Landgericht Hildesheim
Urt. v. 05.09.2003, Az.: 5 O 2/02

Anspruch eines Gesellschafters einer GmbH und Co. KG auf Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens; Vorliegen eines Erstattungsanspruchs gegen den Kläger wegen bereits zurückgezahlter Gesellschafterdarlehen; Voraussetzungen für das Entstehen eines eigenkapitalersetzenden Charakters eines Darlehens

Bibliographie

Gericht
LG Hildesheim
Datum
05.09.2003
Aktenzeichen
5 O 2/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 31948
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGHILDE:2003:0905.5O2.02.0A

Fundstellen

  • GmbH-StB 2004, 10 (Volltext mit amtl. LS u. Anm.)
  • GmbHR 2003, 1484-1486 (Volltext mit amtl. LS)

In dem Rechtsstreit
hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim
durch
den Richter ... Einzelrichter ...
auf die mündliche Verhandlung vom 20.06.2003
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 25.564,59 EUR nebst 4 % Zinsen seit dem 01.03.1999 abzüglich gezahlter Zinsen i.H.v. 426,07 EUR zu zahlen.

  2. 2.

    Die Widerklage wird abgewiesen.

  3. 3.

    Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

  4. 4.

    Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um Ansprüche aus Gesellschafterdarlehen. Der Kläger begehrt von der Beklagten die Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens. Die Beklagte wiederum macht Erstattungsansprüche gegen den Kläger wegen bereits zurückgezahlter Gesellschafterdarlehen geltend.

2

Der Kläger war von 1978 bis Juli 1999 Gesellschafter und Geschäftsführer der Beklagten. Neben dem Kläger zu 1/3 war zum Stichtag 31.12.1998 die ... GmbH und Co. KG bzw. zum Stichtag 31.12.1999 die ... GmbH zu 2/3 an der Gesellschaft beteiligt. Mit Vertrag vom 07.03.2000 verkaufte der Kläger seinen Geschäftsanteil rückwirkend zum 01.01.2000 an die jetzt alleinige Gesellschafterin, die ... GmbH.

3

In den Jahren 1992 bis 1995 gewährte der Kläger der Beklagten verschiedene Gesellschafterdarlehen, und zwar in den Jahre 1989/1990 30.000,00 DM, am 16.11.1992 20.670,00 DM, am 11.10.1993 22.000,00 DM und am 22.07.1995 weitere 80.000,00 DM.

4

Am 10. März 1999 kündigte der Kläger das Darlehen über 80.000,00 DM zum 10.02.1999 und die beiden weiteren Darlehen jeweils zum 10.04.1999.

5

Nach Kündigung der Darlehen veranlasste der Kläger dann als Geschäftsführer der Beklagten in der Zeit vom 07. bis 16.07.1999 die Rückzahlung der Darlehen in einer Höhe von insgesamt 94.640,00 DM. Dabei verrechnete er die Rückzahlungsbeträge auf die Darlehen über 20.640,00 DM und 22.000,00 DM in voller Höhe, weitere 22.000,00 DM auf das erste Darlehen aus dem Jahre 1998/1990 und schließlich 30.000,00 DM auf das Darlehen über 80.000,00 DM vom 22.07.1995. Die aus letzterem Darlehen noch verbleibende Darlehenssumme von 50.000,00 DM macht der Kläger mit seiner Klage geltend. Die Beklagte verlangt widerklagend die Erstattung der bereits zurückgezahlten Darlehen über die Gesamtsumme von 94.640,00 DM.

6

In dem Rückzahlungszeitraum hatte die Beklagte keine Zahlungsrückstände und verfügte zudem über eine ungenutzte Kreditlinie von 300.000,00 DM. Allerdings wiesen die monatlichen betriebswirtschaftlichen Auswertungen der Beklagten für die Zeit vom 01. bis zum 30.04.1999 einen kumulierten Fehlbetrag von 103.653,25 DM sowie zum 31.05.1999 einen kumulierten Fehlbetrag von 143.756,91 DM aus.

7

Am 22.12.1999 gab die jetzt alleinige Gesellschafterin der Beklagten, die (HV ... GmbH eine Darlehensverzichtserklärung ab, wonach sie selbst unwiderruflich auf ihre Darlehensansprüche gegen die Beklagte verzichtet, soweit dies erforderlich ist, um zum 31.12.1999 ein Nettobilanzreinvermögen von 0,- DM herzustellen (Bl. 20 f. d.A. Bd.II).

8

Der Kläger ist der Auffassung, dass er nach Kündigung der Darlehensverträge die gewährten Darlehen insgesamt zurückverlangen könne. Die Darlehen hätten keinen eigenkapital-ersetzenden Charakter, da sie weder in einer Krise der Gesellschaft gewährt wurden, noch zu einem späteren Zeitpunkt durch sogenanntes "Stehen lassen" in Eigenkapitalersatz umqualifiziert worden seien. Zum Zeitpunkt der Kündigung der Darlehen bzw. des Rückzahlungsverlangens habe keine Krise der Gesellschaft bestanden, da sie weder überschuldet gewesen sei noch eine "Unterbilanz" bestanden habe. Die Gesellschaft sei in dem Rückzahlungszeitraum vom 07. bis 16.07.1999 auch nicht kreditunwürdig gewesen. Auch habe keine negative Fortbestehungsprognose bestanden. Als er Ende Juni 1999 die Verschlechterung der Lage der Gesellschaft erkannt habe, habe er sofort mit dem Abzug seiner Mittel begonnen. Überdies könne man ihm den späteren Jahresfehlbetrag nicht anlasten, da dieser Folge einer Umstrukturierungsmaßnahme sei, die er selbst gerade abgelehnt habe. Zudem seien in der Gesellschaft erhebliche stille Reserven in Höhe von 365.000,00 DM vorhanden gewesen.

9

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 25.564,59 EUR nebst 4 % Zinsen seit dem 01.03.1999 abzüglich gezahlter Zinsen in Höhe von 426,07 EUR zu zahlen.

10

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

11

Widerklagend beantragt die Beklagte,

den Kläger zu verurteilen, an sie 48.388,66 EUR zuzüglich 9 % Zinsen seit dem 03.05.2000 zu zahlen.

12

Der Kläger beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

13

Die Beklagte ist der Auffassung, dass die gewährten Darlehen eigenkapitalersetzenden Charakter durch "Stehen lassen in der Krise" erlangt hätten. Sie seien daher nicht mehr zurückzuzahlen bzw. bereits erfolgte Rückzahlungen von dem Kläger zu erstatten. Bereits im Zeitpunkt der Rückzahlung habe nicht nur eine Unterbilanz bestanden, sondern die Gesellschaft sei erheblich überschuldet gewesen. Auf Grund der Überschuldung hätten die Darlehen eigenkapitalersetzenden Charakter erlangt. Die wirtschaftliche Situation habe sich bis heute nicht verbessert, vielmehr liege nach wie vor eine rechnerische Überschuldung vor. Die Überschuldung habe auch bereits im April 1999 bestanden. Es hätten sogar noch Wertberichtigungen in Höhe von 100.000,00 DM auf die Forderungen vorgenommen werden müssen. Dies ergebe sich daraus, dass nicht unerhebliche Kundenforderungen praktisch wertlos gewesen seien. Auf Grund eines veralteten Warenbestandes hätten überdies erhebliche Abschreibungen vorgenommen werden müssen.

14

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zur Akte gereichten wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

15

Das Gericht hat auf Grund seiner Beschlüsse vom 09.08.2000 (Bl. 140 d.A. Bd. I) sowie vom 16.01.2002 (Bl. 125 d.A.) Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens nebst dessen mündlicher Erläuterung. Wegen des Beweisergebnisses wird auf das lose bei den Akten befindliche Gutachten vom 04.09.2001, das Ergänzungsgutachten vom 28. November 2002 (Bl. 148 ff. d.A. B. II) sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 20.06.2003 (Bl. 34 ff. d.A. Bd. III) verwiesen.

Entscheidungsgründe

16

I.

Die Klage ist begründet, die Widerklage unbegründet.

17

1.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Darlehensrückzahlung i.H.v. 25.564,59 EUR (50.000 DM) nach § 607 BGB a.F..

18

Der Kläger gewährte der Beklagten am 22.07.1995 ein Darlehen über einen Betrag von 80.000 DM, das in Höhe von 50.000 DM bisher - unstreitig - nichtzurückgewährt wurde. Die Restdarlehenssumme ist nach § 609 Abs.1 BGB a.F. zur Rückgewähr fällig, nachdem der Kläger das Darlehen am 10. März 1999 gekündigt hat.

19

Die gewährten Darlehen haben keinen eigenkapitalersetzenden Charakter durch ein "Stehen lassen in der Krise" erlangt, der einem Rückzahlungsanspruch entgegenstünde.

20

Eigenkapitalersetzender Charakter kommt einem Darlehen nach der an eine entsprechende Anwendung der §§ 30, 31 GmbHG anknüpfende Rechtsprechung zum Eigenkapitalersatz nur dann zu, wenn es in einer Krise der Gesellschaft gegeben oder belassen worden ist (BGHZ 119, 201, 212) [BGH 13.07.1992 - II ZR 269/91]. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Unstreitig befand sich die Beklagte zum Zeitpunkt der Hingabe des Darlehens im Jahr 1995 in keiner Krise. Der Kläger hat das Darlehen jedoch auch nicht zu einem späteren Zeitpunkt bis zur Kündigung in einer Krise der Gesellschaft belassen.

21

Die erforderliche Feststellung, dass sich eine Gesellschaft bei Hingabe oder Belassung in der Krise befunden hat, wird nicht schon durch das Vorhandensein einer Unterbilanz im Zeitpunkt der Gewährung des Darlehens entbehrlich. Das Fortbestehen einer Unterbilanz nach fortgeführten Buchwerten ist unmittelbar lediglich für die Dauer der Bindung der früher gewährten Gesellschafterhilfe im Rahmen der §§ 30, 31 GmbHG von Bedeutung. Dagegen reicht ihr Vorhandensein für sich allein zur Begründung der eigenkapitalersetzenden Qualität einer Gesellschafterleistung nicht aus, sofern sich die Gesellschaft nicht zugleich wegen Kreditunwürdigkeit, Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung in der Krise befindet, in der sie ohne die Gesellschafterleistung liquidiert werden müsste (BGHZ, a.a.O., 212 f.).

22

a)

Eine Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft lag unstreitig nicht vor. Die Beklagte kam bis zuletzt, d.h. bis zur Kündigung der Darlehen und auch danach noch sämtlichen Zahlungsverpflichtungen nach.

23

b)

Die Beklagte war auch nicht kreditunwürdig. Eine auf Kreditunwürdigkeit beruhende Krise der Gesellschaft liegt vor, wenn sie von dritter Seite einen zur Fortführung ihres Unternehmens erforderlichen Kredit zu marktüblichen Bedingungen nicht erhält und sie deshalb ohne die Gesellschafterleistung liquidiert werden müsste (BGH WM 1999, 1828, 1830) [BGH 12.07.1999 - II ZR 87/98]. Dies ist jedoch nicht der Fall. Vielmehr war der Beklagten durch die finanzierenden Banken eine Kreditlinie von insgesamt 550.000 DM eingeräumt. Hiervon hatte die Beklagte jedoch zum 30.06.1999 unstreitig erst 253.772,96 DM in Anspruch genommen. Gerade eine nicht ausgeschöpfte Kreditlinie spricht gegen Kreditunwürdigkeit (vgl. auch OLG Dresden NZG 1999, 347).

24

c)

Die Gesellschaft war in dem fraglichen Zeitraum auch nicht überschuldet. Die Beklagte war nach den Feststellungen des Sachverständigen, lediglich zum Stichtag 31.05.1999 rechnerisch überschuldet, dagegen nicht zu den Stichtagen 30.04.1999 und 30.06.1999. In seinem Gutachten vom 04.09.2001 hatte der Sachverständige eine Überdeckung zum 31.12.1998 i.H.v. 20.655,20 DM, zum 30.04.1999 i.H.v. 59.793,35 DM, zum 31.05.1999 i.H.v. 13.583,65 DM und zum 30.06.1999 i.H.v. 67.394,94 DM ermittelt. Diese Werte berichtigte er unter Berücksichtigung der von den Parteien erhobenen Einwendungen durch seine ergänzende Stellungnahme vom 28.11.2002 dahingehend, dass sich zum 30.04.1999 eine Überdeckung von 26.376,24 DM und zum 30.06.1999 eine Überdeckung von 31.908,33 DM errechnet. Lediglich zum Stichtag 31.05.1999 lässt sich nach der Ergänzung des Sachverständigen nunmehr eine Unterbilanz von 20.868,21 DM feststellen. Die von dem Sachverständigen getroffenen nachvollziehbaren Feststellungen überzeugen.

25

Entgegen der Auffassung der Beklagten sind auch keine weiteren Wertberichtigungen auf ausstehende Kundenforderungen vorzunehmen. Der Sachverständige hat auch insofern in seiner weiteren schriftlichen Stellungnahme vom 06.03.2003 (Bl. 199 ff. d.A., Bd. II) sowie in der mündlichen Verhandlung am 20.06.2003 überzeugend dargelegt, dass Wertberichtigungen bereits berücksichtigt wurden und über diese hinaus - mangels konkreter Umstände -eine weitere Wertberichtigung einzelner Forderungen auf Null nicht vorzunehmen war.

26

Schließlich geben die von dem Sachverständigen ermittelten Zahlen auch nur den Stand der rechnerischen Unterdeckung nach fortgeführten Buchwerten wieder. Eine in der Jahresbilanz ausgewiesene Überschuldung besitzt aber allenfalls indizielle Bedeutung (OLG Celle NZG 2002, 528 f.). Sie ist deshalb für die Beantwortung der Frage nach einer Überschuldung der Gesellschaft im Sinne der Eigenkapitalersatzregeln allein nicht aussagekräftig. Vielmehr kann von einer Überschuldung nur dann gesprochen werden, wenn das Vermögen bei Ansatz von Liquidationswerten unter Einbeziehung der stillen Reserven die bestehenden Verbindlichkeiten nicht deckt (rechnerische Überschuldung) und die Finanzkraft der Gesellschaft nicht zur Fortführung des Unternehmens ausreicht (Überlebens- und Fortbestehensprognose) (BGHZ, a.a.O, 213 f.; BGH WM 1999, 1828, 1829 f. [BGH 12.07.1999 - II ZR 87/98]; OLG Köln BB 2000, 2121 f. [OLG Köln 23.02.2000 - 11 U 155/99]). Die nicht aufgedeckten stillen Reserven, die sich nach Angaben des Klägers auf 365.000,00 DM belaufen sollen, würden daher das Ergebnis noch verbessern.

27

In welchem Umfang stille Reserven aufzudecken wären, konnte im Ergebnis dahinstehen. Selbst bei Vorliegen der rechnerischen Überschuldung war jedenfalls noch eine erfolgreiche Überlebensprognose zu stellen. Eine günstige Fortbestehensprognose setzt voraus, dass die Finanz- und Ertragsplanung die überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür ergibt, dass mittelfristig nicht mit dem Eintritt einer Zahlungsunfähigkeit, sondern damit zu rechnen ist, dass die Gesellschaft in überschaubarer Zeit ihre fälligen Verpflichtungen erfüllen wird (OLG Köln a.a.O.). Dies war hier der Fall. Es ist nichts dazu vorgetragen, dass fällige Verpflichtungen derzeit oder in der Vergangenheit nicht mehr bedient werden konnten. Die Beklagte verfügte noch über eine ausreichende Kreditlinie, um die erst Anfang des Jahres 1999 aufgelaufenen Fehlbeträge aufzufangen. Die Beklagte hat auch nicht dargelegt, dass die finanzierenden Banken - bis heute - ihre Kreditzusagen angesichts der Firmenentwicklung zurückgefahren hätten. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass auch die weiteren Kreditgeber noch eine positive Prognose für die Beklagte stellen. Schließlich kommt auch durch die von der Mehrheitsgesellschafterin abgegebene Darlehensverzichtserklärung vom 22.12.1999 für den Fall der weiteren bilanziellen Überschuldung zum Ausdruck, dass auch sie von dem Fortbestand der Gesellschaft ausging.

28

2.

Der Zinsanspruch ist aus § 288 BGB a.F. begründet.

29

3.

Der Beklagten steht der widerklagend geltend gemachte Erstattungsanspruch hinsichtlich der bereits zurückgezahlten Gesellschafterdarlehen nicht zu. Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus § 31 Abs.1 GmbHG analog, denn die gewährten Darlehen haben - wie ausgeführt - keinen eigenkapitalersetzenden Charakter erlangt. Die Widerklage vermochte danach keinen Erfolg zu haben.

30

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs.1 S.1 ZPO.

31

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Rechtsgrundlage in § 709 S.1 ZPO.