Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 05.09.1990, Az.: 17 OVG B 15/88
Feststellung des Bestehens eines Mitbestimmungsrechts; Mitbestimmung bei Regelungen über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit ; Abgeltung von Überstunden
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 05.09.1990
- Aktenzeichen
- 17 OVG B 15/88
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1990, 19238
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1990:0905.17OVG.B15.88.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Schleswig-Holstein - 23.06.1988 - AZ: PB 17/87
Rechtsgrundlage
- § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG
Verfahrensgegenstand
Mitbestimmung des Personalrats
In der Personalvertretungssache
hat der 17. Senat - Fachsenat für Personalvertretungssachen des Bundes - des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein
am 5. September 1990
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Dembowski sowie
die ehrenamtlichen Richter Postamtsrat Kibies,
Verwaltungsdirektor Klitzsch,
Postdirektor Königschulte und
Angestellter Reimann
ohne mündliche Anhörung beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - Fachkammer für Personalvertretungssachen (Bund) - vom 23. Juni 1988 wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Antragsteller erstrebt die Feststellung seines Mitbestimmungsrechts gemäß § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG.
Durch Schreiben vom 9. September 1987 an den Antragsteller bat der Beteiligte, das anliegende Schreiben der Truppenverwaltung des ... Versorgungsgeschwaders vom 31. August 1987 zur Kenntnis zu nehmen, und teilte mit, daß ab 1. September 1987 entsprechend dem Bezugsschreiben verfahren werde. In dem Schreiben vom 31. August 1987 wurde ausgeführt, bei einer Überprüfung von Lohndatenbelegen sei festgestellt worden, daß die Berechnung und Abgeltung von überstunden nicht den tarifvertraglichen Regelungen entspreche, und aus diesem Anlaß nochmals in 8 Punkten auf die tariflichen Bestimmungen hingewiesen.
Der Antragsteller hat daraufhin das Beschlußverfahren eingeleitet und geltend gemacht: Das Schreiben verletze § 75 Abs. 3 Ziffer 1 BPersVG, da der Beteiligte damit Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit geregelt habe. Auch die Dienstzeitvereinbarung vom 15. Januar 1982 sei verletzt worden, da der Beteiligte bestimmt habe, daß jeder Arbeitstag um 0.00 Uhr beginne und um 24.00 Uhr ende. In dieser Zeit habe der Arbeitnehmer seine vertragliche Arbeitsleistung zu erfüllen. Ein Verstoß folge auch aus Ziffer 2: "Der Wachdienst kann anstelle des normalen Dienstes geleistet werden". Die beanstandete Verfügung ändere die tägliche Arbeitszeit der Betriebsangehörigen, die an dem betreffenden Tage Wache hätten, zumindest insofern, als ihre Arbeitszeit entgegen der Arbeitszeitregelung - von Montag bis Freitag im Hafen vom 7.30 Uhr bis 16.00 Uhr - auf 0.00 Uhr bis 3.00 Uhr und 7.30 Uhr bis 13.00 Uhr bzw. 3.00 Uhr bis 6.00 Uhr und 7.30 Uhr bis 13.00 Uhr bestimmt werde.
Durch die angeordnete Anrechnung des Wachdienstes auf die tägliche Arbeitszeit sei für diese Tage der Arbeitsbeginn neu auf 0.00 Uhr bzw. 3.00 Uhr festgesetzt und das tägliche Arbeitsende entsprechend von 16.00 Uhr auf 13.00 Uhr geändert worden.
Der Antragsteller hat beantragt festzustellen, daß die mit Schreiben vom 9. September 1987 getroffene Anordnung seiner Mitbestimmung im Sinne von § 75 Abs. 3 Ziffer 1 BPersVG unterliegt und gegen die Dienstzeitvereinbarung vom 15. Januar 1982 verstößt.
Der Beteiligte hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen,
und geltend gemacht:
Er habe keine neue Arbeitszeiteinteilung vorgenommen, sondern lediglich die Rechtslage hinsichtlich der Bewertung des zeitlichen Umfangs der vertraglichen Arbeitsverpflichtung und insbesondere die Berechnung und Abgeltung der überstunden dargestellt. Ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich des zeitlichen Umfangs der dem einzelnen Beschäftigten obliegenden Arbeitsverpflichtung stehe der Personalvertretung nicht zu. Gegenstand der Mitbestimmung nach § 75 Abs. 3 Ziffer 1 BPersVG seien nur generelle Regelungen der Lage der täglichen Arbeitszeit, wie sie in der Dienstvereinbarung vom 15. Januar 1982 getroffen worden seien, nicht aber individuelle Maßnahmen wie z.B. die Heranziehung einzelner Beschäftigter zu Wachleistungen. Gemäß Nr. 7 Abs. 1 a) der Sonderregelungen für Besatzungen von See- und Binnenfahrzeugen und von schwimmenden Geräten im Bereich des Bundesministers der Verteidigung nach § 2 Buchst. b MTB II (SR 2 b MTB II) betrage die regelmäßige Arbeitszeit der Arbeiter auf dem Zweiwachenschiff ... im Hafen 8 Stunden arbeitstäglich oder 40 Stunden wöchentlich. Die Ableistung von Wachdienst gehöre gemäß Nr. 5 Abs. 3 SR 2 b MTB II zu den allgemeinen Pflichten der Besatzungsmitglieder. Der Wachdienst sei nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 16. Mai 1973 - 4 AZR 365/72 - als echte vertraglich geschuldete Arbeitsleistung anstelle oder neben der regelmäßigen Arbeit zu leisten. Jedes Besatzungsmitglied der ... habe pro Woche durchschnittlich ca. 15 Überstunden zu leisten (Grund: Wachdienste und See-Einsätze). Hiervon würden ca. 5 Stunden durch Arbeitsbefreiung während der regelmäßigen Arbeitszeit ausgeglichen, die restlichen Stunden würden entlohnt. Gemäß § 19 Abs. 4 MTB II seien Überstunden grundsätzlich durch entsprechende Arbeitsbefreiung abzugelten, und zwar möglichst bis zum Ende des nächsten Kalendermonats, spätestens bis zum Ende des 3. Kalendermonats nach Ableistung der Überstunden. Auf der ... geschehe dies, indem der Kapitän einem Besatzungsmitglied am Tage des Wachdienstes während der arbeitstäglichen regelmäßigen Arbeitszeit Arbeitsbefreiung gewähre. Die Dienstvereinbarung werde bei diesem Verfahren eingehalten, denn Arbeitsbefreiung könne nur für die Zeit gewährt werden, in der der Arbeiter ohne Arbeitsbefreiung verpflichtet wäre, seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen.
Mit Beschluß vom 23. Juni 1988 hat das Verwaltungsgericht den Antrag abgelehnt, im wesentlichen aus folgenden Gründen: Das Schreiben des Beteiligten vom 9. September 1987 in Verbindung mit dem Bezugsschreiben des I. Versorgungsgeschwaders vom 31. August 1987 enthalte keinerlei Regelungen hinsichtlich der Lage oder Verteilung der Arbeitszeit im Sinne von § 75 Abs. 3 Ziffer 1 BPersVG. Der Arbeitseinsatz der Schiffsangehörigen im Sinne des Schreibens vom 31. August 1987 erfolge vielmehr stets nur im Einzelfall, d.h. es ergingen im jeweiligen Einzelfall Anordnungen hinsichtlich des Ausgleichs geleisteter überstunden sowie hinsichtlich des Wachdienstes. Im Bezugsschreiben vom 31. August 1987 würden ausschließlich Rechtsansichten geäußert, die nicht einer Mitbestimmung unterliegen könnten. Insbesondere beziehe sich der Beteiligte hinsichtlich des Wachdienstes auf ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 16. Mai 1973 - 4 AZR 365/72 - sowie hinsichtlich des Ausgleichs von Überstunden durch Gewährung von Freizeit während der tariflichen regelmäßigen Arbeitszeit auf § 19 Abs. 4 MTB II. Dem Schreiben würden hinsichtlich der Berechnung des Freizeitausgleichs für Überstunden und der dienstplanmäßigen Arbeit auch lediglich zwei Beispiele angefügt. Sofern ein Bediensteter durch die neue Handhabung des Wachdienstes und des Ausgleichs der Überstunden seine Rechte aus dem Arbeitsvertrag als verletzt ansehe, bleibe es ihm unbenommen, seine Rechte vor dem Arbeitsgericht geltend zu machen. Das Schreiben des Beteiligten vom 9. September 19,87 habe auch keine zeitliche Verteilung von Überstunden zum Gegenstand. Es verhalte sich nur zu der Rechtsfrage, wie angefallene überstunden auszugleichen seien. Selbst wenn jedoch die zeitliche Lage der Überstunden geregelt wäre, käme es nicht zur Mitbestimmung nach § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG, weil nicht die Lage der Arbeitszeit, sondern der Arbeitsbefreiung geregelt wäre. Da das Schreiben des Beteiligten vom 9. September 1987 in Verbindung mit dem des Versorgungsgeschwaders vom 31. August 1987 nur eine rechtliche Bewertung des Wachdienstes vornehme, könne auch die Dienstzeitvereinbarung vom 15. Januar 1982 nicht verletzt worden sein.
Gegen den ihm am 28. Juli 1988 zugestellten Beschluß richtet sich die am 25. August 1988 eingelegte und am 23. September 1988 begründete Beschwerde des Antragstellers, mit der er sein erstinstanzliches Vorbringen unter Hinweis auf den Beschluß des BVerwG vom 12. März 1986 (PersV 1986, 417 m. Anm. Dannhäuser) vertieft.
Der Beteiligte beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er verteidigt den angefochtenen Beschluß.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
II.
Die zulässige Beschwerde, über die gemäß §§ 83 Abs. 4 Satz 2, 90 Abs. 2 ArbGG ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte, ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers zu Recht abgelehnt. Das Beschwerdevorbringen kann zu keiner anderen Beurteilung führen.
Wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, enthält das Schreiben des Beteiligten vom 9. September 1987 in Verbindung mit dem Schreiben des 1. Versorgungsgeschwaders vom 31. August 1987 keine Regelung über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und der Pausen sowie die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelne Wochentage i.S. von § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG. Das Schreiben vom 9. September 1987 beschränkt sich auf die bloße Mitteilung, daß ab 1. September 1987 auf dem Troßschiff ... gemäß dem Schreiben des 1. Versorgungsgeschwaders vom 31. August 1987 verfahren wird. Dieses Schreiben wiederum enthält aber keinerlei Regelung, sondern bloße rechtliche Hinweise zur Einhaltung tariflicher Bestimmungen, insbesondere zur tarifgerechten Bewertung von Wach- und überstunden, nachdem bei einer Überprüfung von Lohndatenbelegen festgestellt worden war, daß diese Bestimmungen vielfach fehlerhaft angewandt würden. Ob die Rechtsausführungen des Schreibens vom 31. August 1987 zum Tarifrecht zutreffen, ist dabei hier nicht zu beurteilen, sondern wäre ggf. von den Arbeitsgerichten zu entscheiden; das gilt insbesondere für die vom Antragsteller betonte Frage der Berechnung und Abgeltung von überstunden. Wesentlich ist hier allein, daß das Schreiben vom 31. August 1987 keinerlei Regelung hinsichtlich der Lage der Arbeitszeit trifft. Der Hinweis des Antragstellers auf Ziffer 1 des Schreibens geht deshalb fehlt, weil dort unter Bezugnahme auf die Ausfüllanweisung zum Lohndatenbeleg lediglich festgelegt wird, wann der Arbeitstag beginnt und endet. Dadurch werden indessen weder die dienstplanmäßige/regelmäßige Arbeitszeit im Sinne der tarifvertraglichen Regelungen noch Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit im Sinne von § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG berührt. Denn auf dem Troßschiff ... besteht keine generelle Regelung für eine bestimmte Gruppe von Beschäftigten; die Einteilung zum Wachdienst und der Ausgleich von geleisteten Überstunden durch Arbeitsbefreiung erfolgen vielmehr immer personenbezogen durch Anordnung in jedem Einzelfall.
Ebensowenig verstößt das Schreiben vom 31. August 1987 gegen die Dienstzeitvereinbarung zwischen dem Beteiligten und dem Antragsteller vom 15. Januar 1982. Daß die dort in § 1 festgelegte allgemeine Arbeitszeitregelung mit der Bestimmung von Beginn und Ende des Arbeitstages in Nr. 1 des Schreibens vom 31. August 1987 nichts zu tun hat, wurde bereits dargelegt. Die Dienstvereinbarung wird aber auch durch Nr. 8 des Schreibens vom 31. August 1987 nicht berührt, weil diese Nr. 8 nur gegriffene Rechenbeispiele eines richtigen bzw. falschen Freizeitausgleichs für Überstunden enthält. Diese Beispiele gehen von individuell angeordneten Wachdienstzeiten von 2 bis 4 Uhr (= 2 Arbeitsstunden) aus, während die Dienstzeitvereinbarung vom 15. Januar 1982 die Lage der normalen täglichen Arbeitszeit generell regelt.
Auch der Hinweis des Antragstellers auf den Beschluß des BVerwG vom 12. März 1986 (PersV 1986, 417) geht fehl. Insbesondere läßt sich aus diesem Beschluß nicht herleiten, daß der Antragsteller hier das Stufenverfahren hätte einleiten müssen. Denn eine solche Verpflichtung des Dienststellenleiters hat das BVerwG nur ausgesprochen, wenn dieser sich über beachtliche Weigerungsgründe des Personalrats hinwegsetzt und das Einigungsverfahren unberechtigt abbricht. Wird dagegen wie im vorliegenden Fall um das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts gestritten, so wäre ein Einigungsverfahren sinnlos, weil der Umfang der Mitbestimmung nicht zur Disposition der Beteiligten steht; diese Rechtsfrage ist vielmehr von den Gerichten im Beschlußverfahren zu klären.
Die Beschwerde war danach zurückzuweisen.
Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht gegeben sind.
Kibies
Klitzsch
Königschulte
Reimann