Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 10.03.2006, Az.: 2 B 568/05
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 10.03.2006
- Aktenzeichen
- 2 B 568/05
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2006, 44422
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGGOETT:2006:0310.2B568.05.0A
Verfahrensgang
Gründe
Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist begründet. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung, nämlich ein Anordnungsgrund - die besondere Eilbedürftigkeit der Angelegenheit - und ein Anordnungsanspruch - die Glaubhaftmachung des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Rechtsanspruchs - liegen vor.
Eine Entscheidung des Gerichts im Rahmen eines Eilverfahrens ist geboten, denn die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass sie derzeit nur von ihren Ersparnissen lebt - die im Dezember 2005 nur noch ca. 4.000,00 EUR betragen hatten - und deshalb ohne die begehrte Ausbildungsförderung ihr Studium abbrechen müsste.
Nach den der Kammer vorgelegten Unterlagen dürfte die Antragstellerin einen Förderungsanspruch dem Grunde nach gegen die Antragsgegnerin haben.
Der Gewährung von Ausbildungsförderung an die Antragstellerin für die Absolvierung eines Master-Studiums im Studiengang Forstwissenschaften ist nach § 7 Abs. 1a BAföG möglich. Die Antragstellerin hat in diesem Studiengang bereits den Hochschulgrad des Bachelor of Science erworben. Hierauf baut, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist, der Masterstudiengang auf (Nr.1). Die Antragstellerin hat außer dem Bachelorstudiengang noch keinen weiteren Studiengang abgeschlossen (Nr.2).
Einer Förderung steht auch nicht § 10 Abs. 3 Satz 1 BAföG entgegen. Zwar hatte die am xx.xx.xxxx geborene Antragstellerin bei Aufnahme des Masterstudiums, das - insoweit folgt die Kammer der Antragsgegnerin - gegenüber dem Bachelorstudiengang einen selbstständigen Ausbildungsabschnitt darstellt, im Oktober 2005 bereits das 30. Lebensjahr vollendet. Doch kann sich die Antragstellerin erfolgreich auf die Ausnahmevorschrift des § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG berufen. Hiernach gilt der Ausschluss wegen Überschreitung der Altersgrenze von 30 Jahren nicht, wenn der Auszubildende die Zugangsvoraussetzungen für die zu fördernde Ausbildung (unter anderem) an einem Kolleg erworben hat.
Dies trifft für die Antragstellerin zu. Sie hat am 14.06.2002 ihr Abitur am H kolleg abgelegt und dann unverzüglich (vgl. § 10 Abs. 3 Satz 3 BAföG) im Wintersemester 2002 das Bachelorstudium der Forstwissenschaften aufgenommen. Ebenso unverzüglich hat sie nach dem Abschluss dieses Ausbildungsabschnittes am 14.09.2005 (mit Urkunde vom 27.09.2005) bereits im Oktober 2005 das Masterstudium begonnen.
Die Antragsgegnerin vermag nicht mit Erfolg einzuwenden, dass der Zugang zum Masterstudium nicht durch das Abitur am H kolleg, sondern durch den Bachelorabschluss erworben worden sei. Denn diese Argumentation verkennt die gesetzlichen Fördervoraussetzungen. Das Privileg der Förderung über die Altersgrenze hinaus erhält nach dem eindeutigen Wortlaut des § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG der Student "für die zu fördernde Ausbildung" und nicht - wie die Antragsgegnerin meint - nur für einen einzelnen "Ausbildungsabschnitt". Dass die zu fördernde Ausbildung neben dem Bachelorstudium auch das Masterstudium umfasst, wird im Falle der Antragstellerin - wie bereits oben dargelegt - durch § 7 Abs. 1 a BAföG bestimmt.
Diese Regelung führt dazu, dass es sich bei der Kombination von Bachelor- und Masterstudiengang um eine einzige Ausbildung im Sinne der Eingangsformulierung des § 7 Abs. 2 BAföG handelt (Rothe/Blanke, BAföG, § 7 Rn. 16.1). Wenn Ramsauer/Stallbaum/Sternal (BAföG, 4. Aufl., § 7 Rn. 19 a.E.) meinen, für den Masterstudiengang sei die Altersgrenze des § 10 Abs. 3 Satz 1 von 30 Jahren zu beachten, vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Es erscheint schon zweifelhaft, ob die von den Autoren vorgenommene Differenzierung zwischen sog. Konsekutivstudiengängen im Sinne von Tz. 7.1.10 der BAföG-VwV (abgedruckt bei Rothe/Blanke, Band I 3) und Bachelor- und Masterstudiengängen zulässig ist. Denn § 19 Abs. 4 HRG bezeichnet Studiengänge, die einerseits zu einem Bachelorabschluss und andererseits zu einem Masterabschluss führen, als konsekutive Studiengänge und regelt eine Gesamtstudienzeit hierfür (ebenso: § 6 Abs. 3 Satz 3 NHG). Jedenfalls im Fall der Antragstellerin handelt es sich um eine einheitliche Ausbildung im Sinne von § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG. Dies folgt einerseits aus der einschlägigen Prüfungsordnung, anderseits aus der Studienplanung der Antragstellerin.
Sie hat die Bachelorprüfung im Studiengang Forstwissenschaften und Waldökologie am 14. September 2005 bestanden und zum Wintersemester 2005/2006 den Masterstudiengang "Holzbiologie und Holztechnologie" an derselben Fakultät aufgenommen. Nach der Bachelor- und Master-Prüfungsordnung für die Studiengänge Forstwissenschaften und Waldökologie der Georg-August-Universität D., Fakultät für Forstwissenschaften und Waldökologie, vom 27. August 2002 - PO - handelt es sich dabei um konsekutive Studiengänge (§ 1 PO) eines einheitlichen Studiums (§ 3 Abs. 2 PO). Voraussetzung nicht nur für den Zugang zum Masterstudiengang allgemein, sondern auch Prüfungszugangsvoraussetzung ist das erfolgreiche Bestehen der Bachelorprüfung (§ 24 Abs. 1 und 2 PO). Die Antragstellerin setzt ihre Ausbildung an derselben Fakultät fort, an der sie den Bachelorabschluss erworben hat. Es entspricht daher dem zu § 7 Abs. 1 a BAföG geäußerten Willen des Gesetzgebers, diese neuen Studiengänge förderungsrechtlich dem herkömmlichen Diplomstudiengang gleich zu setzen (vgl. BT/Ds. 13/10241), wenn sie als eine einheitliche Ausbildung aufgefasst werden.
Nur dieses Ergebnis führt dazu, dass der in § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG zum Ausdruck gekommene gesetzgeberische Wille, Absolventen des Zweiten Bildungsweges förderungsrechtlich nicht schlechter zu stellen als Studenten, die ihre Hochschulzugangsberechtigung auf dem Ersten Bildungsweg erreicht haben, beachtet wird. Verführe man demgegenüber so, wie die Antragsgegnerin die Vorschrift auslegt, hätten lebensältere Absolventen des Zweiten Bildungsweges häufig nicht die Möglichkeit, ein Masterstudium gefördert zu erhalten. Dies wäre jedoch eine nicht von Art. 3 GG gedeckte Schlechterstellung.
Unabhängig davon hält die Kammer auch die Argumentation der Antragstellerin, dass der Wortlaut des Gesetzes, das in Satz 1 der hier streitigen Vorschrift von "Zugangsvoraussetzungen" (=Plural) dafür streitet, dass der Erwerb der Zugangsvoraussetzung zur Hochschule überhaupt, hier also des Abiturs auf dem zweiten Bildungsweg, zwingend mit in den Blick zu nehmen ist und nicht nur - verkürzt - auf den unmittelbar von Beginn des Ausbildungsabschnittes, für den Förderung begehrt wird, abgestellt werden darf.
Letztendlich weist die Kammer darauf hin, dass der von der Antragsgegnerin mit der Antragserwiderung vorgelegte Erlass des Bundesministeriums für Bildung und Forschung vom 26.11.2002 für das vom Gericht gefundene Ergebnis streitet. Denn sowohl Ziffer 1 wie auch Ziffer 2 des Erlasses sprechen ausdrücklich nur von Ausbildungsabschnitten.
Das Gericht hat die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur vorläufigen Leistung auf den regelmäßigen Bewilligungszeitraum von 2 Semestern (§ 50 Abs. 3 BAföG) begrenzt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO.