Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 05.03.2002, Az.: 3 B 27/02

Bedarf; Bedarfsdeckung; Bügeleisen; Bügeltisch; einmalige Beihilfe; Einrichtungsgegenstand; einstweilige Anordnung; Gardinen; Gardinenstange; Haushaltsgegenstand; Haushaltsgegenstände; Kochherd; Küchenstühle; Lampe; Sachleistung; Sozialhilfeleistung; Teppichboden; Zweckentfremdung; Zweckentfremdung einer Leistung; zweckwidrige Verwendung

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
05.03.2002
Aktenzeichen
3 B 27/02
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2002, 41606
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Nach Zweckentfremdung gewährter Sozialhilfeleistungen ist der Sozialhilfeträger verpflichtet, den noch bestehenden Bedarf - erneut - zu decken, ggf. durch Gutscheine bzw. Sachleistungen.

Tenor:

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller eine Beihilfe bzw. Sachleistung für die Beschaffung eines Herdes, eines Bügeleisens, zweier Gardinenhalterungen, eines Küchenunterschrankes, von sieben Küchenstühlen, drei Bettgestellen mit Lattenrost sowie drei Lampen zu bewilligen.

Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben; Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden nicht erhoben.

Gründe

1

Der Antrag nach § 123 VwGO mit dem Ziel, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zur Bewilligung einer Beihilfe für die mit Antrag vom 11.12.2001 begehrten Einrichtungs- und Haushaltsgegenstände zu verpflichten, hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

2

Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen werden, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder aus anderen Gründen nötig erscheint (Regelungsanordnung). Da nach Sinn und Zweck des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens die vorläufige Regelung grundsätzlich die Entscheidung in der Hauptsache nicht vorwegnehmen darf, kann eine Verpflichtung zur Zahlung und Übernahme von Geldleistungen, wie sie im vorliegenden Fall begehrt wird, im einstweiligen Anordnungsverfahren in der Regel nur ausgesprochen werden, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen für einen entsprechenden Anspruch (Anordnungsanspruch) glaubhaft gemacht sind und weiterhin glaubhaft gemacht wird, dass die begehrte Hilfe aus existenzsichernden Gründen so dringend notwendig ist, dass der Anspruch mit gerichtlicher Hilfe sofort befriedigt werden muss und es deshalb nicht zumutbar ist, den Ausgang eines Hauptsacheverfahrens abzuwarten (Anordnungsgrund).

3

Der Antragsteller, der ausweislich des Bescheides des Antragsgegners vom 17.12.2001 mit seiner Familie Leistungen nach § 2 AsylbLG i.V.m. dem BSHG erhält, hat nach §§ 11, 12, 21 BSHG einen Anspruch auf einmalige Leistungen, soweit ein sozialhilferechtlicher Bedarf für die begehrten Haushaltsgegenstände festzustellen ist. Der Antragsgegner kann dem nicht entgegenhalten, dass dem Antragsteller und seiner Familie vor ihrem Aufenthalt in Belgien Haushalts- und Einrichtungsgegenstände in ausreichendem Maße zur Verfügung gestellt worden seien. Aus der Niederschrift über den Hausbesuch vom 07.02.2002 und dem Vorbringen des Antragstellers ergibt sich, dass diese Einrichtungs- und Haushaltsgegenstände nicht mehr im Besitz des Antragstellers und seiner Familie sind. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht (B. v. 11.10.1996 - 12 M 5476/96 -) hat zur Frage erneuter Bedarfsdeckung ausgeführt:

4

"... dass die Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht zutrifft, nach Zweckentfremdung einer gewährten Leistung verbiete das Bedarfsdeckungsprinzip eine erneute Bewilligung. Offener - sozialhilferechtlich beachtlicher - Bedarf ist vom Träger der Sozialhilfe gemäß §§ 11, 12 BSHG zu decken, die Zweckentfremdung rechtfertigt es allenfalls, die Hilfe nicht durch Barzahlung, sondern z.B. mittels Gutschein zu erbringen, nicht aber, dem Hilfeempfänger für seine Lebensführung Notwendiges vorzuenthalten."

5

Danach ist der Antragsgegner sozialhilferechtlich verpflichtet, den bestehenden Bedarf - ggf. im Wege der Sachleistung - zu decken.

6

Allerdings hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, dass ein sozialhilferechtlich anzuerkennender Bedarf hinsichtlich aller im Antrag vom 11.12.2001 aufgeführten Gegenstände besteht. Dazu im Einzelnen:

7

Für eine aus sieben Personen bestehende Familie gehört ein Kochherd zum notwendigen Lebensunterhalt. Der Antragsteller hat unwidersprochen vorgetragen, dass der beim Hausbesuch am 07.02.2002 vorgefundene Herd so defekt ist, dass er die Stromleitung "lahm legt". Die beim Hausbesuch vorgefundene zweiflammige Kochplatte deckt den Bedarf für die aus sieben Personen bestehende Familie nicht.

8

Ein Bedarf besteht ebenfalls nicht für den beantragten Bügeltisch (vgl. OVG Hamburg, E v. 04.10.2000, FEVS 53, S. 82). Notwendige Bügelarbeiten können an dem ausweislich des Protokolls über den Hausbesuch vorgefunden Küchentisch vorgenommen werden.

9

Da ein Küchentisch vorhanden ist, ist der Antrag insoweit abzulehnen.

10

Für ein Bügeleisen ist zumindest angesichts der Größe der Familie des Antragstellers der Bedarf sozialhilferechtlich zu bejahen.

11

Der Bedarf ist hinsichtlich der Halterungen für Gardinen für zwei Fenster anzuerkennen. Ausweislich des Berichts über den Hausbesuch vom 07.02.2002 befinden sich in zwei Zimmern der Wohnung Gardinen ohne Gardinenstangen; die Gardinen sind danach mit Nägeln angebracht. Der Hausbesuchsbericht enthält keine Angaben darüber, dass für die Zimmer wegen ihrer Lage Gardinen etwa nicht notwendig wären. Es ist daher davon auszugehen, dass die Gardinen und deshalb auch die Halterungen für diese Gardinen, insbesondere im Schlafzimmer der Eheleute, den sozialhilferechtlichen Bedarfsgrundsätzen entsprechen. Hinsichtlich des Badezimmers und der Küche, in denen sich nach dem Bericht über den Hausbesuch offenbar keine Gardinen befinden, ist der Bedarf nicht glaubhaft gemacht. Für eine Küche besteht der Bedarf an Gardinen nur im Ausnahmefall, der nicht glaubhaft gemacht worden ist. Badezimmer sind häufig mit Milchglasscheiben etc. versehen, so dass eine Gardine nicht notwendig ist. Gegenteiliges ist von dem Antragsteller nicht glaubhaft gemacht worden.

12

Soweit mit dem insoweit nicht eindeutigen Antrag vom 11.12.2001 auch eine Beihilfe für Gardinen beantragt sein sollte, sind diese in den Zimmern der Wohnung vorhanden. Hinsichtlich des Badezimmers und der Küche gilt das oben Gesagte.

13

Soweit der Antragsteller eine Beihilfe für die Beschaffung von Teppichboden beantragt, ist kein sozialhilferechtlicher Bedarf anzunehmen. In der Wohnung sind ausweislich des Berichts über den Hausbesuch vom 07.02.2002 Fußbodenbeläge vorhanden. Ein Anspruch auf die Gestellung weiteren Teppichbodens besteht sozialhilferechtlich nicht. Besonderheiten des Einzelfalles, wie z.B. die Lage der Wohnung, Erkrankungen oder das Vorhandensein von Kindern im Krabbelalter, sind nicht glaubhaft gemacht worden; das jüngste Kind der Familie ist 1992 geboren.

14

Hinsichtlich der Möblierung der Küche ist ein Bedarf nur insoweit anzuerkennen, als Ersatz für den defekten Spülenunterschrank beschafft werden muss. Die nach dem Bericht über den Hausbesuch vorhandenen drei doppeltürigen Hängeschränke sind bedarfsdeckend. Soweit vorgetragen wird, dass zwei dieser Schränke lediglich von Bekannten geliehen worden sind, wäre es für den Erlass einer einstweiligen Anordnung notwendig, dass glaubhaft gemacht würde, dass die Eigentümer dieser Schränke die sofortige Rückgabe fordern. Dies ist nicht geschehen.

15

Die Beschaffung von Küchenstühlen für alle Familienmitglieder ist sozialhilferechtlich notwendig, da ausweislich des Berichtes über den Hausbesuch derzeit lediglich Matratzen als Sitzgelegenheiten vorhanden sind.

16

Dem Antrag auf Gewährung einer Beihilfe für fünf Kinderbetten und ein Ehebett ist nur teilweise stattzugeben. Ausweislich des Berichtes über den Hausbesuch sind zwei Doppelbetten vorhanden, also Schlafplätze für vier Personen. Hinsichtlich der übrigen drei Kinder ist der Bedarf für Bettgestelle mit Lattenrost, in die die vorhandenen Matratzen gelegt werden können, zu bejahen.

17

Von den beantragten fünf Lampen ist der Bedarf für drei Lampen zu bejahen. Ausweislich des Berichts über den Hausbesuch ist im Schlafraum der Kinder lediglich eine Glühbirne vorhanden. In den am Ende des Hausbesuchsberichtes genannten Zimmern 1 und 2 befinden sich offenbar keine Lampen, da diese bezüglich der anderen Zimmer jeweils erwähnt werden. Da die Wohnung als sozialhilferechtlich angemessen anerkannt ist, besteht ein Bedarf hinsichtlich jeweils einer Lampe für jedes dieser Zimmer.

18

Soweit in dem Antrag vom 11.12.2001 Tapeten und Farbe für die Wohnung beantragt worden sind, dürfte dies nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sein. In dem Bescheid vom 21.12.2001 sind diese Leistungen noch nicht abgelehnt worden, vielmehr ist um Angabe der Maße der Räume gebeten worden. Diese Maße sind ausweislich des Verwaltungsvorganges am 24.01.2002 beim Antragsgegner eingegangen. Eine Entscheidung ist - soweit ersichtlich - noch nicht gefallen. Der Hausbesuchsbericht verhält sich zu der Frage der Notwendigkeit einer Renovierung nicht. Die Anfrage nach den Maßen im Bescheid vom 21.12.2001 lässt den Schluss zu, dass der Antragsgegner den Bedarf insoweit anerkennt.

19

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO.