Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 17.11.2005, Az.: 7 LC 162/03

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
17.11.2005
Aktenzeichen
7 LC 162/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 44015
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2005:1117.7LC162.03.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Oldenburg/Oldenburg - AZ: 5 A 4252/00

In der Verwaltungsrechtssache

der Firma Avertreten durch die persönlich haftende Gesellschafterin, die Firma B, vertreten durch den Geschäftsführer Herrn C D.,

Klägerin

und Berufungsklägerin,

Proz.-Bev.: Rechtsanwälte Graf von Westphalen, Bappert und andere,

Große Bleichen 21, 20354 Hamburg, ,

g e g e n

den Landkreis Vechta, vertreten durch den Landrat, Ravensberger Straße 20, 49377 Vechta, - 63-324120-08.1047.9,

Beklagten und

Berufungsbeklagten,

Streitgegenstand: Auflage in einem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheid

hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht - 7. Senat - auf die mündliche Verhandlung vom 17. November 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Kalz, den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Peschau, den Richter am Oberverwaltungsgericht Prof. Dr. Mann sowie die ehrenamtliche Richterin B. und den ehrenamtlichen Richter B. für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 5. Kammer - vom 10. April 2003 geändert.

    Die Nebenbestimmung Ziffer II.4. zum Genehmigungsbescheid des Beklagten vom 20. April 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Weser-Ems vom 16. Oktober 2000 wird aufgehoben.

    Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

    Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

    Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

    Der Beklagte kann eine Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des 1,1-fachen Erstattungsbetrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen eine Nebenbestimmung in einem immissionsrechtlichen Änderungs-Genehmigungsbescheid.

2

Sie beantragte mit Schreiben vom 20. Juni 1994 die Genehmigung einer wesentlichen Änderung ihrer Hähnchenschlachterei, weil sie eine Erhöhung der Schlachtzahlen von 90.000 auf 150.000 Broiler/Woche, eine Ausdehnung ihrer Betriebszeiten von vier auf fünf Wochenarbeitstage, eine bauliche Erweiterung der Kühlräume und der Verladung sowie die Modernisierung ihrer Sozialräume beabsichtigte. Nach einer von der Klägerin im Februar 1995 beantragten Abtrennung des Bauantrages wurde der Klägerin mit Bescheid vom 24. Mai 1995 die Errichtungs- und Betriebsgenehmigung für die wesentliche Änderung der Anlage zum Schlachten von Broilern durch die Erweiterung der Kühlräume und der Verladung sowie für die Modernisierung der Sozialräume erteilt. Der Genehmigungsbescheid enthielt als Nebenbestimmung Nr. 2 den Hinweis, dass die Genehmigung noch nicht zu der ebenfalls beantragten Erhöhung der wöchentlichen Schlachtkapazität auf 150.000 Broiler berechtige. Der Anlage zur Baubeschreibung des Architekturbüros E om 5. Juli 1994 ist zu entnehmen, dass die vorhandene Nutzfläche von 1.630,01 m2 durch die Erweiterungsmaßnahmen um 1.260,19 m2 anwachse und reine Baukosten in Höhe von ca. 1,3 Mio. DM entstünden.

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Mit Änderungs-Genehmigungsbescheid vom 20. April 1999 genehmigte der Beklagte die beantragte Erhöhung der Schlachtkapazität, u.a. verbunden mit folgender, als Nummer II. 4 aufgeführter Nebenbestimmung:

4

"Es ist unverzüglich, spätestens bis zum 30.06.1999 sicherzustellen, dass die Schlachtabfälle bei einer maximalen Raumtemperatur von 5° C gelagert werden.

5

Die Behälterkapazität für die Schlachtabfälle ist hierbei so zu bemessen, dass sie mindestens das 1,5-fache des täglichen (maximalen) Abholvolumens beträgt, um eine ordnungsgemäße und hygienisch einwandfreie Aufbewahrung zu gewährleisten.

6

Die Raumtemperatur ist ab dem o.g. Termin kontinuierlich zu messen und mittels geeigneten Schreibern aufzuzeichnen.

7

Die Schreiberaufzeichnungen sind 18 Monate lang aufzubewahren und der Überwachungsbehörde auf Verlangen vorzulegen."

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Gegen diese Nebenbestimmung erhob die Klägerin Widerspruch. Sie vertrat die Auffassung, dass es für die Auflage keine Rechtsgrundlage gebe. Insbesondere könne die Nebenbestimmung nicht auf die TA Luft 1986 gestützt werden, da die TA Luft keine Rechtsnorm, sondern eine allgemeine Verwaltungsvorschrift sei, die nur die Verwaltung intern binde, nicht aber die Gerichte. Auch wenn man sie als allgemeines Sachverständigengutachten ansehe, könne von ihren Regelungen abgewichen werden, wenn für den Einzelfall neuere und speziellere Kenntnisse vorlägen oder wenn eine bestimmte Materie in einer Rechtsnorm anders geregelt sei. Beides sei vorliegend der Fall. Die TA Luft sei bereits nach ihrem eigenem Verständnis nicht verbindlich, sondern sehe lediglich vor, dass "Schlachtnebenprodukte, bei denen eine Geruchsentwicklung zu erwarten" sei, "grundsätzlich gekühlt zu lagern" seien. Zu einer derartigen Geruchsentwicklung sei es in der Vergangenheit aber nicht gekommen. Darüber hinaus sei durch mehrmalige Abholung der Abfälle pro Tag absolute Frische garantiert. Auch stehe die Auflage im Widerspruch zu einer Reihe von Spezialregelungen, die die Hygiene in Schlachtbetrieben regelten. Insbesondere sehe die Geflügelfleischhygieneverordnung lediglich die Kühlung von Geflügelfleischerzeugnissen vor, die für die Weiterverarbeitung bestimmt seien, nicht aber für Schlachtabfälle. Die Auflage beachte zudem nicht in ausreichendem Maße den Bestandsschutz der Anlage; geplant sei eine rein quantitative Änderung in der Betriebsweise, so dass die Änderungsgenehmigung kein Instrument für den Erlass nachträglicher Auflagen hinsichtlich nicht betroffener Anlagenteile sein könne. Darüber hinaus habe der Beklagte den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht beachtet, denn bei Umsetzung der TA Luft durch eine nachträgliche Anordnung bzw. eine dieser gleichzustellenden Auflage müsse konkret geprüft werden, ob sie verhältnismäßig sei, was vorliegend aber zu verneinen sei. In diesem Sinne verlange auch der Vorsorgegrundsatz des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG lediglich, dass die "adäquaten" Maßnahmen gegen vermutete Gefahren ergriffen würden. Aufwand und Ertrag für die Ziele des Vorsorgeprinzips müssten in einem angemessenen Verhältnis stehen. In ihrem Betrieb sei eine so verstandene Vorsorge getroffen worden, indem die Abfälle vorübergehend in separaten Räumlichkeiten und in verschließbaren Behältern untergebracht würden, so dass die Gefahr der Keimverschleppung oder des Entstehens von Gerüchen nicht entstehen könne.

9

Mit Bescheid vom 16. Oktober 2000 wies die Bezirksregierung Weser-Ems den Widerspruch zurück. Sie begründete dies mit den Erwägungen, dass nur eine Kühlung der Schlachtabfälle dem Stand der Technik entspreche. Die TA Luft sei zur Konkretisierung der in § 5 Abs. 1 BImSchG formulierten Pflichten erlassen worden und als antizipiertes Gutachten auch im gerichtlichen Verfahren zu beachten, solange ihre Regelungen, Festlegungen und Vorgaben nicht durch Erkenntnisfortschritte in Wissenschaft und Technik überholt seien. Dies sei nicht der Fall, vielmehr bestätige der in der neueren VDI-Richtlinie 2596 "Emissionsminderung, Schlachthöfe" manifestierte Stand der Technik zur Emissionsminderung bei Schlachtanlagen die Anforderungen der TA Luft. Schlachtabfälle seien immer mit Gerüchen verbunden, was durch Angaben in der Fachliteratur, einschlägigen Regelwerken und Emissionsmessungen belegt werde. Im Jahre 1995 erstellte Gutachten zum Betrieb der Klägerin zeigten, dass der Bereich der Schlachtabfalllagerung zu den intensiveren Geruchsquellen der Schlachtanlage gehöre. Durch die Nebenbestimmung werde gerade in den wärmeren Sommermonaten sichergestellt, dass sich das Material nicht in einer die Verwertbarkeit gefährdenden Art zersetze, die zudem zu erheblichen Geruchsemissionen führe. Würde die Kühlung erst in der Verwertungsanlage erfolgen, wäre eine ordnungsgemäße und schadlose Verwertung gefährdet, da zum einen eine Zersetzung des Materials dessen Verwertbarkeit beeinträchtige und zum anderen auch in der Verwertungsanlage erhöhte Geruchsemissionen zu befürchten seien, wozu bereits wenige Stunden Lagerung in nicht gekühlten Räumen ausreichen könnten. Dies gelte insbesondere dann, wenn der Entsorgungsweg durch Störfälle ausfalle und eine längere Lagerung vor Ort erforderlich sei. Die Raumkühlung sei auch mit verhältnismäßigen Mitteln zu verwirklichen, weil eine Kühlung nur dann notwendig werde, wenn hohe Außentemperaturen dies erforderten und es die Klägerin durch konstruktive Maßnahmen (Größe eines oder mehrerer getrennter Lagerräume) selbst entscheidend in der Hand habe, in welchem Maße Kühlleistung benötigt werde. Die hygiene- und lebensmittelrechtlichen Spezialregelungen, die die Klägerin anführe, seien für die Umsetzung des Immissionsschutzrechtes nicht relevant. Da die Erhöhung der Schlachtkapazität sowohl Auswirkungen auf die anfallende Schlachtabfallmenge und die vorzuhaltende Schlachtabfalllagerkapazität als auch auf das Emissionsverhalten aus dem Lagerbereich und die ordnungsgemäße Abfallentsorgung habe, sei die Nebenbestimmung auf die gesamte Anlage zu beziehen gewesen.

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Mit ihrer am 16. November 2000 erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Widerspruchsvorbringen vertieft und ausgeführt: Soweit der Beklagte die Nebenbestimmung auf Regelungen der TA Luft über "Schlachtnebenprodukte" stütze, sei dies nicht ausreichend, um Maßgaben zur Kühlung der "Schlachtabfälle" zu treffen. Die von dem Beklagten angeführte VDI-Richtlinie 2596 habe zum einen nur indizielle Bedeutung und bestimme zum anderen in Nr. 2.2.2.5. mit Blick auf die Lagerung von Schlachtabfällen lediglich, dass der Lagerraum für die Abfälle "gut zu entlüften" und "kühl zu halten (u. U. mit einer Kühlanlage)" sei, nicht aber fordere sie eine generelle Kühlung von gelagerten Schlachtabfällen auf 5° C. Besondere Umstände, die eine solche Kühlung erforderten, lägen hier nicht vor. Die Entsorgung der Abfälle erfolge mehrmals täglich. Die Ware werde nach der Abholung sofort erhitzt und weiterverarbeitet. Die Kühlung verursache daher im Bereich der Tierkörperbeseitigung nur einen unnötigen Energieaufwand.

11

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Ziffer II. 4. des Genehmigungsbescheides des Landkreises Vechta vom 20. April 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Weser-Ems vom 16. Oktober 2000 aufzuheben und

12

2. die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

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Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

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Er hat in Vertiefung der Begründung des Widerspruchsbescheids geltend gemacht, die TA Luft sehe bei Schlachtnebenprodukten zur Emissionsminderung generell eine Kühlung vor, lasse bei der Lagerung von Schlachtabfällen neben der Erfassung und Abgasreinigung aber auch andere Arten emissionsmindernder Maßnahmen zu. Die effektivste Minderungsmaßnahme sei die Kühlung des Lagerraumes für Schlachtabfälle. Da die Anlage der Klägerin weder über eine dem Stand der Technik entsprechende Kühlung der Schlachtnebenprodukte noch über andere emissionsmindernde Maßnahmen verfüge und auch in dem Antrag auf Erhöhung der Schlachtkapazität keine emissionsmindernden Maßnahmen vorgesehen gewesen seien, sei die Verfügung der streitigen Nebenbestimmung unumgänglich gewesen. Im Übrigen sehe nunmehr die TA Luft 2002 unter Nr. 5.4.7.2 lit. h) für Anlagen zum Schlachten von Geflügel eine Temperatur der Schlachtabfälle und Schlachtnebenprodukte von weniger als 10° C oder deren Lagerung in Räumen mit einer Raumtemperatur von weniger als 5° C ausdrücklich vor. Die endgültige Aufnahme dieser bereits im Novellierungsverfahren beratenen Vorschrift in der verabschiedeten Fassung zeige, dass die angefochtene Nebenbestimmung bereits zum Zeitpunkt ihres Erlasses den Stand der Technik festgeschrieben und die Grundpflichten des Betreibers rechtmäßig konkretisiert habe.

15

Mit Urteil vom 10. April 2003 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und ausgeführt, der Beklagte habe die Nebenbestimmung in rechtlich nicht zu beanstandender Weise der Änderungsgenehmigung beigefügt, um die immissionsschutzrechtlich geforderte Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen sicherzustellen. Zur Konkretisierung der Vorsorgeanforderungen des Bundes-Immissionschutzgesetzes sei auf die Maßgaben der TA Luft abzustellen. Anders als in der neuen TA Luft aus dem Jahr 2002 sei nach der im Zeitpunkt des Erlasses des Änderungsbescheides geltenden TA Luft aus dem Jahr 1986 zwar noch nicht ausdrücklich ein Kühlgebot für Schlachtabfälle vorgeschrieben gewesen, doch habe es auch seinerzeit bereits dem Vorsorgegebot entsprochen, die Schlachtabfälle ausreichend zu kühlen, um die Geruchsemissionen mit Blick auf die nachfolgenden Entsorgungsstationen frühzeitig zu minimieren. Das von der Klägerin angebotene Austauschmittel einer mehrmals täglich durchgeführten Abfuhr der Schlachtabfälle sei hingegen nicht gleich geeignet, um dem Minimierungsgebot der TA Luft zu genügen. Andere Rechtsvorschriften, insbesondere Bestimmungen des Tierkörperbeseitigungsgesetzes, des Geflügelfleischhygienegesetzes oder der Geflügelfleischhygieneverordnung, enthielten keine entgegenstehenden Regelungen. Die Erstreckung der Nebenbestimmung auf den gesamten Betrieb der Klägerin unter Einschluss des bereits genehmigten Altbestandes sei ebenfalls rechtmäßig, weil mit der Erhöhung der Schlachtzahlen von 90.000 auf 150.000 Broiler wöchentlich nicht nur eine quantitative, sondern auch eine qualitative Änderung der Anlage verbunden sei, deren Geruchsemissionen und -immissionen nur in ihrer Gesamtheit und nicht etwa getrennt nach Neu- und Alt-Gerüchen beurteilt werden könnten. Damit seien auch die in der Nebenbestimmung angeordneten Kontrollmaßnahmen rechtmäßig, da es sich insoweit nur um Neben- bzw. Hilfspflichten handele.

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Gegen diese Entscheidung führt die Klägerin die vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Berufung. Sie bekräftigt ihre Auffassung, dass die angefochtene Nebenbestimmung rechtswidrig sei, weil die von ihr betriebene Geflügelschlachterei die rechtlichen Genehmigungsvoraussetzungen bereits auf andere Weise erfülle. Eine Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen, die durch Schlachtabfälle hervorgerufen werden können, sei bereits dadurch getroffen, dass die Abfälle durch ein Rohrsystem in einen geschlossenen Raum gelangten, wo sie dann in verschließbaren Containern gelagert würden. Darüber hinaus gewährleiste eine regelmäßige Abfuhr der Abfälle, die mindestens zweimal am Tag erfolge, dass keine Verwesungsprozesse einsetzen könnten. Daher sei die abstrakte Gefahr schädlicher Umwelteinwirkungen bereits aus tatsächlichen Gründen ausgeschlossen, so dass es auf die konkretisierenden Maßgaben der TA Luft nicht ankomme. Wolle man diese dennoch zugrunde legen, so ließen die Bestimmungen der TA Luft 1986, insbesondere deren Nr. 3.3.7.2.1, erkennen, dass zur Bewertung der Frage, ob ausreichende Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen getroffen sei, auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen sei. Danach könne die mehrmalige tägliche Abholung der Schlachtabfälle als eine der angeordneten Kühlung gleichwertige Maßnahme angesehen werden. Auch unter Zugrundelegung der TA Luft 2002 sei es möglich, durch eine mehrmals täglich erfolgende Abholung der Abfälle die nur "grundsätzlich" gebotene Kühlung in Räumen mit einer Raumtemperatur von weniger als 5° C zu kompensieren. Letztlich erweise sich die Anordnung zur Kühlung der Schlachtabfälle auch als unverhältnismäßig, da der immissionsschutzrechtliche Vorsorgegrundsatz keine unbegrenzte Minimierungspflicht im Sinne optimaler Vorkehrungen, sondern eine Proportionalität zwischen Vorsorgekosten und Größe des Risikos verlange, die in Anbetracht der getroffenen Maßnahmen bereits gewahrt sei.

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Die Klägerin beantragt,

1. unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Ziffer II. 4 des Genehmigungsbescheides des Beklagten vom 20. April 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Weser-Ems vom 16. Oktober 2000 aufzuheben und

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2. die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

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Hilfsweise beantragt sie,

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durch Einholung eines Sachverständigengutachtens festzustellen, dass die Umsetzung der angefochtenen Nebenbestimmung Investitionskosten von 200.000,00 Euro und jährliche Betriebskosten von 50.000,00 bis 60.000,00 Euro verursachen werde.

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Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

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Er sieht seine Rechtsauffassung durch die Erwägungen des Verwaltungsgerichts bestätigt und ist der Auffassung, eine mehrmalige Abfuhr von Abfällen sei im Vergleich zur angeordneten Kühlung nicht gleich geeignet, um eine abstrakte Gefahrenvorsorge zu gewährleisten. Bereits nach Maßgabe der die Anforderungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes konkretisierenden TA Luft 1986 und der VDI Richtlinie 2596 sei eine Kühlung der Schlachtabfälle unabhängig von einer täglichen Abfuhr der Abfälle erforderlich. Noch deutlicher komme dieses kumulative Erfordernis in den Bestimmungen der TA Luft 2002 zum Ausdruck, die die notwendigen Vorsorgemaßnahmen für Geflügelschlachtanlagen ausdrücklich im Sinne eines Nebeneinanders dieser Anforderungen konkretisiere. Die Nebenbestimmung sei auch verhältnismäßig; eine Verhältnismäßigkeitsbewertung habe zum einen bereits der Normgeber der TA Luft bei der Formulierung der einschlägigen Anforderungen vorgenommen, zum anderen sei im vorliegenden Einzelfall keine atypische Situation gegeben, die eine besondere Einzelfallbetrachtung erfordere. Dass der Einbau der Kühlanlage die Schlachtung verteuere, sei irrelevant. Zudem seien dem wirtschaftlichen Aufwand für die Installation einer Kühlanlage die vermiedenen Kosten seit 1999 gegenüberzustellen.

23

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und der Bezirksregierung Weser-Ems verwiesen. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung hat Erfolg. Die Klage ist zulässig (I.) und begründet (II.).

25

I. Die Klage, die sich lediglich gegen die Nebenbestimmung II 1.4 des Änderungs-Genehmigungsbescheides richtet, ist als Anfechtungsklage statthaft. In Ansehung der Formulierung in § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO ("soweit") geht die gefestigte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts davon aus, dass eine Anfechtung belastender Nebenbestimmungen grundsätzlich möglich ist. Ob dies zur isolierten Aufhebung der Nebenbestimmung führen kann, ist eine Frage der Begründetheit und nicht der Zulässigkeit der Anfechtungsklage, sofern nicht eine isolierte Aufhebbarkeit offenkundig von vornherein ausscheidet (BVerwG, Urt. v. 10.07.1980 - 3 C 136.79 -, BVerwGE 60, 269274; Urt. v. 19.01.1989 - 7 C 31.87 -, BVerwGE 81, 185186; Urt. v. 22.11.2000 - 11 C 2.00 -, BVerwGE 112, 221224). Ein derartiger Ausnahmefall liegt hier nicht vor.

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II. Die Klage ist begründet, denn die Nebenbestimmung der Ziffer II. 4 des Genehmigungsbescheides des Beklagen vom 20. April 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Weser-Ems vom 16. Oktober 2000 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Einer Entscheidung über den Hilfsantrag bedarf es damit nicht.

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1. Die angefochtene Nebenbestimmung findet ihre Rechtsgrundlage in den §§ 16, 12, 6 Abs. 1 Nr. 1, 5 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (Bundes-Immissionsschutzgesetz - BImSchG) in der im Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 14. Mai 1990 (BGBl. I S. 880), seinerzeit zuletzt geändert durch Gesetz vom 3. Mai 2000 (BGBl. I S. 632). Danach ist auch bei einer wesentlichen Änderung genehmigungsbedürftiger Anlagen sicherzustellen, dass Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen getroffen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen. Soweit es erforderlich ist, um diese Genehmigungsvoraussetzung sicherzustellen, kann die Genehmigung gemäß § 12 BImSchG, der sich auch auf Änderungsgenehmigungen bezieht (vgl. Jarass, BImSchG, 6. Aufl. 2005, § 12 Rn. 1, § 16 Rn. 31; Führ, GK-BImSchG, Stand: Mai 2005, § 16 Rn. 208), mit Auflagen verbunden werden.

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Die von der Klägerin betriebene Hähnchenschlachterei ist eine genehmigungsbedürftige Anlage im Sinne des § 4 Abs. 1 BImSchG i.V.m. Nr. 7.2. a) Spalte 1 des Anhangs zur Vierten Verordnung zur Durchführung des BImSchG (4. BImSchV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. März 1997 (BGBl. I S. 504), zum damaligen Zeitpunkt zuletzt geändert durch Verordnung vom 23. Februar 1999 (BGBl. I S. 186). Denn die Anlage hatte bereits vor der Erweiterung eine wöchentliche Schlachtleistung von 90.000 Broilern, mithin von mehr als 5.000 kg Lebendgewicht Geflügel. Die von der Klägerin beantragte Erhöhung der Schlachtkapazität von 90.000 auf 150.000 Broiler/Woche ist eine Änderung der genehmigungsbedürftigen Anlage, weil sie eine Abweichung vom ursprünglichen Genehmigungsbescheid beinhaltet. Diese Änderung ist auch wesentlich, weil durch die Erhöhung der Schlachtkapazität nachteilige Auswirkungen hervorgerufen werden können, die für die Prüfung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG erheblich sein können (vgl. § 16 Abs. 1 S. 1 BImSchG).

29

2. Die angefochtene Nebenbestimmung ist in formell rechtmäßiger Weise erlassen worden. Insbesondere war der Beklagte zuständig zur Entscheidung über die wesentliche Änderung. Im Zeitpunkt der Antragstellung am 20. Juni 1994 war gemäß Nr. 8.1.1.1 Buchst. b) der Anlage 2 der Verordnung über die Regelung von Zuständigkeiten im Gewerbe- und Arbeitsschutzrecht sowie in anderen Rechtsgebieten (ZustGewAR 1991) vom 15. Dezember 1990 (Nds. GVBl. S. 491), damals zuletzt geändert durch Verordnung vom 18. August 1993 (Nds. GVBl. S. 300), eine Zuständigkeit der Landkreise für immissionsschutzrechtliche Änderungsgenehmigungen nach § 16 BImSchG begründet. Zwar war im Zeitpunkt des Erlasses des Änderungsgenehmigungsbescheides am 20. April 1999 diese Zuständigkeit durch Art. 1 der Verordnung vom 19. Dezember 1997 (GVBl. S. 545) bereits auf die Bezirksregierung übergegangen, doch blieb gemäß § 1 Abs. 3 ZustVOGewAR 1991 die Zuständigkeit der bisher zuständigen Stellen für die noch bei ihnen anhängigen Verfahren weiterhin erhalten.

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3. Die angefochtene Nebenbestimmung ist aber nicht, wie es § 12 Abs. 1 S. 1 BImSchG verlangt, "erforderlich ..., um die Erfüllung der in § 6 genannten Genehmigungsvoraussetzungen sicherzustellen." Die durch die Genehmigungsvoraussetzungen in § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG in Bezug genommenen Kriterien des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG enthalten unbestimmte Rechtsbegriffe (dazu a.), die eine Konkretisierung für den Einzelfall erfordern, welche in der Regel maßgeblich anhand der TA Luft getroffen werden kann (dazu b.). Es kann dahinstehen, ob der Beklagte die unbestimmten Rechtsbegriffe auf der Basis der TA Luft, die zur Beurteilung dieses Rechtsstreits in ihrer Fassung von 1986 relevant ist (dazu c.), und sonstiger Erkenntnisquellen über die nach dem Stand der Technik gebotene Vorsorge durch die getroffene Nebenbestimmung auf eine Art und Weise konkretisiert hat, die geeignet ist, die beabsichtigte Gefahrenvorsorge zu erreichen (dazu d.). Jedenfalls ist das in der Nebenbestimmung verfügte Kühlungsgebot nicht erforderlich, weil die zweimal täglich erfolgende Abfuhr der Schlachtabfälle als ein milderes, ebenso wirksames Mittel zur Gefahrenvorsorge darstellt (dazu e).

31

a) Das Vorsorgegebot des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG dient nicht dem Schutz vor konkret bzw. belegbar schädlichen Umweltauswirkungen, sondern richtet sich gegen potentiell schädliche Umweltauswirkungen, soll also dem Entstehen solcher Umweltauswirkungen generell vorbeugen (vgl. Bericht des Innenausschusses des Deutschen Bundestages, zum Entwurf des BImSchG, BT-Drucks. 7/1513, S. 2). Ziel der Vorsorge ist es, eine Sicherheitszone vor der Gefahrenschwelle zu schaffen (BVerwG, Beschl. v. 01.10.1995 - 7 B 112.94 -, NVwZ 1995, 994995; OVG Lüneburg, Urt. v. 03.07.1979 - 7 A 39/78 -, GewArch 1980, 203205). Sie soll relativ einfach zu handhabende Standards bereitstellen, ohne im Einzelfall feststellen zu müssen, wo genau die Gefahrenschwelle liegt. So kann der Stand der Technik der Gefahrenvorsorge auch verlangt werden, wenn die Gefahrenschwelle weit entfernt ist (BVerwG, Urt. v. 17.02.1984 - 7 C 8.82 -, BVerwGE 69, 3743; Jarass, a.a.O., § 5 Rn. 47). Wie der Wortlaut des § 5 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 3 Abs. 6 BImSchG deutlich macht, erfolgt die Vorsorge vor allem durch eine Begrenzung der Emissionen entsprechend dem Stand der Technik und damit unabhängig von der Immissionssituation im Einwirkungsbereich (Jarass, a.a.O., § 5 Rn. 50).

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Der Begriff des Standes der Technik formuliert einen generellen Maßstab, für den die Besonderheiten des Einzelfalls grundsätzlich keine Rolle spielen. Um den Stand der Technik zu ermitteln, ist gemäß der Begriffsbestimmung in § 3 Abs. 6 BImSchG zunächst der "Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen und Betriebsweisen" festzustellen, der die "praktische Eignung" einer Emissionsbegrenzungsmaßnahme "gesichert erscheinen lässt". Insgesamt handelt es sich bei dem Tatbestandsmerkmal "Stand der Technik" also um einen - verfassungsrechtlich zulässigen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 08.08.1978 - 2 BvL 8/77 -, BVerfGE 49, 89134 ff.) - unbestimmten Rechtsbegriff, der als solcher grundsätzlich gerichtlich voll überprüfbar ist. Der Gesetzgeber kann der Verwaltung jedoch eine Standardisierungsermächtigung zur Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe durch Rechtsverordnung oder Verwaltungsvorschrift einräumen, wie es für das Immissionsschutzrecht durch § 48 BImSchG geschehen ist. Die auf der Basis des § 48 BImSchG von der Bundesregierung erlassene Erste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft - TA Luft) konkretisiert die mit Blick auf die Luftreinhaltung für genehmigungsbedürftige Anlagen geltenden Anforderungen des BImSchG.

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b) Vor diesem Hintergrund - und weil es an weiteren normativen Festlegungen fehlt - haben der Beklagte und das Verwaltungsgericht im Ausgangspunkt zu Recht die TA Luft als Anhaltspunkt zur Konkretisierung der Vorsorgeanforderung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG herangezogen. Als Verwaltungsvorschrift, die zur Durchführung des BImSchG auf der Grundlage des § 48 BImSchG nach Anhörung der beteiligten Kreise erlassen wurde, enthält die TA Luft grundsätzlich verbindliche Regelungen, Festlegungen und Vorgaben für die mit Genehmigungen, nachträglichen Anordnungen und Ermittlungsanordnungen befassten Verwaltungsbehörden (vgl. Nr. 1 Satz 3 TA Luft). Zugleich konkretisiert sie die unbestimmten Rechtsbegriffe des Gesetzes durch generelle, dem gleichmäßigen und berechenbaren Gesetzesvollzug dienende Standards, die entsprechend der Art ihres Zustandekommens in hohem Maße wissenschaftlich-technischen Sachverstand und allgemeine Folgenbewertungen verkörpern. Dass die TA Luft mit dieser Funktion auch im gerichtlichen Verfahren beachtlich ist, solange ihre Regelungen, Festlegungen und Vorgaben nicht durch Erkenntnisfortschritte in Wissenschaft und Technik überholt sind, hat der Senat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. nur BVerwG, Beschl. v. 15.02.1988 - 7 B 219.87 -, Buchholz 406.25 § 48 BImSchG Nr. 2; Beschl. v. 10.01.1995 - 7 B 112.94 -, Buchholz a.a.O. Nr. 4 = DVBl 1995, 516) bereits festgestellt (Nds.OVG, Urt. v. 06.03.1998 - 7 L 4554/96 -, NuR 1998, 663664).

34

c) Zur rechtlichen Beurteilung im vorliegenden Verfahren sind die Bestimmungen der TA Luft vom 27. Februar 1986 (TA Luft 1986, GMBl. S. 95) maßgeblich, obwohl zwischenzeitlich eine überarbeitete Neufassung vom 24. Juli 2002 (TA Luft 2002, GMBl. S. 511) die TA Luft 1986 abgelöst hat. Denn zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage kommt es vorliegend auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung an, also auf die Rechtslage, wie sie im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides am 16. Oktober 2000 bestanden hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gibt es zwar keinen verwaltungsprozessrechtlichen Grundsatz des Inhalts, dass bei einer Anfechtungsklage die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts stets nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung zu beurteilen sei. Auf welche Sach- und Rechtslage bei der Beurteilung einer Anfechtungsklage abzustellen ist, bestimmt sich vielmehr in erster Linie nach dem einschlägigen materiellen Recht (BVerwG, Urt. v. 14.02.1975 - IV C 21.74 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 19, S. 13; BVerwG, Urt. v. 25.11.1981 - 8 C 14.81 -, BVerwGE 64, 218221 f.; BVerwG, Urt. v. 29.09.1982 - 8 C 138.81 -, BVerwGE 66, 178182; BVerwG, Beschl. v. 10.01.1991 - 7 B 102.90 -, NVwZ-RR 1991, 236). Im Zweifel gilt aber, dass bei der Anfechtung von Verwaltungsakten ohne Dauerwirkung die Sachlage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgebend ist (BVerwG, Urt. v. 27.01.1993 — 11 C 35.92—, BVerwGE 92, 3235; BVerwG, Urt. v. 14.12.1994 — 11 C 25.93—, BVerwGE 97, 214220 f.; Nds.OVG, Urt. v. 28.10.1996 — 3 L 5433/94—, NdsVBl 1997, 113; Nds.OVG, Urt. v. 21.04.2004 - 7 LC 98/02 -, NdsVBl. 2004, S. 301). So liegt es auch hier. Aus dem BImSchG ergibt sich nicht, dass bei der Anfechtung einer Nebenstimmung zu einer immissionsschutzrechtlichen Änderungsgenehmigung auf einen späteren Zeitpunkt abzustellen wäre. Insbesondere ist die immissionschutzrechtliche Genehmigung kein Dauerverwaltungsakt. Sie wird nicht rechtswidrig, wenn sich die Rechts- oder Sachlage nach der Genehmigungserteilung ändert. Vielmehr ermächtigen die §§ 17, 21 BImSchG die Behörde, Änderungen der Rechts- und Sachlage durch nachträgliche Anordnungen oder durch Widerruf Rechnung zu tragen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.01.1991 - 7 B 102.90 -, NVwZ-RR 1991, 236). Darüber hinaus steht der Annahme, dass demgegenüber die hier angefochtene, eigenständige Nebenbestimmung als solche den Charakter eines Dauerverwaltungsakts hat und somit heute am Maßstab der TA Luft 2002 zu messen wäre, der Rechtseinwand entgegen, dass Nr. 6.2.3.3 der TA Luft 2002 ausdrücklich eine noch bis Ende Oktober 2007 andauernde Übergangsfrist vorsieht, innerhalb derer die Vorsorgeanforderungen der TA Luft 2002 durch nachträgliche Anordnungen auf Anlagen, die - wie die Anlage der Klägerin - bisher dem Stand der Technik entsprachen, erstreckt werden sollen.

35

d) Es kann dahinstehen, ob das in der Nebenbestimmung ausgesprochene Gebot einer Raumkühlung von maximal 5°C geeignet ist, um die Gefahrenvorsorge gegen Geruchsbelästigungen nach dem Stand der Technik zu konkretisieren.

36

aa) Nach Nr. 2.2.1.4 der TA Luft 1986 müssen genehmigungsbedürftige Anlagen zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen - darunter sind auch Veränderungen der natürlichen Zusammensetzung der Luft durch Geruchsstoffe zu fassen (vgl. § 3 Abs. 4 BImSchG, Nr. 2.1.1 TA Luft 1986) - den Anforderungen nach Nr. 3 der TA Luft 1986 entsprechen. Ob sonstige, d.h. weitergehende und strengere (Hansmann, TA Luft, 1987, Erl. Zu 2.2.1.4 Rn. 5) Maßnahmen zur Vorsorge erforderlich sind, ist aufgrund des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG zu entscheiden. In den Bestimmungen zur Nr. 3 der TA Luft 1986 wird der nach dem BImSchG zur Grundforderung erhobene "Stand der Technik" zumeist zu Emissionswerten verdichtet. Insbesondere wenn es nicht sinnvoll oder nicht möglich ist, zahlenmäßige Angaben zu machen, werden aber auch sonstige emissionsbegrenzende Forderungen gestellt. Nr. 3 ist so aufgebaut, dass die allgemeinen Regeln den spezielleren Bestimmungen vorangestellt sind. Die allgemeinen Anforderungen zur Begrenzung der Emissionen sind in Nr. 3.1. geregelt, wobei wiederum die Vorschriften, die den umfassendsten Anwendungsbereich haben, am Beginn stehen. In diesem Sinne ordnet Nr. 3.1.1 Abs. 1 an, das die Regelungen in Nr. 3.1, die für alle Anlagen gelten, gegenüber ergänzenden oder abweichenden Regelungen in Nr. 3.3. nachrangig sind. Das gilt mithin auch für das Verhältnis der grundsätzlichen Anforderungen in Nr. 3.1.2, nach denen für emissionsbegrenzende Maßnahmen u.a. die Optimierung von An- und Abfahrvorgängen und sonstigen Betriebszuständen "zu berücksichtigen" sind, zu den speziellen Maßgaben für bestimmte Anlagenarten unter Nr. 3.3 der TA Luft 1986, deren Systematik sich an den Aufbau des Katalogs in der Anlage zur 4. BImSchV anlehnt. Soweit es um die in § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG geforderte Emissionsminderung nach dem Stand der Technik geht, kann davon ausgegangen werden, dass der Stand der Technik im Jahre 1986 durch die TA Luft zutreffend und im wesentlichen umfassend umschrieben worden ist (Hansmann, a.a.O., Erl. zu 3.1.1 Rn. 14).

37

Soweit in Nr. 3.1.9 Abs. 2 der TA Luft 1986 für Anlagen, die bei bestimmungsgemäßem Gebrauch oder wegen betrieblich bedingter Störanfälligkeit geruchsintensive Stoffe emittieren können, vorgeschrieben wird, dass geruchsintensive Abgase in der Regel einer Abgasreinigungseinrichtungen zuzuführen oder "gleichwertige Maßnahmen" zu treffen sind, kann sich die Klägerin allerdings nicht schon mit Erfolg darauf berufen, die in ihrem Betrieb zweimal täglich stattfindende Abholung der Schlachtabfälle genüge als "gleichwertige Maßnahme" im Sinne der Nr. 3.1.9 TA Luft 1986 den Anforderungen des Standes der Technik. Denn nach der vorstehend beschriebenen Systematik der TA Luft, wie sie in Nr. 3.1.1 Abs. 1 TA Luft 1986 zum Ausdruck gebracht wird, gehen die speziellen Regelungen für Anlagen zum Schlachten von Tieren in Nr. 3.3.7.2.1 der TA Luft 1986 dieser allgemeinen Regel über geruchsintensive Stoffe vor.

38

bb) Nr. 3.3.7.2.1 der TA Luft 1986 sieht in seinen Buchstaben b) und c) unterschiedliche Anforderungen für die Behandlung geruchsintensiver Stoffe bei Schlachtnebenprodukten und Schlachtabfällen vor:

39

"b) Schlachtnebenprodukte, bei denen eine Geruchsentwicklung zu erwarten ist, sind in geschlossenen Behältern oder Räumen und grundsätzlich gekühlt zu lagern;

40

c) die Abgase mit geruchsintensiven Stoffen aus Produktionsanlagen, Einrichtungen zur Aufarbeitung und Lagerung von Schlachtnebenprodukten oder Abfällen sind zu erfassen und einer Abgasreinigungseinrichtung zuzuführen oder es sind gleichwertige Maßnahmen zur Emissionsminderung zu ergreifen."

41

Indem die angefochtene Nebenbestimmung im Änderungsgenehmigungsbescheid anordnet, dass Schlachtabfälle bei einer maximalen Raumtemperatur von 5° C gelagert werden müssen, findet sie keine Grundlage in Nr. 3.3.7.2.1 Buchst b) TA Luft 1986, da diese Bestimmung eine den Stand der Technik konkretisierende grundsätzliche Kühlung nur für "Schlachtnebenprodukte" vorsieht. Darunter wird üblicherweise anderes frisches Fleisch als das frische Schlachtkörperfleisch, einschließlich Eingeweide und Blut verstanden - vgl. etwa die Begriffsbestimmungen in Nr. 1.11. des Anhang 1 zur Verordnung (EG) Nr. 853/2004 des europäischen Parlaments und des Rates mit spezifischen Hygienevorschriften für Lebensmittel tierischen Ursprungs vom 29. April 2004 (ABl. EG Nr. L 226/ 22) oder in § 2 Nr. 10 des Fleischhygieneverordnung in der Fassung vom 29. Juni 2001 (BGBl. I S. 1367, zul. geänd. d. G. v. 01.09.2005 [BGBl. I S. 2618]). Demgegenüber sind mit dem Begriff "Schlachtabfälle" üblicherweise Beine, Köpfe, Därme usw. der getöteten Tiere umschrieben (vgl. Nr. 2.2.2.5 Abs. 1 der VDI-Richtlinie 2596 "Emissionsminderung Schlachthöfe"), die in der Regel einer Beseitigung zuzuführen sind.

42

cc) Soweit Nr. 3.3.7.2.1 Buchst. c) TA Luft 1986 verlangt, dass die Abgase mit geruchsintensiven Stoffen aus Einrichtungen zur Lagerung von Schlachtabfällen zu erfassen und einer Abgasreinigungseinrichtung zuzuführen sind, steht außer Streit, dass eine solche Abgasreinigungsanlage für den Raum, in dem die Schlachtabfälle lagern, im Betrieb des Klägers nicht existiert. Ob die in der Nebenbestimmung aufgestellte Forderung nach Sicherstellung einer maximalen Raumtemperatur von 5° C im Sinne dieser Vorschrift eine "gleichwertige Maßnahme zur Emissionsminderung" darstellt, die den Stand der Technik zum damaligen Zeitpunkt zutreffend konkretisiert hat, kann dahinstehen.

43

Der Senat neigt allerdings dazu, die angeordnete Raumkühlung als eine mögliche "gleichwertige Maßnahme zur Emissionsminderung" anzusehen, die grundsätzlich geeignet ist, den Stand der Technik der Vorsorge gegen Geruchsemissionen zu konkretisieren. Das Verwaltungsgericht hat unter Auseinandersetzung mit der Fachliteratur zutreffend dargelegt, dass eine entsprechende Kühlung von Schlachtabfällen in tatsächlicher Hinsicht tauglich ist, den Verwesungsprozess der Schlachtabfälle und damit das Entstehen von geruchsintensiven Stoffen zu verhindern. Rechtlich ist zu beachten, dass Nr. 3.3.7.2.1 Buchst. c) TA Luft 1986 mit der Maßgabe, dass "gleichwertige Maßnahmen zur Emissionsminderung anzuwenden" seien, keine abschließende und vollständige Regelung zur Emissionsbegrenzung trifft, sondern ihrerseits auf einen unbestimmten Rechtsbegriff rekurriert, der die Behörde entsprechend dem Gedanken der allgemeinen Regelung zur Begrenzung von Emissionen in Nr. 3.1.1 Abs. 2 TA Luft 1986 befugt, zur Konkretisierung des Standes der Technik auf andere Erkenntnisquellen zurückzugreifen. Auch insoweit hat das Verwaltungsgericht nachvollziehbar dargelegt, dass die angegriffene Nebenbestimmung unter Berücksichtigung der Vorgaben in Nr. 2.2.2.5 der VDI-Norm 2596 "Emissionsminderung Schlachthöfe" und in dem Erlass des Niedersächsischen Umweltministeriums "Anforderungen zur Luftreinhaltung an Anlagen zum Schlachten von Geflügel und sonstigen Tieren" vom 7. Mai 1991 als gleichwertige Maßnahme zur Emissionsminderung im allgemeinen geeignet sein kann, den Stand der Technik zur Vorsorge gegen Geruchsemissionen abzubilden.

44

e) Das in der Nebenbestimmung verfügte Kühlungsgebot auf eine Raumtemperatur von mindestens 5° C ist aber nicht erforderlich, um die Erfüllung der Vorsorgeanforderungen gemäß §§ 6 Abs. 1 Nr. 1, 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG sicherzustellen. Denn die zweimal tägliche praktizierte Abfuhr der Schlachtabfälle stellt als weitere "gleichwertige Maßnahme zur Emissionsminderung" ein milderes, ebenso wirksames Mittel zur Gefahrenvorsorge nach dem Stand der Technik im Sinne der §§ 5 Abs. 1 Nr. 2, 3 Abs. 6 BImSchG dar.

45

aa) Die zweimal täglich erfolgende Abfuhr der Schlachtabfälle ist ebenfalls eine "gleichwertige Maßnahme zur Emissionsminderung" im Sinne der Nr. 3.3.7.2.1 Buchst c) TA Luft 1986.

46

Weil die Bestimmung selbst keine eigene Festlegung trifft, welche Maßnahmen der zunächst geforderten Abgasreinigung gleichwertig sind, ist auf andere Erkenntnisquellen zur Ermittlung des Standes der Technik zurückzugreifen. Hierbei ist gemäß den in Nr. 3.1.2 TA Luft 1986 niedergelegten grundsätzlichen Anforderungen insbesondere die "Optimierung von An- und Abfahrvorgängen und sonstigen besonderen Betriebszuständen" zu berücksichtigen. Dabei muss vor allem dem Zweck der Vorschrift hinreichend Rechnung getragen werden. Nr. 3.3.7.2.1 Buchst c) TA Luft 1986 dient ausweislich seiner Zwischenüberschrift der Vorsorge vor geruchsintensiven Stoffen. Durch die in der Nr. 3.3.7.2.1 a) bis c) TA Luft 1986 genannten Maßnahmen soll also dem Entstehen von Geruchsbelästigungen vorgebeugt werden. Die "gleichwertigen Maßnahmen zur Emissionsminderung" im Sinne des Buchstabens c) müssen demnach in einer vergleichbaren Weise wie die primär geforderte Abgasreinigung einem Entweichen von Verwesungsgerüchen der Schlachtabfälle aus der genehmigungsbedürftigen Anlage vorbeugen. Eine Geruchsbelästigung, die von den Schlachtabfällen ausgeht, wenn diese die genehmigungsbedürftige Anlage verlassen haben, ist nicht Gegenstand der Anforderung in Nr. 3.3.7.2.1. Buchst c) TA Luft 1986. Das folgt aus systematischen Erwägungen und der Einsicht, dass dagegen auch die primär geforderte Abgasreinigungseinrichtung keinen Schutz böte.

47

Ein zweimal täglich durchgeführter Abtransport von Schlachtabfällen - in der Anlage der Klägerin an den 3 1/2 bis 4 Betriebstagen um 9:30 Uhr und am Ende der Betriebszeit zwischen 13 und 15 Uhr - ist rein tatsächlich geeignet, einer Belästigung durch aus der Anlage entweichende Verwesungsgase vorzubeugen. Diese Erfahrungstatsache, die auch dadurch indiziert wird, dass die vom TÜV Nord durchgeführten Messungen und Berechnungen der Geruchsimmissionen nach der Geruchsimmissions-Richtlinie Niedersachsen (GIRL) keine relevanten Störungen ergeben haben und es bislang zu keinen Beschwerden aus der Nachbarschaft der Anlage der Klägerin gekommen ist, steht nach den Einlassungen in der mündlichen Verhandlung zwischen den Beteiligten außer Streit.

48

Diese auf die tatsächliche Emissionsminderungswirkung der häufigen Abfuhrintervalle gestützte Beurteilung wird auch nicht durch die in Ergänzung zur insoweit offen formulierten TA Luft heranzuziehenden Erkenntnisquellen zur Ermittlung des Standes der Technik widerlegt. Denn diese enthalten nur Aussagen über länger bemessene Abfuhrintervalle. Die VDI-Richtlinie 2596 "Emissionsminderung Schlachthöfe", die zwar nicht schon kraft ihrer Existenz die Qualität hat, den Stand der Technik abzubilden, und auch keine der TA Luft vergleichbare Bindungskraft für die Verwaltung oder die Gerichte besitzt, sondern nur eine brauchbare Entscheidungshilfe für die Beurteilung der bei der Lagerung von Schlachtabfällen relevanten Vorkehrungen gegen Geruchsemissionen darstellt (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 06.03.1998 - 7 L 4554/96 -, NuR 1998, 663664 zur Relevanz der VDI-Richtlinie 3472), bestimmt in Nr. 2.2.2.5 Abs. 3 S. 1: "Zweckmäßig ist immer eine tägliche Abholung der Abfälle." Hiermit kommt zum Ausdruck, dass die nur einmal täglich erfolgende Abfuhr der Schlachtabfälle nicht geeignet erscheint, um die in Nr. 2.2.2.5 Abs. 2 der VDI Richtlinie 2596 aufgestellte Maßgabe, dass der Lageraum für Schlachtabfälle "gut zu entlüften" und "kühl zu halten" ist, zu kompensieren, sondern nur als additive Vorkehrung zu empfehlen ist. Damit ist aber nicht ausgesagt, dass ein gesteigerter, täglich zweifacher Abtransport der Schlachtabfälle nicht geeignet sein kann, die erforderliche Vorsorge gegen Geruchsbelästigungen zu gewährleisten. Der Erlass des Niedersächsischen Umweltministeriums vom 7. Mai 1991, welcher als Verwaltungsvorschrift zwar keine Außenwirkung zeitigt, aber als Weisung für die nachgeordneten Behörden verbindlich ist und für diese eine generell-abstrakte Anordnung zur Auslegung und Anwendung von Rechtsnormen bildet, die ihnen Interpretationshilfe gibt und eine einheitliche Rechtsanwendung gewährleistet, sieht entsprechend vor, dass im Falle einer Raumkühlung von maximal 5° C eine "zügige Abholung und Verarbeitung der Schlachtabfälle in den Tierkörperbeseitigungsanstalten (maximale Lagerdauer 3 Tage)" zu erfolgen hat. Bei den durch separate Spiegelstriche aufgelisteten Maßgaben der Richtlinie handelt es sich um "Hinweise zu Mindestanforderungen", so dass es durchaus nahe liegt, durch eine deutliche Verkürzung der maximalen Lagerungsdauer von drei Tagen auf ein enges, mehrfach täglich stattfindendes Abfuhrintervall das Kühlungserfordernis entbehrlich werden zu lassen, sofern auch auf diese Weise im Ergebnis gewährleistet ist, dass es zu keiner Belästigung durch Geruchsemissionen kommen kann.

49

Ein entsprechender Hinweis erschließt sich auch aus der - hier noch nicht entscheidungserheblichen (s.o. II. 3. c) - TA Luft 2002. Diese sieht in Nr. 5.4.7.2. Abs. 2 c.) für Schlachtanlagen, in denen kein Geflügel geschlachtet wird, durch Verwendung der Konjunktion "oder" ausdrücklich vor, dass eine sogar nur einmal täglich stattfindende Abfuhr der Schlachtabfälle als gleichwertige Alternative eine Lagerung der Schlachtabfälle bei einer Raumtemperatur von weniger als 5° C zu ersetzen vermag. Bei Anlagen zum Schlachten von Geflügel ist dieses unmittelbare Alternativitätsverhältnis gem. Nr. 5.4.7.2 Abs. 2 h) zwar dadurch aufgehoben, dass der hier geforderte Abtransport der Schlachtabfälle "am Schlachttag" mit dem Raumkühlungserfordernis nicht mehr durch ein "oder" verbunden ist, doch ist eine Raumtemperatur von weniger als 5° insoweit nur "grundsätzlich" einzuhalten, was eine Kompensation durch eine mehrfache tägliche Abfuhr der Abfälle nicht ausschließt.

50

bb) Eine gleiche Eignung der mehrmals am Tag erfolgenden Abholung der Abfälle zur Emissionsminderung ist auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass sie, wie der Beklagte meint, von der Überwachungsbehörde weniger gut zu kontrollieren wäre. Das Gegenteil ist der Fall: Anders als die konstante Einhaltung der Temperaturvorgaben, die als betriebsinterner Vorgang nur durch die gleichzeitig angeordnete Pflicht zur Aufzeichnung und Aufbewahrung kontinuierlicher Temperaturmessungen überprüfbar wird und zusätzlich eine gesonderte Aufforderung zur Vorlage der Unterlagen durch die Behörde voraussetzt, handelt es sich bei den Transportbewegungen um äußerlich wahrnehmbare Vorgänge, deren konstante Durchführung angesichts der regelmäßigen Abfuhrzeiten leicht in Stichproben und ohne Voranmeldung in Augenschein genommen werden kann, ohne dass dazu etwa noch ein Betreten des Betriebes der Klägerin erforderlich wäre. Anders als an einer Einhaltung konkreter Temperaturvorgaben hat die Klägerin darüber hinaus bereits aus kapazitären Gründen ein betriebliches Interesse an einer regelmäßigen Abfuhr der Schlachtabfälle.

51

cc) Die zweimal täglich erfolgende Abfuhr der Schlachtabfälle ist auch ein milderes Mittel zur Emissionsvorsorge, weil es die Klägerin weniger stark belastet.

52

Gemessen am Zweck der durch §§ 6 Abs. 1 Nr. 1, 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG i.V.m. Nr. 3.3.7.2.1 Buchst. c) TA Luft 1986 geforderten Vorsorge vor Geruchsemissionen liegt es auf der Hand, dass eine Raumkühlung nicht mehr erforderlich ist, wenn ein gesteigertes Abfuhrintervall bereits ausreicht, um dem Entstehen von Geruchsemissionen in der Anlage vorzubeugen. Die Vorsorgepflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG verlangt keine unbegrenzte Minimierungspflicht, sondern die Vorsorge muss sich proportional zum drohenden Risiko verhalten; es müssen adäquate Maßnahmen gegen vermutete Gefahren ergriffen werden, keineswegs alle denkbaren Maßnahmen (Jarass, a.a.O., § 5 Rn. 60). Vor diesem Hintergrund ist es sogar bereits fraglich, worin der zusätzliche Gewinn an Emissionsvorsorge liegen soll, der durch die eine enge zeitliche Abfuhr ergänzende Verpflichtung, die Schlachtabfälle bei einer maximalen Raumtemperatur von 5° C zu lagern, entsteht. Insbesondere ist die geforderte Raumkühlung in der genehmigungsbedürftigen Anlage auch nicht deshalb erforderlich, weil sie einen integralen Bestandteil einer ununterbrochenen Kühlungskette bildete; eine solche Kühlungskette für Schlachtabfälle ist nicht existent. Die Beteiligten haben im Gegenteil in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend erklärt, dass die Transportfahrzeuge über keine Kühlaggregate verfügen und gekühlte Schlachtabfälle in der Tierkörperbeseitigungsanlage wieder erwärmt werden müssen. In Ansehung dieser Umstände ist mit der Raumkühlung nicht nur ein sinnloser Energieeinsatz verbunden, sondern es stellen auch die Investitions- und Betriebskosten, die der Klägerin durch den Einbau einer Kühlanlage für Schlachtabfälle entstünden, einen zusätzlichen und unverhältnismäßigen finanziellen Aufwand dar, der nicht durch entsprechende Erfolge bei der Vorsorge gegen Geruchsemissionen gerechtfertigt wäre.

53

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren beruht auf § 162 Abs. 2 S. 2 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 Satz 1 und 2 ZPO.

54

Die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Streitwertbeschluss:

B e s c h l u s s

Der Wert des Berufungsgegenstandes wird auf 40.000,00 Euro festgesetzt (§ 71 Abs. 1 S. 1 GKG i.V.m. 13 Abs. 1 S. 1 GKG a.F.).

G r ü n d e

Der Senat orientiert sich zur Festlegung des Streitwerts an den Empfehlungen des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, Fassung 1/1996, abgedruckt u.a. in DVBl. 1996, 606 ff., der unter Nr. 16.1.2 für die Klage eines Betreibers gegen eine belastende Nebenbestimmung den Betrag der Mehrkosten zum Streitwert erhebt. Die Mehrkosten setzen sich vorliegend zusammen aus den Investitionskosten, die nach dem Streitwertkatalog immer nur zu einem gewissen Prozentsatz ansatzfähig sind, und den Betriebskosten, die hier zusätzlich angemessen Berücksichtigung finden müssen. In Anlehnung an die sonstige Praxis der Streitwertbestimmung durch den Senat erfolgt dies pauschalierend durch Anhebung des zum Ansatz gebrachten Vomhundertsatzes der Investitionskosten. Der ausgewiesene Wert des Berufungsgegenstandes entspricht 20 % der vom Senat zugrunde gelegten Investitionssumme von 200.000,00 Euro.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.