Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 21.06.2006, Az.: 12 ME 129/06

Anspruch auf Ausbildungsförderung für die Absolvierung eines Masterstudiums im Studiengang Forstwissenschaften; Ausschluss eines Ausbildungsförderungsanspruches wegen Überschreitung der gesetzlichen Altersgrenze; Jugendpolitische Zielrichtung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG); Qualifizierung eines Masterstudienganges im Anschluss an einen abgeschlossenen Bachelorstudiengang als einheitlichen Ausbildungsabschnitt

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
21.06.2006
Aktenzeichen
12 ME 129/06
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2006, 32007
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2006:0621.12ME129.06.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Göttingen - 10.03.2006 - AZ: 2 B 568/05

Fundstelle

  • FamRZ 2006, 1486-1487 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz

Zur Geltung der Altersgrenze für die Gewährung von Ausbildungsförderung bei Aufnahme eines auf einen Bachelorstudiengang aufbauenden Masterstudiengangs.

Gründe

1

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts, mit dem dieses die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet hat, der Antragstellerin vorläufig Ausbildungsförderung nach dem BAföG in gesetzlicher Höhe ab Oktober 2005 für zwei Semester zu bewilligen, ist zulässig und begründet.

2

Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung habe Erfolg. Der erforderliche Anordnungsgrund liege bei der in wirtschaftlicher Hinsicht bedürftigen Antragstellerin vor. Die Antragstellerin habe gegenüber der Antragsgegnerin auch einen Förderungsanspruch dem Grunde nach. Die Gewährung von Ausbildungsförderung für die Absolvierung eines Masterstudiums im Studiengang Forstwissenschaften sei nach § 7 Abs. 1 a BAföG möglich, da der Masterstudiengang auf den zuvor am 14. September 2005 erworbenen Abschluss als Bachelor of Science aufbaue. Der Förderung stehe die Regelung in § 10 Abs. 3 Satz 1 BAföG nicht entgegen. Zwar habe die am 29. August 1975 geborene Antragstellerin bei Aufnahme des Masterstudiengangs bereits das 30. Lebensjahr vollendet. Doch könne sie sich erfolgreich auf die Ausnahmevorschrift des § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG berufen. Die Antragstellerin habe am 14. Juni 2002 das Abitur am C. in D. abgelegt, dann unverzüglich das Studium der Forstwissenschaften im Bachelorstudiengang aufgenommen und nach dessen erfolgreicher Beendigung bereits im Oktober 2005 das Studium im Masterstudiengang begonnen. Im Rahmen des § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG seien die Bachelor- und Masterstudiengänge jedenfalls für das von der Antragstellerin aufgenommene Studium als einheitlich zu fördernde Ausbildung und nicht als isoliert zu betrachtende Ausbildungsabschnitte anzusehen.

3

Mit der dagegen erhobenen Beschwerde macht die Antragsgegnerin geltend, im Zusammenhang mit der Beurteilung, ob die Antragstellerin die Altersgrenze gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 BAföG überschritten habe, sei nicht auf den Beginn des ersten Ausbildungsabschnitts ihrer förderungsfähigen Gesamtausbildung abzustellen, sondern auf den Beginn desjenigen Ausbildungsabschnitts, für den Ausbildungsförderung beantragt werde. Dies sei der im Oktober 2005 begonnene Masterstudiengang.

4

Unter Berücksichtigung dieses Vorbringens, auf dessen Überprüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, liegen die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO nicht vor. Der erforderliche Anordnungsanspruch auf Gewährung der von der Antragstellerin begehrten Ausbildungsförderung besteht nicht.

5

Der Antragstellerin steht ein Förderungsanspruch gemäß § 7 Abs. 1 a BAföG für den im Wintersemester 2005/2006 aufgenommenen Masterstudiengang im Fach Forstwissenschaften nicht zu. Dem steht gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 BAföG entgegen, dass die Antragstellerin bei Beginn des Ausbildungsabschnitts im Oktober 2005 bereits das 30. Lebensjahr vollendet hatte. Als Ausbildungsabschnitt im Sinne dieser Regelung ist - der gesetzlichen Definition in § 2 Abs. 5 Satz 2 BAföG entsprechend - der Masterstudiengang und nicht der zuvor absolvierte Bachelorstudiengang anzusehen, denn dieser hat mit dem Erwerb des Bachelorgrades bereits zu einem berufsqualifizierenden Abschluss geführt (vgl. § 3 Abs. 1 der Studienordnung der Antragsgegnerin für den Bachelorstudiengang Forstwissenschaften und Waldökologie sowie § 2 Abs. 1 der entsprechenden Bachelor-Prüfungsordnung; vgl. auch allgemein Ramsauer/Stallbaum/Sternal, BAföG, 4. Aufl., § 7 Rdnr. 18 f.; Humborg in Rothe/Blanke, BAföG, Stand: Januar 2006, § 7 Rdnr. 17; einschränkend unter Hinweis auf die Besonderheiten des Studiums der Rechtswissenschaft an der Bucerius Law School: OVG Hamburg, Urteil vom 11.5.2006 - 4 Bf 408/05 -, V.n.b.).

6

Die Antragstellerin kann sich nicht mit Erfolg auf die Ausnahmeregelung in § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG berufen. Danach gilt Satz 1 nicht, wenn der Auszubildende die Zugangsvoraussetzungen für die zu fördernde Ausbildung in einer Fachoberschulklasse, deren Besuch eine abgeschlossene Berufsausbildung voraussetzt, an einer Abendschule, einer Berufsaufbauschule, einer Abendrealschule, einem Abendgymnasium, einem Kolleg oder durch eine Nichtschülerprüfung oder eine Zugangsprüfung zu einer Hochschule erworben hat. Der Bachelor- und der nachfolgend aufgenommene Masterstudiengang der Antragstellerin gelten nicht als einheitlich zu fördernde Ausbildung im Sinne dieser Regelung (vgl. auch Ziff. 2 des Erlasses des Bundesministeriums für Bildung und Forschung v. 26.11.2002 - 315-42530 NS -). Vielmehr ist mit dem erfolgreichen Bestehen der Bachelorprüfung am 14. September 2005 der Ausbildungsabschnitt und damit auch die Ausbildung in diesem Studiengang beendet worden (§ 15 b Abs. 3 BAföG), so dass der Umstand, dass die Antragstellerin das Abitur am C. in D. am 14. Juni 2002 auf dem sogenannten Zweiten Bildungsweg erworben hat, nicht zu einer weiteren förderungsrechtlichen Privilegierung des hier zu beurteilenden Masterstudiengangs führen kann. Die Regelung in § 7 Abs. 1 a BAföG führt diesbezüglich nicht zu einer anderen Sichtweise. Die Vorschrift ist durch das 19. Gesetz zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (19. BAföGÄndG) vom 25. Juni 1998 (BGBl. I S. 1609) eingeführt worden, um die Ausbildungsförderung für die neu eingeführten Studiengänge sicherzustellen, insbesondere für die Master-/Magisterstudiengänge. Da der Grundanspruch auf Ausbildungsförderung gemäß § 7 Abs. 1 BAföG nach der bis dahin bestehenden Systematik des Gesetzes regelmäßig schon durch den Bachelor-/Bakkalaureusstudiengang ausgeschöpft worden wäre, war es aus Gründen der Gleichbehandlung mit den herkömmlichen Diplomstudiengängen erforderlich, die Förderung des nachfolgenden Master- oder Magisterstudiengangs durch eine Sonderregelung sicherzustellen und den Grundanspruch nach Abs. 1 auf die in Abs. 1 a genannten Studiengänge zu erweitern (Ramsauer/Stallbaum/Sternal, a.a.O., § 7 Rdnr. 18; Humborg in Rothe/Blanke a.a.O., § 7 Rdnrn. 16, 16.1). Der Bachelor- /Bakkalaureusstudiengang und ein darauf aufbauender Master-/Magisterstudiengang sind danach zwar innerhalb der nach dem 19. BAföGÄndG geschaffenen Systematik des § 7 BAföG als eine einzige Ausbildung anzusehen (Humborg in Rothe/Blanke, a.a.O., § 7 Rdnr. 16.1). Gleiches gilt aber nicht für die Regelungen über die Altersgrenze in § 7 Abs. 3 BAföG. Hier hat der Gesetzgeber sich dafür entschieden, wegen der jugendpolitischen Zielrichtung des BAföG die Altersgrenze von 30 Jahren für die aufbauenden Studiengänge gelten zu lassen (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BT-Drucks. 13/10241, S. 8; ebenso: Ramsauer/Stallbaum/Sternal, a.a.O., § 7 Rdnr. 19). An dieser Gesetzesintention hat sich im Zusammenhang mit nachfolgenden Gesetzesänderungen nichts geändert. Durch das Gesetz zur Reform und Verbesserung der Ausbildungsförderung (AföRG) vom 19. Februar 2001 (BGBl. I S. 390) ist die Vorschrift des § 7 Abs. 1 a BAföG zwar geändert und die Förderung von Masterstudiengängen, die auf einem Bachelorstudiengang aufbauen, durch den Wegfall der bis dahin vorgesehenen strikten fachlichen Verknüpfung zwischen dem Bachelor- und dem Masterstudiengang erleichtert und erweitert worden (vgl. Ramsauer/Stallbaum/Sternal, a.a.O., § 7 Rdnr. 19; Humborg in Rothe/Blanke, a.a.O. § 7 Rdnr. 18.1). Weder dem Gesetz noch den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 14/4731) lässt sich aber entnehmen, dass nunmehr für den auf den Bachelor aufbauenden Studiengang die Altersgrenze nach § 10 Abs. 3 Satz 1 BAföG nicht mehr gelten bzw. im Rahmen der Ausnahmevorschrift des § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BAföG nicht auf diesen, sondern auf den Bachelorstudiengang abgestellt werden soll.