Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 07.03.2006, Az.: 4 A 99/04

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
07.03.2006
Aktenzeichen
4 A 99/04
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2006, 44417
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGGOETT:2006:0307.4A99.04.0A

Amtlicher Leitsatz

Mit dem hochschulrechtlichen Semesterbeitrag wird eine Gegenleistung für die Gewährung eines über den notwendigen Lebensunterhalt hinausgehenden Vorteils erbracht. Die Berücksichtigung der sozialen Situation eines Beitragspflichtigen ist mit dem beitragsrechtlichen Prinzip des Vorteilsausgleichs grundsätzlich nicht vereinbar.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich mit der Klage gegen seine durch die Beklagte ausgesprochene Exmatrikulation.

2

Der Kläger studierte seit dem Wintersemester 1997/98 an der beklagten Universität im Studiengang Rechtswissenschaft. Im Sommersemester 2000, im Wintersemester 2000/2001, im Wintersemester 2001/2002 und im Sommersemester 2002 war er vom Studium beurlaubt. Einen erneuten Urlaubsantrag für das Wintersemester 2003/2004 lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 12.9.2003 ab. Die hiergegen durch den Kläger nach erfolgloser Durchführung eines Widerspruchsverfahrens erhobene Klage wies das erkennende Gericht durch Urteil vom 7.3.2006 (4 A 226/03) ab.

3

Mit Schreiben vom 31.3.2004 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, er habe sich für das Sommersemester 2004 nicht ordnungsgemäß zurückgemeldet, da er den Semesterbeitrag in Höhe von 96,00 Euro nicht gezahlt habe. Um dies nachzuholen, setzte die Beklagte dem Kläger eine Frist bis zum 14.4.2004. Darüber hinaus kündigte sie an, ihn im Fall der nicht ordnungsgemäßen Rückmeldung bis zum genannten Termin von Amts wegen zu exmatrikulieren. Mit Schreiben vom 10.4.2004 bat der Kläger unter Bezugnahme auf das Schreiben der Beklagten vom 31.3.2004 um Stornierung der Semestergebühren, da diese von ihm zur Zeit nicht in der genannten Höhe erbracht werden könnten.

4

Durch Bescheid vom 14.5.2004 exmatrikulierte die Beklagte den Kläger mit sofortiger Wirkung von Amts wegen und ordnete die sofortige Vollziehung der Exmatrikulation an. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger habe die fälligen Abgaben oder Entgelte nicht fristgerecht gezahlt und sich damit nicht ordnungsgemäß zurückgemeldet. Sein Status als Studierender an der Beklagten ende daher mit Ablauf des Wintersemesters 2003/2004 am 31.3.2004.

5

Am 23.5.2004 legte der Kläger hiergegen Widerspruch ein und trug u. a. vor, ein Schreiben vom 31.3.2004 liege ihm unter dem Aktenzeichen des Exmatrikulationsbescheides nicht vor. Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 5.7.2004 zurück.

6

Am 1.8.2004 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, er sei nicht in der Lage, die Semestergebühren zu leisten.

7

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 14.5.2004 und ihren Widerspruchsbescheid vom 5.7.2004 aufzuheben.

8

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

9

Sie weist darauf hin, dass gegen den Kläger mittlerweile ab dem Sommersemester 2004 Studiengebühren in Höhe von 500,00 Euro festgesetzt worden seien, so dass der Kläger mit Abgaben in Höhe von insgesamt 596,00 Euro im Rückstand sei.

10

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten im vorliegenden und in dem die Erhebung von Studiengebühren betreffenden Verfahren mit dem Aktenzeichen 4 A 65/04 Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

12

Die mit Bescheid vom 14.5.2004 ausgesprochene Exmatrikulation findet ihre Rechtsgrundlage in § 19 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3, Satz 3 NHG in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 der Immatrikulationsordnung der Beklagten vom 11.12.1991 (Nds. MBl. 1992, S. 616) i. d. F. vom 4.2.2004 (Amtl. Mitteilungen der Beklagten S. 57) - ImmO -. Danach hat die Exmatrikulation zwingend mit sofortiger Wirkung zu erfolgen, wenn der Studierende sich nach Mahnung unter Fristsetzung und Androhung der Exmatrikulation nicht zum Studium zurückmeldet. Gemäß § 19 Abs. 2 Satz 3 NHG und § 7 Abs. 2 ImmO setzt die Rückmeldung den Nachweis voraus, dass die fälligen Abgaben und Entgelte gezahlt sind (vgl. hierzu Nds. Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 11.5.2005 - 2 LB 6/03 -, NVwZ-RR 2006, 37). Zu diesen zählt der Semesterbeitrag (96,00 Euro), der sich aus dem Verwaltungskostenbeitrag (§ 12 Abs. 1 S. 1 NHG in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung; 50,00 Euro), dem Studentenwerksbeitrag (§ 70 Abs. 1 NHG i.V.m. § 1 der Ordnung über die Festsetzung und Erhebung der Studentenwerksbeiträge i.d.F. vom 10.12.2002; 38,00 Euro) und dem Studierendenschaftsbeitrag (§ 20 Abs. 3 NHG i.V.m. § 1 der Beitragsordnung der Studierendenschaft der F.-G.-Universität E. i.d.F. der Bekanntmachung vom 24.7.2003, Amtl. Mitteilungen S. 166; 8,00 Euro) zusammensetzt. Die genannten Beiträge werden erstmals bei der Einschreibung und sodann jeweils mit Ablauf der Rückmeldefrist fällig, die für das Sommersemester 2004 am 29.2.2004 ablief (§ 7 Abs. 1 ImmO).

13

Der Kläger hat den Semesterbeitrag für das Sommersemester 2004 weder innerhalb der Rückmeldefrist noch später gezahlt. Die Beklagte hat dem Kläger die Exmatrikulation mit Schreiben vom 31.3.2004 unter Fristsetzung für die ordnungsgemäße Rückmeldung zum Studium bis zum 14.4.2004 angedroht. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass sie ihn nach Ablauf dieser Frist exmatrikuliert hat. Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, er habe kein Anhörungsschreiben vom 31.3.2004 erhalten, das das Aktenzeichen des Exmatrikulationsbescheides trage. Er hat sich mit seinem Schreiben vom 10.4.2004 ausdrücklich auf das Schreiben der Beklagten vom 31.3.2004 bezogen. Dass dieses ein anderes Aktenzeichen trägt, ist unerheblich, da der Kläger seinen Inhalt nicht missverstehen konnte und im Fall einer nicht ordnungsgemäßen Rückmeldung mit seiner Exmatrikulation rechnen musste. Der Kläger kann auch nichts aus dem Umstand herleiten, dass der Verwaltungskostenbeitrag und der Studierendenschaftsbeitrag durch beurlaubte Studenten nicht zu leisten ist. Zum einen hat das Gericht durch Urteil vom 7.3.2006 (4 A 226/03) eine Verpflichtung der Beklagten zur Beurlaubung des Klägers im Sommersemester 2004 verneint. Zum anderen sind Studierende nur dann von der Leistung der oben genannten Beiträge befreit, wenn die Universität ihrem Urlaubsantrag tatsächlich stattgegeben hat.

14

Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, er sei zur Begleichung des Semesterbeitrags nicht in der Lage gewesen. Die Berücksichtigung der sozialen Situation eines Beitragspflichtigen ist mit dem beitragsrechtlichen Prinzip des Vorteilsausgleichs grundsätzlich nicht vereinbar. Mit dem Beitrag wird der notwendige Lebensbedarf nicht beschnitten, sondern eine Gegenleistung für die Gewährung eines über den notwendigen Lebensunterhalt hinausgehenden Vorteils erbracht (ebenso: VG Hannover, Gerichtsbescheid vom 20.7.2001 - 6 A 5590/00 -, NdsVBl 2002, 79; VG Lüneburg, Urteil vom 18.6.2003 - 1 A 396/99 -, juris). Die Erhebung des Semesterbeitrags auch bei Vorliegen finanzieller Engpässe war für den Gesetzgeber angesichts der im Allgemeinen schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse Studierender vorhersehbar und wurde von ihm in Kauf genommen. Zudem handelt es sich bei der Erhebung des Semesterbeitrags um eine punktuelle, einplanbare Belastung, die angesichts der verhältnismäßig geringen Höhe durch rechtzeitige Rücklagen, Leihgeld oder vorübergehende Aufnahme oder Ausweitung einer Erwerbstätigkeit aufgefangen werden kann. Soweit aus Art. 12 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip ein Anspruch auf eine für jedermann tragbare universitäre Ausbildung folgt, werden finanzielle Notlagen durch das Bundesausbildungsförderungsgesetz und § 26 Abs. 1 Satz 2 BSHG hinreichend aufgefangen. Sofern man überhaupt die Möglichkeit eines - gesetzlich nicht vorgesehenen und vom Kläger auch nicht beantragten - Erlasses des Semesterbeitrags in Betracht zieht, würde ein solcher das Vorliegen besonderer Gründe voraussetzen, die es notwendig erscheinen lassen, dem Studierenden trotz finanzieller Notlage die Fortführung des Studiums zu ermöglichen, ohne dass der an sich zuvor zu entrichtende Beitrag gezahlt wird. Dies würde erfordern, dass die mit der Beitragserhebung einhergehenden Folgen extrem über das hinausgehen, was sich der Gesetzgeber vorgestellt hat, und durch den Erlass ein mit der Verfassung nicht zu vereinbarender Eingriff in verfassungsrechtlich geschützte Rechtsgüter vermieden werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5.4.1978 - 1 BvR 117/73 -, NJW 1978, 2089). Dies wäre etwa denkbar, wenn der Studierende dringend auf die Fortsetzung des Studiums angewiesen wäre und/oder er sich unmittelbar vor Abschluss eines berufsqualifizierenden Studiums befinden würde. Auf derartige Gründe hat sich der Kläger nicht berufen; sie sind für das Gericht auch nicht ersichtlich.

15

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

16

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.