Landgericht Hildesheim
Urt. v. 05.06.2003, Az.: 1 S 2/03
Arbeitseinkommen; Ausgleichsanspruch; Ausgleichspflicht; Bankkonto; Ehefrau; Ehegatte; Ehegattenunterhalt; Eheleute; eheliche Lebensgemeinschaft; Ehemann; Erwerbseinkommen; Familienunterhalt; Gehaltskonto; Gemeinschaftskonto; Gesamtgläubigerausgleich; Gesamtgläubigerverhältnis; Getrenntleben; Girokonto; Gläubigermehrheit; Innenverhältnis; Kinderbetreuung; Kindesunterhalt; Oder-Konto; Oderkonto; Trennung; Unterhaltsanspruch; Unterhaltsleistung; Unterhaltsregelung; Wegfall der Geschäftsgrundlage; Zugriffsmöglichkeit
Bibliographie
- Gericht
- LG Hildesheim
- Datum
- 05.06.2003
- Aktenzeichen
- 1 S 2/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 48400
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG - 25.11.2002 - AZ: 46 C 153/02
Rechtsgrundlagen
- § 242 BGB
- § 430 BGB
- § 1357 BGB
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Das hinsichtlich eines Oder-Kontos von Ehegatten bestehende Innenverhältnis ist nach der Trennung der Ehegatten aufgrund der Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage in einer Weise anzupassen, die die besonderen Umstände des Falles berücksichtigt.
2. Wenn allein ein Ehegatte über ein Erwerbseinkommen verfügt, während der andere die gemeinsamen Kinder versorgt, ohne dass eine Unterhaltsregelung getroffen worden ist, rechtfertigt dies für die Zeit bis zu einer Regelung des Ehegatten- und des Kindesunterhalts eine Beibehaltung des bis zur Trennung bestehenden Innenverhältnisses mit der Folge, dass der die Kinder versorgende Ehegatte weiterhin in angemessener Weise zur Sicherung seines Unterhalts und des Unterhalts der Kinder auf das Gemeinschaftskonto zugreifen darf.
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 25.11.2002 verkündete Urteil des Amtsgerichts Hildesheim wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen. Der Kläger verfolgt mit seiner Berufung seine im ersten Rechtszug abgewiesene Klage auf Rückzahlung der von der Beklagten nach der Trennung vom Gemeinschaftskonto Nr. ... bei der Volksbank Lehrte e. G. verwendeten Beträge nunmehr noch hinsichtlich der Umbuchungen vom 29.09.1998 in Höhe von 2.100,00 DM und vom 29.10.1998 in Höhe von 2.700,00 DM weiter. Er rügt das erstinstanzliche Urteil als rechtsfehlerhaft, weil das Amtsgericht verkannt habe, dass trotz der nach der endgültigen Trennung in der Regel eingreifenden Ausgleichspflicht gem. § 430 BGB für Guthaben, die nach der Trennung auf dem Gemeinschaftskonto eingingen, anzunehmen sei, dass diese allein demjenigen Ehegatten zustehen sollten, von dessen Schuldner sie stammen. Zumindest aber sei der Beklagten mehr zugeflossen, als es ihrem hälftigen Anteil entspräche. Die Beklagte verteidigt mit ihrer Berufungserwiderung das angefochtene Urteil und erklärt hilfsweise die Aufrechnung mit Ansprüchen aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Hannover - 613 F 988/01 UE - vom 18.12.2001, wegen dessen Vollstreckung und aus einem vor dem Amtsgericht Hildesheim am 29.10.2002 geschlossenen Prozessvergleich im Parallelverfahren 43 C 210/02.
II.
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
Das Amtsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Ausgleichsanspruch aus § 430 BGB in Höhe von 2.106,78 € zu, weshalb es auf die Hilfsaufrechnung der Beklagten nicht mehr ankommt.
Als Inhaber von Oder-Kontos sind Eheleute Gesamtgläubiger i. S. des § 428 BGB mit der Folge, dass grundsätzlich eine Ausgleichspflicht nach § 430 BGB in Betracht kommt, soweit ein Ehegatte mehr als die Hälfte der Guthaben für sich verwendet hat. Während intakter Ehe der Inhaber scheidet allerdings in der Regel eine solche Ausgleichspflicht aus, weil aus ausdrücklichen oder stillschweigenden Vereinbarungen, Zweck und Handhabung des Kontos oder Vorschriften über die eheliche Lebensgemeinschaft wie z. B. § 1357 BGB zu folgern ist, dass i. S. von § 430 BGB „ein anderes bestimmt ist“. Mit der Trennung der Ehegatten entfällt regelmäßig das besondere Vertrauensverhältnis, das Grundlage für die Errichtung des Gemeinschaftskontos war, und fällt die Geschäftsgrundlage ausdrücklicher oder stillschweigender Vereinbarungen über das Innenverhältnis weg, die der Verwirklichung der ehelichen Lebensgemeinschaft gedient haben. Dies muss jedoch nicht unbedingt dazu führen, dass sich die Ehegatten für eine Ausgleichsforderung auf die Vermutung des § 430 BGB stützen, d. h. hälftige Teilung verlangen können. Vielmehr ist in erster Linie das bis zur Trennung bestehende Innenverhältnis in einer Weise anzupassen, die die besonderen Umstände des Falles berücksichtigt, insbesondere Art und Umfang der beiderseits erbrachten Leistungen, die Höhe der dadurch bedingten und noch vorhandenen Vermögensmehrung sowie die Einkommens- und Vermögensverhältnisse überhaupt (vgl. BGH NJW 1990, 705, 706 [BGH 29.11.1989 - IVb ZR 4/89]).
Bei der Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, dass im fraglichen Zeitraum allein der Kläger über ein Erwerbseinkommen verfügte, während die Klägerin die beiden gemeinsamen Kinder versorgte, die mit ihr zusammen in der ihrem Vater gehörenden Ehewohnung blieben, ohne dass eine Unterhaltsregelung getroffen war. Dies rechtfertigt für die Zeit bis zu einer Regelung des Ehegatten- und des Kindesunterhalts eine Beibehaltung des bisherigen Innenverhältnisses zwischen den Parteien mit der Folge, dass die Beklagte weiterhin in angemessener Weise zur Sicherung ihres Unterhalts und des Unterhalts der Kinder auf das Gemeinschaftskonto zugreifen durfte.
Diesen Rahmen hat die Beklagte nicht überschritten. Unter Zugrundelegung des unstreitigen Nettoeinkommens des Klägers einschließlich Kindergeld von 4.742,19 DM errechnet sich nach der Düsseldorfer Tabelle und den Unterhaltsrechtlichen Leitlinien des Oberlandesgerichts Celle (Stand jeweils 01.07.1998) ein Unterhaltsbetrag von jedenfalls 2.500,00 DM monatlich. Damit liegt aber die Summe der beiden noch streitigen Umbuchungen vom 29.09. und vom 29.10.1998 in Höhe von insgesamt 4.800,00 DM unter dem Gesamtunterhalt für die betreffenden Monate.
Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf einer analogen Anwendung der §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs.