Landgericht Hildesheim
Urt. v. 29.08.2003, Az.: 7 S 187/03

Anspruch auf Ersatz der Mehrwertsteuer auf den Wiederbeschaffungswert; Umsatzsteuerpflichtige Reparatur eines verunfallten Fahrzeugs; Subjektiv-konkreter Schadensbegriff; Ersatz für die Wertminderung; Beschränkung auf den restitutionsbedingten tatsächlich eingetretenen Schaden; Auslegung des Restitutionsbegriffs

Bibliographie

Gericht
LG Hildesheim
Datum
29.08.2003
Aktenzeichen
7 S 187/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 30730
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGHILDE:2003:0829.7S187.03.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Alfeld - 15.08.2003 - AZ: 4 C 96/03

Fundstellen

  • NJW 2003, 3355 (Volltext mit red. LS)
  • NJW-Spezial 2004, 17 (Volltext mit Anm.)
  • NWB 2003, 3741
  • NZV 2004, 146-147 (Volltext mit red. LS)
  • zfs 2003, 548 (Volltext mit amtl. LS)

Redaktioneller Leitsatz

Mehrwertsteuerposten sind bei einem Kfz-Schaden nach § 249 II BGB nur zu ersetzen, wenn sie für einen umsatzsteuerpflichtigen Neuerwerb oder eine Reparatur tatsächlich angefallen sind.

Die Zivilkammer 7 des Landgerichts Hildesheim hat
durch
die Richterin am Landgericht XXXX
auf die mündliche Verhandlung vom 15.8.2003
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 28.5.2003 verkündete Urteil des Amtsgericht Alfeld wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gebührenstreitwert für die Berufung: 751,72 Euro.

Gründe

1

I.

Gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.

2

Der Kläger verfolgt mit der Berufung weiterhin den erstinstanzlich geltend gemachten Schadensersatzanspruch in Höhe der Mehrwertsteuer auf den Wiederbeschaffungswert seines durch den Unfall vom 25.10.2002 total beschädigten Fahrzeuges. Der Kläger vertritt die Auffassung, dass auf Grund des unstreitig vorliegenden Totalschadens nicht § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB n.F., sondern § 251 BGB anzuwenden sei. Letztere Vorschrift stelle auf das Wertinteresse und nicht auf das Integritätsinteresse am verunfallten PKW ab. Der Grundsatz der Schadenskompensation rechtfertige in Fällen der vorliegenden Art die Regulation des Schadens einschließlich Mehrwertsteuer.

3

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Amtsgerichts Alfeld vom 28.05.2003 zum Az. 4 C 96/03 die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 751,72 Euro nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszins seit dem 13.11.2002 zu zahlen.

4

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

5

Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass nach der eindeutigen, nicht auslegbaren Neuregelung des § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB der fiktive Ersatz der Mehrwertsteuer ausgeschlossen sei. Bei fiktiver Schadensabrechnung sei die Mehrwertsteuer nicht angefallen und könne auch nicht ersetzt verlangt werden. Eine Ersatzpflicht gemäß § 251 BGB komme nicht in Betracht, da § 249 BGB dem vorliegenden Sachverhalt abschließend und umfassend regele.

6

II.

Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

7

In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg.

8

Die Beklagte schuldet keinen weiteren Schadensersatz gemäß §§ 7 Abs. 1 StVS, 823 Abs. 1 BGB, 3 Nr. 1 PfIVS.

9

Dem Kläger steht ein Anspruch auf Ersatz der Mehrwertsteuer auf den Wiederbeschaffungswert seines Fahrzeuges gem. § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht zu.

10

Gem. § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB i.d.F. des 2. Schadensänderungsgesetzes schließt der nach dieser Vorschrift erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.

11

Der Kläger hat nicht vorgetragen, dass er einen umsatzsteuerpflichtigen Erwerb eines Ersatzfahrzeuges oder eine umsatzsteuerpflichtigere Reparatur des verunfallten Fahrzeuges vorgenommen hat.

12

Die Ersatzpflicht in Bezug auf die Mehrwertsteuer ist wegen Nichtanfalls ausgeschlossen, wenn der Geschädigte auf eine Herstellung verzichtet, so etwa, wenn er für den total beschädigten Pkw keinen Ersatz beschafft. Entsprechendes gilt, wenn bei der Restitution keine Mehrwertsteuer anfällt, so etwa bei Selbstreparatur oder Reparatur durch einen Schwarzarbeiter oder bei Ankauf eines Ersatz-Pkws von einem privaten Anbieter (Palandt-Heinrichs BGB, 62. Aufl., 2003, § 249 Rdz. 17). Dies folgt aus dem subjektiv-konkreten Schadensbegriff, demzufolge das Ausmaß der Ersatzpflicht davon abhängt, zu welcher Vermögenseinbuße die Beeinträchtigung eines Rechtsguts im Vermögen des jeweils Geschädigten führt (AnwK/Huber, 2002, § 249 Rdnr. 49).

13

Die Gegenmeinung vertritt demgegenüber die Auffassung, dass bei der Abrechnung eines Kfz-Schadens auf Totalschadenbasis nicht § 249 Abs. 2 BGB, sondern § 251 BGB anzuwenden sei. Der danach geschuldete Ersatz für die Wertminderung des Vermögens des Geschädigten unterliege nicht der Einschränkung des § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB (Zemlin, NJW 2003, 1225, 1226) [BGH 30.01.2003 - III ZR 270/02]. Diese Ansicht dürfte nicht dem in § 249 Abs. 2 BGB zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers entsprechen (vgl. BT-Drucksache 14/7752 S. 23). Trotz des Wortlautes des § 249 Abs. 2 BGB, der nur die Fälle der Beschädigung ausdrücklich erfasst, findet die Beschränkung auf den restitutionsbedingten tatsächlich eingetretenen Schaden auch in den Fällen der Sachentziehung und Zerstörung Anwendung (AnwK/Huber, a.a.O., § 249 Rdnr. 105).

14

§ 249 Abs. 2 BGB enthält die eindeutige Entscheidung des Gesetzgebers dahin, dass nur der restitutionsbedingte Anfall von Mehrwertsteuer eine Ersatzpflicht begründen soll. Zwar ist insoweit eine weite Auslegung des Restitutionsbegriffes geboten. Dies hat jedoch nur zur Folge, dass die anteilige Mehrwertsteuer auch dann zu erstatten ist, wenn der Geschädigte statt eines gleichwertigen, gebrauchten Pkw einen neuen anschafft (AnwK/Huber, a.a.O.., Rdnr. 101). Die Verwendung des Ersatzbetrages für die Beschaffung einer anderen Sache oder Dienstleistung und die Zahlung von Mehrwertsteuer hierfür löst die Mehrwertsteuererstattungspflicht nicht aus, da nur der restitutionsbedingte Anfall von Mehrwertsteuer eine Ersatzpflicht begründet (Palandt-Heinrichs, a.a.O., Rdz. 17).

15

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

16

Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus der entsprechenden Anwendung der § 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

17

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 543 ZPO liegen nicht vor.

Streitwertbeschluss:

Gebührenstreitwert für die Berufung: 751,72 Euro.