Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 27.07.2004, Az.: 3 A 124/02
Androhung; Diensthund; Maulkorb; Polizeihund; unmittelbarer Zwang; Verhältnismäßigkeit; Übermaßverbot
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 27.07.2004
- Aktenzeichen
- 3 A 124/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 50694
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 69 GefAbwG ND
- § 74 GefAbwG ND
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Polizeihundeinsatzes am 13. November 2001.
Der Kläger nahm an Protestaktionen anlässlich des Castortransports im November 2001 teil. Am 13. November 2001 näherte er sich zusammen mit anderen Atomkraftgegnern der L 256 zwischen Nebenstedt und Splietau. Er führte ein großes „X“ aus Holz mit sich.
An diesem Tag hielten sich ca. 1.000 Demonstranten im Bereich östlich von Dannenberg auf, die am Morgen dieses Tages eine Polizeikette in der Nähe der B 191 durchbrochen hatten. Nach dem Durchbrechen dieser Polizeikette versuchte die Polizei noch weitere Polizeiketten zu bilden, die jedoch von den Demonstranten umgangen wurden. Im Bereich zwischen Nebenstedt und Splietau bewegten sich 200 bis 300 Demonstranten vom Deich her kommend in Richtung der L 256. Die L 256 ist Teil der Castor-Transportstrecke von Lüneburg nach Gorleben, für die (und für einen Bereich von 50 Meter beidseits der Transportstrecke) zu diesem Zeitpunkt ein Versammlungsverbot galt, das die Beklagte mit der Allgemeinverfügung vom 27. Oktober 2001 erlassen hatte. Die Distanz zwischen Deich und Straße betrug 325 Meter. Entlang der L 256 wurde eine Polizeikette mit Diensthunden aufgestellt. Es wurden 25 Hunde eingesetzt. Der Abstand zwischen den Diensthundeführern betrug ca. 5 Meter. Hinter jeweils 4 Diensthundeführern stand ein Truppführer ohne Diensthund. Ein Teil der Demonstranten ging direkt auf die Polizeikette zu; ein anderer Teil wich dieser aus und ging parallel zu dieser Richtung Splietau.
Der Kläger gehörte zu den auf die Polizeikette zugehenden Demonstranten. Als er sich der Polizeikette näherte, kam es zu einem Zusammentreffen mit einem der eingesetzten Diensthunde. Der Kläger wurde in den Oberschenkel gebissen.
Der Kläger hat am 14. März 2002 Klage erhoben und trägt vor, dass er etwa 100 m vor der Straße auf einen Polizeibeamten mit einem Polizeihund getroffen sei. Der Beamte habe den Hund zuerst kurz gehalten, er - der Kläger - habe sich bis auf ca. 5 - 6 Meter nähern können, dann jedoch - als er ihn habe passieren wollen - habe der Beamte dem Hund „Leine gegeben“ und den Hund auf ihn losgelassen. Der Hund habe ihn in den Oberschenkel gebissen und seine Kleidung beschädigt. Der Beamte habe auf seine Aufforderung, sich zu identifizieren, nicht reagiert. Es habe hier schon keine gegenwärtige Gefahr als Voraussetzung für die Anwendung unmittelbaren Zwanges bestanden. Jedenfalls sei die Anwendung unmittelbaren Zwanges in Form eines Hundebisses unverhältnismäßig.
Der Kläger beantragt,
festzustellen, dass die Anwendung unmittelbaren Zwanges durch einen Hundebiss am 13. November 2001 ihm gegenüber rechtswidrig war.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, Zweck der Polizeikette sei es gewesen, eine Sperrwirkung zu erzeugen, um zu verhindern, dass die Demonstranten auf die Transportstrecke gelangten. Ein Teil der Demonstranten sei jedoch über die Äcker direkt in Richtung der L 256 gelaufen. Dort seien sie auf die Diensthundeführer getroffen, die sie aufforderten zurückzugehen. Die Demonstranten seien trotzdem zwischen die Hunde gelaufen, einzelne hätten nach den Hunden getreten und diese provoziert. Auch seien einige Demonstranten an den Armen gepolstert gewesen. In dem Einsatz der Diensthunde in dieser Situation läge kein unverhältnismäßiger Eingriff in die Rechte des Klägers und der übrigen Demonstranten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, insbesondere der Protokolle der Verhandlungen vom 30. März 2004 und vom 27. Juli 2004, der beigezogenen Fotos, der Videokassetten und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten und der Staatsanwaltschaft Lüneburg verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat keinen Erfolg.
1. Die Klage ist zulässig.
a) Die Klage ist als Feststellungsklage nach § 43 VwGO statthaft. Denn bei der hier verfahrensgegenständlichen Anwendung unmittelbaren Zwanges - Einsatz eines Polizeihundes, der den Kläger dabei gebissen hat - handelt es sich um einen Realakt, für den nicht die einen Verwaltungsakt als Prüfungsgegenstand voraussetzende Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO, sondern die Feststellungsklage nach § 43 VwGO die statthafte Klageart ist (Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 12. Aufl. 2000, § 113 Rdnr. 116).
b) Das für die Feststellungsklage nach § 43 VwGO erforderliche berechtigte Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser polizeilichen Maßnahme ergibt sich daraus, dass mit dem Biss des Diensthundes in die körperliche Unversehrtheit des Klägers eingegriffen worden ist und damit ein schwerwiegender Eingriff in sein Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 GG vorliegt.
2. Die Klage ist jedoch unbegründet.
Der Polizeihundeinsatz am 13. November 2001 und die darin liegende Anwendung unmittelbaren Zwangs gegenüber dem Kläger ist rechtmäßig gewesen.
a) Bei dieser polizeilichen Maßnahme handelt es sich um eine Maßnahme des unmittelbaren Zwanges im Sinne des § 69 NGefAG.
Nach Abs. 1 dieser Vorschrift ist unmittelbarer Zwang die Einwirkung auf Personen oder Sachen durch körperliche Gewalt, durch ihre Hilfsmittel und durch Waffen. Nach Abs. 2 ist körperliche Gewalt jede unmittelbare körperliche Einwirkung auf Personen oder Sachen. Nach Abs. 3 sind Hilfsmittel der körperlichen Gewalt unter anderem Diensthunde.
Hier ist mit dem Diensthund als Hilfsmittel der körperlichen Gewalt unmittelbar auf den Körper des Klägers eingewirkt worden: Der Kläger ist gebissen worden.
b) Nach § 64 Abs. 1 NGefAG kann ein Verwaltungsakt, der auf die Vornahme einer Handlung oder auf eine Duldung oder Unterlassung gerichtet ist, mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden, wenn er unanfechtbar ist oder wenn ein Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung hat.
aa) Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung ist hier vor der Anwendung des unmittelbaren Zwanges durch Einsatz des Polizeihundes ein solcher Grundverwaltungsakt ergangen. Denn danach ist der Kläger vorher durch den Zeugen B. aufgefordert worden zurückzugehen.
Zwar hat der Kläger erklärt, eine solche Aufforderung nicht erhalten zu haben. Die Zeugin C. hat angegeben, sich an eine solche Aufforderung nicht erinnern zu können. Die detaillierte und insgesamt gut nachvollziehbare Darstellung des Geschehens durch den Zeugen B., wonach er eine solche Aufforderung an den Kläger gerichtet hat, wird jedoch auch durch eines der Fotos bestätigt, die der Kläger selbst vorgelegt hat (Beiakte B). Darauf ist zu erkennen, wie der Zeuge B. mit ausgestrecktem Arm und Schlagstock in die Richtung des Klägers zeigt. Der Zeuge B. hat zu dieser auf dem Foto erkennbaren Situation erklärt, dass er, als der Kläger auf ihn zugegangen sei, mit seinem ausgestreckten rechten Arm und den Schlagstock in die entgegengesetzte Richtung gedeutet und gesagt habe: "Gehen Sie zurück Richtung Damm." Diese Bewegung des Armes und des Schlagstockes ist auch vom Kläger bemerkt, jedoch falsch gedeutet worden (siehe Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 30. März 2004). Denn mit dieser Bewegung hat der Zeuge B. seinen Hund nicht - wie der Kläger meint - in die Richtung des Klägers in Bewegung gesetzt gehabt. Der Einsatzleiter der Diensthundeführer (an diesem Tag) hat hierzu in der mündlichen Verhandlung am 30. März 2004 gut nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass eine solche Bewegung in keinem Falle ein Angriffsignal für den Hund bedeute, da der Hund nicht unterscheiden könne, ob eine solche nach vorne gerichtete Bewegung des Armes des Diensthundeführers ein bloßes Verlangen nach dem Ausweis einer zu kontrollierenden Person, eine sonstige belanglose Bewegung oder ein Angriffssignal darstelle und deshalb derartige Bewegungen des Diensthundeführers für den Hund keine Bedeutung hätten. Da auch eine andere - sinnvolle - Deutung dieser (auf dem Foto erkennbaren) Bewegung des Zeugen B. nicht ersichtlich ist, liegt hierin eine Bestätigung der glaubhaften Darstellung des Zeugen B., wonach er mit dieser Bewegung seiner Aufforderung an den Kläger Nachdruck verliehen hat. Dass der Kläger und die Zeugin C. diese Aufforderung nicht gehört haben, hat möglicherweise an dem hohen Geräuschpegel (Bellen der Hunde etc.) und ihrer - verständlichen - Aufregung in dieser Situation und daran gelegen, dass sie sich allein auf ihr Ziel - das Erreichen der Straße - konzentriert hatten.
bb) Es kann hier dahingestellt bleiben, ob diese Aufforderung zurückzugehen nach der Generalklausel des § 11 NGefAG zu beurteilen ist, ob es sich um einen Platzverweis nach § 17 Abs. 1 Satz 1 NGefAG oder um eine nach § 15 VersG zu beurteilende polizeiliche Verfügung handelt. Denn die Voraussetzungen aller genannten Vorschriften sind hier erfüllt gewesen: Ein Teil der 200 bis 300 (Schätzung auf Grund des in der mündlichen Verhandlung am 27. Juli 2004 eingesehenen Videos, Beiakte D) Demonstranten auf der Ackerfläche zwischen Nebenstedt und Splietau wollte die 30 Meter (nach der Darstellung des Einsatzleiters der Diensthundeführer und nach dem Eindruck, der aus dem genannten, in der mündlichen Verhandlung am 27. Juli 2004 eingesehenen Video gewonnen werden konnte) oder 50 Meter (nach der Darstellung des Zeugen B.; die von dem Kläger in seiner Klagebegründung angegebenen 100 Meter sind unwahrscheinlich) vor der Castor-Transportstrecke (L 256) aufgestellte Polizeikette - Polizeibeamte mit Diensthunden - durchbrechen und auf dieser Straßenstrecke einen Tag vor Eintreffen des Transports eine Blockade errichten. Diese Strecke war zu dieser Zeit vom räumlichen und zeitlichen Geltungsbereich der Allgemeinverfügung der Beklagten vom 27. Oktober 2001 - Versammlungsverbot auf der Transportstrecke und in einem Bereich von jeweils 50 Metern beidseits dieser Strecke - umfasst. Unabhängig von der Frage, ob eine solche Straßenblockade überhaupt von der Versammlungsfreiheit gedeckt ist und ob sie eine Nötigung im Sinne des § 240 StGB darstellt, drohte damit unmittelbar eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit - Blockade der vom Versammlungsverbot erfassten Castor-Transportstrecke, die nach allen genannten Vorschriften zu der Aufforderung an die Atomkraftgegner berechtigte, zurück in Richtung Damm zu gehen.
cc) Diese polizeiliche Verfügung ist gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 2 VwGO sofort vollziehbar gewesen.
c) Im übrigen wäre die Anwendung von Zwangsmitteln hier auch dann gerechtfertigt gewesen, wenn dieser kein Verwaltungsakt vorausgegangen wäre, da nach § 64 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 NGefAG Zwangsmittel auch ohne vorausgehenden Verwaltungsakt angewendet werden können, wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr erforderlich ist. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt gewesen, da der Eintritt der oben beschriebenen Gefahr für die öffentliche Sicherheit unmittelbar bevorstand und deren Abwehr angesichts der unbeirrt voranschreitenden Demonstranten sofortiges Handeln erforderte.
d) Nach § 74 Abs. 1 Satz 1 NGefAG ist unmittelbarer Zwang vor seiner Anwendung anzudrohen. Von der Androhung kann jedoch nach Satz 2 dieser Vorschrift abgesehen werden, wenn die Umstände sie nicht zulassen, insbesondere wenn die sofortige Anwendung des Zwangsmittels zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr notwendig ist. Hier ist nach dem oben Gesagten sofortiges Handeln zur Abwehr des unmittelbar bevorstehenden Gefahreneintritts erforderlich gewesen, so dass eine vorherige Androhung des Einsatzes des Polizeihundes nicht erforderlich gewesen ist.
Im übrigen war es für die auf die Polizeikette zu marschierenden Demonstranten offensichtlich (nach dem Eindruck, wie er sich aus den in der mündlichen Verhandlung am 27. Juli 2004 eingesehenen Videokassetten, Beiakten C und D, und den von dem Kläger vorgelegten Fotos, Beiakte B, ergibt), dass der Einsatz der Polizeihunde unmittelbar drohte, wenn sie sich noch weiter der Polizeikette näherten: Die Polizeihunde waren ohne Beißkorb eingesetzt, sprangen hin und her und zerrten kräftig an den Leinen. Hierin kann daher wohl auch eine konkludente Androhung dieses Zwangsmittels gesehen werden (vgl. § 74 Abs. 1 Satz 3 NGefAG - Abgabe eines Warnschusses).
e) Nach § 69 Abs. 6 NGefAG kann die Polizei unmittelbaren Zwang anwenden, wenn andere - (gemäß dem allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz) mildere - Zwangsmittel nicht in Betracht kommen oder keinen Erfolg versprechen.
Hier hatten am 13. November 2001 insgesamt ca. 1000 Demonstranten bereits mehrere Polizeiketten durchbrochen oder umgangen. Auf der Ackerfläche zwischen Nebenstedt und Splietau näherte sich eine große Menschenmenge von 200 bis 300 Demonstranten einer zahlenmäßig deutlich unterlegenen Polizeieinheit.
Diese Polizeikräfte wären nur mit ihrer körperlichen Präsenz mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht in der Lage gewesen, die entschlossen heranrückenden Demonstranten aufzuhalten. Sie wären ebenso wie die vorher eingesetzten Polizeikräfte "überrannt" worden.
Der Einsatz der Hunde mit Beißkorb wäre ebenfalls kein geeignetes Mittel gewesen. Denn der Einsatz von Diensthunden mit Beißkorb ist - wie auf dem von dem Kläger eingereichten Video (Beiakte C) zu sehen ist - wirkungslos: Die Demonstranten ignorieren die Präsenz der Hunde und lassen sich von diesen in keiner Weise aufhalten.
Der Einsatz von Schlagstöcken, die zu den Waffen im Sinne des § 69 Abs. 4 NGefAG zählen, wäre kein im Vergleich zu Diensthunden - als bloße Hilfsmittel der körperlichen Gewalt - milderes Mittel gewesen. Denn bei dem Einsatz von Diensthunden reicht in aller Regel bereits die abschreckende Wirkung der Hunde zur Gefahrenabwehr, wie der Einsatzleiter der Diensthundeführer in der mündlichen Verhandlung am 27. Juli 2004 anschaulich anhand des Beispiels von Einsätzen bei Sportveranstaltungen dargestellt hat, während allein das Mitführen von Schlagstöcken eine vergleichbar abschreckende Wirkung nicht hat.
In der konkreten Situation, der die eingesetzten Polizeikräfte hier gegenüberstanden, hatten diese daher kein anderes - geeignetes, aber milderes - Mittel zur Abwehr der unmittelbar drohenden Gefahr zur Verfügung.
Es kann bei einem polizeilichen Großeinsatz - wie die Begleitung des Castor-Transports - auch nicht erwartet werden, dass die Gesamteinsatzleitung der Polizei immer so viele Polizeikräfte zusammenzuziehen vermag, dass diese mit ihrer bloßen körperlichen Präsenz zur Transportstrecke drängende Demonstranten aufhalten können. Zwar sind bei Castor-Transporten regelmäßig über 10.000 Polizeibeamte im Einsatz, doch angesichts der langen, schwer zu kontrollierenden (durch ausgedehnte Wälder und teilweise durch schluchtenförmige Passagen verlaufenden) Transportstrecke und der Ungewissheit, wann und wo die Demonstranten versuchen werden, zur Transportstrecke vorzudringen und diese zu blockieren, liegt es auf der Hand, dass die Einsatzleitung der Polizei nicht in der Lage ist, zu jeder Zeit und an jedem Ort der langen Transportstrecke immer genügend Polizeikräfte zur Verfügung zu stellen. Auch hier hat es die Polizei versucht gehabt, die Demonstranten ohne den Einsatz von Hilfsmitteln der körperlichen Gewalt aufzuhalten. Dies war jedoch nicht gelungen. Es wurden mehrere Polizeiketten durchbrochen oder umgangen.
Ein milderes Mittel zur Abwehr der drohenden Blockade der L 256 zwischen Nebenstedt und Splietau hat nach allem nicht zur Verfügung gestanden.
f) Für den Einsatz von Diensthunden als Zwangsmittel ist ferner zu fordern, dass diese für ihre Aufgabe besonders abgerichtet sind und beim Einsatz nur von Polizeivollzugsbeamten geführt werden, die hierfür besonders ausgebildet sind (Rachor in Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 3. Aufl. 2001, F Rdnr. 785, Seite 531 f). An dem Vorliegen dieser Voraussetzungen bestehen hier keine Zweifel.
g) Der Einsatz des Diensthundes hat schließlich auch nicht gegen das Übermaßverbot verstoßen.
Beim Einsatz von Diensthunden ist besonders auf die Einhaltung des Übermaßverbotes zu achten. Nicht jede Renitenz des Störers berechtigt dazu, den Diensthund auf ihn loszulassen (Rachor in Lisken/Denninger, a.a.O., F Rdnr. 785, Seite 531 f.; siehe hierzu auch BverfG, Beschluss vom 29.4.1991 - 1 BvR 7/90 -, NJW 1991, Seite 3023).
Unter Beachtung dieser Vorgaben hätte hier ein "aggressiver" Einsatz der Diensthunde gegenüber den unbewaffneten und überwiegend (auf dem von der Beklagten eingereichten Video, Beiakte D, ist allerdings zu sehen, wie ein Demonstrant auf den Diensthund des Zeugen B. eintritt) friedlich heranrückenden Demonstranten, also beispielsweise ein Vorrücken der Polizeibeamten mit ihren Diensthunden gegen die Demonstranten noch bevor diese in die Nähe der Transportstrecke hätten gelangen können, bei dem die Diensthunde auf die Demonstranten „losgelassen“ worden wären, gegen das Übermaßverbot verstoßen.
Ein solcher „aggressiver“ Einsatz der Diensthunde gegenüber den Demonstranten kann hier jedoch nicht festgestellt werden. Aus allen herangezogenen Erkenntnismitteln - den Aussagen des Klägers, der Zeugen, der Darstellung des Geschehens durch den Einsatzleiter, den eingesehenen Fotos und Videos und dem Inhalt der beigezogenen Akten - ergibt sich zur Überzeugung des erkennenden Einzelrichters, dass hier die Diensthunde passiv eingesetzt worden sind: Die Polizeibeamten bildeten 30 oder 50 Meter vor der Castor-Transportstrecke mit ihren Diensthunden eine Kette, warteten das Heranrücken der Demonstranten ab und forderten diese, als sie sich näherten, auf, zurück in Richtung Deich zu gehen.
Die Polizeibeamten durften in dieser Situation darauf vertrauen, dass von ihren - ohne Beißkorb eingesetzten - Hunden eine abschreckende Wirkung ausgehen und es daher nicht zu einer direkten Konfrontation zwischen Polizeihunden und den herandrängenden Demonstranten kommen würde. Denn in aller Regel reicht nach dem oben Gesagten (auch gegenüber gewalttätigen Hooligans bei Fußballspielen) diese abschreckende Wirkung. Die Polizeibeamten mussten nicht damit rechnen, dass ein Teil der Demonstranten stattdessen in einer rational schwer nachvollziehbaren, „märtyrergleichen“, aber ausgesprochen medienwirksamen Weise weiterging und direkt in die offensichtlich gefährlichen Diensthunde hinein lief.
Im übrigen fordert das Übermaßverbot auch nicht, dass die Polizeibeamten mit ihren Hunden die „Flucht“ hätten ergreifen und damit die Gefahrenabwehr hätten aufgegeben müssen, um ein Gebissen werden der Demonstranten in jedem Falle zu verhindern. Denn wenn die Demonstranten - wie der Kläger und auch der Zeuge D. - in dieser Situation trotz der ihnen bei einem Weitergehen offensichtlich drohenden Gefahr seitens der Hunde direkt in diese hinein liefen, um ihr Ziel - das Erreichen und die Blockade der Transportstrecke - zu erzwingen, so sind sie für die sich aus dieser Selbstgefährdung ergebenden Folgen auch selbst verantwortlich, ohne dass hierin ein Verstoß gegen das Übermaßverbot seitens der Polizei gesehen werden kann.
Zu dem konkreten, hier verfahrensgegenständlichen Vorfall mit dem Kläger ist folgendes festzustellen: Der Kläger ist in einer auffallend gelben (Regenschutz-) Kleidung und mit einem Holzkreuz in der Hand auf die Polizeikette zugegangen und hat versucht, durch diese hindurch zur Transportstrecke zu gelangen. Er ist dabei direkt in den Hund des Zeugen B. hinein gelaufen.
Die in der mündlichen Verhandlung am 30. März 2004 vernommenen Zeugen C. und D. haben hierzu keine konkreten Angaben machen können. Nach dem Eindruck, den die Zeugin C. gewonnen hat, ist zwar dem Hund Leine gegeben worden, doch hat sie diesen Vorgang nicht konkret beschreiben können.
Nach der Darstellung des Klägers soll der Zeuge B. seinem Hund zwar über einen Abstand von fünf bis sechs Metern Leine gegeben haben. Diese Darstellung ist die jedoch nicht glaubhaft. Dem widersprechen bereits die von dem Kläger selbst eingereichten Fotos (Beiakte B). Auf einem dieser Fotos ist zu sehen, dass der Abstand des Klägers zum Diensthundeführer - kurz vor dem Vorfall - nur 2 bis 2,50 Meter betragen hat. Auch widerspricht dem die maximale Länge der Einsatzleine von 1,10 bis 1,20 Meter (siehe hierzu das Protokoll der Verhandlung vom 30. März 2004). Zuzüglich der Armlänge des Diensthundeführers und der Kopflänge des Hundes ergibt dies eine maximale Reichweite von ca. 2,50 Meter. Da hier der Zeuge B. die Leine noch einmal um sein Handgelenk gewickelt hatte (wie auch auf den Fotos zu erkennen), betrug hier die maximale Reichweite - entsprechend den Angaben des Zeugen B. - gut 2 Meter.
Das kurz vor dem hier verfahrensgegenständlichen Vorfall aufgenommene Foto zeigt auch, dass der Polizeihund kurz gehalten und der Kläger mit dem ausgestreckten rechten Arm und Schlagstock von dem Zeugen B. zurückgewiesen worden ist (siehe hierzu die obigen Feststellungen unter 2. b) aa)). Der Kläger hat sich aber - wie auch die anderen Demonstranten - nicht von der abschreckenden Wirkung des Polizeihundes aufhalten lassen und ist weitergegangen. In diesem Moment ist der Hund nach vorne gegangen. Dies entspricht - wie von dem Einsatzleiter der Diensthundeführer und vom Zeugen B. gut nachvollziehbar erläutert worden ist - dem natürlichen Verhalten eines Polizeihundes: Dringt eine (abzuwehrende) Person in den Aktionsradius des Hundes ein, so drängt dieser nach vorne und ist dann auch nicht mehr mit einer Hand kurz/unten zu halten. Der Hund kann dann aber jedenfalls mit dem gestreckten Arm gehalten werden. Auch hier ist der Hund - wie der Zeuge B. im Einzelnen überzeugend geschildert hat - mit dem gestreckten linken Arm und dem sich zusätzlich der Bewegung des Hundes entgegenstemmenden linken Fuß gehalten worden. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass der Kläger ein Holzkreuz getragen hat und die Diensthunde - wie von dem Einsatzleiter der Diensthundeführer in der mündlichen Verhandlung am 30. März 2004 geschildert worden ist - regelmäßig darauf trainiert werden, auf Angriffe mit Holzlatten oder ähnlichem zu reagieren.
Der Kläger ist nach der glaubhaften Darstellung des Zeugen B. gleichwohl weiter gegangen. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob der Zeuge B. - wie er es in der mündlichen Verhandlung am 27. Juli 2004 geschildert hat - es noch geschafft hat, seinen nach vorne, in die Richtung des Klägers drängenden Hund kurz vor diesem zurückzuhalten (dafür spricht, dass der Hund den Kläger "nur" mit den vorderen Fangzähnen zu fassen bekommen hat), oder ob der Kläger in den nach vorne drängenden Hund hinein gelaufen ist. Denn der Kläger ist jedenfalls - ohne sich von dem Einsatz des Hundes abschrecken zu lassen - auf den Zeugen B. zu und in den Aktionsradius des Polizeihundes hinein gegangen, so dass ein Gebissen werden durch diesen unausweichlich war. Für die sich aus dieser Selbstgefährdung für ihn ergebenden Folgen trägt der Kläger nach dem oben Gesagten dementsprechend auch selbst die Verantwortung.
Ein rechtswidriges, insbesondere dem Übermaßverbot widersprechendes Verhalten des Zeugen B., der ebenso wie die anderen dort eingesetzten Diensthundeführer auf die abschreckende Wirkung seines Hundes vertrauen durfte, kann insoweit nach allem nicht festgestellt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.