Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 06.07.2004, Az.: 1 A 356/03

Auslandsverwendungszuschlag; Beamter; Dienst- und Treueverhältnis; Fürsorgepflicht; Prozesszinsen; Verzinsung; Verzugszinsen

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
06.07.2004
Aktenzeichen
1 A 356/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 50455
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Ein Polizeibeamter im Bundesgrenzschutz, der im Rahmen der internationalen Friedensmission der UN in Bosnien-Herzegowina (UNMIBH) eingesetzt und deshalb nach der Rechtsprechung des BVerwG (Urt. v. 30.10.2002 - 2 C 24.01 -, NVwZ 2003, 290) einen Anspruch auf einen ungekürzten Auslandsverwendungszuschlag gemäß § 58 a BBesG hat, dessen Widerspruchsverfahren aber auf seine Anregung oder mit seinem Einverständnis bis zum rechtskräftigen Abschluss eines Musterklageverfahrens ausgesetzt waren, hat weder einen Anspruch auf Verzugszinsen noch auf Prozesszinsen.

Tatbestand:

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Der Kläger begehrt die Zahlung von Verzugs- und Prozesszinsen auf verspätet ausgezahlte Auslandsverwendungszuschläge.

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Er ist als Polizeiobermeister im Bundesgrenzschutz tätig und war in der Zeit vom 30. Januar bis zum 29. Oktober 1998, 5. August 1999 bis zum 13. August 2000 sowie vom 21. Oktober 2001 bis zum 20. Oktober 2002 der internationalen Friedensmission der Vereinten Nationen in Bosnien-Herzegowina (UNMIBH) - deutsches Polizeikontingent - gemäß § 123 a BRRG zur Dienstleistung zugewiesen. Mit Bescheiden vom 26. Januar 1999, 27. September 2000 und 30. Oktober 2002 setzte die Grenzschutzdirektion Koblenz die dem Kläger aus Anlass dieser Verwendungen jeweils zustehenden Auslandsgebührnisse fest. Bei der Berechnung des Auslandsverwendungszuschlages gemäß § 58 a BBesG rechnete sie allerdings die UN-Tagegelder in Höhe von 30 DM an und legte lediglich einen Tagessatz von 100 DM statt 130 DM zugrunde. Hiergegen legte der Kläger - wie zahlreiche andere Betroffene auch - jeweils Widerspruch ein. In der Folgezeit setzte die Grenzschutzdirektion Koblenz die Widerspruchsverfahren mit dem Einverständnis und auf Anregung des Klägers im Hinblick auf ein Musterverfahren aus. Nachdem das Bundesverwaltungsgericht in einem Musterklageverfahren mit Urteil vom 30. Oktober 2002 (- 2 C 24.01 -, NVwZ 2003, 290) die Rechtsauffassung des Klägers bestätigt und entschieden hatte, dass der Zweck der UN-Tagegelder ausschließlich die Aufwendungen für Unterkunft, Verpflegung und sonstige Lebenshaltung abgelten solle und nicht mit der Zweckbestimmung des Auslandsverwendungszuschlages übereinstimme, der die allgemeinen physischen und psychischen Belastungen sowie die Gefahren für Leib und Leben abgelten solle, und somit die UN-Tagegelder nicht auf den Auslandsverwendungszuschlag angerechnet werden dürften, hob die Grenzschutzdirektion Koblenz mit Widerspruchsbescheiden vom 31. August 2003 und 9. September 2003 - zur Post gegeben am 17. und 18. September 2003 - die Bescheide hinsichtlich der Festsetzung des Auslandsverwendungszuschlages auf, nahm die Kürzung insoweit zurück und zahlte dem Kläger die Differenzbeträge nach. In der Begründung der Widerspruchsbescheide wurde zugleich darauf hingewiesen, dass ein Anspruch auf Verzugszinsen nach § 3 Abs. 6 BBesG nicht bestehe.

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Daraufhin hat der Kläger am 15. Oktober 2003 Klage erhoben mit dem Ziel der Zinsgewährung. Zur Begründung führt er im Wesentlichen an, er müsse im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 und Art. 2 sowie Art. 20 Abs. 1 GG genauso behandelt werden wie der Kläger des Musterklageverfahren, dem das Bundesverwaltungsgericht einen Zinsanspruch zugebilligt habe. Der Zinsanspruch ergebe sich aus § 291 Satz 1 BGB, der nach ständiger Rechtsprechung im öffentlichen Recht entsprechend anzuwenden sei. § 3 Abs. 6 BBesG schließe die Anwendbarkeit des § 291 BGB nicht aus. Die Höhe des Zinssatzes bestimme sich gemäß § 291 BGB a. F. nach § 288 Abs. 1 BGB. Der Eintritt des Verzuges ergebe sich aus der Bescheidung des ihm unstreitig zustehenden Auslandsverwendungszuschlages.

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Der Kläger beantragt,

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die Beklagte in Abänderung der Bescheide der Grenzschutzdirektion Koblenz vom 26. Januar 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. August 2003, 27. September 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. August 2003 und 30. Oktober 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. September 2003 zu verurteilen, an ihn Zinsen auf die nachgezahlten Auslandsverwendungszuschläge in Höhe von 1.505,61 EUR zu zahlen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen,

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und trägt im Wesentlichen vor, dass § 3 Abs. 6 BBesG einen Anspruch auf Verzugszinsen wegen verspätet ausgezahlter Besoldungsbezüge ausdrücklich ausschließe. Eine Ungleichbehandlung i. S. d. Art. 3 Abs. 1 GG im Vergleich zu dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Musterklageverfahren sei ebenfalls nicht erkennbar, da die Widerspruchsverfahren im gegenseitigen Einvernehmen ausgesetzt worden seien. Dem Kläger sei es unbenommen gewesen, die Möglichkeiten der Rechtsbehelfe des Widerspruches und der Klage auszuschöpfen, was er aber aus freien Stücken nicht getan habe. Somit stünden ihm weder Prozesszinsen noch Verzugszinsen zu. Auch ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Verletzung der Fürsorgepflicht komme nicht in Betracht.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist unbegründet.

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Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Verzugszinsen noch auf Prozesszinsen; die hinsichtlich der Nichtgewährung von Zinsen angefochtenen Bescheide der Grenzschutzdirektion Koblenz sind mithin rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.

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Der geltend gemachte Anspruch auf die Zahlung von Zinsen in Gestalt von Verzugszinsen auf die nachentrichteten Auslandsverwendungszuschläge scheitert an der zwingenden Vorschrift des § 3 Abs. 6 BBesG. Hiernach besteht kein Anspruch auf Verzugszinsen, wenn - wie hier - Bezüge nach dem Tag der Fälligkeit gezahlt werden. Die Auslandsverwendungszuschläge sind gemäß §§ 1 Abs. 2 Nr. 6, 52 ff., 58 a BBesG Teil der Dienstbezüge im Sinne des Besoldungsrechtes und unterfallen somit dem Anwendungsbereich des § 3 Abs. 6 BBesG. Ein Anspruch auf Verzugszinsen nach den allgemeinen Grundsätzen des Privatrechtes gemäß §§ 288, 284 BGB im öffentlichen Recht setzt grundsätzlich eine entsprechende ausdrückliche gesetzliche Regelung voraus (BVerwG, Urt. v. 12.3.1993 - 8 C 31/92 -, <zitiert nach juris, da insoweit in BVerwGE 92, 207 nicht abgedruckt; Nds. OVG, Beschl. v. 12.3.2002 - 11 LA 3190/01 -; OVG Münster, Urt: v. 31.1.1995 - 1 A 3395/91 -). Hieran fehlt es; vielmehr statuiert § 3 Abs. 6 BBesG für den Bereich des besoldungsrechtlichen Anspruches eines Beamten ausdrücklich einen gesetzlichen Ausschluss. Grund hierfür ist, dass Beamten anders als sonstigen Gläubigern aufgrund des gegenseitigen Dienst- und Treueverhältnisses zugemutet wird, eine verspätete Auszahlung der ihnen zustehenden Bezüge hinzunehmen (Schwegmann/Summer, BBesG, Kommentar, Stand: März 2004, § 3 Rdnr. 29).

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Ein ggf. bestehender Schadensersatzanspruch wegen Verzugsschadens aus dem Rechtsgrund der Verletzung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn (vgl. hierzu allgemein Schwegmann/Summer, a. a. O., § 3 Rdnr. 30) scheitert im vorliegenden Fall zum einen daran, dass ein erforderlicher konkreter Schaden nicht dargelegt oder sonst erkennbar ist. Zum anderen haben die Beteiligten übereinstimmend die Absprache getroffen, im Hinblick auf ein bereits rechtshängiges Musterklageverfahren die Widersprüche zunächst nicht zu bescheiden. In diesem einvernehmlichen Vorgehen der Beteiligten liegt keine pflichtwidrige und zu Schadensersatzleistungen verpflichtende schuldhafte Verletzung der Fürsorgepflicht der Beklagten (so etwa auch VG Koblenz, Urt. v. 21.4.2004 - 2 K 697/04.KO -). Es gehörte nicht zu den von der Grenzschutzdirektion Koblenz dem Kläger gegenüber zu beachtenden Pflichten, ihn in Verbindung mit seinen Widersprüchen umfassend auf alle Folgen insbesondere zinsrechtlicher Art hinzuweisen, die sich für ihn aus einer einvernehmlichen Aussetzung der Widerspruchsverfahren ergeben. Aus diesem Grunde kann sich der Kläger auch nicht mit Erfolg auf Gleichbehandlung mit dem Kläger des Musterklageverfahrens berufen. Denn der Kläger hätte sich ohne Weiteres bei der Grenzschutzdirektion nach den konkreten Folgen in seinem Fall erkundigen können (so auch VG Düsseldorf, Urt. v. 18.5.2004 - 26 K 8487/03 -). Außerdem sind dem Kläger des Musterklageverfahrens vom Bundesverwaltungsgericht nur Prozesszinsen und nicht auch Verzugszinsen oder ein Schadensersatzanspruch wegen eines Verzugsschadens zugesprochen worden.

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Ein Anspruch auf Prozesszinsen scheidet ebenfalls aus. Zwar sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für öffentlich-rechtliche Geldforderungen Prozesszinsen in entsprechender Anwendung des § 291 BGB zu entrichten, wenn das jeweils einschlägige Fachrecht - wie hier - keine gegenteilige Regelung trifft (BVerwG, Urt. v. 22.2.2001 - 5 C 34.00 -, NVwZ 2001, 1057 m. w. N.). Dem steht insbesondere im öffentlichen Dienstrecht die Vorschrift des § 3 Abs. 6 BBesG nicht entgegen, da diese nur Verzugszinsen, nicht aber Prozesszinsen betrifft (BVerwG, Urt. v. 28.5.1998 - 2 C 28/97 - DVBl. 1998, 1082, 1083; Nds. OVG, Urt. v. 7.2.2001 - 2 L 437/99 -; Schwegmann/Sum- mer, a. a. O., § 3 Rdnr. 31 m. w. N.). Voraussetzung für Prozesszinsen ist aber, dass eine Geldforderung rechtshängig geworden ist. Ein Anspruch auf Prozesszinsen setzt mithin eine Leistungs- oder eine dieser gleichstehenden Verpflichtungsklage voraus (Schwegmann/Summer, a. a. O. m. w. N.). Gerade hieran fehlt es. Der Kläger dieses Verfahrens hat gerade keine Klage auf Gewährung des erhöhten Auslandsverwendungszuschlages erhoben, sondern sich ausdrücklich damit einverstanden erklärt, dass seine Widerspruchsverfahren ausgesetzt werden. Auf das vom Bundesverwaltungsgericht entschiedene Musterklageverfahren kann er sich in diesem Zusammenhang nicht mit Erfolg berufen, da der Kläger dieses Musterverfahren gerade Klage erhoben und daher auch einen Anspruch auf Prozesszinsen hatte.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.

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Gründe, die Berufung gemäß § 124 a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr.3 und 4 VwGO zuzulassen, sind nicht gegeben.