Landgericht Hildesheim
Urt. v. 13.08.2008, Az.: 6 O 88/08

Anfechtung von unentgeltlichen Leistungen des Insovenzschuldners

Bibliographie

Gericht
LG Hildesheim
Datum
13.08.2008
Aktenzeichen
6 O 88/08
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 38138
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGHILDE:2008:0813.6O88.08.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
OLG Celle - 05.03.2009 - AZ: 13 U 208/08
BGH - 27.04.2010 - AZ: IX ZR 69/09

Verfahrensgegenstand

Forderung nach Anfechtung

In dem Rechtsstreit
...
hat die 6. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim
durch
die Richterin am Landgericht ... als Einzelrichterin
auf die mündliche Verhandlung vom 31. Juli 2008
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 130.481,65 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5. Dezember 2006 zu zahlen.

  2. 2.

    Die Kosten des Rechtstreits trägt der Beklagte.

  3. 3.

    Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der ... und macht gegen den Beklagten Ansprüche aus einer Anfechtung gemäß § 134 InsO geltend.

2

Am 3. Dezember 1981 gründeten der Beklagte und ... die vorgenannte Gesellschaft mit Sitz in .... Der Beklagte veräußerte seine Geschäftsanteile an den Gesellschafter ... am 30. Juni 1996 und schloss am 17. Mai 1996 mit der Gesellschaft einen Beratervertrag (Bl. 6 d.A.), wonach ihm ab dem 1. Juli 1997 bis zum 31. Dezember 2005 ein monatliches Beraterhonorar in Höhe von 5.000,00 DM zuzüglich Mehrwertsteuer gezahlt werden sollte. Der Vertrag enthält außerdem die Klausel: "Herr ... darf in den Fachbereichen der Firma ... während der Laufzeit dieses Vertrags nicht tätig werden."

3

Mit der Klage begehrt der Kläger die Rückzahlung des an den Beklagten geleisteten Honorars für die Zeit vom 1. September 2001 bis April 2005. Nachfolgend wurde wegen des eingeleiteten Insolvenzverfahrens kein Honorar mehr an den Beklagten gezahlt.

4

Mit Schreiben vom 16. November 2006 erklärte der Kläger die Anfechtung der geleisteten Honorarzahlungen (Bl. 7 f d.A.).

5

Der Kläger behauptet,

6

der Beklagte habe keine Gegenleistungen für das Beraterhonorar erbracht, jedenfalls sei dies nicht aus den Geschäftsunterlagen der Insolvenzschuldnerin ersichtlich.

7

Der Kläger beantragt,

wie erkannt.

8

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

9

Der Beklagte behauptet,

10

er sei nach dem 1. Juli 1997 immer wieder von der Geschäftsleitung der ... im Bereich seiner früheren Tätigkeit, der Kundenakquise, der Übermittlung von Subventionsanzeigen aus Fachzeitschriften und Presse, der Vertragsgestaltung, der technischen Entwurfsberatung und Kalkulation für bevorstehende oder neu erteilte Aufträge, bei Repräsentationen und Bauleitungsfragen vor Ort bei den jeweiligen Projekten sowie für die Abrechnung von Altaufträgen in Anspruch genommen worden, wobei der Umfang je nach Bedarf und Art des zu bearbeitenden Auftrags variiert habe.

11

Es handele sich beispielsweise um diverse Projekte von Wasser- und Schifffahrtsämtern, der ... und verschiedener kommunaler Behörden und Gemeinden, insbesondere in Sachsen-Anhalt wie das Projekt ... und ... . Die Unterlagen befänden sich bei der Insolvenzschuldnerin.

12

Er habe seine Beratungsleistungen telefonisch oder im Rahmen von Besprechungsterminen erbracht und der Gesellschaft zudem seine Kontakte zu Straßenbauämtern und Kommunen exklusiv zugute kommen lassen. Allein die Konkurrenzklausel in dem Beratervertrag stelle bereits eine entgeltliche Gegenleistung dar.

13

Vorprozessual erklärte er mit Schreiben vom 4. Dezember 2006, das Beraterhonorar sei ausschließlich die Gegenleistung für das Wettbewerbsverbot (Bl. 22 f d.A.). Auf Nachfrage des Klägers behauptete er mit Schreiben vom 21. Dezember 2006, er habe dem ehemaligen Geschäftsführer ... mehrfach auch weitere Beraterleistungen angeboten (Bl. 24 f d.A.).

14

Das Gericht hat den Beklagten über Art und Umfang seiner Beratertätigkeit persönlich angehört, § 141 Abs. 1 S. 1 ZPO. Auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 31. Juli 2008 wird Bezug genommen (Bl. 33 f d.A.).

Entscheidungsgründe

15

Die zulässige Klage ist begründet.

16

Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Rückzahlung unstreitig geleisteten Honorars in Höhe von 130.481,65 EUR gemäß § 134 InsO.

17

1.

Nach dieser Vorschrift sind unentgeltliche Leistungen des Schuldners anfechtbar, es sei denn, sie sind früher als vier Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden.

18

a.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu §§ 32 KO, 134 InsO ist eine Zuwendung dann als unentgeltlich anzusehen, wenn ihr nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts keine Leistung gegenüber steht, dem Leistenden also keine dem von ihm aufgegebenen Vermögenswert entsprechende Gegenleistung zufließen soll (BGHZ 113, 98, 101; 141, 96, 99 f; 162, 276, 279; BGH, Urt. v. 30. März 2006 - IX ZR 84/05, BGH WM 2006, 1156, 1157; BGH NJW-RR 2006, 1555 [BGH 20.07.2006 - IX ZR 226/03]). Die Darlegungs- und Beweislast für die fehlende Werthaltigkeit dieser Forderung im Zeitpunkt der Bezahlung durch die Schuldnerin hat der Anfechtende (BGH NJW-RR 2006, 1136).

19

Der Beklagte hat von der Insolvenzschuldnerin in gläubigerbenachteiligender Weise Zahlungen erhalten, und diese Zahlungen waren unentgeltliche Leistungen.

20

Der Kläger hat hier dargetan, in den Geschäftsunterlagen der Insolvenzschuldnerin keinen Anhaltspunkt für eine Beratertätigkeit des Beklagten gefunden zu haben. Vor diesem Hintergrund konnte er keinen weiteren Vortrag leisten.

21

Dem Beklagten oblag es dagegen jedenfalls im Rahmen der sekundären Darlegungslast, die von ihm behauptete und ihm selbst am besten bekannte Art der Tätigkeit im einzelnen vorzutragen und zu beweisen. Seine Behauptungen beschränken sich allerdings trotz der Rüge des Klägers in der Replik sowie auf den gerichtlichen Hinweis in der mündlichen Verhandlung hinsichtlich der fehlenden Substanz weiterhin auf eine pauschale Beschreibung dessen, welche Gegenleistungen er für die Schuldnerin erbracht haben will. Beweismittel wie die Vorlage von Arbeitsunterlagen, Korrespondenz, die auf seine Beraterfunktion hinweisen könnte, oder auch Zeugen für Telefonate, Besprechungs-, Orts- oder andere Termine, die im Kontakt mit den früheren Mitgesellschaftern oder Dritten im Zusammenhang mit konkret benannten Aufträgen oder Projekten stattgefunden haben sollen, bietet der Beklagte nicht an. Sein vage gehaltener Parteivortrag bietet keine Grundlage für eine Beweisaufnahme, sondern würde eine unzulässige Ausforschung zur Folge haben.

22

Bereits vorprozessual hat der Beklagte sich hinsichtlich seiner Beraterfunktion in Widersprüche verwickelt, indem er zunächst allein die Wettbewerbsklausel für die Entgeltlichkeit angeführt, auf entsprechende Nachfrage dagegen behauptet hat, auch beratend tätig gewesen zu sein bzw. dies angeboten zu haben.

23

Der Beklagte trägt auch im Prozess zur Art seiner Beratertätigkeit widersprüchlich vor, weil er in der Klagerwiderung behauptet, die GmbH telefonisch oder bei Besprechungsterminen beraten zu haben, während er im Rahmen seiner persönlichen Anhörung angegeben hat, von der Gesellschaft übersandte Unterlagen jeweils zu Hause bearbeitet zu haben.

24

Nicht nachzuvollziehen ist auch seine Erklärung, bewusst nicht in der Firma tätig gewesen zu sein, weil er ja offiziell ausgeschieden sei. Es gab keinen Anlass, eine echte Beratertätigkeit eines ehemaligen Gesellschafters gegenüber den Mitarbeitern und aktuellen Gesellschaftern zu verheimlichen.

25

b.

Dass das Wettbewerbsverbot die alleinige Gegenleistung des Beklagten darstellt, behauptet er im Prozess nicht mehr. Hierfür fehlt es insbesondere angesichts des Bestreitens des Klägers in der Replik zudem an einem substantiierten Vortrag, inwiefern er konkurrierend zu der ... hätte tätig werden können.

26

c.

Das Amtsgericht ... hat durch Beschluss vom 31. August 2005 das Insolvenzverfahren über die ... eröffnet (Bl. 4 f d.A.). Der Zeitraum vom 1. September 2001 bis April 2005, für den die Rückzahlung hier geltend gemacht wird, liegt innerhalb der Vierjahresfrist.

27

d.

Die Höhe der Klageforderung ist unstreitig.

28

Der Zinsanspruch folgt aus Verzug, § 286 Abs. 1 S. 1, § 288 S. 1 BGB, aufgrund der Zahlungsaufforderung des Klägers vom 16. November 2006 mit Fristsetzung bis 4. Dezember 2006 ab dem Folgetag. Er ist unstreitig.

29

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf§ 709 S. 1 und S. 2 ZPO.

Dr. Borsch