Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 05.09.1990, Az.: 17 L 5/89

Personalvertretungsrechtliche Verselbständigung eines Dienststellenteils; Überprüfung des Verselbständigungsbeschlusses im Rahmen eines Wahlanfechtungsverfahrens; Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis für Nichtigerklärung der Wahl zum Gesamtpersonalrat; Nichtigkeit der Wahlen zu den örtlichen Personalräten der Liegenschaften nur bei offensichtlich fehlenden Voraussetzungen für eine Verselbständigung; Erfordernis personalvertretungsrechtlich relevanter Befugnisse des Leiters der Teildienststelle; Unbeachtlichkeit der lediglich begrenzten Kompetenz zur Urlaubsbewilligung des Fachvorgesetzten; Wahrung des Prinzips der Kongruenz von Behördenorganisation und Aufbau der Personalvertretungen

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
05.09.1990
Aktenzeichen
17 L 5/89
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1990, 17230
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1990:0905.17L5.89.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Schleswig-Holstein - 26.01.1989 - AZ: PB 21/88
VG Schleswig - 26.01.1989 - AZ: PB 21/88
nachfolgend
BVerwG - 29.05.1991 - AZ: BVerwG 6 P 3.91

Verfahrensgegenstand

Feststellung bzw. Wahlanfechtung

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Die Nichtigkeit einer Personalratswahl wegen Verstoßes gegen § 6 Abs. 3 BPersVG (Bundespersonalvertretungsgesetz) kommt nur in Betracht, wenn die Voraussetzungen für eine Verselbständigung offensichtlich nicht vorlagen.

  2. 2.

    Eine Verselbständigung gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 BPersVG setzt einen personalvertretungsrechtlich relevanten Handlungs- und Entscheidungsspielraum des Leiters der entsprechenden Teileinheit voraus.

Der 17. Senat - Fachsenat für Personalvertretungssachen des Bundes -
des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein hat
auf die mündliche Anhörung vom 5. September 1990
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Dembowski sowie
die ehrenamtlichen Richter Postamtsrat Kibies,
Verwaltungsdirektor Klitzsch, Postdirektor Königschulte und
Angestellter Reimann
beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluß des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - Fachkammer für Personalvertretungssachen (Bund) - vom 26. Januar 1989 geändert.

Die Wahlen zu den örtlichen Personalvertretungen bei der WTD ... in den Liegenschaften ... und ... vom 9./10. Mai 1988 werden für ungültig erklärt.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

1

I.

Der Antragsteller hält die Verselbständigung von Teilen seiner Dienststelle für unwirksam.

2

Die wehrtechnische Dienststelle für Schiffe und Marinewaffen - WTD - ... in ... hat auswärtige Liegenschaften u.a. in ..., und ... (ferner in ... vgl. insoweit das Verfahren 17 L 23/89). In ihnen sind fachtechnische Gruppen, Teile von liegenschaftsübergreifenden Bereichen und Dezernaten mit spezifischen Aufgaben untergebracht. In allen Liegenschaften sind die jeweils dienstältesten und ranghöchsten Beamten als "Ständige Beauftragte des Dienststellenleiters" (StB) bestellt. Die in den Liegenschaften tätigen Bediensteten gehören jedoch zu Dezernaten, deren Dezernatsleiter ihren Dienstsitz zum Teil in der Zentrale haben; daneben sind zahlreiche fachtechnische Dezernate Bereichen zugeordnet, deren Bereichsleiter ihre Dienstorte in der Zentrale ... oder in anderen Liegenschaften haben. Zwischen der Zentrale und den Liegenschaften finden fahrplanmäßige Routinefahrten für Post- und Personenbeförderung statt; die Fahrtzeiten betragen nach ... von ... 40 Minuten, von ... 20 Minuten; nach ... von ... Stunde 55 Minuten, von ... 1 Stunde 35 Minuten; nach ... von ... 25 Minuten. ... und ... liegen innerhalb des Einzugsgebiets von

3

Für die Personalratswahl am 9./10. Mai 1988 faßten die Bediensteten in den Liegenschaften Verselbständigungsbeschlüsse gemäß § 6 Abs. 3 BPersVG. Die Wahlen wurden entsprechend durchgeführt, die Wahlergebnisse für die einzelnen Liegenschaften durch Aushang am 13. bzw. 16. Mai 1988 bekanntgemacht.

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Der Antragsteller hat am 25. Mai 1988 das Beschlußverfahren eingeleitet und geltend gemacht:

5

Ein Verselbständigungsbeschluß nach § 6 Abs. 3 BPersVG sei nur wirksam, wenn der Dienststellenteil einen Leiter habe, dem personalvertretungsrechtlich relevante Befugnisse zustünden. Das sei hier nicht der Fall, da sämtliche Entscheidungen, die der Beteiligung des Personalrats unterlägen (§§ 75 bis 81 BPersVG), in die Entscheidungskompetenz des Antragstellers fielen. Die Wahl sei daher nichtig.

6

Der Antragsteller hat beantragt,

festzustellen, daß die Wahl zu den Personalvertretungen vom 9. bis 10. Mai 1988 für den Gesamtpersonalrat und für die örtlichen Personalräte bei der WTD ... in den Liegenschaften S. und S. nichtig sind,

ferner die Wahlen zum Personalrat bei der WTD ... in E. für nichtig oder jedenfalls für ungültig zu erklären.

7

Die Beteiligten haben beantragt,

den Antrag zurückzuweisen,

8

und sind dem Antrag des Antragstellers aus Rechtsgründen entgegengetreten.

9

Mit Beschluß vom 26. Januar 1989 hat das Verwaltungsgericht den Antrag des Antragstellers abgelehnt, im wesentlichen aus folgenden Gründen:

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Das Verselbständigungsverfahren als solches sei ordnungsgemäß durchgeführt worden, wie auch die Verfahrensbeteiligten nicht in Zweifel zögen. Dies gelte auch für das Wahlverfahren selbst. Die Geltendmachung der Nichtigkeit der Wahl sei an keine Frist gebunden. Eine Nichtigkeit sei jedoch nur in seltenen Ausnahmefällen anzunehmen; dafür gebe es hier keinerlei Anhaltspunkte. Die Wahl sei aber auch nicht gemäß § 25 BPersVG für ungültig zu erklären. Die mündliche Verhandlung habe eindeutig ergeben, daß den Leitern der verselbständigten Dienststellen jedenfalls insoweit personal vertretungsrechtlich relevante Befugnisse zukämen, als sie über die Urlaubsgewährung der Bediensteten der fraglichen Liegenschaften zu entscheiden hätten, überdies berühre die Frage mangelnder Regelungsbefugnisse des "Leiters" der örtlichen Dienststellen nicht die rechtliche Zulässigkeit der Verselbständigung, sondern nur ihre Zweckmäßigkeit. Ergebe sich aus der Behördenorganisation, soweit sie mit den aus § 6 Abs. 3 sich ergebenden Fiktionen nicht übereinstimme, für eine Dienststelle im Sinne des Gesetzes kein Leiter, so müsse die oberste Dienstbehörde oder die Aufsichtsbehörde bestimmen, wer für den Vollzug des Gesetzes die Aufgabe des Leiters der Dienststelle und seines Vertreters wahrnehme. Soweit dem Personalrat der Außenstelle die Legitimation zur Beteiligung fehle, werde die "Beteiligungslücke" durch den Gesamtpersonalrat geschlossen. Diese Auffangszuständigkeit des Gesamtpersonalrats bei "aufgespaltenen" Dienststellen sei mit den Grundzügen des Personalvertretungsrechts, insbesondere mit dem Partnerschaftsprinzip, vereinbar. Das Gesetz gehe selbst von der Unvollkommenheit verselbständigter Dienststellen aus, die nach § 6 Abs. 3 nur als Dienststellen fingiert würden. Eine eventuell unzweckmäßige Verselbständigung führe nicht zur Ungültigkeit oder gar Nichtigkeit der Wahl.

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Gegen den ihm am 16. Februar 1988 zugestellten Beschluß richtet sich die am 15. März 1988 eingelegte und am 17. April 1989 (Montag) begründete Beschwerde des Antragstellers, mit der er sein erstinstanzliches Vorbringen vertieft.

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Der Antragsteller beantragt,

den angefochtenen Beschluß zu ändern und festzustellen, daß die Wahlen für den Gesamtpersonalrat und für die örtlichen Personalräte bei der WTD ... in den Liegenschaften S. und S. nichtig sind,

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hilfsweise,

diese Wahlen für unwirksam zu erklären.

14

Die Beteiligten beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

15

Sie verteidigen den angefochtenen Beschluß.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

17

II.

Die Beschwerde des Antragstellers hat überwiegend Erfolg.

18

1.

a)

Der Beschwerdeantrag ist unzulässig, soweit er die Wahl zum Gesamtpersonalrat betrifft. Denn insoweit fehlt dem Antragsteller das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Auch nach seinem eigenen Vorbringen liegt ein selbständiger Nichtigkeits- oder Unwirksamkeitsgrund hinsichtlich der Wahl zum Gesamtpersonalrat nicht vor. Der Antragsteller leitet diese Folge nur daraus her, daß hier hinsichtlich der auswärtigen Liegenschaften die Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 BPersVG nicht erfüllt seien. Trifft das zu, so wäre es aber eine gesetzliche Rechtsfolge, daß damit auch dem Gesamtpersonalrat die Grundlage entzogen wird. Denn gemäß § 55 BPersVG wird er nur in den Fällen des § 6 Abs. 3 BPersVG neben den einzelnen Personalräten gebildet.

19

b)

Soweit der Beschwerdeantrag die Wahlen zu den örtlichen Personalräten der Liegenschaften S. und S. betrifft, ist er zulässig. Der auf die Nichtigkeit der Wahlen zielende Hauptantrag ist aber in der Sache nicht begründet.

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Die Nichtigkeit einer Personalratswahl wegen Verstoßes gegen § 6 Abs. 3 BPersVG kommt nur in Betracht, wenn die Voraussetzungen für eine Verselbständigung offensichtlich nicht vorlagen (BVerwGE 7, 291 [BVerwG 24.10.1958 - VII C 104/57] = PersV 1958/1959, 141; Dietz/Richardi, BPersVG, 2. Aufl., § 6 Rdnr. 72; Grabendorff/Windscheid/Ilbertz/Widmaier, BPersVG, 6. Aufl., § 6 Rdnr. 34, 35 m.Nachw.). Es liegt Insoweit nicht andere als bei der Geltendmachung der Nichtigkeit einer Personalratswahl wegen des Fehlens oder des späteren Wegfalls einer personalratspflichtigen Dienststelle. Auch in diesem Fall ist eine Nichtigkeit nur gegeben, wenn der Mangel offensichtlich ist, d.h., wenn hierbei gegen die Grundsätze einer ordnungsgemäßen Wahl in so hohem Maße verstoßen worden ist, daß auch nicht mehr der Anschein einer Wahl gegeben ist (BVerwG, Beschl. v. 18.1.1990 - 6 P 8.88 -, PersR 1990, 108 m.Nachw.).

21

Eine solche Offensichtlichkeit lag hier nicht vor. Das ergibt sich schon daraus, daß die hier streitige Voraussetzung personalvertretungsrechtlich relevanter Befugnisse des "Leiters" der Nebenstelle i.S. des § 6 Abs. 3 BPersVG auch in der obergerichtlichen Judikatur nicht einheitlich beurteilt wird und Gegenstand eines Rechtsbeschwerdeverfahrens beim Bundesverwaltungsgericht ist. Unter diesen Umständen konnten auch die Erlasse und Weisungen vorgesetzter Dienststellen, auf die der Antragsteller sich beruft, nicht die notwendige Rechtssicherheit schaffen.

22

2.

Der Hilfsantrag, die Wahlen in den auswärtigen Liegenschaften für unwirksam zu erklären, ist dagegen zulässig und auch in der Sache begründet.

23

Der Streit um die personalvertretungsrechtliche Verselbständigung der Liegenschaften kann, nachdem in ihnen gesonderte Personalvertretungen gewählt wurden, im Rahmen eines Wahlanfechtungsverfahrens nach § 25 BPersVG ausgetragen werden (Dietz/Richardi a.a.O.; Grabendorff/Windscheid/Ilbertz/Widmaier a.a.O.; Fischer/Goeres in GKÖD, Bd V, § 6 BPersVG Rdnr. 2). Die Wahlanfechtung ist auch begründet. Die Verselbständigung der auswärtigen Liegenschaften war gesetzwidrig, weil in ihnen keine Leiter mit personalvertretungsrechtlich relevanten Befugnissen vorhanden sind.

24

a)

Dieser Feststellung steht die Rechtskraft des Beschlusses des Fachsenats vom 10. Juni 1975 - P OVG B 3/75 - nicht entgegen. Mit diesem Beschluß wurden die Wahlen der örtlichen Personalräte der Erprobungsstelle ... in E. Schirnau, Surendorf, Kiel-Friedrichsort und Kiel-Ost vom 1. Oktober 1974 wegen wesentlicher Fehler bei der Bildung der Wahlvorstände für ungültig erklärt. Zugleich wurden die weitergehenden, auf die Wahl jeweils nur eines Personalrats für die Liegenschaften E., S. und S. bzw. K. und K. gerichteten Anträge mit der Begründung zurückgewiesen, daß insoweit räumlich weite Entfernungen i.S. des § 6 Abs. 3 BPersVG gegeben seien. Es erscheint bereits zweifelhaft, ob sich die Rechtskraft dieser Entscheidung nicht auf die ausgesprochene Ungültigerklärung der damaligen Wahl beschränkt und die Abweisung der weitergehenden Anträge nicht umfaßt. Jedenfalls könnte in Rechtskraft erwachsen und für das vorliegende Verfahren bedeutsam allenfalls die Feststellung sein, daß die Liegenschaften in S. und S. räumlich weit entfernt von E. liegen. Diese Frage ist aber hier zwischen den Verfahrensbeteiligten nicht streitig und nach der Auffassung des Senats für die Entscheidung auch nicht erheblich. Vor allem gilt die Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung nur, soweit sich die maßgebliche Sach- und Rechtslage nicht ändert. Hier ist indessen eine wesentliche Änderung der Sachlage eingetreten. Dabei kann offenbleiben, ob das auch für die Entwicklung der Verkehrsverbindungen zwischen den Liegenschaften innerhalb der letzten 15 Jahre zutrifft. Jedenfalls hat die Dienststelle mit Wirkung vom 1. Mai 1986 nicht nur eine neue Bezeichnung, sondern auch eine strukturell-organisatorisch neue Gliederung sowie eine erweiterte Aufgabenstellung erhalten, wobei insbesondere die fachtechnischen Gruppen liegenschaftsorientiert gebildet und die früheren Beschäftigten aus den sogenannten ausgelagerten Fachbereichen des BWB wieder zurückgeführt wurden.

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b)

Dem Verwaltungsgericht kann nicht gefolgt werden, daß den StB in den auswärtigen Liegenschaften hier deshalb personalvertretungsrechtlich relevante Befugnisse zuständen, weil sie über die Urlaubsgewährung zu entscheiden hätten. Der Antragsteller hat vielmehr nur generell die Befugnis an die Bereichs- bzw. Gruppenleiter delegiert, Urlaubsanträge entsprechend den Urlaubsgesuchen zu bewilligen; für die Ablehnung von Urlaubsgesuchen sind die Fachvorgesetzten nicht zuständig. Aus der insoweit begrenzten Kompetenz zur Urlaubsbewilligung kann auf das Vorhandensein von "Leitern" in den Liegenschaften aber schon deshalb nicht geschlossen werden, weil die dafür zuständigen Bereichs- bzw. Gruppenleiter ihren Dienstort teilweise in der Zentrale in E. haben. Im übrigen berührt die Bewilligung von Erholungsurlaub entsprechend einem Urlaubsgesuch keinen Mitbestimmungstatbestand. Denn § 75 Abs. 3 Nr. 2 BPersVG schließt die Festsetzung des Urlaubs im Einzelfall nur dann ein, wenn zwischen Dienststellenleiter und Beschäftigten keine Einigung erzielt wird. Dieser Fall wird aber auch nach dem Vorbringen der Beteiligten von der Delegation hier nicht umfaßt.

26

c)

Daß eine Verselbständigung gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 BPersVG personalvertretungsrechtlich relevante Befugnisse des Leiters der entsprechenden Teileinheit voraussetzt, hat der Senat in seinen Beschlüssen vom 3. September 1986 - 17 OVG B 2/86 - und vom 17. Mai 1989 - z.B. 17 OVG B 27/88 - eingehend begründet. Er hält an dieser vom OVG des Saarlandes (Beschl. v. 2.2.1987 - 4 W 1082/86) sowie vom Hess. VGH (Beschl. v. 10.1.1990 - BPV TK 2595/89 -, DVBl 1990, 886) geteilten Ansicht auch gegenüber der abweichenden Auffassung des OVG Münster (Beschl. v. 5.10.1987 - CB 38/85 -), des Verwaltungsgerichts sowie der Beteiligten zu 1) und 2) fest.

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Die tragende Begründung dieser abweichenden Auffassung geht dahin, daß sich aus dem Wortlaut und dem systematischen Zusammenhang des Gesetzes ein solches ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal nicht herleiten lasse, wie sich auch aus dem Beschluß des BVerwG vom 14. Juli 1987 (- 6 P 9.86 -, BVerwGE 78, 34) zur Verselbständigung der Postämter E. ergebe. Die Berufung auf diese Entscheidung geht jedoch fehl. Das hat das BVerwG inzwischen mit seinem - die Nichtzulassungsbeschwerde gegen den Beschluß des OVG Münster aus verfahrensrechtlichen Gründen zurückweisenden - Beschluß vom 24. März 1988 - 6 PB 27.87 - selbst klargestellt. Es hat dort nämlich ausdrücklich festgestellt, daß die Auffassung des OVG Münster in dem Beschluß vom 14. Juli 1987 (BVerwGE 78, 34) keine Stütze findet, weil dieser Beschluß allein den Begriff "Nebenstelle, die räumlich weit von der Dienststelle entfernt liegt", behandelt, ohne sich zu den weiteren Voraussetzungen für die personalvertretungsrechtliche Verselbständigung eines Dienststellenteils zu äußern.

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Zu diesen weiteren Voraussetzungen gehört nach dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung ein personalvertretungsrechtlich relevanter Handlungs- und Entscheidungsspielraum des Leiters der Nebenstelle. Denn der Personalrat der verselbständigten Nebenstelle bleibt allein deren Leiter zugeordnet und kann nur dann mitwirken oder mitbestimmen, wenn dieser Leiter zur Regelung beteiligungspflichtiger Angelegenheiten befugt ist (BVerwGE 67, 353, 356 [BVerwG 15.08.1983 - 6 P 18/81]; BVerwG, Beschl. v. 10.3.1982 - 6 P 36/80 -, PersV 1983, 65, 67). Die dadurch entstehende Lücke auf seiten der Personalvertretung schließt das Gesetz mit der Verpflichtung, in einer personalvertretungsrechtlich "aufgespaltenen" Dienststelle eine gemeinschaftliche Personalvertretung, den Gesamtpersonalrat, zu bilden (§ 55 BPersVG). Ihm kommt eine "Auffangzuständigkeit" für alle Angelegenheiten zu, die entweder mit Wirkung für die Gesamtdienststelle oder zwar nur für eine Teileinheit, aber - weil deren Leiter insoweit die Entscheidungsbefugnis fehlt - ebenfalls durch den Leiter der Hauptdienststelle geregelt werden (BVerwGE 67, 353, 357) [BVerwG 15.08.1983 - 6 P 18/81]. Die Verselbständigung einer Teileinheit gemäß § 6 Abs. 3 BPersVG setzt deshalb das Vorhandensein eines zur Regelung beteiligungspflichtiger Angelegenheiten befugten "Dienststellenleiters" dieser Teileinheit voraus. Denn die Vorschrift dient dem Zweck, die für ein sachgerechtes Wirken der Personalvertretung erforderliche Nähe von Personalrat und vertretenen Beschäftigten zu schaffen. Die Verselbständigung einer Teileinheit hat jedoch nur einen Sinn, wenn der dadurch bewirkten "Aufspaltung" der Personalvertretung auch eine Aufspaltung von Zuständigkeiten zwischen dem Leiter der Hauptdienststelle und dem Leiter der verselbständigten Dienststelle entspricht, diesem also irgendwelche personalrvertretungsrechtlich bedeutsamen Befugnisse zustehen. Fehlt es daran, so wurde der Verselbständigungsbechluß einer Teileinheit ins Leere gehen. Denn weil einerseits deren Leiter auch durch einen selchen Beschluß keine Entscheidungsbefugnisse erhielte, andererseits der personalrat der Teileinheit nur an Entscheidungen von deren Leiter zu beteiligen wäre, würde dieser Personalrat nicht nur ein "Schattendasein" führen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 26.11.1982, Persv 1983, 158, 160), sondern hätte keinerlei Funktion und Kompetenz. Auch die zwingend vorgeschriebene Bildung eines Gesamtpersonalrats würde in einem solchen Fall ihren gesetzlichen Sinn verfehlen. Denn dieser Gesamtpersonalrat hätte nicht eine bloße Auffangzuständigkeit, sondern müßte im Hinblick darauf, daß dem Leiter der Hauptdienststelle alle Entscheidungen für die Teileinheit vorbehalten wären, an allen die Teileinheit betreffenden Entscheidungen beteiligt werden. Die vom Gesetz bezweckte Nähe von Personalrat und vertretenen Beschäftigten wäre damit nicht erreicht, ein Vorteil gegenüber dem Regelfall, daß bei einer Dienststelle ein Personalrat gebildet wird, der die Gesamtheit der Beschäftigen repräsentiert und vom Dienststellenleiter an allen beteiligungspflichtigen Angelegenheiten zu beteiligten ist, nicht erkennbar. Die Einheit auf seiten der Personalvertretung kann deshalb nur aufgegeben werden, wenn dem jeweiligen Leiter einer Teileinheit personalvertretungsrechtlich relevante Befugnisse zustehen, weil der Wirkungsbereich jedes Personalrats stets nur so weit reicht wie die Entscheidungskompetenz des ihm zugeordneten Leiters (ebenso Bayer. VGH, Beschl. v. 6.7.1979, PersV 1980, 337; Grabenderff/Windscheid/Ilbertz/Widmaier, BPersVG, 6. Aufl., § 6 RN 29 m. Nachw.). Dieses Ergebnis wird bestätigt durch die Rechtsprechung des BAG zu dem entsprechenden § 4 BetrVG. Danach ist anerkannt, daß ein eigenständiger Betriebsteil stets eine eigene Leitung auf der Ebene des verselbständigten Teils insbesondere in den dem Mitbestimmungsrecht unterliegenden Fragen erfordert. Ein Betriebsteil mit einem kompetenzlosen Ansprechpartner ist deshalb nicht betriebsratsfähig. Der Betriebsteil muß vielmehr einen von der Betriebsleitung abgehobenen eigenen Leitungsapparat besitzen, von dem nennenswerte Entscheidungen in personellen oder sozialen Angelegenheiten zu treffen sind (BAG, Beschl. v. 17.2.1983, DB 1983, 2039 = AP Nr. 4 zu § 4 BetrVG 1972, m.Nachw,; Grützner, BB 1983, 200, m.Nachw.).

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Eine weitere Bestätigung seiner Rechtsansicht sieht der Senat in dem Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. August 1986 (- 6 P 7.85 -, PersVG 1987, 254), mit dem die Bildung eines eigenen Personalrats für ein Kreiskrankenhaus nach dem LPVG für unzulässig erklärt wurde. Das Bundesverwaltungsgericht hat dies damit begründet, daß erst die dem Leiter einer Einrichtung mit deren organisatorischer Verselbständigung zuwachsende Regelungskompetenz im personellen und sachlichen Bereich die Grundlage für das auch in § 2 Abs. 2 LPVG Bad.-Württ. geförderte vertrauensvolle Zusammenwirken zwischen ihm und der Personalvertretung schafft, und weiter ausführt:

"Nur wenn er - in den Grenzen der für die öffentliche Verwaltung allgemein bestehenden Weisungsgebundenheit - bei den für eine Beteiligung der Personalvertretung in Betracht kommenden organisatorischen, personellen und sozialen Angelegenheiten einen eigenen Entscheidungs- und Handlungsspielraum hat, kann er dem Personalrat als verantwortlicher Partner gegenübertreten und Kann dieser eigenständige Gespräche und Verhandlungen mit ihm führen. Um dem Personalrat einen Partner von dieser Entscheidungs- und Sachkompetenz zu sichern, sieht etwa §7 BPersVG vor, daß sich der Dienststellenleiter gegenüber dem Personalrat regelmäßig nur durch seinen ständigen Vertreter vertreten lassen kann. Fehlt dem Leiter einer Einrichtung der für die verantwortliche Zusammenarbeit mit dem Personalrat erforderliche Entscheidungs- und Handlungsspielraum, dann ist er nicht nur kein geeigneter Partner für eine Personalvertretung, sondern dann erweist sich daran, daß die von ihm geleitete Einrichtung organisatorisch nicht in dem für eine Dienststelle zu fordernden Maße verselbständigt ist, mag sie auch räumlich und hinsichtlich ihrer Aufgabenstellung von anderen Verwaltungseinrichtungen des gleichen Verwaltungsträgers abgetrennt sein (BVerwGE 7, 251 [BVerwG 03.10.1958 - VII P 9/57]).""

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Zwar betreffen diese Ausführungen wie die gesamte Entscheidung nicht eine - durch Beschluß der Beschäftigten oder Erklärung der obersten Dienstbehörde - verselbständigte Dienststelle. Sie behandeln vielmehr die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Einrichtung als "Betrieb" i.S. des § 9 Abs. 1 LPVG Bad. Württ. personalratsfähig ist. Die weitere und im vorliegenden Fall entscheidende Frage, ob diese Anforderungen an den Entscheidungs- und Handlungsspielraum des Leiters einer Einrichtung auch für den Leiter eines Dienststellenteils gelten oder ob insoweit ändere Maßstäbe anzulegen sind, die sich an der Aufgabenstellung des Dienststellenteils oder seiner Größe orientieren, hat das BVerwG in seinem späteren Beschluß vom 13. Mai 1987 (- 6 P 20.85 -, ZBR 1987, 350) ausdrücklich offengelassen. Nach Auffassung des Senats ist sie indessen aus den in den Beschlüssen vom 2. September 1986 (17 UVG B 2/86) und vom 17. Mai 1989 (17 OVG B 27/88) sowie im Beschluß des BVerwG vom 13. August 1986 (a.a.O.) dargelegten Gründen im ersteren Sinne zu beantworten. Der Einwand der Beteiligten zu 1) und 2), § 6 Abs. 3 BPersVG enthalte eine ausdrückliche Ausnahme von dem grundsätzlichen Erfordernis personalvertretungsrechtlich relevanter Befugnisse des Dienststellenleiters, greift nicht durch. Allerdings sieht das BPersVG in § 6 Abs. 3 Satz 1 eine Ausnahme von der im übrigen durch § 12 Abs. 1 gesicherten Übereinstimmung von Dienststellen- und Personalverfassung vor. Die Ausnahme reicht aber nur so weit, daß sie die grundsätzliche Maßgeblichkeit der Behördenorganisation für die Personalverfassung durchbricht und Personalvertretungen auch in Einrichtungen zuläßt, die nicht Behörden (bzw. Verwaltungsstellen und Betriebe) i. S. des § 6 Abs. 1 BPersVG sind. Die Ausnahme reicht dagegen nicht so weit, daß sie auch jeden personalvertetungsrechtlich relevanten Handlungs- und Entscheidungsspielraum des Leiters einer Nebenstelle als entbehrlich erscheinen ließe. Denn damit wäre nicht nur die Kongruenz von Behördenorganisation und Aufbau der Personalvertretungen durchbrochen; es würden vielmehr auch, wie bereits dargelegt, fundamentale Prinzipien des Personalvertretungsrechts wie der Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Leiter und ihm zugeordneter Personalvertretung sowie die bloße Auffangzuständigkeit des Gesamtpersonalrats aufgegeben.

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Schließlich bleibt der Einwand ohne Erfolg, die Dienststelle könne danach durch den Entzug von Kompetenzen gegenüber dem Leiter einer Nebenstelle einem dortigen Personalrat die Existenzgrundlage entziehen. Das trifft zunächst nicht zu, soweit eine derartige Kompetenzänderung erst nach der Wahl des Personalrats erfolgt; dieser bliebe in einem solchen Fall für die volle Wahlperiode im Amt (§ 6 Abs. 3 Satz 2 BPersVG). Für die folgende Wahl gilt allerdings auch hinsichtlich einer Verselbständigung wieder, daß alle Wahlvoraussetzungen im Zeitpunkt der Wahl erfüllt sein müssen. Da nach der Entscheidung des Gesetzes die Personalverfassung grundsätzlich der Dienststellenverfassung folgt, liegt in dieser Entscheidung zugleich begründet, daß die Verwaltung im Rahmen ihrer Organisationshoheit mit der Behördenorganisation regelmäßig auch den Aufbau der Personalvertretung bestimmt. Aus personalvertretungsrechtlicher Sicht ist ein Mißbrauch dieser Organisationsgewalt auch im Blick auf § 6 Abs. 3 BPersVG nicht zu besorgen, weil die Belange der Beschäftigten von dem Personalrat einer großen, auch personalvertretungsrechtlich nicht aufgespaltenen Dienststelle erfahrungsgemäß wirksamer wahrgenommen werden können als von mehreren Personalräten einzelner Dienststellenteile (BVerwGE 78, 34, 39) [BVerwG 14.07.1987 - 6 P 9/86] und auch schlechte Verkehrsverbindungen zu dem Sitz der Dienststelle durch die modernen Kommunikationsmittel an Bedeutung verloren haben.

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Auf die Beschwerde war danach unter Änderung des angefochtenen Beschlusses und Zurückweisung der weitergehenden Beschwerde dem Hilfsantrag des Antragstellers stattzugeben.

33

Die Rechtsbeschwerde war gemäß §§ 92 Abs. 1 Satz 2, 72 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ArbGG zuzulassen.

Dr. Dembowski
Kibies
Klitzsch
Reimann
Königschulte