Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 25.06.2001, Az.: 1 K 1850/00

Abwägung; Abwägungsgebot; Bebauungsplan; Gewerbebetrieb; Immissionsschutz; Kennzeichnung; Lärm; Lärmschutz; Normenkontrollantrag; Normenkontrolle; Normenkontrollverfahren; Nutzungsunverträglichkeit; schädliche Umwelteinwirkung; Trennungsgrundsatz; Wohngebiet

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
25.06.2001
Aktenzeichen
1 K 1850/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 40485
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Dem Trennungsgrundsatz des § 50 BImSchG kommt als Element geordneter städtebaulicher Entwicklung insbesondere bei einer Neuplanung auf bisher unbebauten Flächen besondere Bedeutung zu.

2. Eine prognostizierte Überschreitung der Orientierungswerte der DIN 18005 für Wohngebiete um 5 dB(A) macht es erforderlich, dass die Gemeinde alle Möglichkeiten des aktiven und passiven Lärmschutzes auslotet. Allein die Kennzeichnung des Wohngebietes als "lärmvorbelastet" reicht zur ordnungsgemäßen Abwägung nicht aus.

Tatbestand:

1

Die Antragstellerin wendet sich gegen den Bebauungsplan N-607 C der Antragsgegnerin, mit dem diese in Nachbarschaft zu dem Firmengelände der Antragstellerin allgemeines Wohngebiet (WA-Gebiet) und daran nach Osten anschließend reines Wohngebiet (WR-Gebiet) festsetzt. Die Antragstellerin befürchtet Eingriffe in den Bestand und die geplante Entwicklung des gewerblichen Betriebes durch die heranrückende Wohnbebauung.

2

Die Antragstellerin betreibt die Herstellung von Druckerzeugnissen, insbesondere für die N-Zeitung. Die Druckerei liegt im Geltungsbereich des am 6. November 1981 in Kraft getretenen Bebauungsplanes N-538 I, dessen Geltungsbereich von der W Heerstraße im Westen bis an den Planbereich des angegriffenen Bebauungsplanes im Osten heranreicht. Für das Firmengelände setzt der Bebauungsplan N-538 I Gewerbegebiet, für einen Teilstreifen in einer Tiefe zwischen 25 m und 55 m entlang der Grenze zum Geltungsgebiet des angegriffenen Plans eingeschränktes Gewerbegebiet fest. Das. Druckhaus befindet sich im Norden des Betriebsgeländes, erweitert nach Norden durch einen Anbau im Jahr 2000/2001. Die südliche Teilfläche ist für die Errichtung eines Verlagsgebäudes mit Stellplätzen an der Grenze zum Geltungsbereich des Bebauungsplanes N-607 C vorgesehen.

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Der Bebauungsplan N-607 C setzt verschiedene Nutzungsarten fest. Im südwestlichen Bereich wird allgemeines Wohngebiet festgesetzt. Der geringste Abstand zwischen dem Druckhaus der Antragstellerin und den westlichen Baugrenzen der einzelnen WA-Gebietsteppiche beträgt rd. 129 m. Weiter nach Osten schließt sich die Festsetzung reines Wohngebiet an. Im Nordwesten des Plangebietes wird eingeschränktes Gewerbegebiet festgesetzt. Neben einer von Süden nach Norden verlaufenden Stichstraße zur Erschließung dieser Gebiete setzt der Plan im Norden eine von Westen nach Osten verlaufende Straße als öffentliche Verkehrsfläche fest. Sie soll zukünftig als Querverbindung zwischen der W Heerstraße und der B Straße neben dem Erschließungsverkehr aus dem Plangebiet auch Durchgangsverkehr aufnehmen. Südlich dieser Trasse wird, von Westen beginnend, eingeschränktes Gewerbegebiet, wie bereits beschrieben, festgesetzt und daran nach Osten anschließend Mischgebiet. Nach Süden folgt dem Mischgebiet ein allgemeines Wohngebiet, noch weiter südlich ein reines Wohngebiet. Ergänzt wird der Plan um Festsetzungen von privaten (Flurstück 446/70) und öffentlichen Grünflächen, im Wesentlichen zwischen den Baugebieten und den Grenzen des Planes, teilweise ziehen sich die Festsetzungen aber auch mitten durch das Plangebiet. Im Plan werden Lärmpegelbereiche I, II und III durch Linien dargestellt. Die Grenze des Lärmpegelbereichs III verläuft im Westen des Plangebiets in dem Bereich, der als öffentliche Grünfläche festgesetzt wird. Die Pegelbereiche II und I schließen sich nach Osten an. Die Bereiche, für die eine Lärmvorbelastung besteht, werden durch den Zusatz "I" zu der Bezeichnung des jeweiligen Baugebietes (z.B. WA I) kenntlich gemacht. Nach § 12 der textlichen Festsetzungen sind im Plangebiet -- im Lärmpegelbereich III -- bestimmte Mindestwerte der Luftschalldämmung der Außenbauteile gemäß DIN 4109 einzuhalten.

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Der Normenkontrollantrag hatte in wesentlichen Erfolg.

Entscheidungsgründe

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Der Normenkontrollantrag ist begründet. Der Bebauungsplan N-607 C verstößt gegen § 1 Abs. 6 BauGB und ist deshalb für unwirksam zu erklären.

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Das Abwägungsgebot ist verletzt, weil die Antragsgegnerin die durch Gewerbe- und Verkehrslärm in weiten Teilen der dem Wohnen dienenden Baugebiete des angegriffenen Bebauungsplanes hervorgerufenen Belastungen nur unzureichend mit ihrer Planung bewältigt hat. Gemäß § 1 Abs. 6 BauGB sind bei der Aufstellung der Bauleitpläne die öffentlichen und die privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Die maßgeblichen Gesichtspunkte für die Abwägung ergeben sich aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Dezember 1969 (-- IV C 105.66 --, BVerwGE 34, 301, 309). Sie lassen sich wie folgt zusammenfassen: Eine sachgerechte Abwägung muss überhaupt stattfinden. In diese muss eingestellt werden, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss. Dabei darf die Bedeutung der betroffenen privaten Belange nicht verkannt und muss der Ausgleich zwischen den von der Planung betroffenen öffentlichen Belangen in einer Weise vorgenommen werden, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange im Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot nicht verletzt, wenn sich die Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet. Diesen Anforderungen genügt der Bebauungsplan der Antragsgegnerin nicht.

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Die Antragsgegnerin hat im Rahmen des Abwägungsvorgangs den Planungsgrundsatz des § 50 BImSchG, unverträgliche Nutzungen grundsätzlich zu trennen, nicht hinreichend beachtet. Es stellt ein wesentliches Element geordneter städtebaulicher Entwicklung dar, dass gewerbliche Nutzung und Wohnnutzung wegen ihrer prinzipiellen Konfliktanfälligkeit nicht unmittelbar nebeneinander liegen sollen (BVerwG, Urt. v. 5.7.1974 -- IV C 50.72 --, BVerwGE 45, 309, zum Industriegebiet; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 7.3.1990 -- 8 S 3031/89 --, UPR 1991, 155). Von diesem Grundsatz sind Ausnahmen denkbar, insbesondere in vorhandenen Gemengelagen oder wenn sichergestellt werden kann, dass von dem Gewerbegebiet nur unerhebliche Immissionen ausgehen, und besondere Umstände des Einzelfalls hinzutreten. Besonderheiten gelten bei Gemengelagen (vgl. zu diesem Begriff: Bielenberg, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauNVO, Loseblattsammlung, Stand: November 2000, Anh. Vorb. BauNVO Anm. 2.2). Hierunter sind überwiegend bebaute Bereiche mit schon vorhandenen oder zu erwartenden Immissionskonflikten zwischen Nutzungen, die schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen, und Wohnnutzungen bzw. sonstigen schutzbedürftigen Nutzungen zu verstehen. Rückt beispielsweise Wohnbebauung an bereits vorhandene Baugebiete mit stärker emittierenden zugelassenen Nutzungen heran, wirkt sich die faktische Lärmbelastung eines später herangerückten Wohnbauvorhabens schutzmindernd dahin aus, dass nicht die der ausschließlichen oder überwiegenden Wohnnutzung entsprechenden Lärmrichtwerte maßgebend sind, sondern darüber liegende Werte (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.12.1990 -- 4 N 6.88 --, BRS 50, Nr. 25; Urt. v. 23.9.1999 -- 4 C 6.98 --, BRS 62, Nr. 86 = DVBl 2000, 192; vgl. nunmehr auch Nr. 6.7 TA-Lärm: Gemengelagen). Gleiches gilt für den Fall einer plangegebenen Vorbelastung, also etwa des Heranrückens von Wohnbebauung an ein bereits vorhandenes und durch Bebauungsplan festgesetztes Gebiet mit höherem Immissionspotential bzw. geringerem Schutzniveau. In diesen Fällen muss der zwischenzeitlich herangerückte Wohngebäudenutzer in der Regel höhere Immissionswerte hinnehmen. Er hat die inzwischen bereits eingetretene Konfliktsituation durch sein Heranrücken ausgelöst, so dass er sich nicht auf die erhöhte Schutzwürdigkeit seiner Wohnnutzung berufen kann. Insoweit gilt die Pflicht zur Rücksichtnahme für die störende ebenso wie für die schutzbedürftige Nutzung (BVerwG, Urt. v. 23.9.1999, a.a.O.). Eine solche Gemengelage ist im vorliegenden Fall entgegen der von der Antragsgegnerin in der ergänzenden Antragserwiderung geäußerten Ansicht nicht gegeben.

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Die Antragsgegnerin überplant nicht bebaute Bereiche mit bereits vorhandener Mischung unterschiedlicher Nutzungen. Ziel der Planung ist es nicht, bestehende Konfliktsituationen zu verbessern oder einen insgesamt erhaltenswerten Zustand zu sichern. Es handelt sich vielmehr um eine Neuplanung auf bisher unbebauten Flächen. In einem solchen Fall der Planung auf der "grünen Wiese" hat das Optimierungsgebot des § 50 BImSchG erhebliches Gewicht. Die räumliche Trennung ist dabei nur eine Möglichkeit, den Zielen des Immissionsschutzes zu genügen. Es ist auch zu prüfen, ob ausreichende Schutzabstände zwischen unverträglichen Nutzungen durch Abschirmung oder andere Maßnahmen bzw. durch Nutzungsbeschränkungen minimiert werden können. In jedem Fall ist eine gerechte Abwägung mit dem privaten Interesse der Antragstellerin, den Bestand und die Entwicklung ihres Gewerbebetriebes zu sichern, und dem öffentlichen Interesse, die Siedlungsentwicklung zu konzentrieren, erforderlich. Hieran gemessen hat die Antragsgegnerin bei ihrer Abwägung die für die festgesetzten Wohngebiete eintretende Belastung durch Gewerbe- und Verkehrslärm nicht fehlerfrei gewichtet.

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Nach dem in die Abwägung eingeflossenen Ergebnis der schalltechnischen Untersuchung des TÜV H vom 25. Juni 1993 zur Geräuschvorbelastung durch Gewerbebetriebe, ergänzt durch eine Erläuterung vom 12. September 1997, werden die Orientierungswerte der DIN 18005 für allgemeine Wohngebiete von 40 dB(A) nachts bzw. für reine Wohngebiete von 35 dB(A) nachts im westlichen und mittleren Plangebietsbereich, gekennzeichnet durch die Lärmpegelbereiche III und II, nicht eingehalten. Nach der zeichnerischen Darstellung in Anlage 3 zu dem genannten Gutachten liegen die Werte zwischen 40 bis 45 dB(A) nachts in dem allgemeinen Wohngebiet bzw. 35 bis 40 dB(A) nachts in dem reinen Wohngebiet. Entgegen der Annahme der Antragsgegnerin in der Begründung zu dem Bebauungsplan (S. 7 und S. 9) handelt es sich dabei nicht nur um theoretische Werte, die durch die gewerblichen Betriebe im Plangebiet N-538 I nicht erreicht werden. Nach der anlagenbezogenen schalltechnischen Berechnung des TÜV N vom 20. Oktober 1997 werden schon im gegenwärtigen Ist-Zustand der betrieblichen Abläufe der Antragstellerin an der nächstgelegenen Wohnbebauung im Plangebiet (Immissionsort I 1) die Immissionsrichtwerte der TA-Lärm für allgemeines Wohngebiet nachts von 40 dB(A) um 3,7 dB(A) überschritten. Die betrieblichen Immissionen setzen sich vornehmlich aus den Hallenentlüftungsgeräuschen und Fahr- und Rangiergeräuschen der mit Papierrollen beladenen Lkw zusammen, während die Fahrgeräusche der Auslieferungsfahrzeuge an der Südostseite des Gebäudekomplexes wegen der Hallenabschirmung weniger ins Gewicht fallen. Dabei kann dahinstehen, ob die Antragstellerin daran gehindert sein wird, im Sinne der Variante C in dem Gutachten des TÜV N vom 20. Oktober 1997 die gesamte Grundstücksfläche vollständig gewerblich unter Berücksichtigung flächenbezogener Schallleistungspegel von 52,5 dB(A)/qm nachts für das Gewerbegebiet bzw. 47,5 dB(A)/qm nachts für das eingeschränkte Gewerbegebiet auszunutzen. Dieser Annahme in dem Gutachten hat die Antragsgegnerin in ihrer Stellungnahme vom 7. September 1999 auf die Anregung des Staatlichen Gewerbeaufsichtsamtes ... vom 9. Juli 1999 entgegengehalten, dass einer solchen Ausnutzbarkeit schon der Schutzanspruch des südlich gelegenen Bebauungsplanes N-607 B mit der Festsetzung von Wohngebieten entgegenstehe. Diesen Fragen ist nicht weiter nachzugehen, weil selbst bei der Erweiterung des Betriebes um das Verlagsgebäude (Variante B) mit einer weiteren Zunahme der Lärmbelastung nachts zu rechnen ist (von 43,7 dB(A) auf 44,2 dB(A) am Immissionsort I 1, von 42,5 dB(A) auf 43,4 dB(A) am Immissionsort I 2 und von 41,5 dB(A) auf 43,0 dB(A) am Immissionsort I 3). Es ist deshalb eine unzutreffende Annahme, wenn die Antragsgegnerin in der Begründung zu dem Bebauungsplan auf Seite 3 zunächst ausführt, dass die von den Gewerbebetrieben ausgehenden Geräuschpegel in weiten Teilen des Plangebietes so niedrig seien, dass sie dort auf Grund der Umgebungsgeräusche nicht zu erfassen seien, und im Anschluss daran auf Seite 9 das Fazit zieht, die Lärmsituation sei "weniger als problematisch einzustufen".

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Richtig ist, dass auch der Verkehrslärm von der W Straße, der Bundesautobahn A 293 und der zukünftigen Querverbindung von der W Heerstraße zur B Straße auf das Plangebiet in erheblicher Weise einwirkt. Nach dem in die Abwägung eingeflossenen Ergebnis des schalltechnischen Gutachtens des eigenen Mitarbeiters der Antragsgegnerin vom 23. Januar 1998 werden in den Lärmpegelbereichen III und II die Orientierungswerte der DIN 18005 hinsichtlich des Verkehrslärms für allgemeine Wohngebiete von 45 dB(A) nachts bzw. für reine Wohngebiete von 40 dB(A) nachts überschritten, weil in diesen Zonen Beurteilungspegel von 45 bis 50 dB(A) nachts zu erwarten sind. Im Lärmpegelbereich I wird der Orientierungswert für ein reines Wohngebiet von 40 dB(A) nachts bei einem zu erwartenden Beurteilungspegel von 40 bis 45 dB(A) ebenfalls überschritten. Aus dieser Verkehrslärmsituation im westlichen Plangebiet lässt sich jedoch nicht der von der Antragsgegnerin gezogene Schluss ableiten, daneben falle der von der Druckerei der Antragstellerin ausgehende Gewerbelärm nicht ins Gewicht. Die als Beleg angeführte Untersuchung des I vom 27. November 1997 zu den auf das Plangebiet einwirkenden Geräuschbelastungen stützt die Auffassung der Antragsgegnerin nicht. Lediglich hinsichtlich der von einer Spedition im Gewerbegebiet in dem Bebauungsplan Nr. 538 ausgehenden Geräusche waren im Plangebiet keine Immissionen messbar. Für die Druckerei der Antragstellerin ermittelte das Institut Schallleistungspegel von 93 dB(A) für die Hallenentlüftungsanlage und 100 dB(A) für die Anlieferung. In der Zusammenfassung heißt es zwar zunächst, dass die auf das Plangebiet einwirkenden Schallimmissionen überwiegend durch Verkehrsgeräusche u.a. auf der W Heerstraße und der Bundesautobahn bestimmt würden. Daran anschließend wird aber ausgeführt, dass für die Druckerei der Antragstellerin relevante Schallquellen und deren Schallleistungspegel ermittelt worden seien. Der Tabelle 1 auf Seite 5 des Gutachtens ist zu entnehmen, dass am Messort C an der Grenze des Plangebiets zu dem eingeschränkten Gewerbegebiet in dem Bebauungsplan N-538 I auf Höhe des Gewerbebetriebes der Antragstellerin immerhin ein Mittelungspegel von 45,4 dB(A) nachts ermittelt wurde. Dabei ist noch unberücksichtigt geblieben, dass nach den Feststellungen des TÜV N in dem schalltechnischen Gutachten vom 20. Oktober 1997 bei einer Erweiterung des Druckbetriebes der Antragstellerin (Variante B) mit einer Zunahme des Gewerbelärms zu rechnen ist.

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Die weitere Abarbeitung des Lärmkonflikts leidet darunter, dass die Antragsgegnerin die auch von dem Gewerbebetrieb der Antragstellerin ausgehenden Lärmimmissionen nicht mit dem diesen Einwirkungen zukommenden Gewicht in die Abwägung eingestellt hat. Soweit die Antragsgegnerin in der Begründung zu dem Bebauungsplan auf Seite 5 ausgeführt hat, dass angesichts der Darstellungen in dem Flächennutzungsplan 1996 der Wohnbebauung der Vorrang gegenüber der gewerblichen Nutzung eingeräumt werde mit der Folge, dass eine gewisse Immissionsbelastung in Teilbereichen des Plangebietes vertretbar sei, wird nicht deutlich, warum die Festsetzung von Wohngebieten gerade an dieser Stelle des Stadtgebietes in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem Gewerbegebiet erforderlich ist. Nach dem Erläuterungsbericht zu dem Flächennutzungsplan 1996, Seite 54, besteht zwar u.a. wegen des prognostizierten Bevölkerungszuwachses weiterhin ein erheblicher Bedarf an der Darstellung von Wohnbauflächen im Bereich der Antragsgegnerin. Trotz der zusätzlichen Darstellung von 231 ha Wohnbaufläche ergebe sich ein Fehlbedarf von 39 ha. Es wird in dem Erläuterungsbericht auf Seite 65 aber ebenfalls festgestellt, dass dem Bedarf an gewerblichen Bauflächen nicht in ausreichendem Umfang habe Rechnung getragen werden können. Es sei ein Fehlbedarf von 41 ha ermittelt worden. Angesichts dieser konkurrierenden Fehlbedarfe hätte die Antragsgegnerin schärfer herausarbeiten müssen, warum der Festsetzung von Wohnbaugebieten der Vorzug gegeben wird. Allein der im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgebrachte Hinweis darauf, dass schon in dem Flächennutzungsplan 1981 an dieser Stelle Wohnbauflächen dargestellt worden seien, reicht zur Begründung nicht aus, wenn die jetzt überplanten Flächen auch für die Festsetzung eines Gewerbegebietes geeignet sind und Immissionskonflikte zwischen der heranrückenden Wohnbebauung und den bereits festgesetzten Gewerbegebieten bestehen.

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Es überzeugt auch nicht, mit welcher Begründung die Antragsgegnerin im Rahmen ihrer Abwägung mit Ausnahme der textlichen Festsetzung in § 12 den Einsatz planerischer Mittel zur Verminderung der auftretenden Lärmimmissionen abgelehnt hat. Allerdings ist der Antragsgegnerin einzuräumen, dass die Festsetzung aktiver Schallschutzmaßnahmen in Form eines Lärmschutzwalles oder einer Lärmschutzwand im Bereich des westlichen Plangebietes zur Abschirmung der Lärmimmissionen von dem Gewerbebetrieb der Antragstellerin und von den öffentlichen Straßen nicht zweckmäßig ist. Bei der zugelassenen zweigeschossigen Bauweise wäre zum wirksamen Schutz vor Lärm der regelmäßig im ersten Obergeschoss untergebrachten Kinder- und Schlafzimmer nach den Angaben des sachverständigen Mitarbeiters ... der Antragsgegnerin im Termin zur mündlichen Verhandlung eine 7 m bis 8 m hohe Lärmschutzeinrichtung erforderlich, deren Umsetzung eine nicht mehr hinnehmbare Beeinträchtigung des vorhandenen Landschaftsbildes zur Folge hätte. Zudem hat die Antragsgegnerin zu Recht darauf hingewiesen, dass eine solche Einrichtung angesichts ihres Standortes weitab von den Schallquellen die Lärmsituation nur geringfügig verbessern könnte. Zu beachten ist ferner, dass die geschützten Wallhecken entlang der Grenze des Geltungsbereiches des Bebauungsplanes mit ihren ausladenden Kronenbereichen von bis zu 20 m die Möglichkeiten zur Errichtung eines Lärmschutzwalles einschränken. Schließlich böte eine Schallschutzmaßnahme in der Nähe der festgesetzten Wohngebiete keine Abschirmung gegenüber den Geräuschen der auf dem Dach des rd. 17 m hohen Druckhauses installierten Hallenentlüftungsanlage.

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Die Antragsgegnerin hat aber nicht hinreichend untersucht, ob durch aktive Schallschutzmaßnahmen in der Nähe der Lärmquellen die ermittelten Lärmwerte verringert werden können. Den Verzicht auf weitere planerische Erwägungen in dieser Richtung hat die Antragsgegnerin damit begründet (vgl. S. 9 der Begründung zu dem Bebauungsplan), dass die Bebauungspläne der gewerblichen Flächen nicht geändert werden sollen, um Einschränkungen für diese Betriebe zu vermeiden. Diese planerische Zurückhaltung ist angesichts des aufgezeigten Immissionskonfliktes nicht verständlich. Wenn in den benachbarten festgesetzten Wohngebieten die Orientierungswerte der DIN 18005 für allgemeine und reine Wohngebiete bis zu 5 dB(A) nachts überschritten werden, muss die Gemeinde auch erwägen, ob die dadurch eintretenden Belastungen durch Festsetzungen in den benachbarten Gebieten vermindert werden können. In Betracht kommen hier insbesondere Maßnahmen, mit denen die Geräuschbelastung durch die Hallenentlüftungsanlage in dem Gewerbebetrieb der Antragstellerin verringert werden kann (z.B. Einhausung der Entlüftungsanlage). Des Weiteren hat die Antragsgegnerin nicht erwogen, im Bereich des Gewerbegebietes in dem Bebauungsplan N-338 I eine Lärmschutzwand entlang der W Heerstraße festzusetzen. Eine solche Maßnahme könnte geeignet sein, die Verkehrslärmimmissionen in den festgesetzten Wohngebieten des angegriffenen Bebauungsplanes zu reduzieren. Dies gilt selbst dann, wenn die Lärmschutzeinrichtung wegen der Notwendigkeit, das Gewerbegebiet von der W Heerstraße weiterhin verkehrlich zu erschließen, an einzelnen Stellen unterbrochen werden müsste.

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Mit der Schutzwürdigkeit der im angegriffenen Bebauungsplan festgesetzten Wohngebiete lässt sich auch nicht in Einklang bringen, dass die Antragsgegnerin die Bereiche, in denen sich das nach der DIN 18005 einzuhaltende Immissionsniveau für ein reines bzw. ein allgemeines Wohngebiet nachts um 5 dB(A) verschlechtert, durch den Zusatz "I" und durch Einteilung in Lärmpegelbereiche als lärmvorbelastet gekennzeichnet hat. Die Kennzeichnung ist von der Festsetzung, deren Inhalt durch den Katalog des § 9 Abs. 1 BauGB begrenzt wird, zu unterscheiden. Die Kennzeichnung kann Hinweis- oder im Einzelfall Warnfunktion haben, während die Festsetzung "Planung" ist. Daraus folgt, dass das Instrument der Kennzeichnung eine an sich erforderliche materiell-rechtliche Planung nicht ersetzen kann. Hat die Gemeinde es zu Unrecht bei einer Kennzeichnung belassen, obwohl Anlass bestand, von Festsetzungsmöglichkeiten Gebrauch zu machen oder von der Festsetzung bestimmter gefährdeter Nutzungen im Kennzeichnungsbereich Abstand zu nehmen, liegt ein Planungsfehler vor, der nach § 1 Abs. 6 BauGB zur Nichtigkeit oder Unwirksamkeit des Bebauungsplans führt (Bielenberg, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Loseblattsammlung, Stand: November 2000, § 9, Anm. 177). Hieran gemessen reicht die Kenntlichmachung von lärmvorbelasteten Bereichen für die zukünftigen Bewohner der festgesetzten Wohngebiete nicht aus, um den bestehenden Lärmkonflikt zu lösen. Dabei kann offen bleiben, ob es sich bei der Kenntlichmachung von lärmvorbelasteten Bereichen um eine Kennzeichnung im Sinne des § 9 Abs. 5 Nr. 1 BauGB handelt. Nach dieser Vorschrift sollen im Bebauungsplan u.a. Flächen gekennzeichnet werden, bei deren Bebauung besondere bauliche Vorkehrungen gegen äußere Einwirkungen erforderlich sind. Nach der Kommentierung von Gierke (in: Brügelmann, BauGB, Loseblattsammlung, Stand: Februar 2001, § 9, Anm. 594) gehören zu den Einwirkungen im Sinne des § 9 Abs. 5 Nr. 1 BauGB auch Immissionen gemäß § 3 Abs. 2 BImSchG, wie z.B. Geräusche. Fickert/Fieseler (Komm. z. BauNVO, 9. Aufl., 1998, § 1, Anm. 48.4) gehen ohne ausdrückliche Nennung des § 9 Abs. 5 Nr. 1 BauGB davon aus, dass eine Immissionsvorbelastung im Bebauungsplan kenntlich gemacht werden könne. Zur Begründung wird ausgeführt, dass selbst im Falle einer Neuplanung von Wohnbebauung in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem stärker emittierenden, festgesetzten Gewerbegebiet die Bewohner der zukünftigen Wohnbaugebiete in ihrer Eigenschaft als Veranlasser -- sie rückten an das Gewerbegebiet heran -- nach dem Gebot der Rücksichtnahme höhere Immissionen hinzunehmen hätten, sofern die ordnungsgemäß durchgeführte Abwägung ergäbe, dass die Wohnbebauung an dieser Stelle zwingend erforderlich sei. Demgegenüber vertritt Bielenberg (a.a.O., § 9, Anm. 180, und § 5, Anm. 59) unter Bezugnahme auf die Bestimmungen in § 5 Abs. 2 Nr. 6 BauGB und in § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB die Auffassung, dass der Anwendungsbereich von § 9 Abs. 5 Nr. 1 BauGB nicht Einwirkungen durch Immissionen erfasse. Der Senat muss nicht abschließend entscheiden, ob die Möglichkeit einer Festsetzung von Schallschutzmaßnahmen im Bebauungsplan nach § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB noch ausreichend Raum lässt für die Kenntlichmachung einer kritischen Immissionssituation gemäß § 9 Abs. 5 Nr. 1 BauGB. Denn die Überschreitung der Orientierungswerte der DIN 18005 um 5 dB(A) lässt sich durch eine Kennzeichnung nicht auffangen. Der Wert von 5 dB(A) markiert die Grenze, die überhaupt durch Abwägung überwindbar ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.12.1990 -- 4 N 6.88 --, a.a.O.). Eine solche Überschreitung kann zwar nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts noch das Ergebnis einer gerechten Abwägung sein. Sie setzt aber eine abwägende Entscheidung der Gemeinde unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalles voraus. Die bloße Kenntlichmachung lärmvorbelasteter Bereiche ist nicht geeignet, diese materielle Abwägungsentscheidung zu ersetzen. Es ist deshalb unzureichend, dass sich die Antragsgegnerin auf die Benennung des Zusatzes "I" und die Einteilung von Lärmpegelbereiche zurückgezogen hat. Wie bereits ausgeführt, weist die Planung der Antragsgegnerin im Hinblick auf die Immissionsproblematik die vom Senat aufgezeigten Mängel im Abwägungsvorgang auf. Erwägenswert ist, die Kennzeichnung bei geringeren Überschreitungen der maßgeblichen Werte, z.B. bis 2,5 dB(A) (vgl. die Rspr. des BVerwG zum sog. Mittelwert: Urt. v. 12.12.1975 -- 4 C 71.73 --, BVerwGE 50, 49; Beschl.v. 8.2.2000 -- 4 BN 1.00 --, Buchholz 406.11 § 5 BauGB Nr. 11), zuzulassen. Dem muss der Senat jedoch wegen der mangelnden Entscheidungserheblichkeit in dem vorliegenden Verfahren nicht weiter nachgehen.

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Selbst für den Fall, dass das Instrument der Kennzeichnung auch bei einer Überschreitung der maßgeblichen Orientierungswerte um 5 dB(A) anzuerkennen wäre, käme dem Zusatz "I" und der Einteilung in Lärmpegelbereiche nicht die von der Antragsgegnerin beigelegte Warnfunktion für die zukünftigen Bewohner der festgesetzten Wohngebiete zu. Wie bereits ausgeführt, handelt es sich bei der Kenntlichmachung nicht um eine Festsetzung. Sie hat lediglich deklaratorische Bedeutung, ihr kommt keine rechtliche Wirkung zu (vgl. zur Kenntlichmachung "abzubrechendes Gebäude": BVerwG, Beschl.v. 22.6.1988 -- 4 NB 13.88 --, Buchholz 406.11 § 39 d BBauG Nr. 1). Deshalb wird sich die Antragstellerin zur Abwehr von immissionsschutzrechtlichen Auflagen nicht darauf berufen können, die Bewohner seien in Kenntnis der Lärmvorbelastung in die neuen Wohnbaugebiete gezogen. Die Kenntlichmachung einer Lärmvorbelastung in der hier vorliegenden Größenordnung einer Überschreitung der Orientierungswerte um 5 dB(A) ist nicht geeignet, den Bewohnern dieser Gebiete den Schutz zu entziehen, der mit der Festsetzung der Wohngebiete hinsichtlich des einzuhaltenden Immissionsschutzniveaus verbunden ist.

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Die festgestellten Mängel im Abwägungsvorgang sind nach § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB erheblich, weil sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind. Die bezeichneten Mängel lassen sich unschwer den Planungsunterlagen, namentlich der Begründung zu dem Bebauungsplan, entnehmen. Darüber hinaus besteht die konkrete Möglichkeit, dass ohne die festgestellten Mängel das Ergebnis der Abwägung anders ausgefallen wäre. Wäre dem Rat der Antragsgegnerin bewusst gewesen, dass eine Kenntlichmachung lärmvorbelasteter Bereiche bei der vorliegenden Überschreitung der Orientierungswerte für die festgesetzten Wohngebiete um 5 dB(A) kein geeignetes Instrument zur Bewältigung des Lärmkonflikts ist, hätte er voraussichtlich den Zielen des Immissionsschutzes durch die Prüfung geeigneter Maßnahmen des Schallschutzes in seiner Abwägung Rechnung getragen.

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Der Bebauungsplan der Antragsgegnerin ist hinsichtlich der festgestellten inhaltlichen Mängel lediglich gemäß § 215 a Abs. 1 Satz 1 BauGB für nicht wirksam zu erklären, weil diese durch ein ergänzendes Verfahren behoben werden können und die Grundzüge der Planung nicht berühren (vgl. BVerwG, Urt. v. 8.10.1998 -- 4 NC 7.97 --, DVBl. 1999, 243). Die Bewältigung der Lärmproblematik ist nicht ausgeschlossen. Denkbar sind Maßnahmen, mit denen die Geräusche aus der Hallenentlüftungsanlage des Druckhauses der Antragstellerin wirksam reduziert werden könnten. In Erwägung zu ziehen sind auch Maßnahmen des passiven Schallschutzes wie der Einbau von Schallschutzfenstern, die gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB in den betroffenen Wohngebieten angeordnet werden können.