Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 05.09.1990, Az.: 17 OVG B 24/88

Feststellung eines Mitbestimmungsrechts an einer Kasernenordnung; Anforderungen an die Unterstellung im besonderen Aufgabenbereich ; Umfang der Mitbestimmung im Wehrbereich

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
05.09.1990
Aktenzeichen
17 OVG B 24/88
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1990, 12957
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1990:0905.17OVG.B24.88.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover - 07.10.1988 - AZ: PB VG 422/88
VG Hannover - 07.10.1988 - AZ: PB 422/88
nachfolgend
BVerwG - 07.07.1993 - AZ: BVerwG 6 P 4.91

Verfahrensgegenstand

Mitbestimmung beim Erlaß der Kasernenordnung gemäß § 75 Abs. 3 Nr. 15 BPersVG

In der Personalvertretungssache
hat der 17. Senat - Fachsenat für Personalvertretungssachen des Bundes - des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein
auf die mündliche Anhörung vom 5. September 1990
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Dembowski sowie
die ehrenamtlichen Richter Postamtsrat Kibies, Verwaltungsdirektor Klitzsch, Postdirektor Königschulte und Angestellter Reimann
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Hannover - Fachkammer für Bundespersonalvertretungssachen in Hildesheim - vom 7. Oktober 1988 wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

1

I.

Der Antragsteller erstrebt die Feststellung seines Mitbestimmungsrechts an einer Kasernenordnung.

2

Auf dem Fliegerhorst ... galt bis zum Herbst 1987 die mit Zustimmung des Antragstellers erlassene Kasernenordnung vom 1. Februar 1984. Am 20. November 1987 erließ der Kasernenkommandant ohne Beteiligung des Antragstellers eine neue Kasernenordnung, die alle Maßnahmen zur Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung auf dem Fliegerhorst zusammenfaßt. In dem Kasernenbereich sind das Lufttransportgeschwader ... Teile des Luftwaffenversorgungsregiments ... Teile der Technischen Schule der Luftwaffe ... sowie die Standortverwaltung ... untergebracht. Kasernenkommandant ist Oberstleutnant K. als dienstältester Vorgesetzter der im Kasernenbereich untergebrachten Truppenteile. Er untersteht in dem besonderen Aufgabenbereich dem Beteiligten als Standortältesten und im truppendienstlichen Bereich ebenfalls dem Beteiligten, weil er Kommandeur eines dem Beteiligten unterstellten Verbandes ist.

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Der Antragsteller hat am 11. Juli 1988 die Fachkammer angerufen und vorgetragen:

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Den Erlaß der Kasernenordnung müsse sich der Beteiligte als Handeln eines Untergebenen und Weisungspflichtigen zurechnen lassen. Die sachliche Aufgabe des Kasernenkommandanten sei in der ZDv 10/5 festgelegt, die im wesentlichen die Verantwortlichkeit für die Ordnung im Kasernenbereich und für infrastrukturelle Maßnahmen regele. Dementsprechende Maßnahmen des Kasernenkommandanten seien beteiligungspflichtig. Wenn der Beteiligte die Kompetenz für einen bestimmten Bereich auf den Kasernenkommandanten als Untergebenen delegiere, ändere dies nichts an seiner personal vertretungsrechtlichen Verantwortlichkeit. Der Kasernenkommandant selbst sei nicht Dienststellenleiter, vielmehr ausführendes Organ des Dienststellenleiters für einen bestimmten Bereich, den er eigenverantwortlich zu bearbeiten habe. Die im Antrag bestimmten Regelungen, die im wesentlichen das Verhalten bei der Flaggenparade, das Verhalten im Verkehr auf dem Kasernengelände und bei Übungen beinhalteten, seien Maßnahmen, die nicht unmittelbar Ausfluß der Arbeitspflicht seien, vielmehr Verhaltenspflichten der Zivilbeschäftigten konkretisierten, die diese anläßlich der Erbringung der Arbeitsleistung oder im Umfeld der Arbeitsleistung zu erfüllen hätten.

5

Der Antragsteller hat beantragt

festzustellen, daß die vom Kasernenkommandanten unter dem 20. November 1987 erlassene Kasernenordnung in den Regelungen F II, G I, II, III 1-3 sowie 5-6, IV, V und X seinem Mitbestimmungsrecht unterliegt.

6

Der Beteiligte hat beantragt,

den Antrag abzulehnen

7

und entgegnet: Der Antragsteller verkenne, daß die truppendienstliche Unterstellung und die Unterstellung im besonderen Aufgabenbereich verschiedenen Ebenen zuzuordnen seien. Sachentscheidungen des Kasernenkommandanten könnten nicht dem truppendienstlichen Vorgesetzten zugerechnet werden. Ein Organhandeln des Kasernenkommandanten mit der Rechtsfolge, daß seine Entscheidungen im besonderen Aufgabenbereich dem Beteiligten zuzurechnen wären, sei deshalb rechtlich nicht möglich. Daß im vorliegenden Fall der beteiligte zugleich Standortältester und damit auch Vorgesetzter des Kasernenkommandanten im besonderen Aufgabenbereich sei, sei rein zufällig und damit für die Beurteilung der Funktion des Kasernenkommandanten ohne Bedeutung. Da somit ein Einvernehmen zwischen dem Kasernenkommandanten und dem Beteiligten nicht hergestellt werden könne, sei hier auch für eine Beteiligung des Antragstellers kein Raum.

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Mit Beschluß vom 7. Oktober 1988 hat das Verwaltungsgericht den Antrag des Antragstellers abgelehnt, im wesentlichen aus folgenden Gründen:

9

Zwar sei der Kasernenkommandant als Leiter einer militärischen Dienststelle anzusehen, weil er mit einem bestimmten Aufgabenbereich und organisatorischer Selbständigkeit ausgestattet sowie Vorgesetzter mit besonderem Aufgabenbereich gemäß § 3 der Vorgesetztenverordnung sei. Da dem Kasernenkommandanten keine Personal Vertretung zugeordnet sei, sei nach § 92 Nr. 1 BPersVG hier der Antragsteller von dem Beteiligten als Dienststellenleiter zu beteiligen. Bei dem Erlaß der Kasernenordnung handele es sich aber nicht um eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme. Sie sei nur scheinbar eine Regelung der Ordnung in der Dienststelle und des Verhaltens der Beschäftigten im Sinne von § 75 Abs. 3 Nr. 15 BPersVG. Denn Maßnahmen, die sich auf die Dienstleistung der Beschäftigten selbst bezögen, sowie diensttechnische Anordnungen, die den Ablauf des Dienstes gestalten, die unbeeinträchtigte Erfüllung der Dienstleistungspflicht, den störungsfreien Ablauf des Dienstbetriebes oder die wirksame Bewältigung der der Dienststelle obliegenden Aufgaben sicherstellen sollten, unterlägen nicht der Mitbestimmung. Das sei bei der Kasernenordnung der Fall. Sie solle die Sicherheit und Ordnung auf den Fliegerhorst Wunstorf gewährleisten und betreffe damit unmittelbar die Dienstleistung der Soldaten, Beamten, Angestellten und Arbeiter im Sinne der Gewährleistung von Sicherheit, Ordnung und Disziplin auf einem militärischen Gelände; das gelte auch für die Teile, für die der Antragsteller ein Mitbestimmungsrecht beanspruche, inbesondere die Grußordnung, das Verhalten bei der Flaggenparade, die Einzelheiten der Verkehrsordnung und die Bestimmungen über die Abfallbeseitigung.

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Gegen den ihm am 17. Oktober 1988 zugestellten Beschluß richtet sich die am 14. November 1988 eingelegte und gleichzeitig begründete Beschwerde des Antragstellers, mit der er sein erstinstanzliches Vorbringen vertieft, die Kasernenordnung unterliege in den im Antrag bezeichneten Bereichen seinem Mitbestimmungsrecht aus § 75 Abs. 3 Nr. 15 BPersVG.

11

Der Antragsteller beantragt,

den angefochtenen Beschluß zu ändern und nach seinem erstinstanzlichen Antrag zu entscheiden.

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Der Beteiligte beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

13

Er verteidigt den angefochtenen Beschluß.

14

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vom Beteiligten vorgelegten Kasernenordnung Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

15

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Der Antrag muß jedoch schon deshalb erfolglos bleiben, weil der Kasernenkommandant, der die streitige Kasernenordnung erlassen hat, nicht Leiter einer militärischen Dienststelle mit einer ihm zugeordneten Personalvertretung ist und auch § 92 Nr. 1 BPersVG hier kein Beteiligungsrecht des Antragstellers begründen kann.

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1.

Die Frage, bei welchen organisatorischen Teilen der Bundeswehr Personal Vertretungen gebildet werden, beantwortet sich vorrangig nach dem Soldatengesetz (SG), weil das BPersVG nach seinem § 1 insoweit unmittelbar nicht gilt. Rechtliche Grundlage für die Bildung von Personalvertretungen im Bereich der Streitkräfte ist vielmehr § 70 SG i.V.m. § 35 a Abs. 1 SG. Danach sind im Bereich der Bundeswehr personalratsfähig "militärische Dienststellen und Einrichtungen". Eine militärische Dienststelle ist eine organisatorisch selbständige Zusammenfassung von Personal und Material, die im militärischen Bereich hoheitliche Aufgaben wahrnimmt und deren personelle und materielle Zusammensetzung in einer besonderen Stärke- und Ausrüstungsnachweisung (STAN) festgelegt ist. Die Einrichtung ist eine Zusammenfassung von Personal und Material für Zwecke der Ausbildung, Betreuung und Versorgung der Truppe, z.B. Schule, Lazarett (Abschn. A.1 und 2 der ZDv 1/50; Heiland, PersV 1977, 321, 325 f.). Diese Voraussetzungen erfüllt der Kasernenkommandant nicht; er ist, wovon auch der Antragsteller ausgeht, nicht Leiter einer Dienststelle (OVG NW, Beschl. v. 17.2.1983 - CB 1481 -; ebenso Lorenzen/Haas/Schmitt, § 92 BPersVG RN 13). An der abweichenden Beurteilung im Beschluß des OVG Lüneburg vom 25. Februar 1977 (P OVG B 13/76; ebenso VG München, Beschl. v. 23.11.1981 - M 36 XIV a 78 -; VG Hannover, Beschl. v. 9.7.1987 - PB VG 9/86 -) kann nicht festgehalten werden. Bei dem Kasernenkommandanten handelt es sich vielmehr nur um eine besondere Funktion, die regelmäßig dem Dienstältesten unter den Vorgesetzten der im Kasernenbereich untergebrachten Truppenteile oder Dienststellen übertragen wird und die Verantwortlichkeit für die Sicherheit, Ordnung und Disziplin in den gemeinsam genutzten Anlagen und Einrichtungen des Kasernenbereichs umfaßt (Nr. 202, 204 der ZDv 10/5). Im Rannen dieses besonderen Aufgabenbereichs erläßt der Kasernenkommandant Kasernenbefehle, die Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung für den genannten Kasernenbereich regeln, insbesondere die besondere Wachanweisung, die Brandschutzordnung, die Selbstschutzordnung sowie die hier interessierende Kasernenordnung (Nr. 205 der ZDv 10/5). Daß er dabei Vorgesetzter mit besonderem Aufgabenbereich gemäß § 3 der Vorgesetztenverordnung - VorgV - ist, macht ihn nicht zu einer militärischen Dienststelle. Denn gemäß § 1 Abs. 4 SG ist die Vorgesetzteneigenschaft gleichbedeutend mit der Befehlsbefugnis, die hier auf der Zuweisung des besonderen Aufgabenbereichs beruht. Vorgesetzter mit besonderem Aufgabenbereich i.S. des § 3 VorgV ist z.B. ebenso der Kommandant eines Flugzeugs oder Panzers, eine Wache, eine Streife, der Kompaniefeldwebel, der UvD, der Truppenarzt, der Fahrlehrer (vgl. Scherer/Alff, SG § 1 RN 61 m. Nachw.); daß es sich bei ihnen nicht um militärische Dienststellen handelt, liegt auf der Hand. Das gleiche gilt hinsichtlich des Kasernenkommandanten. Damit ist aber die Regelung des § 92 Nr. 1 BPersVG hier nicht anwendbar. Denn sie setzt voraus, daß personelle oder soziale Maßnahmen von einer Dienststelle, bei der keine für eine Beteiligung daran zuständige Personalvertretung vorgesehen ist, getroffen wurden. Im übrigen müßte § 92 Nr. 1 BPersVG hier auch zur Beteiligung einer Vielzahl von Personalvertretungen (in dem vom VG München entschiedenen Fall z.B. 19) führen, weil im Kasernenbereich mehrere Dienststellen und Einrichtungen untergebracht sind; entsprechend wäre zuvor ein Einvernehmen zwischen dem Kasernenkommandanten und allen von der Kasernenordnung betroffenen Leitern herzustellen, was mit der besonderen Verantwortlichkeit und Befehlsbefugnis des Kasernenkommandanten unvereinbar wäre.

17

2.

Der Erlaß der Kasernenordnung kann hier auch nicht deshalb dem Beteiligten als eigene Maßnahme zugerechnet werden, weil ihm der Kasernenkommandant unterstellt ist.

18

Die truppendienstliche Unterstellung ist hier unerheblich, weil Oberstleutnant K. die Kasernenordnung nicht als Kommandeur der - dem Beteiligten unterstellten - Fliegerhorstgruppe erlassen hat, sondern allein aufgrund des ihm als dienstältesten Vorgesetzten zugewiesenen besonderen Aufgabenbereichs.

19

Ebensowenig ist die Kasernenordnung aber dem Beteiligten deshalb als eigene Maßnahme zuzurechnen, weil nach Nr. 202 der ZDv 10/5 ihm als Standortältesten im besonderen Aufgabenbereich der territorialen Angelegenheiten der Kasernenkommandant untersteht. Denn zum einen beruht diese Unterstellung im besonderen Aufgabenbereich auf den personellen Besonderheiten dieses konkreten Standorts; sie ist nicht zwangsläufig, da Standortältester nicht stets der Leiter einer militärischen Dienststelle und erst recht nicht immer der Beteiligte sein muß. Zum anderen käme eine Zurechnung der Kasernenordnung als Maßnahme des Beteiligten nur dann in Betracht, wenn der Kasernenkommandant bei ihrem Erlaß auf Befehl oder Weisung des Beteiligten gehandelt hätte. Das ist jedoch nicht der Fall. Oberstleutnant K. hat die Kasernenordnung nicht aufgrund einer konkreten Weisung des Beteiligten erlassen, sondern aufgrund seiner allgemeinen Bestimmung zum Kasernenkommandanten und der damit verbundenen generellen Zuweisung des besonderen Aufgabenbereichs.

20

Die Beschwerde war danach zurückzuweisen.

21

Die Rechtsbeschwerde war gemäß §§ 92 Abs. 1 Satz 2, 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.

Dr. Dembowski,
Kibies,
Klitzsch,
Reimann,
Königschulte