Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 05.09.1990, Az.: 17 OVG B 17/88

Erstattungsfähigkeit von Kosten für Teilnahme an Schulungsveranstaltung; Bestimmung des Schulungsbedürfnisses für Erstattungsfähigkeit von Kosten; Anspruch auf Freistellung unter Fortzahlung der Bezüge für Personalratsmitglieder; Anforderungen an Erforderlichkeit der Schulung von Personalratsmitgliedern

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
05.09.1990
Aktenzeichen
17 OVG B 17/88
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1990, 19239
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1990:0905.17OVG.B17.88.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Schleswig-Holstein- 04.08.1988 - AZ: PB 9/88
nachfolgend
BVerwG - 15.05.1991 - AZ: BVerwG 6 PB 1/91

Verfahrensgegenstand

Schulungskosten

In der Personalvertretungssache
hat der 17. Senat - Fachsenat für Personalvertretungssachen des Bundes - des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein
auf die mündliche Anhörung vom 5. September 1990
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Dembowski sowie
die ehrenamtlichen Richter Postamtsrat Kibies,
Verwaltungsdirektor Klitzsch,
Postdirektor Königschulte und
Angestellter Reimann
beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) wird der Beschluß des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - Fachkammer für Personalvertretungssachen (Bund) - vom 4. August 1988 geändert, soweit er dem Antrag des Antragstellers stattgegeben hat.

Der Antrag des Antragstellers wird in vollem Umfang abgelehnt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

1

I.

Der Antragsteller erstrebt die Erstattung der Kosten für eine Schulungsveranstaltung.

2

Er wurde im März 1985 zum Mitglied des Beteiligten zu 2), in der Gruppe der Arbeiter gewählt. Vom 24. bis zum 28. November 1986 nahm er an einer Schulungsveranstaltung der ÖTV in ... "Grundlagen des Personalvertretungsrechts I (BPersVG)" teil, für die der Beteiligte zu 1) die Kosten übernahm. Am 9. Juni 1987 beschloß der Beteiligte zu 2), den Antragsteller zu dem Seminar der ÖTV "Grundlagen des Personalvertretungsrechts II Bund" in Malente vom 26. bis 30. Oktober 1987 zu entsenden. Den Antrag auf Freistellung gemäß § 46 Abs. 6 BPersVG und Kostenübernahme lehnte der Beteiligte zu 1) mit der Begründung ab, die subjektive Erforderlichkeit sei nicht gegeben, da der Antragsteller bereits an einer Grundschulung teilgenommen habe.

3

Der Antragsteller hat daraufhin das Verwaltungsgericht angerufen und geltend gemacht: Die Schulung sei auch subjektiv erforderlich gewesen. Nach dem Arbeitsplan habe es sich bei ihr nicht um eine Vertiefung, sondern um eine Erweiterung der notwendigen Grundkenntnisse gehandelt, nämlich den 2. Teil des Grundlagenlehrgangs von Insgesamt 10 Tagen. Der Antragsteller habe sich diese Kenntnisse nach seiner Vorbildung und beruflichen Tätigkeit nicht im Selbststudium vermitteln können.

4

Der Antragsteller hat beantragt,

festzustellen, daß der Beteiligte verpflichtet ist, die erstattungsfähigen Kosten für die Teilnahme des Antragstellers an der Schulungsveranstaltung vom 26. bis 30. Oktober 1987 zu erstatten.

5

Der Beteiligte hat beantragt,

den Antrag abzulehnen,

6

und dazu seine Auffassung vertieft, für eine Grundschulung reiche in aller Regel eine Dauer von einer Woche aus; besondere Umstände für eine Ausnahme von diesem Grundsatz lägen hier nicht vor.

7

Mit Beschluß vom 4. August 1988 hat das Verwaltungsgericht dem Antrag des Antragstellers zu zwei Fünfteln entsprochen und ihn im übrigen abgelehnt, im wesentlichen aus folgenden Gründen:

8

Die Erforderlichkeit der Schulung könne hier für den zweiten Grundlagenkurs (Personalvertretungsrecht II) nicht deshalb schlechthin verneint werden, weil der Antragsteller schon in der Zeit vom 24. bis 28. November 1986 an einem Grundkurs (Personalvertretungsrecht I) teilgenommen habe. Eine feste Begrenzung in dem Sinne, daß ein Grundkurs nicht länger als 5 bis 6 Tage dauern dürfe, lasse sich der Rechtsprechung nicht entnehmen. Ein weiteres Schulungsbedürfnis sei aber nicht gegeben, wenn der vorangegangene Grundkurs von seiner Thematik her so umfassend war, daß es einer weiteren Schulung nicht bedurft habe. Zielte der zweite Lehrgang allenfalls mittelbar und am Rande auf die Vermittlung weiterer, im ersten Lehrgang nicht vorgesehener Grundkenntnisse ab, diente er vielmehr vorrangig in Anknüpfung an die bereits vermittelten Grundkenntnisse dem Erfahrungsaustausch und der Einübung von Verhaltensweisen auf der Grundlage der dazu erforderlichen und zuvor vermittelten Rechtskenntnisse, so fehle es an der Erforderlichkeit im Sinne von § 46 Abs. 6 BPersVG.

9

Im vorliegenden Fall habe der Lehrgang nicht lediglich dem Austausch und der Vertiefung schon vorhandenen Wissensstoffes gedient. Sein Gegenstand sei primär das Thema Mitbestimmung, Mitwirkung, Anhörung gewesen, das im ersten Lehrgang nur am Rande behandelt worden sei. Die Themen beider Kurse seien offensichtlich vom gleichen Veranstalter aufeinander abgestimmt worden; sie dienten zulässigerweise einer breiteren Vermittlung des Wissensstoffes der Grundschulung. Dabei dürfe jedoch das Prinzip der sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel nicht außer acht gelassen werden. Der Veranstalter sei mithin gehalten, das Programm zu straffen, da im Rahmen einer Grundschulung eben nur grundsätzliches Wissen vermittelt werden könne. Bei Durchsicht der Arbeitspläne beider Veranstaltungen falle auf, daß die behandelten Themen teilweise relativ breit angelegt seien. Hier sei das Gebot sparsamer Verwendung öffentlicher Mittel nicht genügend beachtet worden. Der Stoff einer im obigen Sinne umfassenden Grundschulung könne an insgesamt sieben Unterrichtstagen vermittelt werden. Es sei nicht zu beanstanden, daß der Stoff in zwei einander ergänzenden Schulungsveranstaltungen dargebracht werde. Hier sei der Schulungsanspruch des Antragstellers durch den Kurs Personalvertretungsrecht I in der Zeit vom 24. bis 28. November 1986 jedoch bereits in Höhe von 5 Tagen verbraucht. Im Umfange des verbleibenden Anspruches von 2 Schulungstagen sei dem Antrag zu entsprechen, im übrigen müsse er abgelehnt werden.

10

Gegen den ihm am 23. August 1988 zugestellten Beschluß richtet sich die am 21. September 1988 eingelegte und am 17. Oktober 1988 begründete Beschwerde des Beteiligten zu 1), mit der er sein erstinstanzliches Vorbringen vertieft.

11

Der Beteiligte zu 1) beantragt,

den angefochtenen Beschluß zu ändern, soweit er dem Antrag des Antragstellers stattgegeben hat, und diesen Antrag in vollem Umfang abzulehnen.

12

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

13

Er verteidigt den angefochtenen Beschluß.

14

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, die Gegenstand der mündlichen anhörung waren, Bezug genommen.

15

II.

In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist zunächst klarzustellen, daß auch der Personalrat bei der Standortverwaltung ... am Verfahren beteiligt ist, um dessen Entsendungsbeschluß gemäß § 46 Abs. 6 BPersVG es hier geht.

16

Soweit das Verwaltungsgericht den Antrag des Antragstellers abgelehnt hat, ist diese Entscheidung rechtskräftig, weil der durch sie beschwerte Antragsteller sie nicht angefochten hat. Soweit das Verwaltungsgericht dem Antrag zu 2/5 stattgegeben hat, ist die zulässige Beschwerde des Beteiligten zu 1) begründet. Der Antrag ist in vollem Umfang abzulehnen.

17

Das Verwaltungsgericht hat den Fall so beurteilt, als stände dem Antragsteller ein zeitlich begrenzter Schulungsanspruch von 7 Tagen zu, den er mit der ersten Grundschulung im November 1986 nur teilweise ausgeschöpft und deshalb mit 2 Tagen des hier streitigen Seminars erst voll in Anspruch genommen habe. Das ist mit der gesetzlichen Regelung indessen nicht vereinbar. Einen zeitlich fest umrissenen, auch in mehreren Teilen realisierbaren Anspruch auf Freistellung unter Fortzahlung der Bezüge gewährt § 46 Abs. 7 BPersVG dem Personalratsmitglied zur Teilnahme an Schulungsveranstaltungen, die von der Bundeszentrale für politische Bildung als geeignet anerkannt sind. Dieser Anspruch ist hier nicht im Streit; der Beteiligte hat den Antragsteller mit Schreiben vom 14. Oktober 1987 gemäß § 46 Abs. 7 BPersVG freigestellt. Hier geht es vielmehr um die Erstattung der Kosten für eine Schulung gemäß § 46 Abs. 6 BPersVG. Diese Vorschrift legt die Dauer der Freistellung nicht fest, verlangt andererseits aber, daß die Schulung nicht nur geeignet, sondern für die Tätigkeit im Personalrat objektiv und subjektiv erforderlich ist, was der Personalrat in einem auf die jeweilige Veranstaltung und das ausgewählte Mitglied bezogenen Entsendungsbeschluß festzustellen hat. Die Erforderlichkeit ist objektiv nicht gegeben, wenn die Dauer der Veranstaltung unter Berücksichtigung des Grundsatzes der sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel nicht mehr angemessen ist. Subjektiv fehlt es regelmäßig an der Erforderlichkeit, wenn das entsandte Mitglied der Schulung nicht (mehr) bedarf oder dem Personalrat andere mit der Materie vertraute Mitglieder angehören (vgl. Lorenzen/Haas/Schritt, § 76 Rdnr. 119 f m.w.N.). Nach diesen Grundsätzen war das Seminar "Grundlagen des Personalvertretungsrechts II" für den Antragsteller nicht erforderlich. Es war keine Spezialschulung, sondern sollte nach dem Vorbringen des Antragstellers und des Beteiligten zu 2) den zweiten Teil der personalvertretungsrechtlichen Grundschulung darstellen, an welcher der Antragsteller bereits vom 24. bis 28. November 1986 teilgenommen hatte. Für eine derartige Grundschulung wird jedoch in Rechtsprechung und Schrifttum eine Dauer von einer Woche regelmäßig als ausreichend angesehen (BVerwGE 58, 54, 66 [BVerwG 27.04.1979 - 6 P 45/78]; Bay.VGH, Beschl. v. 9.3.1989, ZBR 1990, 226; Fischer/Goeres, GKÖD, Bd. V, § 46 Rdnr. 64). Das ist zwar, wie das BVerwG (Beschl. v. 18.8.1986 - 6 P 18.84 -, PersV 1987, 286) klargestellt hat, keine schematische Obergrenze. Die Überschreitung dieses Erfahrenswerts bedarf aber einer besonderen Rechtfertigung, an der es hier fehlt. Grundlegende Neuerungen des vom Personalrat zu beachtenden Rechts, deren Aneignung im Selbststudium nicht zumutbar erschien, waren seit dem Herbst 1987 nicht eingetreten. Die Begründung des Antragstellers und des Beteiligten zu 2) läuft darauf hinaus, daß generell eine personalvertretungsrechtliche Grundschulung wegen ihres umfassenden Inhalts auf zwei jeweils einwöchige Veranstaltungen zu verteilen ist. Dem kann indessen nicht zugestimmt werden. Bei verständiger Berücksichtigung des Gebots der sparsamen Verwaltung der öffentlichen Mittel genügt für Personalratsmitglieder, die nicht Personalratsvorsitzende sind, zur Vermittlung des Grundwissens vielmehr in der Regel eine einzige mehrtägige, höchstens jedoch einwöchige Schulungsveranstaltung. Diese Grundschulung ist dadurch gekennzeichnet, daß sie nur die Grundkenntnisse vermittelt, die für alle Personalratsmitglieder in gleicher Weise erforderlich sind, damit diese an den Sitzungen der Personalvertretung aktiv teilnehmen, sich an deren Geschäftsbetrieb als solchem in sinnvoller Weise beteiligen und in ihre neue Aufgabe einarbeiten können. Ein knapp zu haltender, allgemeiner geschichtlicher Überblick, die organisatorischen Fragen der Personalvertretung (Aufbau, Wahl, Zusammensetzung, Geschäftsbetrieb), die Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte, das Beteiligungsverfahren und das Recht der Dienstvereinbarungen lassen sich als erster Überblick in insgesamt fünf Tagen ohne Mühe instruktiv darlegen, wenn Spezialthemen, die in ein Aufbauseminar gehören, nur berührt und auch bei den Beteiligungstatbeständen nicht ins Detail gegangen wird (Bay.VGH, a.a.O.).

18

Nach dem vorliegenden Programm erfüllte auch die Grundschulung vom 24. bis 28. November 1986 in Ahrensburg diese Grundanforderungen. Das Seminar vom 26. bis 30. Oktober 1987 in ... sollte nach der Ausschreibung denn auch der "Vertiefung der personalvertretungsrechtlichen Grundkenntnisse" sowie der "genauen Auseinandersetzung über die aktuell in den Dienststellen entstandenen Probleme der Personalratsarbeit" dienen. Damit knüpfte das Seminar aber erkennbar an die bereits vermittelten Grundkenntnisse an, setzte sie voraus und bezweckte vor allem ihre Auffrischung, Aktualisierung sowie Anwendung auf konkrete Streitfälle. Mit dieser Zielsetzung war das Seminar aber für den Antragsteller nach seiner nur knapp ein Jahr zurückliegenden Grundschulung nicht erforderlich.

19

Auf die Beschwerde war danach unter Änderung des angefochtenen Beschlusses, soweit er dem Antrag des Antragstellers stattgegeben hat, dieser Antrag in vollem Umfang abzulehnen.

20

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht gegeben sind.

Kibies
Dr. Dembowski
Klitzsch
Reimann
Königschulte