Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 05.09.1990, Az.: 17 OVG B 10/88
Feststellung der Rechtswidrigkeit einer vorläufigen Regelung zur Genehmigung einer Gefechtsübung ohne Zustimmung des Personalrates; Anforderungen an Trennung von ABC/Se Übungen und Gefechtsübungen; Fortsetzungsfeststellungsantrag bei unaufschiebbaren Regelungen; Zulässigkeit der Vorwegnahme der Hauptsache bei einstweiligen Anordnungen; Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellung im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 05.09.1990
- Aktenzeichen
- 17 OVG B 10/88
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1990, 19237
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1990:0905.17OVG.B10.88.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Schleswig-Holstein - 31.03.1988 - AZ: PB VG 9/87
Rechtsgrundlagen
- § 69 Abs. 5 BPersVG
- § 75 Abs. 3 Nr. 15 BPersVG
Verfahrensgegenstand
Rechtmäßigkeit einer vorläufigen Regelung
In der Personalvertretungssache
hat der 17. Senat - Fachsenat für Personalvertretungssachen des Bundes - des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein
am 5. September 1990
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Dembowski sowie
die ehrenamtlichen Richter Postamtsrat Kibies,
Verwaltungsdirektor Klitzsch,
Postdirektor Königschulte und
Angestellter Reimann
ohne mündliche Anhörung beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - Fachkammer für Personalvertretungssachen - vom 31. März 1988 wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Antragsteller erstrebt die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer vorläufigen Regelung.
Er hatte am 8. Oktober 1987 der Gefechtsübung Marine in der Zeit vom 6. November 1987 bis 11. November 1987 im Bereich des Marinemunitionsdepots ... gemäß Ausbildungsbefehl/-anordnung des Beteiligten vom 30. September 1987 nach § 75 Abs. 3 Nr. 15 BPersVG zugestimmt. Am 16. Oktober 1987 änderte und ergänzte der Beteiligte diesen Ausbildungsbefehl/-anordnung dahin, daß am 10. November 1987 zwischen 14 Grad Grad und 16 Grad Grad Uhr in Gelände des Depots eine ABC/Se.-Ausbildung auch für die Zivilbeschäftigten als Angehörige der entsprechenden ABC/Se.Trupps durchgeführt werden sollte. Der Änderung versagte der Antragsteller am selben Tage seine Zustimmung mit der Begründung, nach dem Fernschreiben des Marineunterstützungskommandos in ... vom 16. Januar 1985 fehle es an einer rechtlichen Grundlage für den Einsatz von Zivilbeschäftigten der ABC/Se.Trupps bei militärischen Übungen; sie dürften nur zeitlich und räumlich getrennt von Gefechtsübungen durchgeführt werden. Der Beteiligte leitete am 21. Oktober 1987 das Stufenverfahren ein und kündigte dem Antragsteller an, bei nicht rechtzeitigem Entscheidungseingang im Stufenverfahren die in Aussicht genommene Übung, für die die Gefechtsübung Marine unterbrochen werde, als vorläufige Regelung nach § 69 Abs. 5 BPersVG anzuordnen, was am 29. Oktober 1987 im Zusammenhang mit dem ergänzenden Depotbefehl 7/87 vom selben Tage geschah. Die Übung wurde auch wie geplant und befohlen am 10. November 1987 durchgeführt. Im Stufenverfahren wurde zwischen dem Marineunterstützungskommando und dem Bezirkspersonalrat eine Einigung dahin erzielt, daß die ABC/Se-Übungen räumlich und zeitlich getrennt von den Gefechtsübungen durchzuführen seien, daß sie künftig vor oder nach Gefechtsübungen stattfinden müssen und daß sich das Marineunterstützungskommando in begründeten Ausnahmefällen eine andere Regelung vorbehielt.
Der Antragsteller hat am 22. Dezember 1987 das Verwaltungsgericht angerufen und geltend gemacht:
Die Dringlichkeit der Maßnahme sei hausgemacht gewesen. Dem Beteiligten sei seit zwei Jahren bekannt, daß Übungen mit Zivilbediensteten räumlich und zeitlich getrennt von militärischen Gefechtsübungen abzuhalten seien. Es verfange auch nicht das haushaltsmäßige Argument, durch einmaliges Heranziehen des Prüf- und Kontrollpersonals aus Wilhelmshaven Kosten zu sparen. Denn dasselbe Prüfpersonal, das am 10. November 1987 beim Munitionsdepot und der Übung gewesen sei, habe schon am 23./25. November 1987 wiederum im Munitionsdepot die Personalbesichtigung abgenommen; in diesem Rahmen habe auch eine Ausweichmöglichkeit für die ABC/Se-Übung bestanden.
Der Antragsteller hat beantragt festzustellen, daß die vom Beteiligten ohne Zustimmung des Antragstellers angeordnete Maßnahme der Durchführung der ABC/Se-Ausbildung am 10. November 1987 als vorläufige Regelung gemäß § 69 Abs. 5 BPersVG rechtswidrig war.
Der Beteiligte hat beantragt,
den Antrag abzulehnen,
und erwidert: die Gefechtsübung sei unterbrochen und somit die ABC/Se-Übung im Interesse der Zivilbediensteten zeitlich und räumlich von ihr getrennt nur im inneren Bereich des Munitionsdepots, nämlich im technischen Verwaltungsbereich durchgeführt worden. Eine andere Terminplanung sei wegen des benötigten Prüf- und Kontrollpersonals im Jahre 1987 nicht mehr möglich gewesen, insbesondere auch nicht für den 23./24. November. Im übrigen habe der Rechtsstreit mit der klarstellenden Einigung im Stufenverfahren seine Erledigung gefunden; für ein fortbestehendes Feststellungsinteresse des Antragstellers fehle es an der notwendigen Wiederholungsgefahr.
Mit Beschluß vom 31. März 1988 hat das Verwaltungsgericht den Antrag des Antragstellers abgelehnt, im wesentlichen aus folgenden Gründen:
Der Antrag sei zwar zulässig, weil das erforderliche Fortsetzungsfeststellungsinteresse in Gestalt einer Wiederholungsgefahr trotz der bindenden Entscheidung im Einigungsverfahren gegeben sei. Der Antrag sei in der Sache aber nicht begründet, weil die beabsichtigte Maßnahme hier unaufschiebbar und auch einer vorläufigen Regelung zugänglich gewesen sei. Ähnlich wie bei einstweiligen Anordnungen sei eine Vorwegnahme der Hauptsache dann zulässig, wenn anderenfalls irreparable Rechtsverluste einträten. So liege es hier. Die Pflicht des Beteiligten, die Übung noch im Jahr 1987 durchzuführen, wäre ohne die vorläufige Regelung nicht erfüllbar oder durchsetzbar gewesen. Die Feststellung der Einsatzbereitschaft der zu überprüfenden Trupps erst für 1988 sei gegenüber der hier streitigen Feststellung der Einsatzbereitschaft für 1987 ein aliud und nicht geeignet, dieses später zu ersetzen.
Gegen den ihm am 26. Mai 1988 zugestellten Beschluß richtet sich die am 20. Juni 1988 eingelegte und nach entsprechender Fristverlängerung am 11. August 1988 begründete Beschwerde des Antragstellers, mit der er sein erstinstanzliches Vorbringen vertieft.
Der Antragsteller beantragt,
den angefochtenen Beschluß zu ändern und nach seinem erstinstanzlichen Antrag zu entscheiden.
Der Beteiligte beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er verteidigt den angefochtenen Beschluß.
Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes hat das Verwaltungsgericht das Begehren des Antragstellers, dem Beteiligten im Wege der einstweiligen Anordnung die Durchführung der ABC/Se-Ausbildung am 10. November 1987 von 14 Grad Grad bis 16 Grad Grad zu untersagen, mit Beschluß vom 9. November 1987 - PL VG 7/87 - abgelehnt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Akten des Verfahrens PL VG 7/87 Bezug genommen.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
II.
Die zulässige Beschwerde, über die gemäß §§ 83 Abs. 4 Satz 3, 87 Abs. 2 ArbGG ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte, ist nicht begründet.
Der Antrag des Antragstellers ist schon deshalb abzulehnen, weil für ihn das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis nicht mehr gegeben ist. Dabei kann offenbleiben, ob der Ausbildungsbefehl/-anordnung des Beteiligten vom 16. Oktober 1987 überhaupt der Mitbestimmung nach § 75 Abs. 3 Nr. 15 BPersVG unterlag und die Durchführung der ABC/Se-Ausbildung am 10. November 1987 zwischen 14 Grad Grad und 16 Grad Grad Uhr deshalb einer vorläufigen Regelung bedurfte (vgl. dazu OVG Lüneburg, Beschl. v. 29.3.1984 - 17 OVG B 10/83 -). Selbst wenn das zu bejahen wäre, fehlt jedenfalls das Rechtsschutzinteresse für den Antrag, weil die allgemeinen und grundsätzlichen Fragen im Zusammenhang mit einer vorläufigen Regelung nach § 69 Abs. 5 BPersVG durch die neuere Rechtsprechung des BVerwG (vgl. Beschl. v. 19.4.1988 - 6 P 33.85 -, PersR 1988, 159; Beschl. v. 22.8.1988 - 6 P 27.85 -, PersR 1988, 269) inzwischen hinreichend geklärt sind, die im Antrag bezeichnete konkrete ABC/Se-Ausbildung aber längst durchgeführt wurde und die zwischen den Beteiligten damals streitigen Einzelfragen nach der Einigung im Stufenverfahren eine Wiederholungsgefahr nicht mehr begründen können. Durch die genannten Entscheidungen ist inzwischen klargestellt, daß die Bestimmung des § 69 Abs. 5 BPersVG eine Ausnahmeregelung ist, die nur vorläufige Maßnahmen gestattet. Voraussetzung für eine vorläufige Regelung nach § 69 Abs. 5 BPersVG ist deshalb, daß der zu regelnde Sachverhalt seinem Gegenstand nach eine einstweilige Regelung zuläßt, die weder rechtlich noch tatsächlich vollendete Tatsachen schafft. Eine vorläufige Regelung, welche die beabsichtigte und umstrittene Maßnahme wie im vorliegenden Fall praktisch vorwegnimmt, ist regelmäßig mit dem gebotenen Schutz des Mitbestimmungsrechts des Personalrats nicht in Einklang zu bringen.
Zu Unrecht beruft sich der Antragsteller hier auf die prozessuale Zulässigkeit einer Fortsetzungsfeststellung. Eine solche ist im personalvertretungsrechtlichen Beschlußverfahren gerade nicht vorgesehen; deshalb hat das BVerwG seine früher großzügige Beurteilung des Rechtsschutzbedürfnisses auch eingeschränkt und bejaht ein solches nur noch, wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür spricht, daß sich die Rechtsfragen, die der Antrag aufwirft, unter denselben Verfahrensbeteiligten wiederum stellen werden (BVerwG, Beschl. v. 12.8.1988 - 6 P 9.87 -, BVerwGE 80, 50; vgl. auch BAG, Beschl. 26.4.1990 - 1 ABR 79/89). Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Dabei ist zunächst darauf hinzuweisen, daß die Rechtsfrage, die den Streit der Beteiligten eigentlich ausgelöst hat, inwieweit nämlich Zivilbedienstete der ABC/Se-Trupps in militärische Übungen einbezogen werden dürfen und ob insbesondere eine ABC/Se-Übung mit Zivilbediensteten zwischen eine zu diesem Zweck kurzfristig unterbrochene militärische Übung gelegt werden darf, in einem Beschlußverfahren ohnehin nicht mit verbindlicher Wirkung geklärt werden kann, ... weil diese Rechtsfrage nicht personalvertretungsrechtlicher Natur ist. Im übrigen ist diese Frage hier aber im Stufenverfahren für die Zukunft geklärt worden; eine Lage, die hier zu der vorläufigen Regelung des Beteiligten vom 29. Oktober 1987 führte, wird deshalb aller Voraussicht nach zwischen diesem und dem Antragsteller nicht mehr eintreten. Denn in diesem Stufenverfahren wurde zwischen dem Marineunterstützungskommando und dem Bezirkspersonalrat am 10. Dezember 1987 Einigung darüber erzielt, daß ABC/Se-Übungen künftig vor oder nach Gefechtsübungen stattfinden; dadurch wurde der unbestimmte Begriff der "räumlichen und zeitlichen Trennung" von ABC/Se-Übungen und Gefechtsübungen im Sinne des Antragstellers präzisiert. Eine vorläufige Regelung des Inhalts, wie sie im vorliegenden Fall getroffen wurde, ist danach grundsätzlich nicht mehr möglich. Eine Wiederholungsgefahr kann auch nicht aus dem Vorbehalt in Nr. 3 der Einigung vom 10. Dezember 1987 hergeleitet werden, nach dem in begründeten Ausnahmefällen der Kommandeur des Marineunterstützungskommandos eine andere Regelung treffen kann. Denn die Kompetenz für eine solche Ausnahme liegt danach allein bei dem Kommandeur, so daß sich ein entsprechender Streit zwischen dem an diesem Verfahren beteiligten Leiter des Marinemunitionsdepots 6 und dem ihm zugeordneten Antragsteller nicht wiederholen kann.
Die Beschwerde war danach zurückzuweisen.
Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht gegeben sind.
Kibies
Klitzsch
Reimann
Königschulte