Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 09.03.2006, Az.: 2 A 235/04

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
09.03.2006
Aktenzeichen
2 A 235/04
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2006, 44421
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGGOETT:2006:0309.2A235.04.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
OVG Niedersachsen - 16.11.2009 - AZ: 12 LC 181/07

Amtlicher Leitsatz

Eine Gemeinde darf die maximale Bauhöhe von Windkraftanlagen durch Flächennutzungsplan wegen ihrer Kennzeichnungspflicht als Luftfahrthindernis aus Gründen des Landschaftsbildes und des Naturschutzes auf 100 m beschränken.

Tatbestand:

1

Die Klägerin begehrt die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung einer Windkraftanlage Typ GE Wind Energy 1,5 SL mit einer Nabenhöhe von 80 Metern, einer Bauhöhe von 118,50 Metern und einer Nennleistung von 1.650 Kilowatt, die im Außenbereich von J. auf dem nicht der Klägerin gehörenden Grundstück Flur XX, Flurstück XX der Gemarkung J. errichtet werden soll.

2

Das Baugrundstück liegt in dem Bereich Q., für den die beigeladene Stadt J. durch die 14. und die 16. Flächennutzungsplanänderung ein Sondergebiet Windenergie dargestellt hat. In der Legende zu den Plänen ist vermerkt, dass gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1 BauGB die maximale Gesamthöhe (Nabenhöhe und Rotorhalbmesser) der Windenergieanlagen über gewachsenem Gelände nicht höher als 100 Meter sein darf. Beide Flächennutzungsplanänderungen stellen außerdem Flächen im sogenannten R. als Vorrangflächen für Windenergie dar; insoweit gibt es eine gemeinsame Planung mit der Stadt S. und dem Flecken T.. Als Abwägungsgrundlage für die Änderungspläne hat die Beigeladene im Juni 2002 eine Potenzialstudie erstellen lassen, in der Folgendes festgehalten worden ist:

3

Für das Landschaftsbild stellt der Q. eine wichtige Landmarke dar. Er ist der südöstlichste Ausläufer der U. und liegt ähnlich einer Bastion markant in der Landschaft. Er trennt das R. vom V.. Der Q. hat zudem eine besondere Funktion als Erholungsraum, nicht nur für die unmittelbar angrenzende Stadt J., sondern für einen größeren Einzugsbereich. Die U. ist ein beliebtes Ausflugsziel. Trotz dieser Bedeutung für die Erholungsfunktion und für das Landschaftsbild wurde der Q. als Konzentrationsfläche für Windenergieanlagen ausgewählt. Dies hängt in erster Linie damit zusammen, dass andere Potenzialflächen im westlichen Gemeindegebiet diese Schutzansprüche mit einer noch höheren Wertigkeit für sich reklamieren können. Die Auswahl des Q. es stellt insofern bereits einen planerischen Kompromiss dar (zitiert aus der Stellungnahme der Beigeladenen vom 22.08.2003 an den Beklagten).

4

Der Entwurf der 14. Änderung ist vom Verwaltungsausschuss der Beigeladenen am 14.10.2002 beschlossen worden. Er hat vom 25.10. bis zum 25.11.2002 öffentlich ausgelegen; der Rat der Beigeladenen hat den Plan am 17.12.2002 beschlossen, die Bezirksregierung Braunschweig hat ihn mit Verfügung vom 13.02.2003 genehmigt; er ist am 14.02.2003 im Amtsblatt des Beklagten bekannt gemacht worden. Der Verwaltungsausschuss der Beigeladenen hat die Aufstellung der 16. Änderung am 10.03.2003 beschlossen, sie hat vom 12.05. bis zum 12.06.2003 öffentlich ausgelegen; der Rat der Beigeladenen hat den Plan am 08.07.2003 beschlossen, die Bezirksregierung Braunschweig hat ihn am 19.12.2003 genehmigt, er ist am 22.12.2003 im Amtsblatt des Beklagten bekannt gemacht worden. Durch die 16. Änderung sind die Vorrangflächen im Hinblick auf die neuere Rechtssprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 17.12.2002) deutlich verkleinert worden; vor allem wurden die Abstände zu den Siedlungsgebieten von 500 m auf 750 m erhöht. Dem Erläuterungsbericht zur 14. Änderung ist Folgendes zu entnehmen:

5

Eine besondere Marke für die optischen Auswirkungen stellt die Höhe von 100 m dar. Ab dieser Höhe gelten die WEA als Luftfahrthindernisse. Sie müssen dann in die Luftkarten eingetragen werden und unterliegen einer Kennzeichnungspflicht. Die Auswirkungsqualität auf den Menschen ändert sich wesentlich mit der Kennzeichnung der Anlagen. Für den Menschen treten die Anlagen damit auch nachts oder bei diesigen Witterungsverhältnissen wesentlich stärker in Erscheinung. Die Wirkung als technischer Fremdkörper in der Landschaft wird wesentlich verstärkt. Bisher stellt sich der Raum als unbelastet in Bezug auf WEA oder vergleichbare Objekte dar. Auch eine "Lichtverschmutzung" durch Objekte mit Nachtkennzeichnung gibt es nicht. Der Standort liegt zwar in der Nähe der größten Siedlung in der Gemeinde, dieser hat aber nur kleinstädtischen beziehungsweise ländlichen Charakter. Typische Lichteffekte einer Großstadt fehlen. Die Errichtung von mindestens acht WEA stellt daher eine erhebliche Veränderung der optischen Situation dar. Dies würde in den Auswirkungen noch einmal verstärkt, wenn die Anlagen über 100 m Gesamthöhe errichtet und damit kennzeichnungspflichtig würden. Damit würde sich nicht nur die Präsenz der Anlagen tagsüber auf Grund der größeren Höhe und der farbigen Rotorblätter verstärken. Vielmehr würde sich die Präsenz auch in die Nachtzeit und in diesige Wetterlagen ausdehnen (Seiten 19, 20). Der Planungsbereich stellt keinen avifaunistisch wertvollen Bereich dar. Er kann allerdings auch nicht als avifaunistisch verarmt eingestuft werden, da entsprechende Strukturen einer reich gegliederten Landschaft in der näheren Umgebung vorhanden sind. Neben dem Verlust bodenbrütender Arten durch die direkten Baumaßnahmen, aber auch durch Schattenwurf sind insbesondere nahrungssuchende Vogelarten in ihrem Radius eingeschränkt. Die Strukturierung der Landschaft mit ihren Lebensgrundlagen lässt allerdings darauf schließen, dass geschützte, seltene oder schützenswerte Arten hier nicht in erheblichem Maße betroffen werden. Eine gewisse Wertigkeit hat der Änderungsbereich für nahrungssuchende Vogelarten sowie für Arten, die zwischen den Waldflächen zu- und abwandern. Mögliche Brutplätze des Milans sind in ausreichendem Abstand zu dem Änderungsbereich zu erwarten, sodass ein ungehinderter Anflug der Horste gewährleistet ist. Bezüglich der Nahrungsgäste mit meist größerem Aktionsradius sind großflächige Ausweichräume vorhanden. Auswirkungen sind nur in geringem Maße auch auf das Zugvogelgeschehen zu erwarten. Der Q. stellt bereits eine natürliche Barriere für ziehende Vögel dar. Es ist zu erwarten, dass er im Landeanflug zum Beispiel auf die W. meist umflogen wird. Plötzliche Ausweichmanöver mit hohem Energieverlust für die entsprechenden Zugvögel sind hier aber nur bei Extremwetterlagen mit schlechter Sicht, starkem Wind zu erwarten, da das Zuggeschehen dann in niedrigeren Flughöhen stattfindet. Gleichzeitig werden bei solchen Wetterlagen auch Suchflüge nach geeigneten Rastplätzen eingeleitet. In der Gesamtbetrachtung der Arten und Lebensgemeinschaften müssen die Auswirkungen als erheblich eingestuft werden. Als Minimierung insbesondere in Bezug auf den Vogelzug ist daher eine Beschränkung der Anlagenhöhe erforderlich (Seite 38). Die Auswirkungen auf das Landschaftsbild sind in erster Linie darin zu sehen, dass vertikale, landschaftsbildprägende Elemente neu geschaffen werden, die in dieser Form in diesem Landschaftsraum beziehungsweise im Untersuchungsraum vorher nicht vorhanden waren. Das bedeutet, dass sich das Landschaftsbild verändert und diese Veränderungen über Blickachsen auch deutlich wahrnehmbar sind. Die Wahrnehmbarkeit ist zwar durch Blickbarrieren eingeschränkt, allerdings sind in bestimmten Sektoren auch fernwirksame Blickbeziehungen gegeben. Auch die Kulissenwirkung der angrenzenden Waldflächen wird in ihrer Funktion abgeschwächt. Durch das Drehen der Rotorblätter wird zudem eine optische Unruhe in die Landschaft eingebracht. Diese optische Unruhe, die in größerer Höhe stattfindet, ist diesem Landschaftsraum hinsichtlich der Eigenart fremd. Vorbelastungen sind in diesem Änderungsbereich nicht gegeben. Insgesamt betrachtet, müssen die Auswirkungen auf das Landschaftsbild als erheblich eingestuft werden (Seite 42).

6

In Entfernungen von ca. 500, 750 und 1.000 m von dem von der Klägerin geplanten Standort sind bereits drei (unter 100 m hohe) Windkraftanlagen genehmigt.

7

Am 17.04.2003 stellte die Klägerin bei dem Beklagten den Bauantrag für die Errichtung der oben beschriebenen Windkraftanlage. Unter dem 27.06.2003 versagte die Beigeladene ihr Einvernehmen, weil die Anlage die vorgeschriebene Höhe von 100 m überschreite. Mit Bescheid vom 11.07.2003 lehnte der Beklagte den Bauantrag mit im Wesentlichen folgender Begründung ab: Das Vorhaben beeinträchtige öffentliche Belange, die grundsätzlich auch einem privilegierten Vorhaben entgegenstehen könnten; das Vorhaben sei mit den Darstellungen des Flächennutzungsplanes zwar hinsichtlich seiner Art, jedoch nicht hinsichtlich seiner Höhe vereinbar; mithin sei die Errichtung der Anlage unzulässig; die Höhendarstellung in dem Flächennutzungsplan sei auch gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1 BauGB in Verbindung mit § 16 Abs. 1 BauNVO zulässig, denn die Angabe des allgemeinen Maßes der baulichen Nutzung könne insbesondere in Betracht kommen, wenn die Ausweisung eines Baugebietes nur unter gleichzeitiger Begrenzung des Höchstmaßes der baulichen Nutzung mit den vorhandenen oder noch geplanten Versorgungseinrichtungen, der Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes oder mit anderen öffentlichen Belangen vereinbart werden könne; diese Flächennutzungsplanänderung sei von der Bezirksregierung Braunschweig genehmigt worden, auch der Beklagte zweifele nicht an der Rechtmäßigkeit der Darstellung.

8

Mit ihrem Widerspruch vom 21.07.2003 gegen diesen Bescheid macht die Klägerin im Wesentlichen geltend: eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange genüge nicht für die Ablehnung eines privilegierten Vorhabens; hier habe keine Abwägung der konkreten Umstände des Einzelfalles stattgefunden; eine Höhenfestsetzung sei ohnehin unwirksam, weil kein Bezugspunkt (zum Beispiel Höhe über NN) angegeben werde; besondere städtebauliche Gründe seien nicht angeführt und erst recht nicht mit den Interessen der Grundstückseigentümer beziehungsweise der Vorhabenträger abgewogen worden; eine Höhendifferenz von 18,5 m habe weder auf den Menschen noch auf die Avifauna irgendwelche Auswirkungen; auch die Unterschiede bei der Veränderung des Landschaftsbildes dürften relativ gering sein; was die Kennzeichnung der Anlage als Luftfahrthindernis angehe, habe die Beigeladene insbesondere nicht untersucht, wo unter Umständen eine Nachtbefeuerung erforderlich sei und wo eine Tageskennzeichnung ausreiche; bei einer Windkraftanlage bestehe auch kein erhebliches Vogelschlagrisiko.

9

Die Bezirksregierung Braunschweig wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22.07.2004 mit folgender Begründung zurück: Die Darstellung der maximal zulässigen Höhe im Flächennutzungsplan sei wirksam; nach § 16 Abs. 1 BauNVO genüge die Angabe der Höhe der baulichen Anlagen; die von der Klägerin projektierte Windkraftanlage beeinträchtigte somit den öffentlichen Belang nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB, indem sie den Darstellungen des Flächennutzungsplanes widerspreche; diese Darstellungen würden dem Vorhaben auch entgegenstehen: es handele sich um hinreichend konkrete standortbezogene Aussagen, deren Erfordernis in dem Erläuterungsbericht zur 14. Änderung des Flächennutzungsplanes ausführlich begründet werde; nachvollziehbar sei, dass wie auch immer gekennzeichnete Anlagen einen großen Eingriff in das Landschaftsbild darstellten und auch die dort lebenden und Erholung suchenden Menschen erheblich stärker beeinträchtigten; die Höhenbegrenzung sei auch aus Gründen des Vogelschutzes erfolgt; das V. stelle eine bedeutende Vogelzuglinie dar, nur 2,5 km nordöstlich im Bereich der W. und des nördlich anschließenden X. liege ein bedeutendes Rastgebiet für Zugvögel; durch die Höhenbegrenzung hätten die Auswirkungen auf Zugvögel minimiert werden sollen; es sei auch durchaus nachvollziehbar, dass hier eine aufgrund der Privilegierung der Windkraftanlagen noch hinnehmbare Beeinträchtigung unter anderem des Vogelschutzes bis zu einer Anlagenhöhe von 100 m gesehen werde; je höher die Anlagen, umso stärker sei die Betroffenheit für die Zugvögel zu beurteilen; da ab 100 m die Kennzeichnungspflicht bestehe, würden hierdurch noch weitere Auswirkungen auf die Zugvögel hinzukommen, die in der Summe der Errichtung von Anlagen über 100 m durchaus entgegenstehen könnten; im hier vorliegenden konkreten Einzelfall wäre der wirtschaftliche Vorteil, den der Anlagenbetreiber durch eine 118,50 m hohe Anlage im Vergleich zu einer 100 m hohen Anlage erzielen würde, den nachvollziehbar erheblich erhöhten Beeinträchtigungen der Avifauna, der Menschen mit ihren Wohn- und Sozialbedürfnissen sowie des Landschaftsbildes gegenüber zu stellen; eine offensichtlich falsche Gewichtung der Belange die in dieser Abwägung zur Versagung des gemeindlichen Einvernehmens geführt habe, sei nicht erkennbar; mithin habe die Beigeladene auch ihr Einvernehmen nicht rechtswidrig versagt, sodass der Beklagte an die Versagung gebunden sei.

10

Die Klägerin hatte schon am 07.07.2004 Klage erhoben. Sie wiederholt ihr bisheriges Vorbringen und führt ergänzend aus: die neue Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Kennzeichnung von Luftfahrthindernissen gestatte eine weitaus dezentere Kennzeichnung von Anlagen über 100 m Bauhöhe als bisher; es liege weder eine besonders schutzwürdige Umgebung noch ein besonders grober Eingriff in das Landschaftsbild vor; weitere naturschutzfachliche Untersuchungen seien ersichtlich nicht erforderlich; mit der Höhenbegrenzung auf 100 m verfolge die Beigeladene eine Verhinderungsstrategie, was rechtlich nicht zulässig sei; letztlich sei die Darstellung der Vorranggebiete für Windenergie in dem Flächennutzungsplan der Beigeladenen insgesamt nichtig, da u.a. die Wirtschaftlichkeit der Standorte und Belange des Vogelschutzes nicht ausreichend ermittelt worden seien.

11

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 11.07.2003 und des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Braunschweig vom 22.07.2004 zu verpflichten, über den Antrag der Klägerin vom 17.04.2003 auf Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung einer Windkraftanlage Typ GE Wind Energy 1,5 SL (Nabenhöhe 80 m, Bauhöhe 118,50 m) auf dem Grundstück Gemarkung J., Flurstück XX, Flur XX erneut unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden

12

und

13

die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

14

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

15

Er wiederholt und vertieft die Begründung des Widerspruchsbescheides und trägt ergänzend vor: Nach seinem regionalen Raumordnungsprogramm von 1996 finde die raumordnensche Abwägung zu Windenergievorrangstandorten im Rahmen der Flächennutzungsplanung durch die jeweiligen Gemeinden statt; die von der Beigeladenen eingeholte Potenzialstudie zum Flächennutzungsplan reiche fachlich nicht aus, um eine abschließende Bewertung des Eingriffs in den Naturhaushalt vornehmen zu können; hier sei insbesondere zu berücksichtigen, dass durch das Bauvorhaben die Fledermauspopulation und das Nahrungsgebiet des Schwarzstorchs beeinträchtigt werden könnten; im Übrigen hätte entsprechend der jüngsten höchstrichterlichen Rechtsprechung ein Immissionsschutzrechtliches Verfahren durchgeführt werden müssen.

16

Die Beigeladene stellt keinen Antrag. Sie führt im Wesentlichen aus: Da Windkraftanlagen über 100 m Gesamthöhe als Luftfahrthindernisse gekennzeichnet werden müssten, würden von Ihnen deutlich stärkere Auswirkungen auf das Landschaftsbild, den Menschen und die Avifauna ausgehen; die Wahrnehmungsintensität werde sprunghaft erhöht; die Anlage sei von der Siedlung Y., aber auch von den Siedlungsrändern der Stadt J. sowie von Z. und AA. (Ortsteilen der Stadt H.) einsehbar; das V. sei insgesamt eine großräumige und sehr wichtige Vogelzuglinie; eine Befeuerung der Anlage könne zu Irritationen der in der Dämmerung und nachts fliegenden Zugvögel führen.

17

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die Verwaltungsvorgänge des Beklagten sowie der Beigeladenen (betreffend die 14. und 16. Flächennutzungsplanänderung) Bezug genommen. Die Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

18

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Neubescheidung (§ 113 Abs. 5 S. 2 VwGO) ihres Antrags auf Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung einer Windkraftanlage. Der Beklagte hat den Bauantrag vielmehr zu Recht abgelehnt.

19

Die Errichtung einer Windkraftanlage ist ein baugenehmigungspflichtiges Vorhaben (§§ 68, 69 NBauO). Das streitbefangene Vorhaben unterfällt nach wie vor dem Baurecht und nicht dem Immissionsschutzrecht. Zwar ordnet Nr. 1.6 der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen in der Fassung der Bekanntmachung vom 14.03.1997 (BGBl. I Seite 504), zuletzt geändert durch Verordnung vom 20.06.2005 (BGBl. I Seite 1687) - 4. BImSchV - an, dass für alle Windkraftanlagen mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 m (mindestens) ein vereinfachtes Verfahren nach § 19 des Bundesimmissionsschutzgesetzes - BImSchG - durchzuführen ist; der zugleich mit der Änderung der 4. BImSchV eingeführte § 67 Abs. 9 S. 3 BImSchG bestimmt jedoch, dass Verfahren auf Erteilung einer Baugenehmigung für Windkraftanlagen, die vor dem 01. Juli 2005 rechtshängig geworden sind, nach den Vorschriften der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen (und der Anlage 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung) in der bisherigen Fassung abgeschlossen werden. Nr. 1.6 der 4. BImSchV in der bis zum 30.06.2005 geltenden Fassung sah eine Genehmigungspflicht nach dem BImSchG nur für Windfarmen mit mindestens drei Anlagen vor, während für Einzelanlagen beziehungsweise zwei Anlagen das Baugenehmigungsverfahren durchzuführen war. Die streitbefangene Anlage gehört nicht zu einer Windfarm im vorbezeichneten Sinne, denn ihr Einwirkungsbereich berührt nur den Einwirkungsbereich einer anderen Anlage (die nämlich im Abstand von ca. 500 m errichtet werden soll), nicht aber den weiterer genehmigter Anlagen (vgl. zu den Einzelheiten BVerwG, Urteile vom 30.06.2004 - 4 C 9.03 - DVBl. 2004, S. 1304, und vom 21.10.2004 - 4 C 3.04 - NVwZ 2005, S. 208. sowie OVG Koblenz, Beschluss vom 25.01.2005 - 7 E 12117/04 - NVwZ 2005, S. 1208).

20

Die Baugenehmigung ist gemäß § 75 Abs. 1 Satz 1 NBauO zu erteilen, soweit die Baumaßnahme dem öffentlichen Baurecht entspricht, zu dem nach § 2 Abs. 10 NBauO das im BauGB (besonders in §§ 29 - 37) verankerte städtebauliche Planungsrecht gehört. Das Vorhaben soll weder im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes (§ 30 BauGB) noch innerhalb von im Zusammenhang bebauten Ortsteilen (§ 34 BauGB), also im Außenbereich errichtet werden. Dort ist es gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB privilegiert, denn es dient der Nutzung der Windenergie. Danach ist es nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen und die Erschließung gesichert ist.

21

Das Vorhaben der Klägerin ist unzulässig, weil ihm öffentliche Belange entgegenstehen; es widerspricht nämlich dem Flächennutzungsplan der Beigeladenen (§ 35 Abs. 3 Nr. 1 BauGB), der auf dem Baugrundstück nur die Errichtung von Windkraftanlagen bis zu einer Gesamthöhe von 100 m erlaubt.

22

Durch die generelle Verweisung bestimmter Vorhaben in den Außenbereich hat der Gesetzgeber selbst eine planerische Entscheidung zugunsten solcher Vorhaben getroffen und damit auch Fälle negativer Berührung mit öffentlichen Belangen in Kauf genommen. Es genügt also nicht - worauf die Klägerin zu Recht hingewiesen hat - lediglich eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange, welche in Anwendung von § 35 Abs. 2 BauGB im Außenbereich nicht privilegierten Vorhaben entgegengesetzt werden könnte. Vielmehr muss in jedem Einzelfall eine Abwägung zwischen den jeweils öffentlichen Belangen und dem Vorhaben stattfinden, wobei zu dessen Gunsten die Privilegierung ins Gewicht fällt (vgl. Battis und andere, BauGB, 9. Auflage, § 35 Rn.-Nr. 45). Es ergibt sich jedoch, dass der Flächennutzungsplan der Beigeladenen bezogen auf den Standort Q. nicht nur rechtmäßig ist, sondern dass der in ihm vorgenommenen Beschränkung der Anlagenhöhe auf 100 m höheres Gewicht zu kommt als dem Interesse der Klägerin an der Errichtung einer höheren Anlage.

23

Sowohl der 14. wie auch der 16. Flächennutzungsänderungsplan der Beigeladenen ist unter Beachtung von §§ 2 - 4 a, 6 BauGB formell rechtmäßig zustande gekommen. Die Höhenfestsetzung auf 100 m begegnet ebenfalls keinen formellen Bedenken; § 5 Abs. 2 Nr. 1 BauGB i.V.m. § 16 Abs. 1 BauNVO erlaubt ausdrücklich, im Flächennutzungsplan die Höhe baulicher Anlagen als allgemeines Maß der baulichen Nutzung darzustellen. Als Bezugspunkt wird das gewachsene Gelände bezeichnet, was der gewachsenen Geländeoberfläche im Sinne von § 16 Abs. 1 NBauO entspricht und ohne weiteres feststellbar ist. Offensichtliche (§ 214 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 BauGB) Mängel des Abwägungsvorgangs und des Abwägungsergebnisses liegen ebenfalls nicht vor. Aus dem im Tatbestand dieses Urteils auszugsweise wiedergegebenen Erläuterungsbericht zur 14. Flächennutzungsplanänderung - der dem Erläuterungsbericht zur 16. Flächennutzungsplanänderung weitgehend entspricht - ergibt sich, dass die Beigeladene in Bezug auf die Darstellung der maximalen Anlagenhöhen im Plangebiet Q. alle ihr bekannten öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander abgewogen hat (§ 1 Abs. 7 BauGB), wobei sie ihr besonderes Augenmerk auf die Belange des Umweltschutzes (§ 1 Abs. 6 Nr. 7 a, c und f BauGB) gerichtet hat. Sie ist dabei zu dem ohne weiteres nachvollziehbarem Ergebnis gelangt, dass als Luftfahrthindernisse kennzeichnungspflichtige (tagsüber durch weißblitzende Feuer an den höchsten Punkten der Anlage und / oder mit 3 m breiten orange/rotfarbenen Streifen am Mast der Anlagen, 30 Minuten vor Sonnenuntergang bis 30 Minuten nach Sonnenaufgang mit mindestens zwei rot-blinkenden Gefahrfeuern auf der Turmspitze) Anlagen deutlich stärkere Auswirkungen auf das Landschaftsbild, den Menschen und die Avifauna haben als nicht gekennzeichnete Anlagen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Erläuterungsbericht Bezug genommen. Die Beigeladene war nicht gehalten, den wirtschaftlichen Interessen potentieller Anlagenbetreiber ein größeres Gewicht beizumessen. Abgesehen davon, dass Art. 14 Abs. 1 GG nicht die einträglichste Nutzung des Eigentums schützt (BVerwG, Urteil vom 13.03.2003 - 4 C 4.02 -, NVwZ 2003, S. 738) und die planende Gemeinde das Interesse privilegierter Nutzer des Außenbereichs zurückstellen darf, wenn hinreichend gewichtige städtebaulichen Gründe dies rechtfertigen (BVerwG, Urteil vom 17.12.2002 - 4 C 15.01 -, NVwZ 2003, S. 733), hatte die Beigeladene keinen Anlass anzunehmen, dass Anlagen unter 100 m Höhe im Vorranggebiet Q. wegen der dort herrschenden Windverhältnisse nicht wirtschaftlich betreibbar sind. Entsprechende Anregungen und Bedenken sind im Planaufstellungsverfahren nicht vorgebracht worden. Im Übrigen belegt die mittlerweile erfolgte Genehmigung dreier kleinerer Anlagen in dem Gebiet bzw. in dessen Nähe das Gegenteil.

24

Die Klägerin kann in diesem Verfahren nicht damit gehört werden, die Ausweisung von Vorrangstandorten für Windenergie im Gemeindegebiet der Beigeladenen sei aus anderen Gründen nichtig.

25

Durch die Einführung von § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB durch das Gesetz vom 30.07.1996 (BGBl. I S. 1189), des am 01.01.1997 in Kraft getreten ist, hat der Flächennutzungsplan eine weitere Funktion als die des rein vorbereitenden Bauleitplans (§ 1 Abs. 2 BauGB) erhalten. Nach dieser Bestimmung stehen öffentliche Belange einem Vorhaben nach Abs. 1 Nr. 2 bis 6 in der Regel auch dann entgegen, soweit hierfür durch Darstellungen im Flächennutzungsplan (oder als Ziele der Raumordnung) eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist. Ziel der 14. (und 16.) Flächennutzungsplanänderung durch die Beigeladene war in erster Linie, derartige Vorrangflächen für Windenergieanlagen auszuweisen, um die Errichtung solcher Anlagen an anderen - für schutzwürdiger erachteten - Stellen des Gemeindegebietes zu verhindern. Sie hat neben dem Gebiet Q. gemeinsam mit der Stadt S. und dem Flecken T. das erheblich größere Gebiet R. als Vorranggebiet ausgewiesen. Zwar ist die Ausweisung des R. als Vorranggebiet unwirksam, weil die planenden Gemeinden dem Belang des Vogelschutzes im Abwägungsvorgang nicht das ihm zukommende Gewicht beigemessen haben (vgl. das zwischen den Hauptbeteiligten ergangene Urteil der Kammer vom 09.03.2006 - 2 A 194/04 -); dieser Umstand kann der Klage jedoch nicht zum Erfolg verhelfen. Das Urteil des BVerwG vom 21.10.2004 - 4 C 2.04 - (NVwZ 2005, S. 211) gibt für die hier gegebene Fallgestaltung nichts her. Es verhält sich ausschließlich zu der Frage, ob eine Konzentrationsplanung der Errichtung einer Anlage außerhalb einer Konzentrationsfläche entgegengehalten werden kann, wenn dem Plan mangels ausreichender Darstellung von Positivflächen kein schlüssiges gesamträumliches Planungskonzept zu Grunde liegt. Die streitbefangene Anlage soll jedoch innerhalb einer Konzentrationszone errichtet werden. Die Ausweisung des Bereiches Q. als Vorrangzone überhaupt ist für die Klägerin ausschließlich günstig und kann sie nicht in ihren Rechten verletzen. Ihrem Vorhaben steht lediglich die verfügte Höhenbeschränkung auf 100 m entgegen, gegen die sie sich mithin allein wenden kann - was jedoch, wie bereits ausgeführt, ohne Erfolg bleibt -.

26

Anders als in Fällen des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB entfaltet - wie bereits ausgeführt - eine Darstellung im Flächennutzungsplan keine Sperrwirkung für Anlagen im Plangebiet. Es handelt sich vielmehr (nur) um einen öffentlichen Belang, der dem konkreten Vorhaben nur entgegensteht, wenn eine Abwägung mit dem Zweck des Vorhaben ergibt, dass dem öffentlichen Belang das größere Gewicht beizumessen ist (vergleiche Söfker in Ernst-Zinkahn-Bielenberg, BauGB, § 35, Rn.-Nr. 60). Dabei kommt diesem Belang allerdings ein um so größeres Gewicht zu, je umfangreicher die Abwägung bereits auf der Planungsebene stattgefunden hat. Hat sich die planende Gemeinde bereits konkret mit dem zur Genehmigung gestellten Vorhaben befasst und seine Bedeutung (ggf. als im Außenbereich privilegiertes Vorhaben) in hinreichender Weise mit den betroffenen öffentlichen Belangen wie Naturschutz, Erholungswert der Landschaft und Erhaltung des Landschaftsbildes abgewogen, hat die Genehmigungsbehörde nur Anlass zu erneuter Abwägung, wenn der Bauherr sich auf Belange, die bisher nicht Gegenstand der Abwägung waren, oder auf eine veränderte Sachlage beruft. In allen anderen Fällen kann sich die Behörde damit begnügen, die Abwägungsentscheidung der Gemeinde nachzuvollziehen. Letzteres ist hier in ausreichender Weise durch den Widerspruchsbescheid der Bezirkregierung Braunschweig vom 22.07.2004 geschehen. Das Gericht stellt fest, dass es dieser Begründung folgt (§ 117 Abs. 5 VwGO). Die Behörde hatte keinen Anlass, sich näher mit einer veränderten Kennzeichnung von Windkraftanlagen zu beschäftigen, denn jegliche Kennzeichnung und Befeuerung löst die Konflikte aus, die die Beigeladene erkannt und abgewogen hat und die - auch für das Gericht nachvollziehbar - der Errichtung über 100 m hoher Windkraftanlagen auf den Q. entgegenstehen. Was den Aspekt der Wirtschaftlichkeit angeht, gilt dasselbe: die Klägerin hat sich selbst auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung nicht konkret zur Leistungsfähigkeit größerer und kleinerer marktgängiger Windkraftanlagen geäußert.

27

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.

28

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, weil die Beigeladene keinen Antrag gestellt hat.

29

Eine Entscheidung über den Antrag, die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, ist entbehrlich, weil nur die Klägerin Kosten zu tragen hat. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

30

Die Berufung wird zugelassen, weil die Rechtssache im Hinblick auf die Bedeutung der Teilnichtigkeit eines Flächennutzungsplanes für die Zulässigkeit privilegierter Anlagen im Vorranggebiet und auf die Prüfungsintensität der Baugenehmigungsbehörde in solchen Fällen grundsätzliche Bedeutung hat.