Recht, aus einer Koalition auszutreten oder einer Koalition fernzubleiben. Sie schützt jedoch nicht vor jeder Fernwirkung der kollektiven Interessenwahrung. Dass Nichtorganisierte von der Rechtsordnung anders behandelt werden als Organisierte, bedeutet keine Verletzung der Koalitionsfreiheit. Die Ausführungen des arbeitsgerichtlichen Urteils (A. I. 1b, Blatt 11 des Urteils) erscheinen unmittelbar einleuchtend.

Wenn sowohl die Beklagte als auch die A.V. in dem Tarifvertrag als Vertragschließende erscheinen, dann erscheint ein Verstoß gegen die negative Koalitionsfreiheit auf Arbeitgeberseite fernliegend.

II.

Eine rechtsmissbräuchliche Gestaltung des Arbeitsvertrags in Form einer sachgrundlosen Befristung, die zur Unwirksamkeit dieser Befristung gemäß § 242 BGB führt, ist nicht gegeben. Das angefochtene Urteil hat den Rechtsmissbrauch in einer Art und Weise geprüft und verneint, die sich das Berufungsgericht bereits durch Bezugnahme gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG zu eigen gemacht hat. Insbesondere ist die Ausgangserwägung des angefochtenen Urteils, an die Annahme eines Rechtsmissbrauches seien schon deswegen ganz besonders strenge Anforderungen zu stellen, weil im vorliegenden Streitfall die vertragliche Übernahme eines Arbeitnehmers in das Entleihunternehmen gerade der durch das AÜG gewünschte Effekt ist und nicht bereits die tatsächliche und rechtliche Verbundenheit Verleih- und Entleihunternehmen sowie die nahtlose Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers eine rechtsmissbräuchliche Vertragsgestaltung indizieren, uneingeschränkt zutreffend. Soweit die Berufungsbegründung noch einmal besonders die Anzahl von 207 Arbeitnehmern hervorhebt, die nicht übernommen worden sind, so stellt dies nur einen äußerst geringen Prozentsatz der insgesamt 13.000 Beschäftigten bei der Beklagten dar (ca. 1,5 %).

Die weiteren Argumente der Berufungsbegründung sind nicht geeignet, einen Missbrauch der Befristung nach § 242 BGB zu indizieren.

III.

Der Antrag zu Ziff. III aus der Berufungsbegründung fällt als unechter Hilfsantrag nicht zur Entscheidung an.

C.

Der Kläger hatte als unterlegene Partei vollständig die Kosten der seiner erfolglosen Berufung zu tragen. Gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG war wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zum Bundesarbeitsgericht zuzulassen, soweit die Berufung zulässig ist, im war die Revision nicht zuzulassen.