Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 05.06.2001, Az.: 1 L 3362/00

Ausübung öffentlicher Gewalt; Darlegungserfordernis; ergänzendes Vorbringen; Gebührenbefreiung; Zustimmung; öffentliche Gewalt

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
05.06.2001
Aktenzeichen
1 L 3362/00
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2001, 40166
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 21.07.2000 - AZ: 2 A 124/99

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Die besseren Gründe sprechen dafür, dass jedenfalls in den Fällen, in denen die zu einer Amtshandlung Anlass gebende Behörde der anderen Behörde gegenüber untergeordnet ist, also insbesondere dann, wenn die Amtshandlung im Erlass eines Verwaltungsaktes nach Antragstellung besteht, die Anlass gebende Behörde nicht in Ausübung öffentlicher Gewalt i. S. v. § 2 Abs. 1 Nr. 2 NVwKostG gehandelt hat.


2. Im Zustimmungsverfahren nach § 82 NBauO hat die den Antrag auf Zustimmung stellende Stelle gegenüber der oberen Bauaufsichtsbehörde als Zustimmungsbehörde nicht einmal eine dieser gleich gestellte Rechtsposition.

Gründe

1

Die Klägerin wendet sich gegen den Kostenfestsetzungsbescheid der Beklagten vom 11. März 1999, über 2.186,-- DM der der Zustimmung der Beklagten vom selben Tage zum Neubau eines Dienst- und Bürogebäudes für den Außenbezirk M. beigefügt war. Den Widerspruch wies die Bezirksregierung W.-E. mit Bescheid vom 21. Juni 1999 zurück. Die dagegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 21. Juli 2000 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Tatbestand des § 2 Abs. 1 Nr. 2 NVwKostG sei nicht erfüllt, weil die Klägerin bei dem Antrag auf Zustimmung gemäß § 82 NBauO nicht in Ausübung öffentlicher Gewalt tätig geworden sei. Im Übrigen wird auf die Urteilsgründe Bezug genommen.

2

Der Zulassungsantrag, der auf § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützt wird, ist unbegründet.

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Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen nach ständiger Senatsrechtsprechung erst dann, wenn für das vom Zulassungsantragsteller favorisierte Entscheidungsergebnis - auf dieses, nicht auf einzelne Begründungselemente kommt es an - die "besseren Gründe" sprechen, d.h., wenn sein Obsiegen in der Hauptsache wahrscheinlicher ist als sein Unterliegen (vgl. Beschl. d. Senats v. 31.7.1998 - 1 L 2696/98 -, NVwZ 1999, 431 = NdsVBl. 1999, 93). Diese Voraussetzung ist nicht gegeben.

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Die Klägerin macht zwar geltend, ernstliche Zweifel ergäben sich aus der fehlgehenden Würdigung des Begriffs "öffentl. Gewalt" sowie der Heranziehung der zum Personenbeförderungsgesetz ergangenen Rechtsprechung durch das Verwaltungsgericht. Unter dem Begriff der "Ausübung öffentlicher Gewalt" seien sämtliche öffentlich-rechtliche Handlungsformen mit Ausnahme rein fiskalischer Handlungen zu verstehen. In das NVwKostG sei erkennbar ein bereits unter preußischer Verwaltung vorhandener Gesetzesbegriff übernommen worden, ohne diesen zum Zeitpunkt des Gesetzgebungsverfahrens näher zu definieren oder ihm eine andere Bedeutung beizumessen. Bereits bei der Antragstellung auf Erteilung der Zustimmung gemäß § 82 NBauO habe das Wasser- und Schifffahrtsamt Meppen eine öffentliche Aufgabe wahrgenommen. Der Neubau des Dienst- und Bürogebäudes und damit auch die dafür notwendige Antragstellung stehe nicht nur im unmittelbaren Zusammenhang mit der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben durch die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung, sondern stelle sogar eine wesentliche Voraussetzung in der Bereitstellung der sachlichen und auch personellen Gegebenheiten für die Durchführung der Aufgaben dar. Das vom Verwaltungsgericht vergleichend herangezogene Antragsverfahren auf Genehmigung von Linienverkehren nach dem Personenbeförderungsgesetz sei mit der Durchführung hoheitlicher Aufgaben nach dem WaStrG nicht vergleichbar. Im Gegensatz zur Durchführung bzw. Aufrechterhaltung von Linienverkehren seien die Aufgaben nach dem WaStrG ausschließlich hoheitliche Aufgaben, die allein von der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung in Ausübung öffentlicher Gewalt zu erfüllen seien.

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Die Zulassungsantragsschrift dürfte bereits nicht dem Darlegungserfordernis genügen und der Antrag daher unzulässig sein. Der Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel wird nur dann in einer § 124a Abs. 1 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargelegt, wenn sich der Zulassungsantragsteller auf die angegriffene Entscheidung "einlässt" und in Auseinandersetzung mit ihren Gründen dartut, weshalb für das von ihm favorisierte Ergebnis "die besseren Gründe sprechen", d.h. sein Obsiegen in der Berufungsinstanz wahrscheinlicher ist als sein Unterliegen. Dem genügt die Schrift vom 21. September 2000 nicht. Sie besteht zu ganz wesentlichen Teilen in einer Bezugnahme auf erstinstanzlich eingereichte Schriftstücke, welche das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung bereits gewürdigt hatte. Nun wäre es an der Klägerin gewesen, hierauf in Gestalt einer "Replik" einzugehen. Daran fehlt es. Die Klägerin "pickt" sich von den Entscheidungen und sonstigen Belegstellen, welche das Verwaltungsgericht für seine Auffassung angezogen hat, lediglich eine Entscheidung des OVG Münster "heraus". Das ist nicht annähernd die Auseinandersetzung mit den - ausführlichen - Gründen, welche das Verwaltungsgericht für seine Auffassung angeführt hat.

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Die späteren Ausführungen sind nach Ablauf der Zulassungsantragsfrist eingegangen. Sie könnten nur dann berücksichtigt werden, wenn sie sich als Ergänzungen eines bereits ausreichenden substantiierten Zulassungsantrages verstehen ließen. Das ist nach den vorstehenden Ausführungen indes nicht der Fall. Sie sollen vielmehr die Substantiierung, welche nach § 124a Abs. 1 Satz 4 VwGO "in dem Antrag", d.h. innerhalb der Zulassungsantragsfrist geschehen soll, nachholen.

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Das kann indes unentschieden bleiben, weil der Antrag jedenfalls in der Sache nicht begründet ist.

8

Das vom Verwaltungsgericht gefundene Ergebnis hat die besseren Gründe für sich.

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Der niedersächsische Gesetzgeber erließ zwar die Norm des § 2 Abs. 1 Nr. 2 NVwKostG in Anknüpfung an die entsprechende Regelung im preußischen Gebührenrecht (vgl. VG Braunschweig, Urt. vom 22.11.1962 - I A 197/62 - DVBl. 1964, 124 <125>, und OVG Lüneburg, Urt. vom 27.10.1967 - III OVG A 163/66 -, KStZ 1968, 99 ff., jeweils zum Antrag auf Erteilung einer Genehmigung nach dem Personenbeförderungsgesetz). Ferner mag es zutreffen, dass der preußische Verordnungsgeber die Worte "in Ausübung einer öffentlichen Gewalt" in § 2 Nr. 3 der preußischen Verwaltungsgebührenordnung vom 30. Dezember 1926 (GS S. 327, die Bekanntmachung "betr. die abgeänderte Fassung der Verwaltungsgebührenordnung" datiert vom 19. Mai 1934, GS S. 261) dem damals geltenden Art. 131 Abs. 1 Satz 1 Weimarer Reichsverfassung (WRV) entnahm (so VG Braunschweig, Urt. vom 22.11.1962, a.a.O.). Außerdem ist der Klägerin zuzugeben, dass unter dem Merkmal "in Ausübung der ihm anvertrauten öffentlichen Gewalt" in Art. 131 Abs. 1 Satz 1 WRV - wie das Verwaltungsgericht bereits ausführte - jede hoheitsrechtliche Betätigung des Staates oder einer sonstigen juristischen Person der öffentlichen Rechts verstanden wurde. Dazu gehörte auch die schlicht-hoheitliche Betätigung der öffentlichen Hand (vgl. Papier in Maunz/Dürig, GG, Komm., Art. 34 (Stand: Juni 1998), Rdnr. 121 m. w. N.).

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Es ist indes nicht in ausreichendem Maße ersichtlich, dass der niedersächsische Gesetzgeber mit der Regelung des § 2 Abs. 1 Nr. 2 NVwKostG bezweckte, die in dieser Vorschrift erwähnten Behörden in allen Fällen zu begünstigen, in denen sie sich öffentlich-rechtlicher Handlungsformen bedienten. Insbesondere lässt sich dies der von der Klägerin selbst vorgelegten Begründung des Gesetzentwurfes nicht in ausreichendem Maße entnehmen (s. S. 79 GA, veröffentlicht in: Nds. LT-Drucks. 4/222, S. 1075). In der 18. Sitzung am 6. April 1960 wurde zwar - wie die Klägerin zutreffend bemerkt - darauf hingewiesen, dass die einzelnen Bestimmungen des Gesetzes an bewährte Rechtsbegriffe und Rechtsgrundsätze des bisher geltenden Rechtes anknüpften. Dies führt jedoch zu keinem anderen Ergebnis. Denn im unmittelbaren Anschluss daran wurde ausgeführt - und darauf wies die Klägerin nicht hin -, modernen Erkenntnissen folge der Entwurf, indem er neben den Kosten für Amtshandlungen, d.h. für "hoheitliches Verwaltungshandeln in Ausübung öffentlicher Gewalt" (§ 1 des Entwurfs) die Leistungs- und Nutzungsgebühren in § 14 des Entwurfs besonders herausstelle. Diese dienten der Abgeltung des Verwaltungsaufwandes für Handlungen nicht obrigkeitlicher Natur, die dem Bürger Leistungen des Staates oder die Benutzung öffentlicher Einrichtungen gewährten, ohne dass der Staat sich dabei in ein zivilrechtliches Vertragsverhältnis begebe (s. der von der Klägerin in Kopie selbst vorgelegte Auszug, S. 80 GA, veröffentlicht in: Verhandlungen des Nds. Landtages, 4. Wahlperiode 1959, Stenographische Berichte, Bd. 1, Sp. 929). Gerade der Gegenüberstellung zwischen hoheitlichem Verwaltungshandeln in Ausübung öffentlicher Gewalt (Amtshandlungen) und Handlungen nicht obrigkeitlicher Natur könnte sogar (eher) entnommen werden, dass der niedersächsische Gesetzgeber den Begriff der Ausübung öffentlicher Gewalt in § 2 Abs. 1 Nr. 2 NVwKostG auf Handlungen obrigkeitlicher Natur und damit auf die Eingriffsverwaltung beschränken wollte.

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Letztendlich kann dies allerdings in diesem Zulassungsverfahren offen bleiben. Denn zumindest sprechen die besseren Gründe dafür, dass jedenfalls in den Fällen, in denen die zu einer Amtshandlung Anlass gebende Behörde der anderen Behörde gegenüber untergeordnet ist, also insbesondere dann, wenn die Amtshandlung im Erlass eines Verwaltungsaktes nach Antragstellung besteht, die Anlass gebende Behörde nicht in Ausübung öffentlicher Gewalt gehandelt hat. Denn insofern ist die Behörde grundsätzlich mit einer Privatperson vergleichbar, die gerade keine Gebührenbefreiung genießt. Im Übrigen führte der Senat bereits in seinem Urteil vom 14. September 1993 (- 1 L 334/91 -, OVGE 44, 357, 360 = NdsMBl. 1994, 118 = Nds.Rpfl. 1994, 27, 28) unter Hinweis auf das bereits o.g. Urteil des 3. Senats des erkennenden Gerichts vom 27. Oktober 1967 aus, eine Gebührenbefreiung für Amtshandlungen, "zu denen in Ausübung öffentlicher Gewalt eine andere Behörde im Lande Anlass gegeben hat", komme nicht in Frage, weil diese Gebührenbefreiung nicht jedes Handeln in öffentlich-rechtlicher Rechtsform, sondern nur hoheitliches Verwaltungshandeln auslösen könne. Dabei war Gegenstand jenes Verfahrens ebenfalls ein Antrag nach § 82 NBauO.

12

Außerdem ist darauf abzustellen, ob gerade die Veranlassung zu der Amtshandlung eine Ausübung öffentlicher Gewalt darstellt. Der Gebührenschuld und Gebührenfreiheit auslösende Anlass kann deshalb dann, wenn die Amtshandlung ein antragsbedürftiger Verwaltungsakt ist, nur in dem Antrag und nicht in der zu genehmigenden und genehmigten Tätigkeit bestehen (vgl. OVG Lüneburg, Urt. vom 27.10.1967, a.a.O.; Loeser, NVwKostG, Komm., Stand: Januar 1999, § 2 Anm. 2 b <S. 3>).

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Hiervon ausgehend ist das Obsiegen der Klägerin nicht überwiegend wahrscheinlich. Sie verkennt, dass nicht darauf abzustellen ist, ob das Vorhaben, dem die Beklagte zustimmte, ausschließlich der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dient. Entscheidend ist vielmehr, dass der Antrag der Klägerin lediglich eine öffentlich-rechtliche Willenserklärung darstellte und die Klägerin im Rahmen des Zustimmungsverfahrens nach § 82 NBauO als "Verwaltungsunterworfene" gegenüber der Beklagten handelte (vgl. OVG Lüneburg, Urt. vom 27.10.1967, a.a.O. <101>), was insbesondere dadurch zum Ausdruck kommt, dass es sich bei der Zustimmung um einen Verwaltungsakt handelt (vgl. Schmaltz in: Große-Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/Wiechert, NBauO, Komm. 6. Aufl. 1996, § 82 Rdnr. 15, m. w. N., auch zur gegenteiligen Auffassung). Die Klägerin hatte im Zustimmungsverfahren gegenüber der Beklagten als Zustimmungsbehörde nicht einmal eine dieser gleich gestellte Rechtsposition, auch wenn die Bauvorhaben der in § 82 NBauO genannten öffentlichen Bauherrn einer verfahrensrechtlichen Sonderregelung unterworfen werden (vgl. Schmaltz, a.a.O., Rdnr. 1; im Übrigen vgl. auch BVerwG, Urt. vom 27.6.1969 - VII C 20.67 -, Buchholz 410.80 Nr. 2, S. 1 <7 f.>, und OVG Münster, Urt. vom 8.11.1966, 11 A 199/65 -, DÖV 1967, 388 f. [OVG Nordrhein-Westfalen 08.11.1966 - II A 199/65], die zum nordrhein-westfälischen Gebührenrecht ebenfalls sinngemäß die Auffassung vertreten haben, der Antrag auf Erteilung einer Genehmigung nach dem Personenbeförderungsgesetz werde nicht in Ausübung öffentlicher Gewalt gestellt, und zwar - so das BVerwG - auch dann nicht, wenn man den Begriff der öffentlichen Gewalt nicht auf die Eingriffsverwaltung beschränke, sondern auch auf die Leistung gewährende Verwaltung ausdehne, also jede hoheitliche Tätigkeit des Staates damit erfasse).

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Insofern kann in diesem Zulassungsverfahren mangels Entscheidungserheblichkeit (ebenfalls) offen bleiben, ob der Auffassung des 3. Senats im o.g. Urteil vom 27. Oktober 1967 uneingeschränkt zu folgen ist, der Begriff der Ausübung öffentlicher Gewalt in § 2 Abs. 1 Nr. 2 NVwKostG sei auf hoheitliches Verwaltungshandeln zu beschränken, und zwar - so sind die Ausführungen des 3. Senats zu verstehen - in der Form des Handelns der der Staatsgewalt eigentümlichen überlegenen Hoheitsgewalt (Subordination) (a.a.O., <100 f.>; vgl. dagegen Loeser, NVwKostG, Komm., Stand: Jan. 1999, § 2 Anm. 2.b <S. 3>, der - allerdings unter Hinweis auf das Urteil vom 27. Oktober 1967 - die Auffassung vertritt, die öffentliche Verwaltung müsse "einseitig verbindlich" (= Regelung) oder "einseitig vornehmend" (= schlichtes Verwaltungshandeln) auftreten), und ob die vom Senat im o.g. Urteil vom 14. September 1993 benutzte Formulierung hinsichtlich des Begriffs "hoheitliches Verwaltungshandeln" einer über die vorgenannten Ausführungen hinausgehenden Präzisierung bedarf.

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Rechtlich unerheblich ist es, in welchem Umfang § 8 Abs. 1 VwKostG des Bundes eine persönliche Gebührenfreiheit gewährt, weil diese Vorschrift inhaltlich nicht mit § 2 Abs. 1 Nr. 2 NVwKostG vergleichbar ist. In § 8 Abs. 1 VwKostG des Bundes fehlt der Begriff "in Ausübung öffentlicher Gewalt".