Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 14.09.1990, Az.: 1 C 12/88
Änderung örtlicher Baugestaltungsvorschriften in Bebauungsplänen
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 14.09.1990
- Aktenzeichen
- 1 C 12/88
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1990, 13007
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1990:0914.1C12.88.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BVerwG - 12.03.1991 - AZ: BVerwG 4 NB 6.91
Rechtsgrundlagen
- § 9 Abs. 2 BBauG 1960
- § 1 des Gesetzes über baugestalterische Festsetzungen
Fundstellen
- BRS 1990, 33-36 (Volltext mit amtl. LS)
- BauR 1991, 174-177 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
Örtliche Baugestaltungsvorschriften, die in einen Bebauungsplan aufgenommen worden sind, dürfen nur unter Beachtung der für Planänderungen maßgeblichen Verfahrensvorschriften geändert werden.
Tenor:
Die 1. Änderung des Bebauungsplans Nr. 5 der Antragsgegnerin wird für nichtig erklärt.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Antragsgegnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der Kostenforderung abwenden, wenn nicht die Antragsteller vorher Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Gründe
I.
Die Antragsteller wenden sich als Eigentümer des Grundstücks ... 22 in ... (Flurstücke 7/14 und 8/23) gegen die 1. Änderung des Bebauungsplanes Nr. 5, weil diese für den Bereich, in dem ihr Grundstück liegt, statt der bisher vorgeschriebenen Flachdächer Satteldächer, Walmdächer oder versetzte Pultdächer mit einer Dachneigung von 15 bis 25° festsetzt.
Das Grundstück der Antragsteller ist entsprechend der Ursprungsfassung des im Dezember 1973 bekanntgemachten Planes mit einem Einfamilienhaus in Flachdachbauweise bebaut. Es grenzt im Norden an die B. (Nordstraße) und im Süden an die Wohnstraße .... Für die Nachbarhäuser nördlich der Straße ... sieht der ursprüngliche Plan ebenfalls eine Flachdachbauweise vor. In dem südlich der Straße anschließenden Planbereich ist nach dem ursprünglichen Plan eine Flachdachbauweise nicht vorgeschrieben. Das Plangebiet wurde vor der 1. Änderung entsprechend den Festsetzungen des Planes bebaut.
Mit Schreiben vom 17. November 1987 lud die Antragsgegnerin alle Einwohner der Straßenzüge ... und ... im Plangebiet zum 25. November 1987 zu einer Bürgerinformation ein. In dem Schreiben wird darauf hingewiesen, daß sich bei den in der Mitte der 70er Jahre erbauten Flachdachhäusern im Bereich der Straßen .../... bei einigen Häusern erhebliche Mängel in der Dichtung der Flachdächer ergeben hätten. Da verschiedene Sanierungen keinen Erfolg gehabt hätten, seien Hauseigentümer aus dem Gebiet an die Gemeinde herangetreten und hätten um eine Änderung des Bebauungsplanes gebeten. Sie wollten ihre Flachdächer durch geneigte Dächer ersetzen. Die Gemeinde wolle diesem Begehren entsprechen, wolle aber sicherstellen, daß das grundsätzliche Gestaltungsprinzip erhalten bleibe, da Gebäudehöhenfestsetzungen auch einen nachbarschützenden Aspekt hätten. Weiterhin sollten die gestalterischen Festsetzungen mit den Festsetzungen der übrigen Bebauungspläne in Einklang gebracht werden. Bei der dann am 25. November 1987 stattfindenden Bürgerinformation waren die Antragsteller nicht zugegen. Die Gemeindevertretung beschloß darauf am folgenden Tag unter Hinweis auf § 82 LBO 1983 die 1. Änderung des Bebauungsplanes Nr. 5 als Satzung. Wie schon oben ausgeführt, sind nach der Änderungssatzung nur Satteldächer und Walmdächer sowie versetzte Pultdächer zulässig, wobei für die Grundstücke, für die bisher schon Flachdächer nicht vorgeschrieben waren, eine Dachneigung von 35 bis 45° zugelassen wird, für die anderen Grundstücke wie das Grundstück der Antragsteller nur eine Dachneigung von 15 bis 25° bei einer Firsthöhe von max. 6 m über der Erdgeschoßfußbodenhöhe. Zur Begründung der Änderung wird u.a. ausgeführt, die vorhandenen Flachdachhäuser wirkten innerhalb der aus Einfamilienhäusern mit geneigten Dächern bestehenden Nachbarbebauung als Fremdkörper, die willkürlich in die Bebauung mit geneigten Dächern eingestreut worden seien. Nachdem die Gemeinde davon Kenntnis erlangt habe, daß die Flachdächer in der nächsten Zeit von Grund auf saniert werden müßten, sehe sie eine passende Gelegenheit gekommen, die Festsetzungen des Bebauungsplanes so zu ändern, daß sich die Flachdachhäuser in Zukunft harmonisch in die umgebende Bebauung einfügten. Nachdem der Landrat des Kreises Schleswig-Flensburg die 1. Änderung durch Verfügung vom 22. März 1988 gemäß § 82 Abs. 4 LBO 1983 genehmigt hatte, wurde die Änderungssatzung am 21. April 1988 bekanntgemacht.
Die Antragsteller haben am 1. August 1988 beim Senat das Normenkontrollverfahren gegen die 1. Änderung eingeleitet. Sie halten sich für antragsbefugt, da sie durch die Festsetzungen der 1. Änderung einen Nachteil i.S. des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO zu erwarten hätten. Wenn die Eigentümer der angrenzenden Grundstücke die Festsetzungen der 1. Änderung ausnützten, werde ihnen durch die dann höheren Dächer in erheblichem Umfang Licht und Sonne entzogen. Dies zeige sich schon beim Blick auf das auf dem westlichen Nachbargrundstück nunmehr errichtete Satteldach, dessen schwarzes Dach wie eine schwarze Wand aufrage. Dies treffe sie auf ihrem Grundstück deshalb besonders, weil ihr Grundstück nach Norden hin zu der Bundesstraße ... aufgrund der Festsetzungen des ursprünglichen Bebauungsplanes durch einen den Lichteinfall schmälernden Lärmschutzwall und die dahinter gesetzten Anpflanzungen abgeschirmt werde.
Der Antrag müsse auch in der Sache Erfolg haben. Zunächst ergebe sich ein formeller Mangel daraus, daß bei der Änderung nicht das für Änderungen von Bebauungsplänen vorgeschriebene Verfahren des BauGB eingehalten worden sei, sondern lediglich das für sonstige Satzungen maßgebliche Verfahren. Dies sei unzulässig, da die gestalterischen Festsetzungen in ihrer ursprünglichen Form mit der Aufnahme in die Ursprungsfassung des Bebauungsplanes Bestandteil dieses Planes geworden seien und deshalb nur nach den Vorschriften über die Änderung von Bebauungsplänen geändert werden könnten. Die 1. Änderung halte aber auch in der Sache einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Sie halte sich nicht in den Grenzen der materiellen Ermächtigung des § 82 Abs. 1 Nr. 1 LBO 1983, nach der gestalterische Festsetzungen nur zur Verwirklichung baugestalterischer Absichten getroffen werden könnten. Wie die Vorgeschichte zeige, insbesondere der Text der Einladung zu der Bürgerinformation, diene die Änderung trotz der anderslautenden Beteuerungen in der Begründung tatsächlich nur den privaten Interessen einzelner Eigentümer von Flachdachhäusern. Selbst wenn man aber davon ausgehe, daß die Änderung maßgeblich auch öffentliche baugestalterische Absichten verfolge, sei sie unzulässig, weil die Bedeutung dieses Zieles außer Verhältnis stehe zu den gravierenden Beeinträchtigungen, die sie aufgrund der höheren Dächer in der Nachbarschaft zu erwarten hätten.
Die Antragsteller beantragen,
die 1. Änderung des Bebauungsplanes Nr. 5 - ... - für nichtig zu erklären.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Sie vertritt die Auffassung, daß die Antragsteller nicht antragsbefugt seien. Die Erhaltung der freien Aussicht über die bisherigen Flachdächer in der Nachbarschaft gehöre nicht zu den schutzwürdigen Interessen, die eine nachteilige Betroffenheit i.S. des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO begründen könnten. Licht und Sonneneinstahlung würden bei Vollzug der neuen Festsetzung allenfalls geringfügig gemindert werden. Die 1. Änderung sei auch nicht in einem fehlerhaften Verfahren zustande gekommen. Nach § 9 Abs. 4 BauGB müsse der Landesgesetzgeber positiv bestimmen, inwieweit auf die in einen Bebauungsplan aufzunehmenden Festsetzungen, die auf Landesrecht beruhten, die Vorschriften des Baugesetzbuchs anwendbar seien. In der hier einschlägigen Regelung des § 82 Abs. 4 LBO werde aber lediglich auf die für Bekanntmachungen von Bebauungsplänen maßgebliche Vorschrift des § 12 BauGB/BBauG Bezug genommen; ein Hinweis auf andere Vorschriften des BauGB, insbesondere auf die Vorschriften über die Durchführung des Bebauungsplanverfahrens, fehle. Es könne keine Rede davon sein, daß die Änderungssatzung nur private Rechte im Auge habe und keine gestalterischen Ziele verfolge. Aus dem Einladungsschreiben zur Bürgerinformation und aus der Begründung der Satzungsänderung ergebe sich eindeutig, daß die Sanierungsbedürftigkeit von Flachdächern lediglich Anlaß für die zur Verwirklichung gestalterischer Ziele beschlossene Änderungssatzung gewesen sei.
Der Vertreter des öffentlichen Interesses stellt keinen eigenen Antrag. Er hält den Rechtsstandpunkt der Antragsgegnerin für zutreffend.
Auf dem westlich an das Grundstück der Antragsteller angrenzenden Grundstück ist auf dem dort vorhandenen Wohnhaus entsprechend den Festsetzungen der 1. Änderung inzwischen ein Walmdach errichtet worden. Die Antragsteller haben gegen die hierfür erteilte Baugenehmigung Widerspruch eingelegt. Ob schon ein Widerspruchsbescheid ergangen ist oder Klage erhoben ist, konnte nicht festgestellt werden. Das Wohnhaus auf dem östlich angrenzenden Grundstück weist noch unverändert ein Flachdach auf; es liegt auch noch keine Genehmigung für eine Veränderung des Daches vor.
Der Senat hat Beweis erhoben über die örtlichen Verhältnisse auf dem Grundstück der Antragsteller und in der Umgebung durch Einnahme des Augenscheins. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Terminsprotokoll Bezug genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird verwiesen auf die Schriftsätze der Beteiligten und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakten sowie auf die Verfahrensunterlagen der Antragsgegnerin. Sie waren in ihren wesentlichen Teilen Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
II.
Der Normenkontrollantrag der Antragsteller hat Erfolg. Die 1. Änderung des Bebauungsplanes Nr. 5 der Antragsgegnerin ist für nichtig zu erklären, weil sie nicht in dem gesetzlich vorgeschriebenen Verfahren zustande gekommen ist.
1. Der Antrag ist zulässig.
Der Senat kann offenlassen, ob die für das westlich benachbarte Wohnhaus erteilte Baugenehmigung noch anfechtbar ist. Auch wenn man zu Lasten der Antragsteller davon ausgeht, ihr Widerspruch gegen diese Baugenehmigung sei schon unanfechtbar beschieden und sie könnten deshalb durch die Nichtigerklärung der 1. Änderung den Fortbestand des genehmigten Walmdaches nicht verhindern, ist das Rechtsschutzbedürfnis für ihren Normenkontrollantrag gegeben. Denn sie können durch ein obsiegendes Urteil jedenfalls verhindern, daß aufgrund der für nichtig erklärten Regelung auch für das östlich benachbarte Wohnhaus ein geneigtes Dach genehmigt und dort errichtet wird.
Die ohne die Nichtigerklärung in Betracht zu ziehende Genehmigung und Errichtung eines geneigten Daches auf dem östlich benachbarten Wohnhaus begründet zugleich auch die Antragsbefugnis (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO) der Antragsteller. Denn in diesem Fall würden sie, wie dem Plangeber erkennbar war, durch den Vollzug der angefochtenen Regelung mehr als nur geringfügig negativ in schutzwürdigen, nicht geringwertigen Interessen betroffen (vgl. zu diesen Voraussetzungen der Antragsbefugnis BVerwG, Urt. v. 9. 11. 1979 - 4 N 1.78, 4 N 2 - 4.79 -, NJW 1980, 1061 f [BVerwG 09.11.1979 - 4 N 1/78]). Wie der Senat bei der Ortsbesichtigung festgestellt hat, würde der Blick vom Grundstück der Antragsteller nach Osten, aber auch der Sonneneinfall von Osten und Südosten auf das Grundstück merklich geschmälert, wenn der östliche Grundstücksnachbar die Festsetzungen der Änderung ausnutzen und statt des bisherigen Flachdachs ein Dach mit einer Neigung von 25° errichten würde. Das östlich benachbarte Wohnhaus ist nur ca. 3 m von der westlichen Grundstücksgrenze entfernt, so daß eine bei Vollzug der 1. Änderung zulässige Erhöhung des Daches um mehrere Meter sich nicht nur geringfügig auswirken würde. Insbesondere ergäbe sich beim Blick nach Osten eine deutlich stärkere "optische Einengung" durch die Nachbarbebauung.
Das Interesse der Antragsteller daran, eine derartige nachteilige Veränderung zu verhindern, ist ein ihre Antragsbefugnis rechtfertigendes, schutzwürdiges und nicht nur objektiv geringwertiges Interesse. Der Umstand, daß diese Veränderung die Grenze der Zumutbarkeit noch nicht überschreiten dürfte, läßt sich nicht als Argument gegen die Antragsbefugnis der Antragsteller verwenden. Ebensowenig ist es für die Annahme der Antragsbefugnis erforderlich, daß die in der ursprünglichen Fassung enthaltene Festsetzung von Flachdächern auch dem Schutz der Antragsteller diente. Denn der Begriff des Nachteils i.S. des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO setzt derartige für die Begründung einer Rechtsverletzung i.S. der §§ 42 Abs. 2, 113 VwGO notwendige Erfordernisse nicht voraus. Für ihre Betroffenheit in schutzwürdigen, die Antragsbefugnis begründenden Interessen reicht es aus, daß sie als Grundstückseigentümer innerhalb eines Bereichs des Bebauungsplanes aufgrund der hierfür getroffenen bisherigen Festsetzungen und der entsprechend vollzogenen Bebauung in gewissem Umfang darauf vertrauen konnten, daß Sicht und Sonne nicht durch geneigte Dächer eingeschränkt würden (vgl. den Senatsbeschl. vom 30. 6. 1987 - 1 OVG C 19/86 -, BRS 47 Nr. 13). Dabei ist hier zu ihren Gunsten zu berücksichtigen, daß es sich bei ihrem Grundstück und den benachbarten Grundstücken um noch relativ schmale Grundstücke von ca. 24 m Breite handelt, bei denen es auf der Hand liegt, daß eine Veränderung der Dachform nicht ohne Auswirkungen auf die Sicht- und Lichtverhältnisse bleibt.
Die aufgezeigten Umstände bedeuten nicht, daß wegen des schutzwürdigen Vertrauens der Antragsteller die Festsetzungen der ursprünglichen Fassung nicht geändert werden dürften, sondern nur, daß deswegen das Interesse der Antragsteller, eine Einschränkung der Sicht und der Besonnung zu verhindern, zum notwendigen Abwägungsmaterial zu zählen und damit die Enttäuschung des Vertrauens durch die angegriffene Zulassung von geneigten Dächern als Nachteil i.S. des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO zu werten ist (vgl. den Senatsbeschl. v. 30. 6. 1987, aaO und das Senatsurt. v. 1. 6. 1990 - 1 K 7/89 -).
Da die Antragsbefugnis der Antragsteller sich schon aus einer Veränderung des östlichen Nachbarhauses ableiten läßt, mit der die Antragsteller rechnen müssen, wenn die 1. Änderung nicht für nichtig erklärt wird, kann offenbleiben, ob auch der schon vollzogene Bau eines Daches auf dem westlichen Nachbargrundstück eine Antragsbefugnis begründen kann, selbst wenn die entsprechende Baugenehmigung schon unanfechtbar ist.
2. Der Antrag ist begründet, weil die 1. Änderung des Bebauungsplanes Nr. 5 aus formellen Gründen unwirksam ist. Sie leidet an einem nach § 214 Abs. 1 Nr. 1 BauGB beachtlichen Verfahrensfehler. Denn die Antragsgegnerin hat die in die Ursprungsfassung des Bebauungsplanes aufgenommenen Festsetzungen über Flachdächer nicht nach der hier mindestens anwendbaren Vorschrift über die vereinfachte Änderung von Bebauungsplänen (§ 13 Abs. 1 BauGB) geändert.
Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 BauGB findet ein vereinfachtes Änderungsverfahren statt, wenn durch die Änderungen eines Bebauungsplanes die Gründzüge der Planung nicht berührt werden. Nach § 13 Abs. 1 Satz 2 BauGB ist dabei u.a. den Eigentümern der von den Änderungen betroffenen Grundstücke Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb angemessener Frist zu geben. Der Senat kann hier offenlassen, ob durch die Festsetzungen der 1. Änderung die Grundzüge der bisherigen Planung berührt werden. Selbst wenn man dieses zugunsten der Antragsgegnerin verneint, ist die 1. Änderung verfahrensfehlerhaft zustande gekommen, weil die Antragsgegnerin bei dem Änderungsverfahren auch die im Verhältnis zu dem normalen Bürgerbeteiligungsverfahren (§ 3 Abs. 2 BauGB) geringeren Anforderungen des vereinfachten Beteiligungsverfahrens nach § 13 Abs. 1 Satz 2 BauGB nicht beachtet hat.
a) Die Änderungen der bisherigen baugestalterischen Festsetzungen für Flachdächer in Festsetzungen, nach denen geneigte Dächer zulässig sind, sind "Änderungen eines Bebauungsplans" i.S. des § 13 Abs. 1 BauGB, für deren Wirksamkeit die Einhaltung des für sonstige gemeindliche Satzungen ausreichenden Satzungsverfahrens nicht genügte. Denn die bisherigen Festsetzungen sind durch die Aufnahme in den Plan trotz des Fortbestands ihres materiell bauordnungsrechtlichen Charakters integrierte Bestandteile eines einheitlichen Planes geworden und nicht nur rein äußerlich mit den bauplanungsrechtlichen Festsetzungen des Planes zusammengefaßt worden. Das ergibt sich aus der für die Aufnahme in den Plan damals maßgeblichen bundesrechtlichen Ermächtigung des § 9 Abs. 2 BBauG 1960 i.V.m. der auf diese Ermächtigung Bezug nehmenden landesrechtlichen Regelung des § 1 des Gesetzes über baugestalterische Festsetzungen vom 10. April 1969 (GVOBl Schl.-H. S. 59) - BaugestaltungsG -. Nach § 9 Abs. 2 BBauG 1960 können Festsetzungen über die äußere Gestaltung baulicher Anlagen in den Bebauungsplan aufgenommen werden; insoweit vergleichbare Bestimmungen sind in den später folgenden Regelungen der §§ 9 Abs. 4 BBauG 1976/79, BauGB enthalten. In Ausfüllung dieser Ermächtigung bestimmt § 1 BaugestaltungsG, daß in den Bebauungsplan auch Festsetzungen über die äußere Gestaltung baulicher Anlagen aufgenommen werden können (Satz 1) und daß § 12 BBauG anzuwenden ist (Satz 2; entsprechend die vergleichbare Regelung der Nachfolgeregelung des § 82 Abs. 4 LBO 1983).
Schon der Wortlaut des § 9 Abs. 2 BBauG 1960 ("in den Bebauungsplan aufgenommen werden" können) weist darauf hin, daß der Bundesgesetzgeber mit dieser Ermächtigung an den Landesgesetzgeber nicht bloß die äußerliche Zusammenfassung einer bauordnungsrechtlichen und bauplanungsrechtlichen Satzung an einer Stelle zulassen will, sondern die Verbindung der bauordnungsrechtlichen mit den bauplanungsrechtlichen Vorschriften zu einem einheitlichen aufeinander abgestimmten Konzept (ebenso zu der vergleichbaren Vorschrift des § 9 Abs. 4 BauGB Gaentzsch, Berliner Kommentar zum BauGB, 1988, § 9 Rdnr. 70 f; Manssen, Stadtgestaltung und örtliche Bauvorschriften, Schriften zum öffentlichen Recht Bd. 583, 1990, S. 227). Mit ihrer Formulierung unterscheidet sich die Bestimmung deutlich von anderen Regelungen, die, wie etwa die "nachrichtliche Übernahme" (vgl. § 9 Abs. 4 BBauG 1960, § 9 Abs. 6 BauGB, BBauG 1976/79) nur eine rein äußerliche Zusammenfassung zweier materiell unterschiedlicher Regelungen an einem Ort vorsehen.
Die sich nach dem Wortlaut aufdrängende Auslegung ist auch sachgerecht. Bei den Gestaltungsvorschriften, die nach § 9 Abs. 2 BBauG 1960 und den entsprechenden späteren Regelungen des BBauG 1976/79 und des BauGB in den Bebauungsplan aufgenommen werden können, handelt es sich im wesentlichen um Bestimmungen, die eine sachliche Nähe oder Verwandtschaft zu den nach § 9 Abs. 1 BBauG/BauGB möglichen planungsrechtlichen Inhalten des Bebauungsplanes haben. Bei ihnen bietet es sich wegen des Sachzusammenhanges besonders an, sie mit den planerischen Festsetzungen zu einem Plan zu verbinden (vgl. Gaentzsch, aaO § 9 Rdnr. 67). Geht man von dieser Zielrichtung der bundesrechtlichen Ermächtigung aus, dann folgt hieraus, ohne daß der Gesetzgeber dies ausdrücklich aussprechen mußte, daß die bauordnungsrechtlichen und die bauplanungsrechtlichen Festsetzungen in ein und demselben Bebauungsplanverfahren zu einem einheitlichen Plan zusammengefügt werden müssen (vgl. Gaentzsch, aaO, § 9 Rdnr. 70 zu § 9 Abs. 4 BauGB; ebenso Manssen, aaO S. 231 f). Von einem bauplanungsrechtliche und bauordnungsrechtliche Festsetzungen als Einheit umfassenden Plan kann man nur sprechen, wenn hinsichtlich dieser Festsetzungen ein Verfahren durchgeführt worden ist, so wie es hier auch bei der Aufnahme der Festsetzungen für Flachdächer in den Ursprungsplan geschehen ist. Der Senat braucht hier nicht näher darauf einzugehen, ob hiernach alle für das Verfahren zur Aufstellung von Bebauungsplänen maßgeblichen Vorschriften automatisch auch auf baugestalterische Regelungen anzuwenden sind, die in den Bebauungsplan aufgenommen werden sollen (gegen eine derartige ausnahmslose Anwendung: Manssen, aaO S. 233 f). Jedenfalls setzt das gesetzgeberische Ziel eines eine Einheit darstellenden Planes voraus, daß auch hinsichtlich der baugestalterischen Festsetzungen das für das Bauleitverfahren zentrale Stadium der öffentlichen Auslegung des Entwurfs (§ 2 Abs. 6 Satz 1 BBauG 1960, § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB) durchlaufen werden muß (vgl. Manssen, aaO S. 235). Aus diesem Verständnis der bundesrechtlichen Ermächtigung ergibt sich weiter, daß auch für die Änderung der in den Plan aufgenommenen baugestalterischen Vorschriften, auch wenn nur derartige Festsetzungen und nicht zugleich planerische Festsetzungen geändert werden sollen, ein Bebauungsplanverfahren zur Änderung des Bebauungsplanes nach den Vorschriften des BBauG/BauGB (vgl. z.B. die §§ 2 Abs. 4, 3 Abs. 2 BauGB bzw. § 13 Abs. 2 BauGB) durchgeführt werden muß - möglicherweise unter Nichtanwendung einiger für örtliche Bauvorschriften nicht passender Regelungen (ebenso Bosch, Die Aufstockung von Flachdachgebäuden, Nachbarschutz, gestalterische Vorschriften und Bebauungsplan, ZfBR 1987, 82, 185 m.w.N.; anderer Ansicht Nr. 7.4 des Erlasses des Innenministers vom 27. 10. 1987, ABl Schl.-H. 1987 S. 434, 450). Die Änderung der in den Bebauungsplan aufgenommenen baugestalterischen Vorschriften durch das bei gemeindlichen Satzungen maßgebliche normale Satzungsverfahren würde dem Umstand, daß die gestalterischen Vorschriften mit den bauplanerischen Festsetzungen zu einer Einheit verschmolzen sind, nicht Rechnung tragen.
b) Der Landesgesetzgeber hat von der in § 9 Abs. 2 BBauG 1960 enthaltenen Ermächtigung in einem Umfang Gebrauch gemacht, daß die in dieser Ermächtigung zugelassene Aufnahme in den im Jahre 1973 in Kraft gesetzten ursprünglichen Plan möglich war. Die in § 1 des BaugestaltungsG enthaltene Regelung über die Aufnahme gestalterischer Festsetzungen in Bebauungspläne läßt die geschilderte Zusammenfassung bauplanungsrechtlicher und baugestalterischer Festsetzungen zu einem einheitlichen Plan zu, der auch, soweit es nur um spätere Änderungen seiner gestalterischen Regelungen geht, unverändert als Einheit angesehen werden muß. Etwas anderes ergibt sich nicht aus § 1 Satz 2 BaugestaltungsG, der bestimmt, daß § 12 des BBauG anzuwenden ist. Aus dieser Vorschrift läßt sich nicht ableiten, daß für die Aufnahme baugestalterischer Festsetzungen in einen Bebauungsplan und für ihre Änderung von den verfahrensrechtlichen Vorschriften des BBauG nur die Bestimmung über die Bekanntmachung von Bebauungsplänen anwendbar sein soll. § 1 Satz 2 BaugestaltungsG hat vielmehr ebenso wie der wortgleiche § 82 Abs. 4 Satz 2 LBO 1983 nur klarstellende Bedeutung. Hierauf weist die Begründung zum Regierungsentwurf des Gesetzes über baugestalterische Festsetzungen ausdrücklich hin (vgl. LT-Drucks. Nr. 542 S. 3 unten). Das heißt, die Bestimmung soll nur verdeutlichen, daß von den verfahrensrechtlichen Vorschriften, die für die Aufstellung und Änderung von Bebauungsplänen maßgeblich sind, auch soweit es um die baugestalterischen Festsetzungen geht, die speziell auf Bebauungspläne abgestellte Regelung über die öffentliche Bekanntmachung maßgeblich sein soll.
c) Die Antragsgegnerin hat bei der Änderung der hier streitigen Bestimmungen über die Dachform das hiernach mindestens vorgeschriebene Verfahren einer vereinfachten Änderung (§ 13 BauGB) nicht eingehalten. Sie hat den Eigentümern der von der Änderung betroffenen Grundstücke nicht gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 BauGB Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb angemessener Frist gegeben. Die von der Antragsgegnerin durchgeführte "Bürgerinformation" am 25. November 1987 kann nicht als ordnungsgemäßes Beteiligungsverfahren im Sinne dieser Bestimmung angesehen werden.
Die Antragsgegnerin hat mit ihrem Schreiben vom 17. November 1987, durch das sie die Einwohner der Straßenzüge ... und ..., u.a. auch die Antragsteller, zu der Bürgerinformation einlud, nur mitgeteilt, daß die Gemeinde die Bürger über die beabsichtigte Änderung "informieren" werde. Damit ist den Einwohnern und auch den Antragstellern bei verständiger Würdigung nicht eine "Gelegenheit zur Stellungnahme" eingeräumt worden. Die Adressaten des Schreibens brauchten nach diesem Inhalt nicht davon auszugehen, sie könnten auf der angekündigten Veranstaltung nicht nur Informationen entgegennehmen, sondern darüber hinaus auf den Inhalt der - am folgenden Tage dann schon beschlossenen - Planänderung Einfluß nehmen.
Da die angefochtene Änderung schon aus formellen Gründen nichtig ist, braucht der Senat nicht darauf einzugehen, ob auch materiell-rechtliche Mängel vorliegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf analoger Anwendung des § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Das Verfahren war nicht dem Bundesverwaltungsgericht vorzulegen, weil die Voraussetzungen des § 47 Abs. 5 VwGO nicht vorliegen.
Beschluß
Der Streitwert wird auf 15.000,-- DM festgesetzt.
Dr. Pietsch
Dr. Bock
Fries