Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 06.07.2004, Az.: 1 A 153/04
Ausnahmeregelung; Beihilfe; Beihilfefähigkeit; ESWT; extrakorporale Stoßwellentherapie; Fersensporn; Kostenerstattung; Stoßwellentherapie; Therapie; wissenschaftlich nicht anerkannte Methode
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 06.07.2004
- Aktenzeichen
- 1 A 153/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 50647
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 5 Abs 1 S 1 BhV
- § 6 Abs 2 BhV
- § 87c Abs 1 BG ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Die extrakorporale Stoßwellentherapie (ESWT) zur Behandlung einer Fersenspornerkrankung ist in der Regel nicht beihilfefähig, weil diese Methode nicht allgemein wissenschaftlich anerkannt ist.
2. Zur Frage, ob ein Ausnahmefall i. S. d. Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes vorliegt (hier: verneint).
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Beihilfe zu Aufwendungen für eine extrakorporale Stoßwellentherapie (ESWT) zur Behandlung einer Fersenspornerkrankung.
Sie ist als Beamtin des Landes Niedersachsen mit einem Beihilfebemessungssatz von 70 v. H. beihilfeberechtigt. Aufgrund einer Fersenspornerkrankung ließ sie sich ärztlich behandeln, u. a. wurde eine ambulante Stoßwellentherapie durchgeführt. Hierfür berechnete der sie behandelnde Arzt im Mai 2003 einen Betrag in Höhe von insgesamt 2.434,52 EUR.
Den unter dem 5. Juni 2003 gestellten Antrag der Klägerin auf Beihilfe u. a. zu diesen Aufwendungen lehnte das beklagte Landesamt mit Bescheid vom 12. Juni 2003 abgesehen von einem anerkannten beihilfefähigen Betrag in Höhe von 21,44 EUR für die ärztliche Beratung und die symptombezogene Untersuchung ab, da es sich bei der Stoßwellentherapie um eine wissenschaftlich nicht anerkannte Heilmethode handele.
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein, den sie unter Hinweis auf eine von ihr eingeholte Stellungnahme des Facharztes für Innere Medizin ... vom 1. August 2003 und einigen beigefügten Auszügen aus der medizinischen Literatur im Wesentlichen damit begründete, dass die ESWT ein eingeführtes Therapieverfahren in der Orthopädie zur Behandlung verschiedener Krankheiten sei. Nach der umfangreichen wissenschaftlichen Literatur der letzten Jahre sowie sehr zahlreicher in- und ausländischer Kongressberichte sei diese Methode nach dem Ausschöpfen konservativer Behandlungswege sehr wohl wissenschaftlich anerkannt, gut begründet und in den letzten Jahren u. a. gerade bei der Fersenspornerkrankung (Plantarfasciitis) bewährt. In ihrem Fall seien zuvor die gebotenen konservativen Behandlungsverfahren (lokale und systematische antiphogistische Medikation, spezielle Einlagen-Verordnung, spezielle Krankengymnastik) ausgiebig, aber ohne Erfolg versucht worden. Eine Operation sei ausweislich der Stellungnahme der sie behandelnden Ärzte vom 4. November 2003 in ihrem Fall nicht indiziert gewesen, weil eine operative Behandlung beim plantaren Fersensporn häufig schlechte Ergebnisse erbringe und sich bei Durchtrennung der Plantarfaszie auch das Fußgewölbe erheblich ändere, was oft zu vermehrten nachfolgenden Beschwerden führe. Ferner habe sie Angst vor Komplikationen und der Narkose gehabt. Ein Krankenhausaufenthalt und eine längere Arbeitsunfähigkeit sei für sie nicht in Betracht gekommen, da sie ihre stark pflegebedürftige Mutter zu Hause versorge. Die ESWT sei in ihrem Fall die nächste wissenschaftlich begründete, klinisch sinnvolle und wirtschaftliche Therapie gewesen. Diese Behandlung sei auch erfolgreich gewesen. Ihre private Krankenkasse habe die Aufwendungen anstandslos anteilig erstattet.
Das beklagte Landesamt holte daraufhin mehrere amtsärztliche Stellungnahmen des Gesundheitsamtes des Landkreises ... ein. In der Stellungnahme vom 16. September 2003 wird dargestellt, dass es sich bei der ESWT um eine operationsersetzende Therapie zweiter Wahl nach längerfristiger erfolgloser konservativer Behandlung handele. Es bestünden keine gültigen Therapieschemata, um unnötige häufige und additive Anwendungen zu vermeiden und ein evidence basierter Wirksamkeitsnachweis habe bisher nicht erbracht werden können. Der Vorteil bestehe in wenigen Nachbehandlungen oder Arbeitsausfällen. Bei einer geringen Anzahl von Einzelanwendungen und gutem subjektiven Erfolg in Form von Schmerzfreiheit habe sich die Wirksamkeit dieser Behandlung bei der Klägerin erwiesen. Eine vorzeitige Arbeitsunfähigkeit habe somit verhindert werden können. Daher sei eine Anerkennung der Behandlung als beihilfefähig zu empfehlen. In der Stellungnahme des Gesundheitsamtes vom 2. Oktober 2003 wird ergänzend darauf hingewiesen, dass bei der Klägerin eine Operation des Fersensporns bisher noch nicht durchgeführt worden sei. In der weiteren ergänzenden Stellungnahme des Gesundheitsamtes vom 6. Januar 2004 wird ausgeführt, die Einschätzung der die Klägerin behandelnden Ärzte, dass eine Operation des Fersensporns nicht indiziert und mit einem höheren Komplikationsrisiko behaftet gewesen sei, sei glaubhaft und nachvollziehbar, so dass die Amtsärztin sich dieser Einschätzung anschließe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 6. Februar 2004 - zugestellt am 20. Februar 2004 - wies das beklagte Landesamt den Widerspruch der Klägerin gleichwohl zurück. Zur Begründung führte es im Wesentlichen an, die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für die ESWT sei anerkannt nur für die Behandlung der Kalkschulter sowie von nicht heilenden Knochenbrüchen, im Übrigen aber ausgeschlossen. Bei anderen als den aufgeführten Indikationen könne die Beihilfefähigkeit nur dann ausnahmsweise gegeben sein, wenn nachweislich alle zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen anerkannten Behandlungsmethoden bereits angewendet worden seien und zu keinem Erfolg geführt hätten. Als anerkannte Behandlungsmethoden kämen u. a. die Verabreichung von Medikamenten, Bestrahlungen, physikalische Therapien und Operationen in Betracht. Die Ausschöpfung dieser anerkannten Behandlungsmethoden könne nur dann nicht verlangt werden, wenn sie im Einzelfall aus medizinischen Gründen nicht eingesetzt werden dürften. Bei Operationen könne dies der Fall sein, wenn ein hohes Operationsrisiko z. B. wegen Vorerkrankung des Patienten bestehe. Der allgemeine Hinweis darauf, dass durch die ESWT eine Operation und deren höhere Kosten vermieden werden könnten, sei jedoch nicht ausreichend. Aus den vorliegenden Stellungnahmen gehe nicht hervor, dass eine Operation nicht möglich gewesen sei.
Daraufhin hat die Klägerin am 15.März 2004 Klage erhoben, zu deren Begründung sie ihren bisherigen Vortrag vertieft. Nach Ansicht des beklagten Landesamtes hätte sie sich zunächst einer medizinisch nicht indizierten Operation unterziehen müssen, die zudem teurer und aufgrund derer sie für längere Zeit arbeitsunfähig gewesen wäre. Zudem sei davon auszugehen, dass eine Operation nicht den gewünschten Erfolg gebracht hätte.
Die Klägerin beantragt,
das beklagte Landesamt zu verpflichten, ihr eine Beihilfe zu einem Bemessungssatz von 70 v. H. zu mit der Rechnung vom 25. Juni 2003 geltend gemachten Aufwendungen für drei Stoßwellentherapien in Höhe von 2.413,08 EUR zu gewähren, und den Beihilfebescheid des beklagten Landesamtes vom 12. Juni 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Februar 2004 aufzuheben, soweit er diesem Begehren entgegensteht.
Das beklagte Landesamt beantragt,
die Klage abzuweisen,
und vertieft seinerseits die Ausführungen des Widerspruchsbescheides. Im Fall der Klägerin seien nicht alle zur Verfügung stehenden, wissenschaftlich anerkannten Behandlungsmethoden angewendet worden, da eine Operation nicht versucht worden sei. Dies habe das Gesundheitsamt des Landkreises ... in seiner von ihm erbetenen weiteren ergänzenden Stellungnahme vom 5. April 2004 nochmals ausdrücklich bestätigt. Die von der Klägerin hierfür vorgetragenen Gründe, nämlich eventuelle Komplikationen einer Operation und einer Narkose sowie der wegen der pflegebedürftigen Mutter der Klägerin untunliche längere Krankenhausaufenthalt und die höheren Kosten, reichten nicht aus. Denn Gründe, die gegen die konventionelle Behandlungsmethode einer Operation gerade aus medizinischer Sicht sprächen, lägen gerade nicht vor. Auch nach den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen gemäß § 135 Abs. 1 SGB V sei die ESWT bei orthopädischen, chirurgischen und schmerztherapeutischen Indikationen generell ausgeschlossen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat keinen Erfolg.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Beihilfe zu den geltend gemachten Aufwendungen für die extrakorporale Stoßwellentherapie; der angefochtene Bescheid des beklagten Landesamtes vom 5. Juni 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Februar 2004 ist mithin rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Nach § 87 c NBG erhält die Klägerin als niedersächsische Landesbeamtin für Aufwendungen in Krankheitsfällen Beihilfen nach den für die Beamten des Bundes geltenden Vorschriften, also nach den zur Zeit der Entstehung der Aufwendungen geltenden allgemeinen Verwaltungsvorschriften über die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen in der Fassung vom 1. November 2001 (GMBl. S. 918) - BhV -.
Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BhV sind Aufwendungen beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie nach Umfang und Höhe angemessen sind. Das Bundesministerium des Innern kann die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für eine Behandlung nach einer wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Methode begrenzen oder ausschließen (§ 6 Abs. 2 BhV). Das ist hinsichtlich der extrakorporalen Stoßwellentherapie (ESWT) bei orthopädisch-, chirurgisch- und schmerztherapeutischen Indikationen geschehen (vgl. Nr. 2 der Hinweise des BMI zu § 6 Abs. 2 BhV).
1. Als wissenschaftlich anerkannt sind nur solche Methoden und Heilmittel anzusehen, die von der herrschenden oder doch überwiegenden Meinung in der medizinischen Wissenschaft für die Behandlung der jeweiligen Krankheit - sei es als alleiniges Heilmittel oder als zusätzliche Therapie - als wirksam und geeignet erachtet werden (BVerwG, Urt. v. 18.6.1998 - 2 C 24.97 -, NJW 1998, 3436; BVerwG, Urt. v. 29.6.1995 - 2 C 15.94 -, DÖV 1996, 37; Nds. OVG, Urt. v. 10.11.1998 - 5 L2829/96 -; Beschl. v. 24.4.2003 - 2 LA 28/03 -; Beschl. v. 19.4.2004 - 2 LA 293/03 -). Eine derartige allgemeine wissenschaftliche Anerkennung der ESWT liegt nicht vor (Nds. OVG, Beschl. v. 19.4.2004 - 2 LA 293/03 unter Hinweis auf VGH Mannheim, Beschl. v. 3.5.2002 - 4 S 5127/02 -; Topka/Möhle, Kommentar zum Beihilferecht Niedersachsens und des Bundes, Stand: Januar 2004, § 6 Anm. 20.6.2). Diesem Erkenntnisstand tragen die Beihilfevorschriften Rechnung, in denen die ESWT den wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Behandlungsmethoden zugeordnet wird (vgl. Abschnitt A.1.2 des RdSchr. d. BMI v. 28.9.1998, GMBl. S. 938, und Abschn. II.1.2 des RdErl. d. Nds. MF v. 13.10.1998, Nds. MBl. S. 1370). Im Gegensatz zu früher sind die Aufwendungen für eine ESWT nunmehr zwar nicht mehr völlig von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen, sondern seit dem 18. Dezember 2002 ausnahmsweise für die Behandlung der Kalkschulter (Tendinosis calcarea) und von nicht heilenden Knochenbrüchen (Pseudarthrose) beihilfefähig (vgl. Abschn. A.1.e des RdSchr. d. BMI v. 18.12.2002, GMBl. 2003 S. 54, und Nr. 1 e des RdErl. d. Nds. MF v. 6.1.2003, Nds. MBl. S. 142). Im Übrigen aber hat die ESWT nach wie vor nur experimentellen Charakter (Nds. OVG, Beschl. v. 19.4.2004 - 2 LA 293/03 -; Topka/Möhle, a. a. O.).
Die in den vorstehend genannten Verwaltungsvorschriften getroffene und seit 1970 aufrecht erhaltene Festlegung, dass es sich bei der extrakorporalen Stoßwellentherapie bei orthopädischen, chirurgischen und schmerztherapeutischen Indikationen um eine wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Behandlungsmethode handelt, beruht auf Äußerungen von Sachverständigen und wird bestätigt durch die Richtlinien des Bundesausschusses für Ärzte und Krankenkassen über die Bewertung ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (sog. BUB-Richtlinien) vom 1. Oktober 1997 und vom 10. Dezember 1999 - letzterer veröffentlicht im Bundesanzeiger Nr. 56 v. 21.3.2000 - (abgedruckt bei Schröder/ Beckmann/Weber, Beihilfevorschriften des Bundes und der Länder, Kommentar, Stand: Februar 2004, § 6 Anm. 33, S. 216.11 unter Ziffer 23). Anhaltspunkte dafür, dass die herrschende oder doch überwiegende Meinung in der medizinischen Wissenschaft hinsichtlich der hier umstrittenen Behandlungsmethode inzwischen eine andere Auffassung vertritt, sind weder substantiiert geltend gemacht noch erkennbar.
Für das Gericht besteht auch angesichts der von der Klägerin vorgelegten Unterlagen kein Anlass für eine weitere Sachaufklärung, denn in diesem Zusammenhang sind an die Substantiierungspflicht des Beihilfeberechtigten hohe Anforderungen zu stellen, wenn eine derartige wissenschaftlich fundierte Meinung in Frage gestellt werden soll. Daher wurden auch bisher in der Rechtsprechung der Sozialgerichte die gegen diese Entscheidung in den BUB-Richtlinien geführten Einwände abgewiesen (vgl. LSG Berlin, Urt. v. 31.5.2000 - L 15 KR 6/99 -; LSG NRW, Urt. v. 20.6.2000 - L 5 KR 14/00 -, beide zitiert nach juris).
Der Ausschluss der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethoden ist grundsätzlich - von Sonderfällen abgesehen, vgl. dazu sogleich - mit der in § 87 c NBG ausdrücklich normierten und durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährleisteten Fürsorgepflicht des Dienstherrn, wie sie für den Bereich der Krankenfürsorge durch die Beihilferegelung konkretisiert wird, vereinbar. Hinsichtlich der Beihilferegelungen im Einzelnen steht dem Normgeber bzw. Dienstherrn in Bund und Ländern ein Gestaltungsspielraum zur Verfügung, innerhalb dessen er die Voraussetzungen, den Umfang sowie die Art und Weise dieser speziellen Fürsorge bestimmen kann. Von Verfassungs wegen fordert die Fürsorgepflicht nicht den Ausgleich jeglicher aus Anlass von Krankheits-, Geburts- und Todesfällen entstandenen Aufwendungen und auch nicht deren Erstattung in jedem vollen Umfang. Werden nach § 6 Abs. 2 BhV ein neuartiges medizinisches Verfahren oder Arzneimittel von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen, so wird damit kein Werturteil über die Eignung oder Nichteignung der Methode abgegeben. Mit dem Ausschluss wird vielmehr nur der Fürsorgepflicht genügt, dass mit den als Fürsorgemaßnahmen gedachten Beihilfen möglicherweise ein ungeeignetes Verfahren unterstützt wird. Denn der Dienstherr darf seine Beihilfeleistungen auf derartige medizinische Verfahren und Arzneimittel beschränken, von denen er hinsichtlich ihrer Wirksamkeit und insbesondere deren Notwendigkeit hinreichend überzeugt ist (VG Oldenburg, Urt. v. 11.9.2002 - 6 A 3275/00 -).
2. Allerdings kann nach den bereits erwähnten Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Juni 1995 und 18. Juni 1998 das von der Fürsorgepflicht getragene Gebot des
§ 5 Abs. 1 Satz 1 BhV, eine Beihilfe zu „dem Grunde nach“ notwendigen Aufwendungen zu leisten, den Dienstherrn in Ausnahmefällen auch dazu verpflichten, die Kosten einer wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Behandlungsmethode nach den jeweiligen Bemessungsgrundsätzen zu erstatten. Diese Verpflichtung besteht dann, wenn sich eine wissenschaftlich allgemein anerkannte Methode für die Behandlung einer bestimmten Krankheit - z.B. unbekannter Genese - noch nicht herausgebildet hat, wenn im Einzelfall
- z.B. wegen einer Gegenindikation - das anerkannte Heilverfahren nicht angewendet werden darf oder wenn ein solches bereits ohne Erfolg eingesetzt worden ist. Weitere Voraussetzungen der Beihilfefähigkeit ist, dass die wissenschaftlich noch nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethode nach einem medizinischen Erprobungsphase entsprechend dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft noch wissenschaftlich allgemein anerkannt werden kann. In derartigen Ausnahmefällen ist einerseits unerheblich, ob die angewandte Behandlungsmethode - wie hier für den Regelfall zu Recht - durch allgemeine Verwaltungsvorschriften als „wissenschaftlich nicht allgemein anerkannt“ von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen worden ist. Andererseits kommt es auch nicht darauf an, ob die wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethode im konkreten Einzelfall zu einem therapeutischen Erfolg geführt hat; eine solche Erfolgsabhängigkeit ist dem hier maßgeblichen Beihilferecht fremd (Nds. OVG, Urt. v. 10.11.1998 - 5 L 2829/96 -; Beschl. v. 19.4.2004 - 2 LA 293/03 -).
Die sich hieraus ergebenden Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Beihilfefähigkeit der hier umstrittenen Aufwendung liegen nicht vor.
a) Es ist zum einen nicht erkennbar, dass nach dem Stand der Wissenschaft die Aussicht, d. h. die begründete Erwartung, auf wissenschaftliche Anerkennung der extrakorporalen Stoßwellentherapie bei der hier vorliegenden Indikationslage besteht (VG Lüneburg, Urt. v. 18.6.2003 - 1 A 311/01 -). Dass die hier strittige Methode wissenschaftlich nicht endgültig verworfen ist und eine Anerkennung in Zukunft bei entsprechender Erprobung noch in Betracht kommen könnte (hierauf stellt etwa das VG Stade, Urt. v. 10.10.2002 - 3 A 1738/01 - unter Hinweis auf die Beihilferegelungen in Nordrhein-Westfalen, die unter gewissen Umständen die Aufwendungen einer ESWT bei einer Fersenspornerkrankung als beihilfefähig anerkennen, ab -), genügt nicht, um ausnahmsweise die Beihilfefähigkeit einer wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Behandlungsmethode zu rechtfertigen. Im Übrigen ist eine Anerkennung wenig wahrscheinlich, da aufgrund von eingeholten Sachverständigengutachten auch in den Hinweisen zu den Beihilfevorschriften des Bundesministers des Inneren vom 12. Dezember 2001 (GMBl. 2002 S. 146) die extrakorporale Stoßwellentherapie bei orthopädischen, chirurgischen und schmerztherapeutischen Indikationen weiterhin völlig von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen ist. Die Richtigkeit dieser Bewertung wird durch die Anlage B zu den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen mit dem Stand vom 21. Juni 2002 bestätigt, wo unter der Ziffer 23 diese Methode weiterhin von der Kostenerstattung ausgeschlossen ist.
b) Zum anderen ist nicht dargelegt, dass die Erkrankung der Klägerin nicht mit anerkannten Heilverfahren hätte therapiert werden können oder eine solche Therapie bereits ohne Erfolg eingesetzt worden ist. Denn im Fall der Klägerin hätte die medizinisch anerkannte Alternative einer Operation bestanden. Eine derartige Operation ist bei ihr weder zuvor erfolglos angewandt worden noch durfte sie aus medizinisch indizierten Gründen nicht durchgeführt werden. Dass die Klägerin sie aus bestimmten Gründen nicht gewählt hat, führt nicht dazu, dass vom Fehlen einer anerkannten Behandlungsmethode oder deren berechtigtem Ausschluss ausgegangen werden müsste.
Der Hinweis der sie behandelnden Ärzte, dass eine operative Behandlung beim plantaren Fersensporn häufig schlechte Ergebnisse erbringe und sich ggf. das Fußgewölbe erheblich ändere, reicht nicht aus, um im Einzelfall der Klägerin die Operation als anerkannte Heilmethode aus medizinisch indizierten Gründen mit Erfolg auszuschließen.
Die von der Klägerin vorgetragene Angst vor der Operation und der Narkose sowie etwaigen Komplikationen stellt ebenfalls keinen begründeten Ausnahmefall dar. Angst vor einem Eingriff ist durchaus der Regelfall. Zudem kann die Beihilfefähigkeit nicht davon abhängig gemacht werden, ob der subjektive Faktor der Angst stärker oder weniger stark ausgeprägt ist. Dass die Angstgefühle der Klägerin in ihrem Fall - die rechtliche Relevanz dieses Umstandes zu ihren Gunsten hier einmal trotz erheblicher Zweifel unterstellt - ausnahmsweise derart stark ausgeprägt gewesen wären, dass sie in einer objektiv nachvollziehbaren Weise den Operationsverlauf oder -ausgang negativ beeinflussten oder eine Operation gar ausschließen würden, ist weder vorgetragen noch aus den vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen ersichtlich.
Weitere durchgreifende Umstände, die gegen eine Operation sprechen, hat die Klägerin nicht vorgetragen. Insbesondere kann sich die Klägerin in diesem Zusammenhang nicht mit Erfolg darauf berufen, wegen des mit einer Operation verbundenen längeren Krankenhausaufenthaltes und der längeren Arbeitsunfähigkeit ihre stark pflegebedürftige Mutter nicht pflegen zu können. Denn dieser Gesichtspunkt stellt keinen in der Operation selbst liegenden medizinischen Grund gerade in ihrer Person dar.
Auch auf Kostenfragen, insbesondere auf die Kosten einer Operation sowie eines größeren Nachbehandlungsbedarfes und einer längeren Arbeitsunfähigkeit im Gegensatz zu der durchgeführten ESWT, kommt es hier nicht an. Ob dies im Ergebnis „betriebswirtschaftlich“ sinnvoll ist, ist beihilferechtlich ohne Belang. Auch spielt nach dem oben Gesagten keine Rolle, dass die ESWT im Fall der Klägerin erfolgreich durchgeführt worden ist und ihre private Krankenkasse die Aufwendungen anteilig erstattet hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.
Gründe, die Berufung gemäß § 124 a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO zuzulassen, sind nicht gegeben.