Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 27.09.1990, Az.: 12 A 188/88

Einbürgerung; Staatsangehörigkeit; Einbürgerungsanspruch; Zweifache Staatsangehörigkeit; Iran

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
27.09.1990
Aktenzeichen
12 A 188/88
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1990, 13064
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1990:0927.12A188.88.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover - 24.06.1988 - 10 A 97/84
nachfolgend
BVerwG - 19.02.1991 - AZ: BVerwG 1 B 17/91

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - 10. Kammer - vom 24. Juni 1988 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

1

Die Klägerin begehrt die deutsche Staatsangehörigkeit im Wege der Einbürgerung.

2

Sie wurde am 10. März 19... in ... als Tochter einer Deutschen und eines Iraners geboren. Ihre Eltern heirateten am 19. Mai 1945 ebendort; die Eheschließung wurde später um vier Jahre auf den 19. Mai 1941 zurückdatiert (Gesetz vom 23. 6. 50 - BGBl S. 226). Zuvor (16. 10. 42) hatte ihr Vater seine Vaterschaft anerkannt. Ob die Klägerin - als uneheliches Kind - zunächst die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hatte (§ 4 RuStAG), ist nicht geklärt; jedenfalls hätte sie diese durch die "Legitimation" verloren (§ 17 Nr. 5 RuStAG a.F.). Im Falle einer ehelichen Geburt hätte sie von vornherein (nur) die iranische Staatsangehörigkeit erworben (§ 4 RuStAG a.F.).

3

Die Klägerin hat 1961 in Hannover die Reifeprüfung bestanden; aus ihrem Abiturzeugnis ergibt sich, daß sie am Religionsunterricht nicht teilgenommen hat und vom Sportunterricht befreit war. Sie studierte an der Technischen Universität Hannover Mathematik, wo sie 1971 das Diplom erhielt. Als Ausländerin ist sie im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis. Sie ist in der Immobilienfirma ihrer Mutter tätig. Ihr Vater ist 1981 gestorben. Die Klägerin ist ledig.

4

1972 beantragte sie ihre Einbürgerung. Nachdem der Niedersächsische Minister des Innern dem zugestimmt hatte, verlangte die Beklagte von der Klägerin die Entlassung aus der iranischen Staatsangehörigkeit, wozu er ihr eine (bis zum 1. 2. 76) befristete Einbürgerungszusicherung erteilte. In der Folgezeit bekundete die Klägerin zwar ihr Interesse an einer Einbürgerung (Schreiben vom 7. 11. 79), blieb den Nachweis, daß sie eine Entlassung aus der iranischen Staatsbürgerschaft beantragt habe, indessen schuldig. Nach dem Tode ihres Vaters (1981) bat sie, das Verfahren ruhen zu lassen, da sie zunächst die Erbschaftsverhältnisse, auch im Iran, klären wolle (Schreiben vom 18. 6. 82 und 29. 1. 83). Mit Schreiben vom 9. Februar 1983 kündigte die Beklagte unter Hinweis auf die lange Verfahrensdauer, "veraltete" Antragsunterlagen und den fehlenden Nachweis über ein Entlassungsverfahren die Ablehnung des von der Klägerin gestellten Antrages an (ähnlich am 22. 7. 83). Die Klägerin beauftragte daraufhin einen Rechtsanwalt mit ihrer Interessenwahrnehmung, der sie seitdem vertritt; er teilte der Beklagten lediglich mit, daß die Erbschaftsangelegenheit immer noch nicht abgeschlossen sei (Schreiben vom 1. 11. 83).

5

Mit Bescheid vom 4. November 1983 lehnte die Beklagte dann den Antrag der Klägerin auf Einbürgerung mit der Begründung ab, sie sei daran offenbar nicht mehr ernsthaft interessiert. Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch. Sie wies darauf hin, daß sie, bevor sie einen Entlassungsantrag stellen wolle, eine neue Einbürgerungszusicherung benötige (Schreiben vom 16. 1. 84). Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 25. April 1984 als unbegründet zurück; die Klägerin habe es insbesondere unterlassen, "durch eigenes und ausdauerndes Bemühen" ihre Entlassung aus der iranischen Staatsbürgerschaft zu betreiben.

6

Nachdem die Klägerin am 23. Mai 1984 Klage erhoben hatte, erneuerte sie im Oktober 1984 ihren Einbürgerungsantrag. Die Beklagte verlangte daraufhin u.a. eine beglaubigte Fotokopie ihres Passes. Da dieser aber bereits 1982 abgelaufen war, mußte die Klägerin die Ausstellung eines neuen beantragen, was dann 1985 geschah. Nach Zustimmung zur Einbürgerung durch den Niedersächsischen Minister des Innern erteilte die Beklagte der Klägerin im März 1986 erneut eine Einbürgerungszusicherung (befristet bis zum 31. 3. 88), damit diese ihre Entlassung aus der iranischen Staatsangehörigkeit beantrage. Einen derartigen Antrag hat die Klägerin (anwaltlich) beim Iranischen Generalkonsulat in Hamburg im Juni 1988 (formlos) eingereicht. Der dortigen Aufforderung, dazu im Konsulat persönlich vorzusprechen, ist sie (bis heute) nicht gefolgt. Im August 1989 hat sie einen förmlichen Ausbürgerungsantrag gestellt. Ein Erscheinen im Generalkonsulat lehnt sie indessen nach wie vor ab.

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Ihre (bereits am 23. 5. 84 erhobene) Klage, mit der die Klägerin hilfsweise eine Einbürgerungszusicherung erstrebt, hatte sie damit begründet, daß sie nicht untätig geblieben sei. Ohne Zusicherung ihrer Einbürgerung könne sie das Entlassungsverfahren nicht (mehr) betreiben, da sie im Falle ihrer Ausbürgerung Gefahr laufe, staatenlos zu sein. Mit einer solchen würde sie das Einbürgerungsverfahren dagegen "mit aller Konsequenz betreiben". Deutschland sei ihre "echte Heimat". Sie habe nie in Persien gelebt, sei der persischen Sprache nicht mächtig. Ihre Mutter sei Deutsche.

8

Nachdem das Klageverfahren im Hinblick auf den erneuten Einbürgerungsantrag der Klägerin fast vier Jahre nicht gefördert worden war, hat das Verwaltungsgericht die Klage dann schließlich mit Urteil vom 24. Juni 1988 abgewiesen. Die Klägerin habe weder Anspruch auf Einbürgerung, noch auf eine entsprechende Zusicherung. Ihrem Begehren stehe der Grundsatz der Vermeidung von "Mehrstaatigkeit" entgegen (Ziff. 5.3.1 der Einbürgerungsrichtlinien). Eine Ausnahme sei nicht gerechtfertigt, da die Klägerin sich "trotz mehrjähriger Dauer ihres Einbürgerungsverfahrens nicht um eine Entlassung aus der iranischen Staatsangehörigkeit bemüht hatte". Das Begehren bezüglich einer Einbürgerungszusicherung sei zwar ohne Vorverfahren (§§ 68 ff VwGO) zulässig, weil es in der auf Einbürgerung gerichteten Klage enthalten sei (BVerwG, NJW 1987, S. 2180). Die Zusicherung stehe aber (wie auch die Einbürgerung selbst) im Ermessen der Beklagten. Angesichts des Verhaltens der Klägerin in bezug auf ihre Entlassung aus der iranischen Staatsangehörigkeit und auch noch kurz vor Ablauf der Frist in der Zusicherung vom März 1986 (keine Reaktion auf das Schreiben der Beklagten vom 18. 3. 88 betr. Nachweis von Entlassungsbemühungen) sei es auch nicht ermessensfehlerhaft, wenn die Beklagte diese Zusicherung nicht "von sich aus" verlängert habe.

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Gegen dieses, ihr am 10. August 1988 zugestellte Urteil richtet sich die am 6. September eingelegte Berufung der Klägerin. Zur Begründung führt sie aus, daß sie einen Anspruch auf "Wiedereinbürgerung" habe, weil sie "ja in Wahrheit deutsche Staatsangehörige" sei. Sie sei als Deutsche geboren worden. Auf den Erwerb der iranischen Staatsangehörigkeit habe sie keinen Einfluß gehabt. Ihre Mutter sei "unstreitig ... nach wie vor deutsche Staatsangehörige". Sie selbst sei "zeit ihres Lebens nie im Iran gewesen", zu dem sie "nicht die geringste Beziehung" habe. Ihre "Mehrstaatigkeit" müsse hingenommen werden. Ihre Ausbürgerungsbemühungen kämen nicht voran. Der Aufforderung des Iranischen Generalkonsulates, dort persönlich zu erscheinen, könne sie nicht folgen, weil sie davor Angst habe.

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Die Klägerin beantragt,

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unter Aufhebung des angefochtenen Urteils den Bescheid der Beklagten vom 4. November 1983 und den Widerspruchsbescheid vom 25. April 1984 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Klägerin einzubürgern,

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insoweit hilfsweise,

13

über den Einbürgerungsantrag der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden,

14

hilfsweise,

15

der Klägerin eine Einbürgerungszusicherung zu erteilen,

16

insoweit hilfsweise,

17

über den Antrag auf Erteilung einer Einbürgerungszusicherung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

18

Die Beklagte beantragt,

19

die Berufung zurückzuweisen.

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Der Lebenslauf der Klägerin sei kein so wichtiger Gesichtspunkt, daß er "die Berücksichtigung anderer öffentlicher Belange schlechthin zu verdrängen vermag". Es sei nicht ermessensfehlerhaft, wenn dem Grundsatz der Vermeidung von Mehrstaatigkeit ein höheres Gewicht beigemessen worden sei. Angesichts der fehlenden Mitwirkung der Klägerin bei ihrer Entlassung aus der iranischen Staatsbürgerschaft - persönliches Erscheinen im Iranischen Generalkonsulat in Hamburg - sei eine Ausnahme davon nicht gerechtfertigt. Ein Erscheinen im Konsulat sei der Klägerin durchaus zumutbar, ihre Ängste seien "durch nichts begründet", da sie nie im Iran gelebt habe "oder sonst irgendwie gegen den Iran tätig geworden" sei. Es sei ihr im Gegenteil vor Antragstellung angedeutet worden, daß man einem Antrag auf Entlassung wohlwollend gegenüberstehe. Im übrigen könne sie sich bei ihrem Besuch im Generalkonsulat von ihrem Prozeßbevollmächtigten begleiten lassen.

21

Wegen des Vorbringens der Parteien im übrigen wird auf ihre Schriftsätze, zur weiteren Sachdarstellung auf die Vorgänge der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Klägerin steht weder ein Anspruch auf Einbürgerung noch auf eine diesbezügliche Zusicherung zu. Die ablehnenden Bescheide der Beklagten sind auch nicht ermessensfehlerhaft.

23

Die Klägerin hat unstreitig (nur) die iranische Staatsangehörigkeit. Sie ist also Ausländerin, die die deutsche Staatsangehörigkeit nur im Wege der Einbürgerung nach § 8 RuStAG erwerben kann. Wenn sie auch die dort genannten Voraussetzungen erfüllen mag, so bleibt die Einbürgerung selbst doch eine Frage des Ermessens der Beklagten. Dem steht nicht entgegen, daß die Klägerin möglicherweise kurzfristig (10. 3. bis 16. 10. 42) die deutsche Staatsangehörigkeit besessen hat; denn sie hätte diese zwar nicht durch eigene Willensentscheidung, aber doch durch die ihrer Eltern verloren. Es ist nicht ersichtlich, wie sich allein daraus ein späterer (Wieder-)Einbürgerungsanspruch herleiten ließe. Etwas anderes könnte sich schon aus der Tatsache ergeben, daß die Klägerin (nach eigenen Angaben) von Geburt an nur in Deutschland gelebt hat. Offenbar will die Beklagte ihrem Begehren aber auch entsprechen (vgl. die Einbürgerungszusicherungen vom 17. 1. 74 und 18. 3. 86). Wenn sie das im Hinblick auf eine dann zu erwartende zweifache Staatsangehörigkeit der Klägerin bisher nicht getan hat, so kann das nicht beanstandet werden. Die Frage der Vermeidung solcher staatsbürgerschaftlichen Verhältnisse ist ein Gesichtspunkt, der im Rahmen des Ermessens nach § 8 RuStAG berücksichtigt werden darf, weil sie zu Komplikationen führen, die nicht von Staats wegen herbeigeführt werden müssen; "Mehrstaatigkeit" wird allgemein als "Übel" angesehen (BVerwGE 80, S. 249/254; vgl. auch § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RuStAG).

24

Der Klägerin ist es auch durchaus zumutbar, ihre vorherige Entlassung aus der iranischen Staatsbürgerschaft zu betreiben (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 27. 9. 1988, 1 C 3/85, DVBl 1989 S. 251 = NJW 89 S. 1438; Urt. d. Sen. v. 23. 2. 1989, 12 A 1/86). Offenbar tut sie das auch, wenngleich offensichtlich ohne den erforderlichen Nachdruck: Zunächst hat sie, obwohl ihr die betreffende Forderung der Beklagten bereits seit Anfang 1974 bekannt war, den Antrag auf Entlassung aus der iranischen Staatsangehörigkeit erst nach 14 (!) Jahren (1988) gestellt. Dann hat sie es abgelehnt, dazu beim Iranischen Generalkonsulat persönlich vorzusprechen. Für diese Weigerung gibt es keinen plausiblen Grund. Die angebliche Angst der Klägerin, sich zum Generalkonsulat zu begeben, ist durch nichts gerechtfertigt, scheint vielmehr nur vorgeschoben. Offenbar legt die Klägerin weiterhin Wert auch auf die iranische Staatsangehörigkeit. Anders läßt sich ihr Verhalten jedenfalls nicht erklären. Das Bestehen auf einem persönlichen Erscheinen im Generalkonsulat ist im übrigen nichts Ungewöhnliches, in Angelegenheiten, die den Personenstand betreffen, vielmehr durchaus üblich. Da ferner davon auszugehen ist, daß dem Antrag der Klägerin im Falle eines persönlichen Erscheinens entsprochen werden würde, ist die Versagung der deutschen Staatsangehörigkeit nicht rechtswidrig. Die auf eine Einbürgerung gerichtete Klage kann daher weder mit ihrem Haupt- noch mit ihrem Hilfsantrag Erfolg haben. Eine fehlerhafte Ermessensbetätigung liegt nicht vor.

25

Gleiches gilt aber auch bezüglich der Hergabe einer auf eine Einbürgerung gerichteten Zusicherung. Hier stellt sich bereits die Frage nach dem Rechtsschutzinteresse der Klägerin. Denn einmal hat sie bereits zwei Zusicherungen in den Händen. Zum anderen ist nicht ersichtlich, daß ihr eine dritte Zusicherung etwas helfen könnte. Sofern die Klägerin für ihre Ausbürgerung eine "aktuelle", noch gültige Zusicherung benötigen sollte, muß nämlich angenommen werden, daß sie die darin enthaltene Frist wiederum nutzlos verstreichen lassen würde. Nach ihrem Vortrag und insbesondere auch angesichts ihres bisherigen Verhaltens muß davon ausgegangen werden, daß die Klägerin sich weiterhin weigern wird, persönlich im Iranischen Generalkonsulat in Hamburg zu erscheinen. Da sie unter diesen Umständen ihre Entlassung nicht wird erreichen können, wäre eine Einbürgerungszusicherung, die ja gerade und nur für den Fall der Entlassung gegeben werden soll, überflüssig. Die Beklagte kann deshalb dazu weder verpflichtet, noch kann ihre ablehnende Haltung als ermessensfehlerhaft angesehen werden.

26

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gemäß § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO ist das Urteil hinsichtlich der Kosten der Berufung für vorläufig vollstreckbar zu erklären.

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Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe dafür (§ 132 Abs. 2 VwGO) nicht vorliegen.

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Coordts

29

Dr. Gehrmann

30

Dr. Uffhausen