Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 07.03.2006, Az.: 4 A 226/03
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 07.03.2006
- Aktenzeichen
- 4 A 226/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 44416
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGGOETT:2006:0307.4A226.03.0A
Amtlicher Leitsatz
Die bloße Notwendigkeit, den Lebensunterhalt während des Studiums zu finanzieren, stellt keinen wichtigen Grund für eine Beurlaubung vom Studium dar.
Tatbestand
Der Kläger begehrt mit der Klage die Verpflichtung der Beklagten zu seiner Beurlaubung vom Studium für das Wintersemester 2003/2004.
Der Kläger studierte seit dem Wintersemester 1997/1998 an der beklagten Universität im Studiengang Rechtswissenschaft. Im Sommersemester 2000, im Wintersemester 2000/2001, im Wintersemester 2001/2002 und im Sommersemester 2002 war er vom Studium beurlaubt. Am 9.8.2003 stellte er auch für das Wintersemester 2003/2004 einen Urlaubsantrag und führte zur Begründung aus, sein Vater sei verstorben und könne ihn daher nicht mehr finanziell unterstützen. Er müsse zunächst die wirtschaftliche Grundlage für die Fortsetzung seines Studiums schaffen.
Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers auf Beurlaubung durch Bescheid vom 12.9.2003 mit der Begründung ab, Beurlaubungen für mehr als 4 Semester seien nach der geltenden Immatrikulationsordnung nur aus wichtigen Gründen möglich. Der Vortrag des Klägers lasse wichtige Gründe in diesem Sinne nicht erkennen. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 1.10.2003 Widerspruch ein. Er äußerte die Auffassung, er habe wichtige Gründe für eine Beurlaubung geltend gemacht. Es lägen auch noch weitere Gründe vor, die eine Urlaubsgewährung rechtfertigten. Die Regelungen der Immatrikulationsordnung seien dem Nds. Hochschulgesetz gegenüber untergeordnet.
Durch Widerspruchsbescheid vom 18.11.2003 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Sie wiederholte ihre Auffassung, der Wegfall der Finanzierung des Studiums durch den Vater sei nicht als wichtiger Grund im Sinne der Immatrikulationsordnung anzuerkennen.
Am 28.11.2003 hat der Kläger Klage erhoben, zu deren Begründung er im Wesentlichen auf seinen bisherigen Vortrag Bezug nimmt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Bescheid der Beklagten vom 12.9.2003 und deren Widerspruchsbescheid vom 18.11.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihn für das Wintersemester 2003/2004 zu beurlauben.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie wiederholt und vertieft ihre bisherigen Ausführungen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat keinen Erfolg.
Ihrer Zulässigkeit steht nicht entgegen, dass das Wintersemester 2003/2004 mittlerweile abgelaufen ist. Die Frage, ob der Kläger für das genannte Semester einen Anspruch auf Beurlaubung hat, ist für ihn weiterhin von rechtlicher Bedeutung, da sie sich beispielsweise auf die Heranziehung des Klägers zu Studiengebühren auswirken kann (vgl. § 11 Abs. 4 S. 3 des Nds. Hochschulgesetzes - NHG -).
Die Klage ist jedoch nicht begründet.
Gemäß § 15 S. 2 NHG regelt die Hochschule ihre Angelegenheiten in der Grundordnung und in anderen Ordnungen. Eine derartige Ordnung stellt die Immatrikulationsordnung der Beklagten dar, die vorliegend in der Fassung der Bekanntmachung vom 5.2.2003 (Amtliche Mitteilung der Beklagten S. 77 ff. - ImmO -) anwendbar ist. In dieser Immatrikulationsordnung sind u. a. auch Voraussetzungen für eine Beurlaubung vom Studium geregelt. Da das Nds. Hochschulgesetz insoweit keine eigenständigen Regelungen enthält, kommt dem Vortrag des Klägers, das höherrangige Gesetz sei gegenüber der Immatrikulationsordnung vorrangig, keine Bedeutung zu.
Gemäß § 8 Abs. 2 ImmO kann eine Studierende oder ein Studierender bis zum Ende der Rückmeldefrist, in Ausnahmefällen auch noch innerhalb von 2 Monaten nach Semesterbeginn auf ihren oder seinen schriftlichen Antrag beurlaubt werden. Will die Studierende oder der Studierende während der Dauer des Studiums eines Studienganges mehr als vier Semester beurlaubt werden, muss sie oder er wichtige Gründe nachweisen (§ 8 Abs. 2 S. 3 ImmO). Wichtige Gründe i.S.d. Abs. 2 sind gemäß § 8 Abs. 3 ImmO insbesondere Krankheit, Praktikum, Studienaufenthalte im Ausland, Tätigkeiten in der akademischen oder studentischen Selbstverwaltung und familiäre Gründe.
Der Vortrag des Klägers, sein Vater sei verstorben und könne ihn nicht mehr finanziell unterstützen, so dass er selbst die wirtschaftliche Grundlage für die Fortsetzung seines Studiums schaffen müsse, kann eine Beurlaubung bereits deshalb nicht begründen, weil der Kläger nicht näher dargelegt hat, in welchem Umfang ihn sein Vater in der Vergangenheit unterstützt hat und warum ihm nach dessen Ableben die finanzielle Grundlage für sein Studium entzogen ist. Im Übrigen ist dem knappen Vortrag des Klägers nicht zu entnehmen, wie er es bewerkstelligen will, während der begehrten Beurlaubung die finanzielle Rücklage für sein weiteres Studium zu schaffen und gleichzeitig seinen laufenden Lebensunterhalt zu bestreiten.
Unabhängig davon stellt die Notwendigkeit, seinen Lebensunterhalt während des laufenden Studiums zu finanzieren, keinen wichtigen Grund für eine Beurlaubung i.S.v. § 8 Abs. 2 S. 3 ImmO dar. Wie sich aus dem Katalog von Beispielen zur Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs des "wichtigen Grundes" in § 8 Abs. 3 ImmO ergibt, sollen nur solche Sachverhalte zu einer über vier Semester hinausgehenden Beurlaubung führen, die das Studium erheblich beeinträchtigen und vom Studierenden nicht beeinflussbar sind bzw. die einer Förderung des Studiums dienen oder im Interesse der Selbstverwaltung der Hochschule liegen. Einen derartigen Sonderfall begründet die Notwendigkeit, das Studium zu finanzieren, nicht. Diese Notwendigkeit trifft vielmehr alle Studierenden gleichermaßen und ist mit den in § 8 Abs. 3 ImmO aufgeführten individuellen Gründen, die das Studium im betreffenden Semester erheblich erschweren, nicht vergleichbar. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil die dort aufgeführten Beispiele Lebenssituationen betreffen, die erfahrungsgemäß vorübergehender Natur sind und es erwarten lassen, dass das Studium in den Folgesemestern ordnungsgemäß fortgesetzt werden kann. Die Notwendigkeit, den Lebensunterhalt während des Studiums zu finanzieren, betrifft dagegen keinen zeitlich abgegrenzten, sondern einen Dauersachverhalt, da - wie bereits dargelegt - nicht zu erwarten ist, dass es dem Kläger gelingt, im Verlauf des angestrebten Urlaubssemesters Mittel in einem Umfang zu erwirtschaften, die ein finanziell abgesichertes Studium in der Zukunft gewährleisten. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Notwendigkeit, Mittel zu erwirtschaften, in jedem Semester erneut besteht. Würde man dies jeweils als Grund für eine Beurlaubung ansehen, wäre es dem Kläger nicht möglich, sein Studium abzuschließen. Der Kläger wird daher - wie zahlreiche andere Studierende in vergleichbarer wirtschaftlicher Situation - die Mittel zur Deckung seines Lebensunterhaltes neben dem laufenden Studium erwirtschaften müssen.
Zum Vorliegen sonstiger Umstände, die als wichtiger Grund für eine Beurlaubung in Frage kämen, hat der Kläger nicht substanziiert vorgetragen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach § 167 VwGO i.V.m. §§ 708, 711 ZPO.