Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 12.06.2001, Az.: 4 LA 1666/01
Beklagtenwechsel; isolierte Anfechtung; Klagerücknahme; Klageänderung; Parteiwechsel; Widerspruchsbescheid
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 12.06.2001
- Aktenzeichen
- 4 LA 1666/01
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2001, 39534
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 29.03.2001 - AZ: 9 A 2959/00
Rechtsgrundlagen
- § 78 Abs 2 VwGO
- § 79 Abs 2 VwGO
- § 92 VwGO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Ein Parteiwechsel auf der Beklagtenseite (der auch im Berufungszulassungsverfahren nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist) ist als Klageänderung nur unter den Voraussetzungen des § 91 Abs. 1 VwGO zulässig.
Gründe
1. Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 21. Mai 2001 erklärt hat, er erstrebe (nur noch) die Aufhebung des Widerspruchsbescheids der Bezirksregierung H. vom 13. Juni 2000, weil dieser sich fehlerhaft gegen ihn gerichtet habe, liegt darin eine teilweise Klagerücknahme. Der Kläger hat mit seiner Erklärung nämlich deutlich gemacht, dass er den mit seiner am 23. Juni 2000 vor dem Verwaltungsgericht erhobenen Klage geltend gemachten prozessualen Anspruch gegen den Beklagten, ihm, dem Kläger, die Fahrt- und Betreuungskosten für die Kinder seiner Schwester S. A. zu erstatten, nicht mehr weiter verfolgt. Von einer (teilweisen) Einstellung des Verfahrens durch Beschluss gemäß § 92 Abs. 2 VwGO hat das Gericht abgesehen, weil nach § 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung die Einwilligung des Beklagten voraussetzt. Daran fehlt es hier. Eine Einwilligung lässt sich auch nicht der Antragserwiderung des Beklagten vom 8. Juni 2001 entnehmen.
2. Soweit sich der Kläger nunmehr ausschließlich gegen den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung H. vom 13. Juni 2000 richtet, ist gem. § 78 Abs. 2 VwGO richtiger Beklagter die Bezirksregierung H., nicht aber die Ausgangsbehörde. Das Gericht hat davon abgesehen, den Kläger aufzufordern, seine Klage nunmehr gegen die Bezirksregierung H. zu richten, oder den Beklagten etwa von Amts wegen auszuwechseln. Ein Parteiwechsel auf der Beklagtenseite (der auch im Berufungszulassungsverfahren nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist) ist nämlich als Klageänderung aufzufassen (Kopp, VwGO, § 91, Rdnr. 7), die nur unter den Voraussetzungen des § 91 Abs. 1 VwGO zulässig ist, also bei Einwilligung der übrigen Beteiligten, oder wenn das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Es fehlt an einer Einwilligung des Beklagten mit der Klageänderung. Diese ist insbesondere nicht seinem Schriftsatz vom 8. Juni 2000 zu entnehmen, mit dem sich der Beklagte vielmehr sinngemäß gegen den Parteiwechsel wendet, indem er ausführt, dass der diesbezügliche Vortrag des Klägers "neben der Sache" liege, weil die Klage von dem Verwaltungsgericht zu Recht als unzulässig abgewiesen worden sei.
Das Gericht hält die Klageänderung auch nicht für sachdienlich. Der Kläger reagiert mit dem von ihm begehrten Parteiwechsel nämlich nicht etwa auf eine nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils veränderte Sachlage, sondern versucht vielmehr, die bisherigen Grundlagen des Rechtsstreits zu ändern, indem er von seinem ursprünglichen Begehren auf Gewährung der für die Kinder seiner Schwester aufgewendeten Fahrt- und Betreuungskosten abrückt und den Rechtsstreit auf einen bisher nicht problematisierten Gegenstand - der Adressierung des Widerspruchsbescheids - konzentriert. Dass die Klageänderung hier die endgültige Beilegung des Streites fördert und dazu beiträgt, dass ein weiterer sonst zu erwartender Prozess vermieden wird, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Vielmehr lässt sich, was gegen die Sachdienlichkeit der Klageänderung spricht, bereits jetzt feststellen, dass das Rechtsmittel des Klägers gegen das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts - selbst bei einem Austausch des Beklagten - erfolglos bleiben muss. Das ergibt sich aus Folgendem:
3. Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist gemäß § 124 Abs. 1 VwGO statthaft und auch sonst zulässig. Er ist aber nicht begründet. Gründe für die Zulassung der Berufung sind nicht gegeben. Insbesondere bestehen ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils nicht. Diese ergeben sich auch nicht aus dem Vorbringen des Klägers, der Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung H. vom 13. Juni 2000 hätte nicht an ihn persönlich gerichtet werden dürfen, und auch die zu seinen Lasten ergangene Kostenentscheidung sei rechtswidrig, denn er habe am 19. September 1999 Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 1. September 1999 nicht im eigenen Namen, sondern als Bevollmächtigter seiner Schwester eingelegt. Der Kläger hat mit diesen Einwänden gegen die angefochtene Entscheidung nämlich nicht hinreichend dargelegt, dass die verwaltungsgerichtliche Entscheidung im Ergebnis unrichtig ist. Eine (isolierte) Aufhebung des Widerspruchsbescheids nach § 79 Abs. 2 VwGO durch das Verwaltungsgericht kam nämlich aus folgenden Gründen nicht in Betracht:
Es spricht Vieles dafür, dass sich der Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung H. vom 13. Juni 2000 gar nicht an den Kläger persönlich gerichtet hat, sondern an seine Schwester S. A., und dem Kläger der Bescheid lediglich als Bevollmächtigter seiner Schwester zugestellt wurde. Es ist nämlich davon auszugehen, dass sich die Bezirksregierung H. in ihrem Bescheid mit der Frage auseinandergesetzt hätte, ob der Kläger aus eigenem Recht gegen den Bescheid des Beklagten vom 1. September 1999 vorgehen kann und ob ihm persönlich Ansprüche auf Erstattung der Fahrt- und Betreuungskosten zustehen, wenn sie der Auffassung gewesen wäre, der Kläger habe in eigenem Namen Widerspruch eingelegt. Zu dieser Problematik hat die Bezirksregierung in ihrem Bescheid aber keine Ausführungen gemacht. Sie hat vielmehr festgestellt, der Widerspruch sei zulässig, und sich sodann mit der Frage befasst, ob der Schwester des Klägers insoweit Ansprüche nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zustehen. Der Widerspruchsbescheid dürfte sich damit trotz der missverständlichen Formulierungen in seinem Tenor ("Ihren Widerspruch .. weise ich zurück..." und: "Die Kosten haben Sie zu tragen.") nicht an den Kläger persönlich, sondern an seine Schwester richten. Damit ist der Kläger durch den Widerspruchsbescheid - insbesondere durch die Kostenentscheidung - nicht beschwert , so dass er insoweit auch nicht aus eigenem Recht gegen den Bescheid vorgehen konnte (§ 42 Abs. 2 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat deshalb zu Recht die Klage des Klägers auch insoweit abgewiesen, als sie sich gegen den Widerspruchsbescheid gerichtet hat. Dahinstehen kann, ob das Verwaltungsgericht - auf der Grundlage dieser Auslegung des Widerspruchsbescheides - nach § 86 Abs. 3 VwGO darauf hätte hinwirken müssen, dass statt des Klägers (oder jedenfalls neben ihm) seine Schwester als Klägerin in das Verfahren eintritt. Denn einen solchen (Verfahrens-)Fehler macht der Kläger nicht geltend. Er hat einen solchen Klägerwechsel - verbunden mit dem Aufrechterhalten der Verpflichtungsklage - auch nicht nachgeholt, obwohl der Vorsitzende des Senats ihn mit Schreiben vom 7. Mai 2001 ausdrücklich danach gefragt hat, sondern hat - wie erwähnt - das Verpflichtungsbegehren insgesamt aufgegeben und stattdessen den Klagegegenstand ausgewechselt und nur noch den Widerspruchsbescheid angefochten.
Aber selbst wenn der Widerspruchsbescheid so zu verstehen wäre, als richte er sich gegen den Kläger persönlich, begründete dies keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils. Eine "isolierte" Aufhebung des Widerspruchsbescheids war bereits mangels eines darauf gerichteten Antrags des Klägers nicht geboten. Das Verwaltungsgericht hat das Begehren des Klägers auf der Grundlage seines Klagantrags nämlich zutreffend dahingehend verstanden, dass es ihm in der Sache allein um die Erstattung der Fahrt- und Betreuungskosten für die Kinder seiner Schwester ging. Auf der Grundlage dieser sachgerechten Auslegung des Klagebegehrens hat das Gericht die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen, weil dem Kläger Ansprüche auf Kostenerstattung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz nicht zustehen. Das Verwaltungsgericht war nicht gehalten, den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung H. vom 13. Juni 2000 (isoliert) aufzuheben, denn der Kläger hatte weder ausdrücklich geltend gemacht, er sei durch den Widerspruchsbescheid selbständig beschwert, noch bestand für das Verwaltungsgericht Anlass, dieser Frage von Amts wegen nachzugehen. Die von dem Kläger begehrte Aufhebung des Widerspruchsbescheids der Bezirksregierung H. vom 13. Juni 2000 (sowie des Ausgangsbescheids des Beklagten vom 1. September 1999) wurde von ihm nämlich nicht - auch nicht hilfsweise - mit einer selbständigen Beschwer durch die Kostenentscheidung des Bescheids begründet. Der Anfechtungsantrag war vielmehr rein "deklaratorischer Art": Ausgangs- und Widerspruchsbescheid sollten aufgehoben werden, weil sie der begehrten Erstattung der Fahrt- und Betreuungskosten für die Kinder entgegenstanden. Das Verwaltungsgericht durfte damit auch die auf Aufhebung der angegriffenen Bescheide gerichtete Klage abweisen, nachdem es (mit zutreffenden Erwägungen) festgestellt hatte, dass dem Kläger der geltend gemachte Anspruch nicht zusteht.