Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 21.03.2002, Az.: 6 A 111/01
Abschiebung; Abschiebungsandrohung; Abschiebungshindernis; Abschiebungsverbot; Abwanderung; Asylantrag; Asylberechtigung; Beweisantrag; Beweiserhebung; Gruppenverfolgung; Hassade; individuelle Verfolgung; Kurde; mittelbare Gruppenverfolgung; politische Verfolgung; schlüssiger Vortrag; Sippenhaft; Syrien; syrische Staatsangehörigkeit; Türkei; Yezide; Übergriffe
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 21.03.2002
- Aktenzeichen
- 6 A 111/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 42323
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- Art 16a Abs 1 GG
- § 51 Abs 1 AuslG
- § 53 AuslG
- § 86 VwGO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Keine Beweiserhebung durch (weiteres) Sachverständigengutachten, wenn Anhaltspunkte für eine Änderung der Tatsachenlage nicht vorhanden sind.
Tenor:
Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Klage mit Erklärung vom 21. März 2002 zurückgenommen worden ist.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden nicht erhoben.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des festgesetzten Vollstreckungsbetrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand:
Die Kläger sind syrische Staatsangehörige yezidischer Glaubenszugehörigkeit. Sie reisten im April 2001 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragten ihre Anerkennung als Asylberechtigte.
Zur Begründung dieses Begehrens trugen die Kläger vor:
Sie (Klägerin zu 1) besitze die syrische Staatsangehörigkeit. Einen Reisepass habe sie nicht besessen. Den Personalausweis habe der Schleuser ihr abgenommen. Sie habe am 1. April 2001 ihren Heimatort verlassen. Dort hätten sie 400 Dönum eigenes Land besessen und Tiere gehabt. Sie sei als Hausfrau tätig gewesen. Ihr Ehemann, den sie vor ca. 20 Jahren geheiratet habe, sei jünger als sie gewesen. Er sei 15 Tage vor ihrer Ausreise verhaftet worden. Ihre Kinder habe sie nach Deutschland mitgebracht. In Syrien befänden sich noch zwei Brüder und andere Verwandte. Mit Hilfe eines Schleusers hätten sie Syrien verlassen und seien über die Türkei mit einem Lkw nach Deutschland gekommen. Sie hätten das Land verlassen, weil sie von den Arabern verfolgt worden seien. Die Araber hätten die Schafe auf ihre Felder getrieben und die Ernte zerstört. Auch hätten die Araber den Treibstoff ihrer Wasserpumpe auf den Boden gekippt. Das hätten die Araber gemacht, weil sie Yeziden seien. Ihr Mann und sie hätten das beobachtet, seien aber nicht eingeschritten, weil sie Angst vor Schlägen gehabt hätten. Früher hätten die Araber sie öfter geschlagen. Einmal sei sie zu ihrer Wasserpumpe gegangen, als dort zwei arabische Frauen gewesen seien. Sie habe die Frauen angesprochen und gefragt, weshalb sie den Treibstoff auf die Erde geschüttet hätten, worauf diese Schlagstöcke genommen und sie geschlagen hätten. Auch habe man sie an den Haaren gezogen. Sie habe sich dann nicht mehr getraut, dort hinzugehen. Sie sei zur Polizei gegangen und habe die beiden Frauen angezeigt. Die Polizei habe zugehört, aber ihr nicht geholfen. Das sei gewesen, bevor ihr Mann festgenommen worden sei. Ihr Mann sei festgenommen worden, weil er wohl zu einer Partei gehöre. Welche Partei das sei, wisse sie nicht. Ein Freund habe ihr erzählt, dass ihr Mann in der Stadt festgenommen worden sei. Wo sich ihr Mann jetzt befinde, wisse sie nicht. Das hätten sie nicht herausbekommen. Die Freunde ihres Mannes hätten gesagt, sie und ihre Kinder müssten von dort weg, weil sie sonst Schwierigkeiten bekommen könnten. Eine Woche nach der Festnahme ihres Mannes habe der Sicherheitsdienst das Haus gestürmt und zu ihr gesagt, beim nächsten Mal müsse sie angeben, zu welcher Partei ihr Mann gehöre und mit wem er zusammenarbeite. Sie habe dann mit einem Parteifreund ihres Mannes gesprochen, der gesagt habe, sie solle ausreisen. Zu welcher Partei ihr Mann gehöre, wisse sie nicht. Außerdem habe sie Angst gehabt, dass man ihre Töchter entführe. Sie habe Angst vor den Arabern und vor dem syrischen Staat.
Mit Bescheid vom 7. Mai 2001 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Asylantrag als unbegründet ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG ebenfalls nicht gegeben seien und die Voraussetzungen des § 53 AuslG nicht vorlägen. Außerdem forderte die Behörde die Kläger zur Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland innerhalb von einem Monat nach Unanfechtbarkeit der ablehnenden Entscheidung des Bundesamtes auf und drohte für den Fall, dass dieser Anordnung nicht fristgerecht nachgekommen werde, die Abschiebung an.
Gegen den am 11. Mai 2001 zugestellten Bescheid haben die Kläger am 17. Mai 2001 Klage erhoben.
Zur Begründung der Klage tragen die Kläger vor:
Nach der Auffassung des Sachverständigen M. seien die statistischen Erhebungen des Yezidischen Kulturforums in Oldenburg zu der Anzahl der bis zum August 2000 in Syrien seinerzeit verbliebenen Yeziden korrekt. Er selbst habe nur eine Schätzung vornehmen können. Die in der Stellungnahme des Kulturforums aufgeführten 77 Verfolgungshandlungen aus dem Zeitraum von 1990 bis zum Jahr 2000 seien hinreichend belegt. Darüber hinaus liege eine Vielzahl weiterer Übergriffe vor, die aus Zeitgründen noch nicht hätten recherchiert werden können. Infolge weiterer Abwanderungen von Yeziden aus dem Raum Hassake liege die Anzahl der Yeziden dort inzwischen unter 4.000 Personen. Nach den Äußerungen des Vorsitzenden des Yezidischen Kulturforums hätten weitere 25 v.H. der Yeziden das Land verlassen, so dass derzeit maximal 3.000 Yeziden dort verblieben seien. Hierüber sei ein ergänzendes Gutachten des Yezidischen Kulturforums einzuholen. Eine weitere Ermittlung des Sachverhalts sei auch hinsichtlich der Anzahl von Verfolgungsfällen erforderlich. Im Hinblick darauf, dass in mehreren Schriftsätzen an das OVG Münster Entführungen yezidischer Frauen und Mädchen erwähnt worden seien, besteht insoweit Aufklärungsbedarf. Zum Beweis dafür, dass asylrelevante Übergriffe auf Yeziden im Nordosten Syriens seitens der Muslime an der Tagesordnung seien, müsse ebenfalls ein ergänzendes Gutachten des Yezidischen Kulturforums in Oldenburg eingeholt werden.
Die Kläger beantragen,
die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und des § 53 AuslG vorliegen, und den Bescheid des Bundesamtes vom 7. Mai 2001 insoweit aufzuheben,
hilfsweise,
Beweis zu erheben darüber, dass im Bezirk Hassake in Syrien derzeit weniger als 4000, maximal noch 3000 Yeziden leben und asylrechtlich relevante Übergriffe seitens der Muslime auf die Yeziden an der Tagesordnung seien, durch ein Gutachten des Yezidischen Kulturforums e.V. in Oldenburg.
Die Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf die Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid,
die Klage abzuweisen.
Die Klägerin zu 1) ist in der mündlichen Verhandlung zu ihrem Asylvorbringen ergänzend informatorisch angehört worden. Hinsichtlich ihrer Angaben wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte dieses Verfahrens, des Verfahrens 6 A 110/01 (Tochter), auf die Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie auf die in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel verwiesen. Diese Unterlagen waren ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand des Verfahrens.
Entscheidungsgründe
Das Verfahren wird gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO eingestellt, soweit die Kläger mit der Einschränkung der ursprünglich anhängig gemachten Klageanträge in der mündlichen Verhandlung die Klage teilweise zurückgenommen haben.
Im Übrigen ist die zulässige Klage nicht begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten. Sie haben keinen Anspruch auf die Feststellung durch die Beklagte, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG oder des § 53 AuslG vorliegen.
Es besteht kein Abschiebungshindernis nach § 51 Abs. 1 AuslG.
Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG sind denen des Art. 16a Abs. 1 GG gleich, soweit es die Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale betrifft. Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte haben politisch Verfolgte (Art. 16 a Abs. 1 GG). Dieses Individualgrundrecht kann in Anspruch nehmen, wer bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland politische Verfolgung (erneut oder erstmals) zu befürchten hat. Politische Verfolgung liegt vor, wenn dem Einzelnen durch den Heimatstaat oder durch Maßnahmen Dritter, die diesem Staat zurechenbar sind, in Anknüpfung an seine politische Überzeugung, seine religiöse Grundentscheidung oder für ihn unverfügbare Merkmale, die sein Anderssein prägen, gezielt Rechtsverletzungen zugefügt werden oder unmittelbar drohen, die ihn nach ihrer Intensität und Schwere aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen (BVerfG, Beschl. vom 10.07.1989, BVerfGE 80, 315, 333). Dabei beschränkt sich der asylrechtliche Schutz nicht auf die Rechtsgüter Leib und Leben, sondern erfasst auch Einschränkungen der persönlichen Freiheit; die hierin eingeschlossenen Rechte der freien Religionsausübung und ungehinderten beruflichen und wirtschaftlichen Betätigung lösen einen Asylanspruch indessen nur aus, wenn deren Beeinträchtigung nach ihrer Intensität und Schwere zugleich die Menschenwürde verletzen und über das hinausgehen, was die Bewohner des Herkunftsstaates allgemein hinzunehmen haben (BVerfG, Beschl. vom 24.06.1992 - 2 BvR 176/92 u.a., S. 12 f. des Abdrucks unter Hinweis auf BVerfGE 76, 143, 158). Die Gefahr eigener politischer Verfolgung kann sich auch aus gegen Dritte gerichteten Verfolgungsmaßnahmen ergeben, wenn der Asylbewerber sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und auch im Übrigen vergleichbaren Lage befindet, so dass seine (etwaige) Nichtbetroffenheit von ausgrenzenden Rechtsverletzungen eher als zulässig anzusehen ist (BVerfG, Beschl. vom 23.01.1991, BVerfGE 83, 216, 230). Eine solche sog. mittelbare Gruppenverfolgung liegt danach typischerweise vor bei Massenausschreitungen (Pogromen), die das ganze Land oder große Teile desselben erfassen, aber etwa auch dann, wenn unbedeutende oder kleine Minderheiten mit solcher Härte, Ausdauer und Unnachsichtigkeit verfolgt werden, dass jeder Angehörige dieser Minderheit sich ständig der Gefährdung an Leib, Leben oder persönlicher Freiheit ausgesetzt sieht, wobei allerdings nicht ein ganzes Land gewissermaßen flächendeckend erfasst sein muss (BVerfG, Beschl. vom 23.01.1991, BVerfGE 83, 216, 232). Auch ohne Pogrome und diesen vergleichbare Massenausschreitungen liegt eine mittelbare Gruppenverfolgung immer dann vor, wenn die Verfolgungsschläge, von denen die Angehörigen einer Gruppe betroffen werden, so dicht und eng gestreut fallen, dass für jedes Gruppenmitglied die Furcht begründet ist, in eigener Person Opfer der Übergriffe zu werden (BVerwG, Beschl. vom 24.09.1992, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 156; Urt. vom 05.07.1994, BVerwGE 96, 200, 203). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urt. vom 02.08.1983, BVerwGE 67, 317 m. w. N.) wird eine solche von nichtstaatlicher Seite, insbesondere von Privatpersonen oder nichtstaatlichen Organisationen ausgehende Verfolgung dem Staat zugerechnet, wenn dieser die Verfolgung billigt oder fördert, ferner wenn er nicht willens oder - trotz vorhandener Gebietsgewalt - nicht in der Lage ist, die Betroffenen gegen Übergriffe Privater zu schützen. Dabei besteht die Zurechenbarkeit begründende Schutzunfähigkeit oder Schutzunwilligkeit nicht bereits dann, wenn in dem zu beurteilenden Einzelfall effektiver staatlicher Schutz nicht geleistet worden ist. Kein Staat vermag einen schlechthin perfekten lückenlosen Schutz zu gewährleisten und sicherzustellen, dass Fehlverhalten, Fehlentscheidungen oder "Pannen" sonstiger Art bei der Erfüllung der ihm zukommenden Aufgaben der Wahrung des öffentlichen Friedens nicht vorkommen. Deshalb schließt weder Lückenhaftigkeit des Systems staatlicher Schutzgewährung überhaupt noch die im Einzelfall von dem Betroffenen erfahrene Schutzversagung als solche schon staatliche Schutzbereitschaft oder Schutzfähigkeit aus. Vielmehr sind Übergriffe Privater dem Staat als mittelbare Verfolgung dann zuzurechnen, wenn er gegen Verfolgungsmaßnahmen Privater grundsätzlich keinen effektiven Schutz gewährt. Umgekehrt ist eine grundsätzliche Schutzbereitschaft des Staates zu bejahen, wenn die zum Schutz der Bevölkerung bestellten (Polizei-) Behörden bei Übergriffen Privater zur Schutzgewährung ohne Ansehen der Person verpflichtet und dazu von der Regierung auch landesweit angehalten sind, vorkommende Fälle von Schutzverweigerung mithin ein von der Regierung nicht gewolltes Fehlverhalten der Handelnden in Einzelfällen sind (BVerwG, Urt. vom 05.07.1994, InfAuslR 1995, 24 [BVerwG 05.07.1994 - BVerwG 9 C 1.94]).
Da das Asylgrundrecht auf dem Zufluchtgedanken beruht und von seinem Tatbestand her grundsätzlich den Ursachenzusammenhang von Verfolgung/Flucht/Asyl voraussetzt (BVerfG, Beschl. vom 26.11.1986, BVerfGE 74, 51, 60; Beschl. vom 10.07.1989, BVerfGE 80, 344), ist ferner von maßgeblicher Bedeutung, ob der Asylbewerber vorverfolgt oder unverfolgt ausgereist ist. Ist der Asylsuchende wegen erlittener oder unmittelbar bevorstehender politischer Verfolgung ausgereist und war ihm auch ein Ausweichen innerhalb seines Heimatstaates wegen Fehlens einer inländischen Fluchtalternative unzumutbar, ist er als Asylberechtigter anzuerkennen, sofern die fluchtbegründenden Umstände im maßgeblichen Zeitpunkt fortbestehen. Er ist ferner anzuerkennen, wenn diese zwar entfallen sind, aber an seiner Sicherheit vor abermals einsetzender Verfolgung bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat ernsthafte Zweifel bestehen. Hat der Asylsuchende seinen Heimatstaat hingegen unverfolgt verlassen, kann er nur dann anerkannt werden, wenn ihm politische Verfolgung aufgrund eines asylerheblichen Nachfluchttatbestandes mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht (BVerfG, Beschl. vom 26.11.1986, aaO., 64 f.; Beschl. vom 10.07.1989, aaO., 344; BVerwG, Urt. vom 20.11.1990, BVerwGE 87, 152; Urt. vom 23.07.1991, DVBl. 1991, 1089). Für die Annahme einer drohenden Verfolgung ist entscheidend, ob aus der Sicht eines besonnen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat unzumutbar erscheint (BVerwG, Urt. vom 05.11.1991, BVerwGE 89, 162, 169). Die dazu erforderliche Zukunftsprognose hat auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Tatsachenentscheidung abzustellen (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) und muss auf einen absehbaren Zeitraum ausgerichtet sein (BVerwG, Urt. vom 03.12.1985, EZAR 202 Nr. 6). Sie hat die vom Asylbewerber geschilderten Ereignisse zu würdigen und insbesondere auch den politischen Charakter der Verfolgungsmaßnahme festzustellen (§§ 15, 25, 74 Abs. 2 AsylVfG). Bei der Darstellung der allgemeinen Umstände im Herkunftsland genügt es, dass die vorgetragenen Tatsachen die nicht entfernt liegende Möglichkeit politischer Verfolgung ergeben (BVerwG, Urt. vom 23.11.1982, BVerwGE 66, 237). Die Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung kann schließlich nur festgestellt werden, wenn sich das Gericht in vollem Umfang die Überzeugung von der Wahrheit des von dem Asylbewerber behaupteten individuellen Verfolgungsschicksals verschafft, wobei allerdings der sachtypische Beweisnotstand hinsichtlich der Vorgänge im Verfolgerstaat bei der Auswahl der Beweismittel und bei der Würdigung des Vortrags und der Beweise angemessen zu berücksichtigen ist (BVerwG, Urt. vom 12.11.1985, EZAR 630 Nr. 13).
Dies setzt voraus, dass der Asylbewerber die Gründe für seine Furcht vor politischer Verfolgung schlüssig vorträgt. Hierzu hat er unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung eine politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht (BVerwG, Beschl. vom 18.09.1989, InfAuslR 1989, 350 [BVerwG 18.09.1989 - BVerwG 9 B 308.89] m.w.N.). Dazu gehört, dass der Asylbewerber zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Asylanspruch lückenlos zu tragen. Ein im Laufe des Asylverfahrens sich widersprechendes oder sich steigerndes Vorbringen kann die Glaubwürdigkeit des Asylsuchenden in Frage stellen. Ändert der Asylsuchende in seinem späteren Vortrag sein früheres Vorbringen, so muss er überzeugende Gründe darlegen, weshalb sein früheres Vorbringen falsch gewesen ist, will er nicht den Eindruck der Unglaubwürdigkeit erwecken (BVerwG, Beschl. vom 26.10.1989, InfAuslR 1990, 38 [BVerwG 26.10.1989 - BVerwG 9 B 405.89]; Beschl. vom 21.07.1989, Buchholz 402.24 § 1 AsylVfG Nr. 113). Zwar spricht nicht jede Widersprüchlichkeit im Vortrag eines Asylbewerbers zugleich auch gegen seine Glaubwürdigkeit; vielmehr ist bei der Wertung seiner Aussage zu berücksichtigen, dass sich Missverständnisse aus Verständigungsproblemen ergeben haben können und dass zwischen Asylantragstellung, der Anhörung im Verwaltungsverfahren, der schriftlichen Klagebegründung sowie ggf. der persönlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor Gericht jeweils größere Zeiträume liegen können. Auch dürfen die besonderen Schwierigkeiten, denen Asylbewerber aus anderen Kulturkreisen bei der Darstellung ihrer Verfolgungsgründe besonders dann ausgesetzt sind, wenn sie über einen geringen Bildungsstand verfügen, nicht außer Acht gelassen werden. Grundlegende, für das Verlassen des Heimatlandes und den Asylantrag maßgebende Umstände im individuellen Lebensweg des Asylbewerbers bleiben jedoch im Normalfall zumindest in ihren wesentlichen Einzelheiten in Erinnerung. Widersprüche und Ungereimtheiten, die sich hierauf beziehen, machen das Vorbringen des Asylbewerbers zu seinem persönlichen Verfolgungsschicksal in der Regel insgesamt unglaubwürdig. Vor allem für diejenigen Umstände, die den eigenen Lebensbereich des Asylbewerbers betreffen, ist ein substantiierter, im Wesentlichen widerspruchsfreier Tatsachenvortrag zu fordern. Dabei ist die wahrheitsgemäße Schilderung einer realen Verfolgung erfahrungsgemäß gekennzeichnet durch Konkretheit, Anschaulichkeit und Detailreichtum.
Die Kläger haben das Heimatland nicht wegen einer bereits erlittenen oder unmittelbar bevorstehenden Gefahr der individuellen Verfolgung aufgrund der yezidischen Glaubenszugehörigkeit verlassen. Das Gericht geht davon aus, dass die Glaubensverschiedenheit zu den arabischen und kurdischen Mitbewohnern in der Vergangenheit allenfalls den Grad von bloßen Belästigungen und nicht von asylrechtlich relevanten Übergriffen erreicht hatten. Das Gericht hat bereits Zweifel daran, dass es überhaupt zu den mehrfachen Drohungen einer Entführung der Tochter A. (6 A 110/01) durch Jugendliche gekommen ist. Hierzu hatte die Klägerin zu 1) beim Bundesamt und auch bisher im Klageverfahren keine Angaben gemacht. Der von ihr in der mündlichen Verhandlung geschilderte Vorfall eines Eindringens der arabischen Jugendlichen in ihr Haus und das Austeilen von Schlägen hält das Gericht für eine unglaubhafte Steigerung ihres bisherigen Vorbringens. Bisher hatte die Klägerin zu 1) in Bezug auf ihre Person lediglich einen Übergriff im Zusammenhang mit Streitigkeiten um eine Wasserstelle angegeben, die zudem mindestens mehr als ein halbes Jahr vor der Ausreise aus Syrien zurückliegen dürften.
An der Auffassung, dass die Angehörigen der yezidischen Glaubensgemeinschaft in Syrien keiner unmittelbaren oder mittelbaren staatlichen Gruppenverfolgung ausgesetzt sind, hält die Kammer weiterhin fest (Urt. vom 14.03.2001, 6 A 313/00; vgl. auch: OVG Lüneburg, Beschl. vom 25.01.2001, 2 L 3172/00; Urt. vom 27.03.2001, 2 L 5117/97 und 2 L 2505/98 ). Die Kammer sieht nach Prüfung der aktuellen Erkenntnismittellage, insbesondere nach einer Auswertung des von dem Kulturforum der yezidischen Glaubensgemeinschaft e.V. in Oldenburg erstellten Gutachtens vom 19. November 2000 sowie des Gutachtens des Sachverständigen Maisel vom 30. November 2000 und seiner ergänzenden Stellungnahmen vom 8. Februar und 24. April 2001 keine Veranlassung, von dieser Rechtsauffassung abzuweichen. Selbst wenn nach dem vom Kulturforum in Oldenburg zusammengestellten Zahlenmaterial innerhalb des Zeitraumes von 1990 bis 1999 insgesamt 77 asylrechtlich relevante Verfolgungsschläge im Nordosten Syriens (Distrikt Hassake) vorgefallen sein sollten, lässt sich daraus nicht die für die Annahme einer mittelbaren Gruppenverfolgung erforderliche Verfolgungsdichte herleiten. Bei einer quantitativen Betrachtung der Relation von ermittelten Yeziden, die sich derzeit noch im Nordosten Syriens befinden sollen (ca. 4000), und der aus insgesamt 77 Verfolgungsschlägen abgeleiteten Zahl von etwa acht Vorfällen jährlich ergibt sich, dass von den Verfolgungsschlägen auf jedes Jahr bezogen nur 0,2 v.H. der im Nordosten Syriens lebenden Yeziden betroffen waren. Auch wenn man an Stelle der Gesamtzahl yezidischer Personen in diesem Raum lediglich die Zahl der Yezidenfamilien zugrunde legt, in denen die Einzelpersonen als Verband gelebt haben, führt die Zahl der jährlichen Verfolgungsschläge, die zudem seit Mitte der 90-iger Jahre (mit Ausnahme der Landwegnahmen) rückläufig sind, ebenfalls nur zu einem Prozentsatz von etwas mehr als 1,2 v.H.. Ungeachtet der Frage, ob die vom Kulturforum in Oldenburg ermittelten Übergriffe auf Yeziden sämtlich nach ihrer Intensität ein asylrechtlich relevantes Maß erreicht hatten oder ob ihnen überhaupt asylrechtlich relevante Motive zugrunde gelegen haben, lässt sich bei einer quantitativen Betrachtungsweise nicht der Schluss ziehen, dass die Verfolgungsschläge derart dicht und eng gestreut fallen, dass für jeden Yeziden die aktuelle Gefahr besteht, selbst das Opfer eines Übergriffs von arabischen Mitbewohnern zu werden.
Eine nach qualitativen Gesichtspunkten vorgenommene Betrachtung nach der Art und Intensität der im Gutachten des Kulturforums in Oldenburg aufgeführten Übergriffe rechtfertigt ebenfalls nicht die Annahme, dass jeder im Nordosten Syriens lebende Yezide befürchten muss, selbst ein Opfer von Verfolgungsmaßnahmen zu werden. Dies ergibt eine Gesamtwürdigung der Zahl der besonders schweren Verfolgungsschläge nach ihrer Art und Intensität sowie die Feststellung, dass die in dem Gutachten des Kulturforums in Oldenburg aufgelisteten Vorfälle nicht in einem eng umgrenzten Bereich des Nordostens, sondern sich an teilweise weit verstreut liegenden Orten zugetragen haben. Der Umstand, dass vor allem die besonders schweren Übergriffe in den letzten Jahren abgenommen haben, deutet zudem darauf, dass mit der Anzahl der in den letzten Jahren aus Syrien ausgereisten Yeziden der Verdrängungswettbewerb zwischen den Bevölkerungsgruppen als häufig vorgetragene Motivation für die Übergriffe nachgelassen zu haben scheint.
Die Notwendigkeit und Möglichkeit weiterer Aufklärung durch Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens drängt sich dem Gericht nicht auf. Soweit (hilfsweise) die Einholung eines ergänzenden Gutachtens des Yezidischen Kulturforums Oldenburg beantragt ist, kommt es auf die Tatsache, dass nunmehr gegenüber dem Stand vom August 2000 weitere 25 v.H. der Yeziden aus dem Kreis Hassake abgewandert seien, nicht an. Denn selbst wenn im gesamten Distrikt Hassake nur noch maximal 3000 Yeziden leben sollten, begründet dies weder die Annahme einer jetzt eingetretenen Gruppenverfolgung, noch bestünde hinreichender Anlass, dem durch die Einholung weiterer Sachverständigengutachten nachzugehen. Angesichts der Zahl der Verfolgungsfälle, die in der bisherigen Rechtsprechung als allenfalls belegt angenommenen worden sind, könnte eine hinreichende Gefährdungssituation auch für die überschaubare Zukunft nicht bejaht werden. Hinreichend glaubhafte Berichte über eine entscheidende Zunahme von sog. Referenzfällen, aus denen auf eine nunmehr angewachsene Bedrohung der verbliebenen Yeziden in diesem Gebiet geschlossen werden könnte, liegen nicht vor.
Soweit der Beweisantrag darauf gerichtet ist, Beweis darüber zu erheben, "dass asylrelevante Übergriffe in Nord-Ost-Syrien seitens der Moslems an der Tagesordnung" seien, ergeben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine diesbezügliche Notwendigkeit. Auch wenn damit gerechnet werden kann, dass es weiterhin zu religiös bedingten Übergriffen auf Yeziden kommen wird, bedeutet dies nicht, dass insoweit gegenüber den in der bisherigen Rechtsprechung zugrunde gelegten Annahmen eine wesentliche Verschlechterung eingetreten wäre. Das erkennende Gericht schließt sich der Beurteilung des OVG Magdeburg an, das in dem in das Verfahren eingeführten Urteil vom 27.06.2001 - A S 3 458/98 - (S. 19 f UA) mit Blick auf die zu erwartende Gefährdungslage bei fortgesetzter Abwanderung von Yeziden aus diesem Gebiet ausgeführt hat:
"Die Struktur dieses Verfolgungsgeschehens wird sich durch die Abwanderung weiterer Yeziden jedoch nicht i. S. einer erhöhten Gefährdung verändern.
Nach den Zahlen des Yezidischen Kulturforums hat es bislang ein in etwa konstantes Niveau von Gewalttaten gegen Yeziden gegeben. Waren in den Jahren 1990 bis 1994 34 Übergriffe zu verzeichnen, so werden für die Jahre 1995 bis 1999 43 Fälle genannt, wobei allerdings die Zahl der Tötungsdelikte in diesem Zeitraum von 12 auf 10 zurückgegangen ist und die Landwegnahmen sich ganz überwiegend auf das Dorf Tel Teyr mit ein und derselben moslemischen Familie als Täter konzentrieren. Bei Berücksichtigung der seit dem Jahre 1990 anhaltenden Abwanderung der Yeziden hat sich damit bei einer rein arithmetischen Betrachtung zwar der Anteil der betroffenen Personen erhöht. Die gleichbleibenden absoluten Zahlen stützen aber die Annahme, dass es unabhängig von dem jeweiligen Bevölkerungsstand ein gleichbleibendes Maß an Gewaltbereitschaft der moslemischen Bevölkerung gibt, das in dieser Form auch in absehbarer Zukunft fortbestehen wird. Die Yeziden waren in ihrem moslemischen Umfeld immer eine besonders kleine Minderheit, gegen die die Moslems ihre Überlegenheit in Pogromen oder organisierten Raubzügen hätten ausspielen können. Von derartigen Vorfällen ist jedoch nichts bekannt geworden. Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass sich diese Sachlage bei weiter abnehmender yezidischer Bevölkerung in Zukunft ändern könnte. Eine solche qualitative Steigerung beim Austragen religiöser Gegensätze würde der syrische Staat auch nach seinem laizistischen Staatsverständnis nicht hinnehmen.
Bei gleichbleibender Abwanderungstendenz und gleichbleibender Kriminalitätsrate für das Jahr 2005 ist von ca. 2.600 Yeziden der Provinz Hassake und 7,7 Verfolgungsschlägen jährlich auszugehen. Daraus ergibt sich rein rechnerisch ein Verfolgungsrisiko von ca. 0,3 v.H. für jeden verbleibenden Yeziden. Dieses Verfolgungsrisiko liegt immer noch deutlich unter 1 v.H. und reicht weiterhin für eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit nicht aus.
Anderes ergibt sich auch nicht dann, wenn man eine Gruppe von 2.600 Yeziden im Jahre 2005 als "äußerst kleine Gruppe" i. S. der höchstrichterlichen Rechtsprechung (Beschl. v. 22.5.1996 - 9 B 196199 -) ansieht. Die höchstrichterliche Rechtsprechung ist nicht dahin zu verstehen, dass bei "äußerst kleinen Gruppen" überhaupt darauf verzichtet werden kann, eine Relation von Kopfstärke und Verfolgungsschlägen herzustellen. Die Bedeutung dieser Rechtsprechung erschöpft sich darin, dass diese Relation ausnahmsweise nicht mathematisch ausgedrückt werden muss, sondern mit zusammenfassenden Wertungen wie "an der Tagesordnung" bezeichnet werden darf. An dem Erfordernis einer ausreichenden Verfolgungsdichte ist festzuhalten, nur treten bei deren Feststellung die konkreten Umstände des Gruppenumfelds i. S. einer Zumutbarkeitsprüfung in den Vordergrund.
So gesehen bleibt auch für die Situation der Yeziden als "äußerst kleine Gruppe" entscheidend, dass nach den Erfahrungen in der Vergangenheit zwar eine religiös motivierte Gewaltbereitschaft bei den Moslems besteht. Diese entlädt sich aber in situationsbedingten, meist spontanen Einzelaktionen, nicht im zentralgesteuerten, gleichsam flächendeckenden Exzessen. Fundamentalislamische Tendenzen, wie sie derzeit in einigen Ländern der Region zu beobachten sind, können eine Änderung der Situation bewirken. Doch ist bei besonnener Würdigung der Verhältnisse unter dem derzeitigen laizistischem Regime in Syrien nicht damit zu rechnen, dass es hierzu kommen wird.
Eine asylerhebliche Gefährdung der Yeziden aus der Provinz Hassake ist auch nicht deshalb anzunehmen, weil das religiöse Existenzminimum in absehbarer Zeit nicht mehr gesichert sein könnte. Über gewalttätige Eingriffe der Moslems in die freie Religionsausübung der Yeziden wird nichts berichtet. Allerdings erfasst die Abwanderungstendenz der Yeziden nicht nur Muriden, sondern auch Scheichs und Pirs, mithin die Priesterfamilien. Der religiöse Zusammenhalt wird damit zunehmend geschwächt (Wießner, Stellungnahme v. 17.9.1996 an Nds. OVG). Diese Abwanderung ist jedoch nicht durch eine dem syrischen Staats zuzurechnende Gruppenverfolgung bedingt. Sie beruht vielmehr auf der eigenen, asylrechtlich unerheblichen Willensentscheidung der Priesterfamilien (so auch Nds. OVG, Urt.v.21.4.1998 - 9 A 6597/95.A -, S. 79 UA). Verfolgungsschutz ist auch nicht deshalb zu gewähren, weil die Yeziden in einem Klima allgemeiner gesellschaftlicher Verachtung leben müssen, dass sich aufgrund der kargen wirtschaftlichen Verhältnisse in der Provinz Hassake und dem daraus folgenden Verteilungskampf besonders nachteilig auswirkt. Das Asylrecht ist nicht jedem eröffnet, der in seiner Heimat benachteiligt wird und in materieller Not leben muss (so schon BVerfG, Beschl. v. 2.7.1980, BVerfGE 54, 341/357). Die dadurch ausgelösten Wanderungsbewegungen sind Teil einer allgemeinen Flüchtlingsproblematik, nicht aber Gegenstand des Asylrechts."
Dass sich in dieser Hinsicht gegenüber der zitierten Einschätzung des OVG Magdeburg insbesondere mit Blick auf die angenommenen und zu erwartenden asylerheblichen Verfolgungsschläge Grundlegendes geändert hätte, können die Kläger substantiiert nicht dartun. Die zur Begründung des Beweisantrags (bezeichnenderweise im Übrigen nur unsubstantiiert) behaupteten und bereits im Jahre 1998 vorgetragenen Fälle sind in der (demgegenüber) jüngeren Rechtsprechung bereits gewürdigt worden. Relevante Verfolgungsfälle, die das Kulturforum noch nicht hat berücksichtigen können, sind dem Gericht bislang nicht bekannt geworden. Hinreichende Anhaltspunkte für eine zunehmende Gefährdung können auch den vom erkennenden Gericht in den letzten Jahren in nicht geringem Umfang bearbeiteten Asylverfahren von Yeziden aus dem Distrikt Hassake nicht entnommen werden. Weil es den Asylbewerbern in der ganz überwiegenden Anzahl von Fällen nach der Einschätzung des Gerichts nicht gelungen ist, asylerhebliche Ausreisegründe vorzutragen und glaubhaft zu machen, drängt sich vielmehr der Eindruck auf, dass der Zustrom von Yeziden aus Syrien erheblich mehr durch die Sogwirkung der bereits erfolgreich durchgeführten Migration als durch einen Verfolgungsdruck in Syrien bestimmt wird.
Die Kläger sind auch nicht wegen ihrer Eigenschaft als Kurden Verfolgungsmaßnahmen des syrischen Staates ausgesetzt. Nach der Auskunftslage ist davon auszugehen, dass die ethnische Minderheit der Kurden als solche in Syrien einer staatlichen Verfolgung nicht unterworfen ist. Fälle politischer Verfolgung allein wegen der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Kurden sind nicht bekannt. Die in den 60-iger Jahren von der damals regierenden syrischen Führung begonnene und von Präsident Assad bis 1976 zunächst noch fortgeführte Politik der "Arabisierung" der kurdischen Siedlungsgebiete Syriens ist noch im Jahre 1976 von der Assad-Regierung eingestellt worden (vgl. etwa die Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 10.01.1990). Zwar betont die Ideologie der Baath-Partei den arabischen Charakter Syriens. Seit Ende der 70-iger Jahre sind jedoch Bestrebungen zur Zwangsarabisierung ethnischer Minderheiten oder staatliche Repressionen gegen nichtarabische Minderheiten allein aufgrund ihrer Volkszugehörigkeit nicht mehr feststellbar (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 19.07.2000).
Den Klägern droht im Hinblick auf die von ihnen angegebene Inhaftierung des Ehemannes der Klägerin zu 1) nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine politisch motivierte Verfolgung unter dem Gesichtspunkt einer "Sippenhaft". Nach der dem Gericht vorliegenden Auskunftslage kann nicht davon ausgegangen werden, dass in Syrien eine Sippenhaft oder politische Verdächtigungen mit sippenhaftähnlichen Maßnahmen generell auf engste Angehörige erstreckt werden. Sippenhaft oder sippenhaftähnliche Maßnahmen drohen vielmehr nahen Angehörigen solcher Personen, die als gefährliche Regimegegner eingestuft werden, nur im Einzelfall (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Syrien vom 13.01.1999 und vom 24.01.2000; Auskünfte vom 18.10.1999 an das VG Mainz, vom 08.05.1996 an das VG Ansbach, vom 08.11.1995 an das VG Koblenz, vom 02.01.1995 an das VG Stuttgart und vom 28.05.1993 an das VG Schleswig; Deutsches Orient-Institut, Auskünfte vom 26.02.1999 an das VG Freiburg und vom 14.04.1993 an das VG Schleswig; Perthes, Stellungnahme vom 07.03.1993 an das VG Schleswig; in diesem Sinne bereits OVG Münster, Beschl. vom 16.03.2000, 9 A 1220/00.A; OVG Lüneburg, Urt. vom 22.06.1999 - 2 L 670/98 -, Beschl. vom 23.12.1998 - 2 L 5599/98; VGH Mannheim, Urt. vom 19.05.1998 - A 2 S 28/98 -; VG Braunschweig, Urt. vom 17.06.1999 - 4 A 4057/96; Urt. vom 06.12.1999 - 4 A 4258/97, jew. m.w.Nw.).
Die Auskünfte von amnesty international (vom 25.11.1998 an das VG Bayreuth, vom 24.06.1996 an das VG Koblenz, Bericht vom 11.03.1996), von Link (November 1996) und die im September 1996 und Dezember 1995 vom Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V. herausgegebenen Dokumentationen rechtfertigen eine andere Einschätzung der Situation nicht. In diesen Erkenntnismitteln heißt es zwar, dass in Syrien Sippenhaft systematisch praktiziert werde. Die genannten Erkenntnismittel enthalten jedoch keine hinreichend bestimmten Angaben zu einer generellen Praxis der Sippenhaft des syrischen Staates. In ihnen sind auch keine Referenzfälle für eine aktuelle generelle Praxis der Sippenhaft angeführt (vgl. ebenso VGH Mannheim, Urt. vom 19.05.1998, aaO., UA S. 25; OVG Lüneburg, Beschl. vom 23.12.1998, aaO.; Urt. vom 22.06.1999, aaO.). Das Vorbringen der Kläger, sofern sich die geschilderten Vorgänge tatsächlich zugetragen haben sollten, macht deutlich, dass der Sicherheitsdienst ein nachhaltiges Interesse, auch der übrigen Familienmitglieder habhaft zu werden, nicht bestanden hat.
Schließlich sind auch Abschiebungshindernisse i.S.d. § 53 AuslG nicht ersichtlich. § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG erfasst allgemeine Gefahren i.S.d. § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG auch dann nicht, wenn sie den einzelnen Ausländer konkret und in individualisierbarer Weise betreffen. Lediglich dann, wenn dem einzelnen Ausländer kein Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 1 bis 4 und Abs. 6 Satz 1 AuslG zusteht, er aber gleichwohl nicht abgeschoben werden darf, weil die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG wegen einer extremen Gefahrenlage die Gewährung von Abschiebungsschutz unabhängig von einer Ermessensentscheidung nach den §§ 53 Abs. 6 Satz 2, 54 AuslG gebieten, ist § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG verfassungskonform einschränkend dahin auszulegen, dass eine Entscheidung nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG nicht ausgeschlossen ist (BVerwG, Urt. vom 17.10.1995, NVwZ 1996, 199 [BVerwG 17.10.1995 - BVerwG 9 C 9/95]). Es ist jedoch nicht wahrscheinlich, dass die Kläger sich bei einer Rückkehr nach Syrien in einer solchen extremen Gefahrenlage befinden würden.
Da das Bundesamt die Kläger zu Recht nicht als Asylberechtigte anerkannt hat und sie keine Aufenthaltsgenehmigung besitzen, hatte die Behörde sie gemäß den §§ 34 f. AsylVfG zur Ausreise aufzufordern und die Abschiebung anzudrohen.
Die Klage ist deshalb mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b Abs. 1 AsylVfG abzuweisen. Soweit das Verfahren auf Grund einer Klagerücknahme teilweise eingestellt worden ist, beruht die Kostenentscheidung auf § 155 Abs. 2 VwGO. Die Nebenentscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.