Landgericht Hildesheim
Urt. v. 21.05.2003, Az.: 2 O 144/03
Anspruch; Garantiezusage; Haftung; Insolvenzmasse; Insolvenzverwalter; Masse; Massegläubiger; Masseverbindlichkeiten; Nichterfüllung; Schadensersatz; Verbindlichkeit
Bibliographie
- Gericht
- LG Hildesheim
- Datum
- 21.05.2003
- Aktenzeichen
- 2 O 144/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 48347
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- nachfolgend
- OLG Celle - 18.11.2003 - AZ: 16 U 88/03
Rechtsgrundlagen
- § 61 S 1 InsO
- § 61 S 2 InsO
- § 208 InsO
- § 55 Abs 1 Nr 1 InsO
Tenor:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 25.762,30 € zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 11.02.2002 zu zahlen, Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche der Klägerin gegen die Insolvenzmasse ... Partner GmbH.
Dem Beklagten werden die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand:
Der Beklagte wurde durch Beschluss, des. Amtsgerichts - Insolvenzgericht - vom 25.10.2001 (Az.: ... IN ...) zum vorläufigen Insolvenzverwalter über das Vermögen der ... und Partner GmbH, ... bestellt. Um die Baustofflieferungen der Klägerin an die Insolvenzschuldnerin in der Folgezeit aufrechterhalten zu können, wandte sich der Beklagte mit dem Schreiben vom 01. 11.2001 an die Klägerin und kündigte an, dass er durch das Insolvenzgericht zum vorläufigen Insolvenzverwalter "mit Verfügungsbefugnis" bestellt worden sei. Wörtlich heißt es in dem Schreiben:
"Demzufolge bin ich selbst Besteller der zukünftigen Lieferungen, wodurch die Zahlung meiner Bestellungen aus der Insolvenzmasse gesichert ist."
Wegen des. Inhalts wird auf das Schreiben des Beklagten vom 01.11.2001 (Bl. 5 d.A.) verwiesen.
Mit Beschluss vom 30.10.2001 hatte ihm das Insolvenzgericht die Verfügungsbefugnis über das Vermögen der Schuldnerin übertragen; Am 01.12.2001 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Insoweit wird auf die, Beschlüsse des Amtsgerichts - Insolvenzgericht - (AZ.: ... ) vom 25. und 30.10. sowie 01.12.2001 (Bl. 17, 25, 48 der Beiakten ... IN ... des Amtsgerichts verwiesen.
In der Folgezeit nahm der Beklagte zwischen dem 08.11.2001 und 11.01.2002 Baustoffbestellungen bei der Klägerin vor, von denen ein Gesamtbetrag von 25.762,30 € offen blieb. Wegen des Umfangs der Lieferungen wird auf die Rechnungen der Klägerin vom 08.11.2001 bis 11.01.2002 (Bl. 7.ff d.A.) verwiesen. Die durch die Klägerin erteilten Rechnungen seit 05.12.2001 wiesen als Zahlungsziele Daten zwischen dem 04.01. und 10.02.2002 aus.
Der Beklagte zeigte unter dem 04.02.2002 dem Insolvenzgericht die Masseunzulänglichkeit gemäß § 208 InsO an. Insoweit wird auf das Schreiben des Beklagten vom 04.02.2002 (Bl. 286 d.BA) verwiesen.
Mit der Klage nimmt die Klägerin den Beklagten auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung in Höhe der ausstehenden Rechnungsbeträge in Anspruch. Sie ist der Ansicht, dass der Beklagte mit seinem Schreiben vom 01.11.2001, in dem er mitteilte, dass die Zahlung aus der Insolvenzmasse gesichert sei, eine Garantiezusage erteilt habe. Im Übrigen sei er aber zum Schadensersatz wegen Nichterfüllung verpflichtet, weil er nur Bestellungen habe vornehmen dürfen, soweit die Bezahlung aus der Insolvenzmasse sichergestellt war.
Die Klägerin beantragt,
wie erkannt worden ist.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte nimmt die Erteilung einer Garantiezusage in Anspruch. Im Übrigen treffe ihn aber auch kein Verschulden hinsichtlich der Nichterfüllbarkeit der Kaufpreisansprüche. Es habe sich zwar für den Monat November 2001 eine Unterdeckung ergeben; die Planrechnungen für die Folgemonate hätten jedoch eine Deckung erwarten lassen. Die Masseunzulänglichkeit sei erst dadurch eingetreten, dass unerwartet Einreden gegen bestehende Werklohnforderungen erhoben worden seien. Im Übrigen müsse die Klägerin zunächst quotal ihre Ansprüche gegen die Masse durchsetzen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
I. Die, Kammer kann offenlassen, ob der Beklagte (auch) aus einer Garantiezusage gegenüber der Klägerin zur Zahlung verpflichtet ist, nachdem er mit Schreiben vom 01.11.2001 die Erklärung abgab, dass die Zahlung seiner Bestellungen aus der Insolvenzmasse "gesichert" sei. Denn die Haftung des Beklagten ergibt sich jedenfalls aus § 61 S. 1 InsO. Danach ist der Insolvenzverwalter der Massegläubigerin; d.h. der Klägerin, zum Schadensersatz verpflichtet, wenn eine Masseverbindlichkeit, die durch eine Rechtshandlung des Insolvenzverwalters begründet worden ist, - wie hier - aus der Insolvenzmasse nicht voll erfüllt werden kann. Soweit § 61 S. 2 InsO eine Haftung ausschließt, wenn der Verwalter bei Begründung der Verbindlichkeit nicht erkennen konnte, dass die Masse voraussichtlich zur Erfüllung nicht ausreichen würde, hat der Beklagte seiner Darlegungs- und Beweislast nicht genügt. Aus der Sicht des Beklagten reichte es nicht aus, zum Zeitpunkt der erstmaligen Begründung von Verbindlichkeiten, d.h. zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung vom 01.11.2001, eine Liquiditätsplanung vorzunehmen, aus der sich zum damaligen Zeitpunkt die Erfüllbarkeit der Verbindlichkeiten voraussichtlich ergab. Vielmehr musste der Beklagte in jeden Moment, in dem er Leistungen der Massegläubigerin im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO bestellte und entgegennahm, die Erfüllbarkeit der Ansprüche kontrollieren. Bei Begründung neuer Masseverbindlichkeiten (hier: ab 08.11.2001) musste der Beklagte selbst prüfen, ob die Verbindlichkeiten gedeckt waren und die Finanzplanung in der Zukunft die Eingehung weiterer Verbindlichkeiten überhaupt erlaubte. Er musste sich davon überzeugen, dass die Masse bei der jeweiligen Begründung der Verbindlichkeit für die künftige Entwicklung ausreichte (OLG ... Urt. v. 25.02.2003 - 16 U 204/02 -; ArbG ... ZInsO 2002, 893). Er musste auch dafür sorgen, dass die von ihm, begründeten Ansprüche zeitnah befriedigt wurden, wenn er sichergehen wollte, nicht aus § 61 InsO in Anspruch genommen zu werden. Diesen Anforderungen genügt der Sachvortrag des Beklagten nicht: Unstreitig bestand jedenfalls für den Monat November 2001 noch eine Unterdeckung; lediglich aufgrund des vorläufigen Zahlenwerkes aus den Planrechnungen für die Folgemonate hatte der Beklagte die Erwartung, dass bei einer Fortführung des Unternehmens der Deckungsbeitrag erwirtschaftet werden könnte. Demgegenüber war aber hier gerade die Erfüllbarkeit im Zeitpunkt der einzelnen Lieferungen nicht sichergestellt. Darüber hinaus hat der Beklagte nicht für die zeitnahe Befriedigung der von ihm begründeten Ansprüche gesorgt. Die Klägerin hat ihre Rechnungen jeweils im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit den Baustofflieferungen erteilt, nämlich ab 08.11. bzw. 05.12.2001. Die Rechnungen enthielten als Zahlungsziel jeweils die Monatsfrist. Es ist vom Beklagten weder ausreichend dargetan noch sonst ersichtlich; warum innerhalb dieses Zeitraumes jedenfalls hinsichtlich der ersten streitgegenständlichen Rechnungen nicht ein Ausgleich "zeitnah" erfolgte, bevor unter dem 04.02.2002 die Masseunzulänglichkeit gemäß § 208 InsO angezeigt werden musste.
Der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs gegen den. Beklagten steht nicht entgegen, dass die Klägerin quotal durchsetzbare Ansprüche gegen die Masse haben mag. Denn zum einen erfolgt jedenfalls - unstreitig - bislang eine Ausschüttung wegen Masseunzulänglichkeit nicht. Zum anderen steht fest, dass die Rechnungen der Klägerin jedenfalls nicht in vollem Umfang aus der Masse werden ausgeglichen werden können. Der Beklagte ist deshalb gemäß § 61 S. 1 i.V.m. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO der Klägerin zum Schadensersatz wegen Nichterfüllung verpflichtet; jedoch nach Maßgabe des § 255 BGB nur gegen Abtretung ihrer Ansprüche gegen die Insolvenzmasse.
Die Zinsforderung der Klägerin ist gemäß §§ 286, 288 BGB a.F. begründet.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 709 ZPO.