Landgericht Hildesheim
Beschl. v. 30.12.2008, Az.: 7 S 194/08
Bibliographie
- Gericht
- LG Hildesheim
- Datum
- 30.12.2008
- Aktenzeichen
- 7 S 194/08
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2008, 55035
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Peine - 11.08.2008 - AZ: 18 C 13/08
- nachfolgend
- BGH - 21.09.2010 - AZ: VIII ZB 14/09
Tenor:
1. Der Antrag der Klägerin vom 28.11.2008 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist wird zurückgewiesen.
2. Die Berufung der Klägerin vom 15.09.2008 gegen das am 11.08.2008 verkündete Urteil des Amtsgerichts Peine wird als unzulässig verworfen.
3. Die Klägerin hat die Kosten der Berufung und des Verfahrens auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu tragen.
4. Der Gebührenstreitwert der Berufung wird auf 744,10 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Durch das am 11.08.2008 verkündete Urteil des Amtsgerichts Peine ist die Klage abgewiesen worden. Gegen dieses dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 14.08.2008 zugestellte Urteil richtet sich das am 15.09.2008 bei dem Landgericht eingegangene Rechtsmittel. Der Klägerin ist auf ihren Antrag vom 13.10.2008 die Frist zur Begründung der Berufung in der Verfügung vom selben Tag bis zum 14.11.2008 verlängert worden. Der Eingang der Berufungsbegründung vom 14.11.2008 ist durch Stempelaufdruck für den 17.11.2008 vermerkt worden. Deshalb erhielt die Klägerin den richterlichen Hinweis vom 18.11.2008, wonach die Kammer erwäge, die verspätet begründete Berufung ohne mündliche Verhandlung zu verwerfen.
Die Klägerin hat am 28.11.2008 die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und Eidesstattliche Versicherungen ihres Prozessbevollmächtigten und eines ... ... vom 28.11.2008 vorgelegt. Sie hat die Gelegenheit zur Stellungnahme zu der Dienstlichen Äußerung des ... vom 24.11.2008 nicht genutzt.
II.
Der nach §§ 234, 236 ZPO form- und fristgerecht gestellte Wiedereinsetzungsantrag war als unbegründet zurückzuweisen. Die Klägerin war nicht ohne ihr Verschulden verhindert, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten (§ 233 ZPO). Die Fristversäumung beruht auf einem Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten, das sie sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss.
1. Die rechtzeitige Vornahme der Berufungsbegründung wird im Regelfall durch den Eingangsstempel des angerufenen Gerichts nachgewiesen (§ 418 Abs. 1 ZPO). Der Gegenbeweis der Unrichtigkeit der bezeugten Tatsache ist zulässig (§ 418 Abs. 2 ZPO). Dieser Gegenbeweis ist der Klägerin aber nicht gelungen. Die Klägerin konnte nicht zur vollen Überzeugung der Kammer die Rechtzeitigkeit des Eingangs der Berufungsbegründung nachweisen.
a) Die auf einen Freitag, 14.11.2008, datierte Berufungsbegründung ist nach dem eindeutigen Inhalt des Eingangsstempel am 17.11.2008 und damit verspätet nach § 520 Abs. 2 ZPO bei dem Landgericht eingegangen. Dafür erbringt der Eingangstempel vollen Beweis (§ 418 Abs. 1 ZPO).
b) Der von der Klägerin zu führende Gegenbeweis erfordert mehr als nur Glaubhaftmachung im Sinne des § 294 ZPO. Vielmehr ist die volle Überzeugung der Kammer von dem rechtzeitigen Eingang der Berufungsbegründung erforderlich. Dazu hat sich die Klägerin auf die Darstellung in den Eidesstattlichen Versicherungen ihres Prozessbevollmächtigten und des ... vom 28.11.2008 bezogen.
Danach soll der als Bote fungierende ... mehrfach und außerordentlich eingehend bis ins Detail über die Notwendigkeit rechtzeitiger Einlegung des Schriftstückes in den Nachtbriefkasten am 14.11.2008 gerade in Bezug auf das vorliegende Verfahren belehrt und der an sich einfach gelagerte Vorgang in ungewöhnlich breiter und tiefer Weise erörtert worden sein, obwohl der Bote ... angegeben hat, mit dem Vorgang als solchen und der Funktionsweise des Nachtbriefkastens längst eingehend vertraut zu sein. Nach den Schilderungen des ... soll sich diese Einweisung und die Übergabe der Berufungsbegründung von seinem Eintreffen in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten der Klägerin, die unweit von dem Gericht gelegen ist, gegen 11.30 Uhr bis gegen 15.00 Uhr hingezogen haben. Der Bote will dann den Einwurf der Sendung so vorgenommen haben, dass er auch noch den um 15.36 Uhr vom Hildesheimer Hauptbahnhof abfahrenden Zug erreichte. Diesen eigentlich wichtigen Vorgang, den Einwurf der Berufungsbegründung in den Nachtbriefkasten, kann der Bote ... nicht sicher bestätigen. Durch die Angabe des Eingangsstempels sei er „geschockt“, „völlig verunsichert“ und könne den genauen Ablauf nicht mehr wiedergeben. Es sei wie bei einem „Blackout“.
Auch der Prozessbevollmächtigte der Klägerin bestätigt die Erfahrung des Boten ... mit dem Umgang fristgebundener Schriftsätze. Er habe beanstandungsfrei gearbeitet. Weiter seien die umfangreichen Belehrungen und Hinweise erfolgt.
Schon nach diesen Darstellungen ist eine Überzeugung dahin, die fristgebundene Berufungsbegründung sei am 14.11.2008 nach 15.00 Uhr und deutlich vor 15.36 Uhr in den Nachtbriefkasten des Gerichts eingeworfen worden, nicht zu gewinnen. Im Kern des Geschehens bleibt die Darstellung des ... in seiner Eidesstattlichen Versicherung vom 28.11.2008 unklar. Er hat nicht ausgeschlossen, einen Fehler gemacht zu haben.
c) Hat die Klägerin danach den vollen Gegenbeweis eines durch den Eingangsstempel zwar bezeugten verspäteten, aber dennoch angeblich rechtzeitigen Eingangs der Berufungsbegründung schon nicht führen können, hat die Kammer dennoch die zur Aufklärung evtl. Fehlerquellen insbesondere bei der Leerung des Nachtbriefkastens erforderlichen Maßnahmen ergriffen und eine Dienstliche Äußerung des zuständigen Wachtmeisters ... vom 24.11.2008 eingeholt (vgl. auch BGH NJW-RR 2005, 75). Danach ist sogar ausgeschlossen, dass die Berufungsbegründung vom 14.11.2008 über den Nachtbriefkasten eingeliefert worden ist, weil über diesen eingehende Post immer mit dem Zusatz „Nachtbriefkasten“ abgestempelt wird. Die Klägerin hatte Gelegenheit zur Stellungnahme hierzu erhalten (vgl. BGH AnwBl. 2008, 715), davon aber keinen Gebrauch mehr gemacht.
d) Es bestand kein Anlass, den Prozessbevollmächtigten der Klägerin und den Boten ... als Zeugen zu vernehmen (vgl. BGH MDR 2006, 464 [BGH 27.10.2005 - III ZB 76/05]). Einen solchen Beweis für den rechtzeitigen Einwurf in den Nachtbriefkasten hat die Klägerin nicht angetreten.
2. Die Kammer verkennt nicht, dass der Klägerin Wiedereinsetzung zu gewähren ist, wenn die Fristversäumung nicht auf ihrem Verschulden oder demjenigen ihres Prozessbevollmächtigten , sondern auf Unregelmäßigkeiten bei der Postbeförderung beruht (BGH MR 2006, 464). Die Klägerin hat sich darauf aber nicht einmal berufen, sondern die Wiedereinsetzung damit begründet, das von dem Boten eingeworfene Schriftstück sei danach bei dem Gericht offensichtlich fehlerhaft behandelt worden. Gerade dies hat sich aber nicht feststellen lassen und die von der Kammer eingeholte Dienstliche Äußerung des ... spricht dagegen.
Selbst wenn die Klägerin sich aber darauf bezogen hätte, es sei bei dem ansonsten zuverlässigen Boten als Anwaltsgehilfen zu einem Fehler gekommen, ergibt sich nichts anderes. Zu der dann erforderlichen regelmäßigen Überwachung (BGH NJW 2008, 3501 [BGH 03.07.2008 - IX ZB 169/07]) fehlt ein glaubhaft gemachtes Vorbringen.
III.
Die Berufung der Klägerin vom 14.11.2008 war aus den vorgenannten Gründen nach dem Hinweis in der richterlichen Verfügung vom 18.11.2008 ohne mündliche Verhandlung als unzulässig zu verwerfen (§§ 520 Abs. 2, 522 Abs. 1 ZPO).
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 238 Abs. 4 ZPO.