Landgericht Hildesheim
Urt. v. 09.07.2008, Az.: 6 O 92/07

Anfechtung; anfängliche Übersicherung; arglistige Täuschung; Darlegungs- und Beweislast; Darlehensschuld; Freigabe; Grundschuld; ideelle Grundstückshälfte ; Kontokorrentkredit; Kreditnehmer; Kündigung; Löschung; Löschungsanspruch; Miteigentum; nachträgliche Übersicherung; Sicherheit; Sicherungsgeber; sittenwidrige Übersicherung; Täuschung; Zweckerklärung

Bibliographie

Gericht
LG Hildesheim
Datum
09.07.2008
Aktenzeichen
6 O 92/07
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 55033
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
OLG Celle - 18.02.2009 - AZ: 3 U 170/08
BGH - 19.03.2010 - AZ: V ZR 52/09

Tenor:

Die Beklagte wird verurteilt, der Löschung der im Grundbuch von ... Abteilung 3 laufende Nummer 2 auf der ideellen Grundstückshälfte der Klägerin eingetragenen Grundschuld über 600.000,00 DM (306.775,12 €) zuzustimmen.

Die Kosten des Rechtstreits trägt die Beklagte. Die Kosten der Nebenintervention trägt der Nebenintervenient selbst.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 180.000,00 € vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

1

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Freigabe einer Grundschuld, mit der sie für eine Darlehensschuld ihres geschiedenen Ehemannes haftet, dem sie den Streit verkündet hat und der den Beitritt auf Seiten der Beklagten erklärt hat (Bl. 195 d. A.). Die Klägerin hat dem Beitritt widersprochen (Bl. 200 d. A.). Mit Beschluss vom heutigen Tage ist die Nebenintervention als unzulässig zurückgewiesen worden.

2

Die Klägerin und ihr geschiedener Ehemann sind Eigentümer des im Grundbuch von ..., Blatt ..., eingetragenen Grundstücks je zur Hälfte (Bl. 12 d. A.). In Abteilung III unter laufender Nr. 2 ist eine Grundschuld über 600.000,00 DM für die Beklagte nach Abtretung von der Commerzbank AG Filiale ... vom 27. Juni 1995 eingetragen (Grundbuchauszug Bl. 13 f d. A.).

3

Die Klägerin und ihr geschiedener Ehemann unterzeichneten eine Zweckerklärung für Grundschulden vom 10. September 1998 (Bl. 15 f d. A.), die unter der Überschrift „Begrenzte Sicherung“ „alle Forderungen (Hauptsumme, Zinsen und Kosten)“ aus sechs Darlehen des Streitverkündeten in Höhe von „ursprünglich“ insgesamt 793.000,00 DM dienen sollte.

4

Ziffer 1.5 der Zweckerklärung lautet:

5

„Sichert die Grundschuld einen unbefristeten Kontokorrentkredit und ist der Sicherungsgeber nicht zugleich Kreditnehmer, so kann er die Sicherungsvereinbarung in Bezug auf das unbefristete Kreditverhältnis unter Einhaltung einer Frist von vier Wochen mit Wirkung für die Zukunft kündigen. Die Grundschuld haftet in diesem Fall für alle Forderungen, die die Sparkasse aus dem unbefristeten Kreditverhältnis bis zum Wirksamwerden der Kündigung erworben hat, bei Kontokorrentkrediten bis zur Höhe des bei Wirksamwerden der Kündigung bestehenden Saldos, im Falle weiterer Tilgungen bis zur Höhe des niedrigsten bis zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme festgestellten Rechnungsabschlusssaldos. Die Kündigung muss schriftlich erfolgen. Das Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund bleibt unberührt.“

6

Ziffer 1.6 der Zweckerklärung („Freigabe von Sicherheiten“) enthält folgende Klausel:

7

„Sobald die Sparkasse wegen ihrer durch die Zweckerklärung gesicherten Ansprüche befriedigt ist, ist sie verpflichtet, ihre Rechte aus der Grundschuld freizugeben. Sie ist schon vorher auf Verlangen zur Freigabe verpflichtet, soweit sie die Grundschuld nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Kreditsicherung zur Sicherung ihrer Ansprüche nicht mehr benötigt. (...)“

8

Mit Schreiben vom 1. September 2006, das der Beklagten am selben Tag zuging, erklärte die Klägerin die Kündigung der Zweckerklärung und verlangte die Freigabeerklärung der Beklagten zur Löschung der Grundschuld bezüglich ihrer Grundstückshälfte (Bl. 21 d. A.).

9

Die Beklagten kündigte die gesamte Geschäftsverbindung und sämtliche Darlehen des Streitverkündeten mit Schreiben vom 29. November 2006 (vgl. Bl. 142 d. A.) und informierte die Klägerin mit Schreiben vom 25. Januar 2007 (Bl. 20 d. A.). Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 19. Februar 2007 (Bl. 17 d. A.) mit, dass sich die Summe der Darlehensvaluta des Streitverkündeten per 29. November 2006 auf 130.527,40 € belaufe und drohte die Zwangsvollstreckung aus der streitgegenständlichen Grundschuld an. Sie verweigerte zunächst die Auskunft über die Höhe der Darlehensvaluta per 29. September 2006 unter Berufung auf das Bankgeheimnis (Bl. 19 d. A.).

10

Mit anwaltlichem Schreiben vom 23. Februar 2007 erklärte die Klägerin die Anfechtung der Zweckerklärung wegen Täuschung (Bl. 23 f d. A.).

11

Die Klägerin behauptet,

12

zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der Zweckerklärung hätten sich die Darlehen des Streitverkündeten auf 600.000,00 DM belaufen. Die Beklagte habe sie über die Existenz weiterer Sicherheiten für diese Forderung seit dem Jahr 1998 getäuscht.

13

Auf dem Grundstück des Streitverkündeten in ... (Grundbuch Amtsgericht ...Blatt ...) sei im Jahr 1991 eine Grundschuld für die Beklagte in Höhe von 110.000,00 DM eingetragen worden, im Jahr 1996 eine weitere Grundschuld in Höhe von 160.000,00 DM. Die Immobilie sei veräußert und der Kaufpreis an die Beklagte gezahlt sowie die Grundschulden gelöscht worden.

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Ein weiteres Grundstück des Streitverkündeten in ... (Grundbuch Amtsgericht ..., Bezirk ... Blatt 000000) sei seit 1996 mit einer erstrangigen Grundschuld für die Beklagte in Höhe von 100.000,00 DM (51.129,19 €)  belastet. Das denkmalgeschützte Objekt im Zentrum von ... sei werthaltig. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens hierzu wird auf die Schriftsätze vom 29. April 2008 nebst Anlage K20 sowie vom 4. Juni 2008 Bezug genommen (Bl. 260, 271 ff, 323 ff d. A.).

15

Im Jahr 1998 sei noch ein Grundstück des Streitverkündeten in ..., ...straße ..., mit drei Grundschulden in Höhe von 330.000,00 DM zugunsten der Beklagten belastet gewesen. Das Grundstück sei später an den Prozessbevollmächtigten ... des Streitverkündeten veräußert worden.

16

Schließlich sei die Beklagte mit ihrer Forderung gegen den Streitverkündeten durch eine weitere Grundschuld über 300.00,00 DM (153.387,56 €) auf dem Grundstück ... 0 in ... gesichert, eingetragen am 24. Oktober 1996 im Grundbuch von ... Blatt 00000, Abt. III lfd. Nr. 00

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In Kenntnis dieser weiteren Sicherungsrechte der Beklagten hätte sie, die Klägerin, die Zweckerklärung nicht unterzeichnet. Die Beklagte habe dies arglistig verschwiegen.

18

Allein das mit der streitbefangenen Grundschuld in Höhe von umgerechnet 306.775,12 € belastete Grundstück in ... habe einen Wert, der diesem Betrag mindestens entspreche. Unter zusätzlicher Berücksichtigung der weiteren Sicherheiten ergebe sich eine Übersicherung.

19

Der Streitverkündete habe der Beklagten noch weitere Sicherheiten für die streitbefangenen Darlehensforderungen begeben, die ihr, der Klägerin, jedoch nicht bekannt seien und über die die Beklagte - unstreitig - zunächst keine Auskunft erteilt hat.

20

Die Beklagte habe sie bei Unterzeichnung der Zweckerklärung außerdem über einen Tausch angeblicher Sicherungsrechte nach Abtretung von der Commerzbank getäuscht, obwohl die betreffende Grundschuld auf dem Grundstück  Bahnhofstraße 67/Hauptstraße 1 in ... über 990.000,00 DM bereits am 10. Oktober 1996 gelöscht gewesen sei, nachdem das Anwesen im Jahr 1996 unstreitig veräußert und die gesicherte Forderung der Commerzbank befriedigt worden sei.

21

Sie meint, die Zweckerklärung sei wegen anfänglicher Übersicherung der Beklagten mit Grundschulden in Höhe von 1,9 Mio DM (Schriftsatz vom 29. April 2008, Bl. 261 - 263 d. A.) für Forderungen in Höhe von 600.000,00 DM sittenwidrig und nichtig. Sie erhebt den Einwand der anfänglichen sowie der nachträglichen Übersicherung.

22

Die Beklagte habe ihre Aufklärungspflicht betreffend weitere bestehende Sicherheiten verletzt.

23

Bei einer Grundschuld, die zur Sicherung einer Bank eingetragen worden sei, könne davon ausgegangen werden, dass der Nennwert der erstrangigen Grundschuld den realisierbaren Wert des Sicherungsgutes nicht unterschreite. Der Wert der Sicherheit sei nach dem Betrag zu bemessen, den die Parteien zum Zeitpunkt der Bestellung für das Pfandobjekt annehmen. Dies sei der eingetragene Nominalbetrag. Eine andere Wertung widerspräche den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Kreditwirtschaft.

24

Sie, die Klägerin, hafte mit der streitbefangenen Grundschuld für die Darlehen des Streitverkündeten allenfalls bis zum 29. September 2006, dem Tag des Wirksamwerdens der Kündigung gemäß Ziffer 1.5 der Zweckerklärung. Die Darlehensforderung sei zu jenem Zeitpunkt wesentlich geringer gewesen als 130.527,40 € per 29. November 2006, denn der Streitverkündete habe den Kredit überwiegend zurückgeführt. Allein mit der streitbefangenen Grundschuld zu Lasten des Grundstücks in ... im Wert von über 307.000,00 € sei diese Forderung bereits übersichert.

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Die Klägerin hat zunächst beantragt,

26

die Beklagte zu verurteilen, der Löschung der im Grundbuch von ... Blatt 2478 Abt. III lfd. Nr. 2 auf der Grundstückshälfte der Klägerin eingetragenen Grundschuld über 600.000,00 DM (307.775,12 €) zuzustimmen,

27

hilfsweise,

28

die Beklagte zu verurteilen, der Löschung der im Grundbuch von ... Blatt 0000 Abt. III lfd. Nr. 2 auf der Grundstückshälfte der Klägerin eingetragenen Grundschuld über 600.000,00 DM (307.775,12 €) in Höhe eines vom Gericht festzusetzenden Betrages zuzustimmen.

29

Nach Auskunftserteilung seitens der Beklagten über die Darlehensvaluta per 29. September 2006, wonach sich die Darlehensvaluta der von der Zweckerklärung erfassten Kredite per 1. September 2006 auf 128.609,23 € beliefen (Anlagenkonvolut B9, Anlage K21, Bl. 273 d. A.) und deren Richtigkeit die Klägerin bestreitet (Bl. 325 d. A.),

30

beantragt die Klägerin nunmehr hilfsweise (Bl. 301 d. A.),

31

die Beklagte zu verurteilen, der Löschung der im Grundbuch von ... Blatt 2478 Abt. III lfd. Nr. 2 auf der Grundstückshälfte der Klägerin eingetragenen Grundschuld über 600.000,00 DM (307.775,12 €) in Höhe von 178.165,89 € zuzustimmen,

32

höchst hilfsweise aufgrund der von der Beklagten dargetanen Gesamtforderung gegen den Streitverkündeten in Höhe von 160.613,78 € (Bl. 345 d. A.),

33

die Beklagte zu verurteilen, der Löschung der im Grundbuch von ... Blatt 2478 Abt. III lfd. Nr. 2 eingetragenen Grundschuld über 600.000,00 DM (306.775,12 €) in Höhe von 146.161,34 € zuzustimmen.

34

Die Beklagte beantragt,

35

die Klage abzuweisen.

36

Die Beklagte behauptet,

37

am 29. August 1995 seien der Klägerin und dem Streitverkündeten Kredite in Höhe von 1.366.490,38 DM bewilligt worden, wobei der Klägerin als Gesamtschuldnerin mit dem Streitverkündeten ein Teilbetrag in Höhe von 291.040,08 DM gewährt worden sei. Zur Absicherung dieses Gesamtarrangements seien Sicherheiten in Höhe von insgesamt 1.380.000,00 DM bestellt worden. Es habe eine Unterdeckung vorgelegen, die angesichts der gefallenen Immobilienpreise nach wie vor bestehe. Wegen des Vorbringens im einzelnen wird auf den Schriftsatz vom 26. Juli 2007 Bezug genommen (Bl. 165 ff d. A.).

38

Per 10. September 1998, dem Tag der Unterzeichnung der Zweckerklärung, habe sich die dieser zugrunde liegende Darlehensforderung gegen den Streitverkündeten auf 622.255,00 DM belaufen, dessen Gesamtverbindlichkeiten auf 901.287,88 DM (Bl. 224 d. A.).

39

Sie weist darauf hin, dass die Freigabe zu einer Unmöglichkeit der Verwertung führen werde, weil kein Interessent die ideelle Hälfte eines Grundstücks erwerben wolle.

40

Sie meint,

41

bei der Bewilligung der Kredite an den Streitverkündeten und die Klägerin habe sie die Beleihungsgrundsätze der obersten Sparkassenaufsicht bzw. der niedersächsischen Sparkassenverordnung beachten müssen.

42

Die Klägerin sei als Miteigentümerin ohne die - unstreitig nicht vorliegende - Zustimmung des Streitverkündeten und Miteigentümers an dem belasteten Grundstück nicht befugt, die Löschung der auf dem gesamten Grundstück eingetragenen Grundschuld zu verlangen. Die Löschung stelle eine unteilbare Leistung dar.

43

Die Haftung der Klägerin umfasse nach der Kündigung der Sicherungserklärung nicht nur den Negativsaldo des Darlehens zum Zeitpunkt der Kündigung, sondern auch Zinsen und Verzugskosten, die nach der Kündigung entstehen. Die Sicherheit hafte trotz Kündigung bis zur vollständigen Rückführung des Darlehens. Welche Beträge bis zu jenem Zeitpunkt entstünden, sei noch nicht abzusehen, so dass über die Höhe der zu sichernden Forderung keine Angaben gemacht werden könnten und eine Freigabe nicht in Betracht komme.

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Sie sei zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der Zweckerklärung nicht verpflichtet gewesen, die Klägerin über weitere Verbindlichkeiten des Streitverkündeten aus der gesamten Geschäftsbeziehung zwischen ihm und der Beklagten zu informieren, für die nicht nur die Zweckerklärung abgegeben worden sei, sondern auch andere Sicherheiten bestellt gewesen seien. Die Forderungen gegenüber dem Streitverkündeten hätten weit über 600.000,00 DM betragen. Eine Übersicherung habe nicht vorgelegen.

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Im Rahmen des zwischenzeitlich von der Beklagten betriebenen Zwangsversteigerungsverfahrens betreffend das Grundstück des Streitverkündeten in ..., ...straße 0, ist ein Verkehrswertgutachten eingeholt worden, wonach ein symbolischer Wert von 1,00 € angenommen wird. Die von dem Streitverkündeten eingelegte Beschwerde gegen die Festsetzung des Verkehrswertes durch Beschluss des Amtsgerichts Holzminden vom 4. März 2008 hat das Landgericht ... durch Beschluss vom 4. April 2008 u.a. mit der Begründung zurückgewiesen, es handele sich bei dem Gebäude aus dem Jahr 1604 zwar angesichts der zweifellos vorhandenen Attraktivität um ein Liebhaberobjekt, was jedoch keinen objektivierbaren werterhöhenden Einfluss auf die Ermittlung habe (Bl. 315 f d. A.).

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist begründet.

47

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Löschungsanspruch bezüglich der ihre Miteigentumshälfte des streitbefangenen Grundstücks in ... betreffenden und zugunsten der Beklagten eingetragenen Grundschuld über 600.000,00 DM (Grundbuch von ... Blatt ... Abt. III lfd. Nr. 2) gemäß § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB sowie nach den §§ 1192, 1114, 1011 BGB i. V. m. Ziffer 1.6 der Zweckerklärung der Klägerin vom 10. September 1998.

48

1. Die Zweckerklärung der Klägerin vom 10. September 1998, eine Leistung i. S. d. § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB, ist wegen anfänglicher Übersicherung der Beklagten nichtig. Mangels eines Rechtsgrundes für die eingetragene Grundschuld hat die Klägerin einen Anspruch gegen die Beklagte auf Herausgabe des erlangten Sicherungsrechts, mithin auf Zustimmung der Beklagten zur Löschung im Grundbuch.

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a. Eine ursprüngliche Übersicherung liegt vor, wenn bereits bei Vertragschluss gewiss ist, dass im Verwertungsfall ein auffälliges Missverhältnis zwischen dem realisierbaren Wert der Sicherheit und der gesicherten Forderung bestehen wird. Der realisierbare Wert ist anhand der Marktverhältnisse im Fall der Insolvenz zu schätzen. Die anfängliche Übersicherung führt nach § 138 BGB zur Nichtigkeit der Sicherungsabrede (Palandt-Heinrichs, BGB, 67. Aufl., § 138 Rdz. 97 m.w.N.).

50

Nach der Rechtsprechung des BGH benötigt eine Bank zu ihrer Sicherung lediglich so viele - erstrangige - Grundschulden, dass deren Nennbetrag nebst Zinsen den Betrag ihrer Forderung samt Zinsen deckt. Dabei trägt die Bank die Beweislast dafür, dass ihre Entscheidung über die vom Kunden beantragte Freigabe von Sicherheiten der Billigkeit entspricht. Auf den Wert des Grundstücks kommt es dabei nicht an. Ist er höher als die von der Bank benötigten Grundschulden, ist deren Forderung in vollem Umfang gedeckt. Ist er niedriger, würde die Bank bei einer Zwangsversteigerung mit einem Teil der ihr zuzubilligenden Grundschulden ausfallen. In diesem Fall würden ihr aber auch weitere Grundschulden auf demselben Grundstück nichts nützen. Aus diesem Grund lässt sich die Angemessenheit der Absicherung der Bank durch sämtliche Grundschulden nicht mit allgemeinen Erwägungen über das Verhältnis zwischen Nennwert und wahrem Wert einer Grundschuld begründen (BGH NJW 1981, 571 f [BGH 20.10.1980 - II ZR 190/79]).

51

Die Beklagte hat die streitbefangene Grundschuld bereits bei Abgabe der Zweckerklärung durch die Klägerin am 10. September 1998 zur Sicherung ihrer Forderungen gegen den Streitverkündeten nicht benötigt. Unstreitig verfügte sie seinerzeit außer der streitbefangenen Grundschuld in Höhe von 600.000,00 DM über weitere Grundschulden, mit denen folgende Grundstücke des Streitverkündeten belastet waren:

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- ...  110.000,00 DM
- …  160.000,00 DM
- ...  100.000,00 DM
- ... ...Straße  330.000,00 DM
- ... ...  300.000,00 DM
Summe1.000.000,00 DM
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Den genauen Stand der Forderungen der Beklagten gegen den Streitverkündeten auf welchen Konten per 10. September 1998 hat sie auch angesichts des substantiierten Bestreitens der Klägerin und deren ausdrücklicher Rüge des ungeordneten Vorbringens ohne vollständige schriftliche Belege nicht nachvollziehbar vorgetragen oder belegt. Aus den Darlehensvaluta, die in der Zweckerklärung aufgeführt sind, ergibt sich jedenfalls ein Gesamtbetrag in Höhe von „ursprünglich“ 793.000,00 DM. Da die Geschäftsbeziehungen zwischen der Beklagten und dem Streitverkündeten mindestens seit dem Jahr 1995 bestanden, ist der Kontenstand drei Jahre später unklar. Dies geht zu Lasten der Beklagten, die ihrer Darlegungs- und Beweispflicht nach anfänglicher vollständiger Auskunftsverweigerung nach wie vor nicht ausreichend nachgekommen ist, obwohl sie über sämtliche erforderlichen Daten, Zahlen und Belege verfügt. Selbst bei unverändertem Stand bei Unterzeichnung der Zweckerklärung lag eine anfängliche Übersicherung um 100 % vor, weil für Forderungen in Höhe von ca. 800.000,00 DM Sicherungsrechte in Höhe von 1,6 Mio DM, nach dem Vortrag der Klägerin sogar 1,9 Mio DM begeben wurden. Selbst wenn das Grundstück in Bodenwerder sich nach dem Verkehrswertgutachten nicht als werthaltig herausgestellt hat mit der Folge, dass die Beklagte sich aus der Grundschuld in Höhe von 100.000,00 DM möglicherweise nicht befriedigen können wird, falls sich nicht ein Interessent für das „Liebhaberobjekt“ findet, ändert dies nichts an dem Ergebnis einer anfänglichen Übersicherung.

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Dasselbe gilt bei Wahrunterstellung der Behauptung der Beklagten, per 10. September 1998 hätten sich die Gesamtverbindlichkeiten des Streitverkündeten auf 901.287,88 DM belaufen. Es bleibt bei einer dinglichen Absicherung in fast doppelter Höhe.

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b. Auch eine nachträgliche Übersicherung liegt hier vor, die einen Freigabeanspruch der Klägerin bezüglich ihrer Grundstückshälfte begründet.

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Nachträgliche Übersicherung kann dadurch eintreten, dass der Sicherungsgeber seine Schuld ratenweise tilgt. Bei nicht nur vorübergehender Übersicherung hat der Sicherungsgeber einen Freigabeanspruch, und zwar wegen der Natur des Sicherungsvertrages auch dann, wenn er eine ausdrückliche Freigaberegelung nicht enthält. Die nachträgliche Übersicherung lässt jedoch die Wirksamkeit der Sicherung unberührt (BGH NJW 1998, 671 [BGH 27.11.1997 - GSZ 2/97]).

57

Unstreitig belief sich die Darlehensforderung der Beklagten per 29. November 2006, dem Tag der Kündigung der Geschäftsbeziehungen zwischen der Beklagten und dem Streitverkündeten, auf 130.527,40 €. Dies ist bereits weniger als die Hälfte der eingetragenen und streitbefangenen Grundschuld in Höhe von 306.775,12 €, ungeachtet der weiteren oben aufgeführten Sicherungsrechte der Beklagten.

58

2. a. Die Beklagte ist außerdem nach Ziffer 1.6 Abs. 1 S. 2 der Zweckerklärung vom 16. September 1998 unabhängig von der Kündigungserklärung der Klägerin zur Freigabe der Sicherheit verpflichtet, weil sie die streitbefangene Grundschuld nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Kreditsicherung zur Sicherung ihrer Ansprüche von Anfang an nicht benötigt hat, wie oben ausgeführt. Diese Regelung gewährt der Klägerin einen eigenen Freigabeanspruch unabhängig von einer Zustimmung des Streitverkündeten.

59

Dies ergibt sich auch aus Ziffer 1.5 der Zweckerklärung, wonach die Klägerin eigene Rechte gegenüber der Beklagten hat, weil sie nicht zugleich Kreditnehmerin ist.

60

b. Diese vertragliche Regelung ist mit der Gesetzeslage vereinbar. Die §§ 1192, 1114, 1011 BGB sehen vor, dass auch ein Bruchteil eines Grundstücks mit einer Grundschuld belastet werden kann, wenn er in dem Anteil eines Miteigentümers besteht. Für die Löschung kann nichts anderes gelten.

61

Die auf dem im Miteigentum der Klägerin und des Streitverkündeten stehenden Grundstück in ... lastende Grundschuld kann isoliert auf einer zu Miteigentum bestehenden Hälfte des Grundstücks gelöscht werden und auf der anderen Miteigentumshälfte - hier des Streitverkündeten - bestehen bleiben.

62

Gemäß § 1011 BGB darf der Miteigentümer sein Miteigentumsrecht Dritten gegenüber hinsichtlich der gesamten Sache geltend machen.

63

Der Einwand der Unmöglichkeit der Verwertung der ideellen Hälfte des Grundstücks ist unbeachtlich angesichts der von der Beklagten verwendeten Zweckerklärung, die, wie oben ausgeführt, dem Sicherungsgeber, der nicht Kreditnehmer ist, einen uneingeschränkten eigenen Freigabeanspruch gewährt.

64

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 91, § 101 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 ZPO.