Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 27.10.2014, Az.: 2 B 986/13

gesetzlicher Ausschlussgrund; Besorgnis der Befangenheit; Güterichter; Mediation; gerichtsinterne Mediation; Richterablehnung; Selbstablehnung

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
27.10.2014
Aktenzeichen
2 B 986/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 42556
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Der Ausschlussgrund des § 41 Nr. 8 ZPO ist auf die Tätigkeit als Güterichter nicht anwendbar. Ein Richterausschluss kann allerdings wegen der Besorgnis der Befangenheit angezeigt werden.

Tenor:

Das Selbstablehnungsgesuch des Vorsitzenden der 2. Kammer des Verwaltungsgerichts Göttingen, Herrn PräsVG Dr. E., vom 24. Oktober 2014 wird für begründet erklärt.

Gründe

Gemäß § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 48 ZPO hat das für die Erledigung eines Ablehnungsgesuchs zuständige Gericht auch dann zu entscheiden, wenn ein solches Gesuch nicht angebracht ist, ein Richter aber von einem Verhältnis Anzeige macht, das seine Ablehnung rechtfertigen könnte, oder wenn aus anderer Veranlassung Zweifel darüber entstehen, ob ein Richter kraft Gesetzes ausgeschlossen sei.

Vorliegend hat der Vorsitzende der 2. Kammer des erkennenden Gerichts in seiner dienstlichen Äußerung vom 24. Oktober 2014, zu der sich die Verfahrensbeteiligten nicht verhalten haben, Folgendes erklärt:

„Ich weise darauf hin, dass ich in den Verfahren 2 B 986/13, 2 A 1002/13, 2 A 717/13 und 2 A 851/13 als Güterichter tätig gewesen bin. Ich dürfte deshalb in entsprechender Anwendung von § 41 Nr. 8 ZPO von der Ausübung des Richteramtes ausgeschlossen sein. Soweit eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift abgelehnt wird, erkläre ich mich vorsichtshalber wegen der Güterichtertätigkeit für befangen.“

Die Kammer ist der Auffassung, dass der gesetzliche Ausschlussgrund des § 41 Nr. 8 ZPO in der Fassung des Gesetzes zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vom 21. Juli 2012 (BGBl. I, S. 1577) angesichts seines klaren Wortlauts - die Vorschrift bezieht sich auf „Mediationsverfahren“ i.S.d. § 1 Abs. 1 MediationsG oder auf andere „Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung“ i.S.d. § 278a Abs. 1 ZPO - auf die Vorbefassung ihres Kammervorsitzenden in der vorliegenden Sache als Güterichter gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 278 Abs. 5 ZPO nicht anwendbar ist (ebenso Greger/Weber, MDR 18/2012, S. 29 [OLG Frankfurt am Main 10.10.2011 - 13 U 90/11]; a.A. Vollkommer in: Zöller, Kommentar zur ZPO, 30. Auflage, § 41 Rn. 14b). Entstehungsgeschichte der Norm und Wille des Gesetzgebers sprechen ebenfalls gegen diese Annahme. In der Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drs. 17/5335, S. 20) wird zur Klarstellung des Anwendungsbereichs der Norm - dort noch als neue Nr. 7 in § 41 ZPO vorgesehen - zum Begriff des „Mediationsverfahrens“ ausdrücklich auf die Begriffsbestimmungen in § 1 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzentwurfs der Bundesregierung Bezug genommen und der in Art. 3 lit. a UA 2 der Mediations-Richtlinie (RL 2008/52/EG) zum Ausdruck kommende Gedanke der Trennung von gerichtsinterner Mediation und Streitentscheidung durch den Richter hervorgehoben. Der Bundesrat hat seine Anrufung des Vermittlungsausschusses (BR-Drs. 10/12 (B), S. 1; BT-Drs. 17/8680, S. 1) ausdrücklich mit der Überführung der gerichtsinternen Mediation in ein „erweitertes Güterichterkonzept“ begründet und dabei klargestellt, dass der Güterichter nach Auffassung des Bundestages kein Mediator sei, weil der Güterichter - anders als ein gerichtsinterner Mediator - rechtliche Bewertungen vornehmen und den Parteien Lösungen für ihren Konflikt vorschlagen könne (vgl. die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Bundestages, BT-Drs. 17/8058, S. 17). Diese Gründe sprechen zugleich dagegen, den Ausschlussgrund des § 41 Nr. 8 ZPO auf die Vorbefassung eines Güterichters analog heranzuziehen, denn eine planwidrige Regelungslücke vermag die Kammer nicht zu erkennen.

Gemäß § 54 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO findet wegen Besorgnis der Befangenheit die Ablehnung eines Richters statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Es genügt, wenn vom Standpunkt eines Beteiligten aus gesehen hinreichend objektive Gründe vorliegen, die bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass geben, an der Unparteilichkeit des Richters zu zweifeln. Solche hinreichenden Gründe können u.a. daraus folgen, dass der zur Entscheidung berufene Richter aus dem vorangegangenen Güterichterverfahren Erkenntnisse gewonnen hat, die er nunmehr seiner streitigen Entscheidung zugrunde legen kann (vgl. Greger/Weber, a.a.O., S. 29). Dies wäre jedoch dem Ansehen und der Funktionsfähigkeit des Güterichterverfahrens abträglich, denn die Beteiligten könnten auf die - auch für ein Güterichterverfahren erforderliche - offene und vertrauensvolle Atmosphäre nicht mehr vertrauen. Die Kammer folgt vor diesem Hintergrund dem Selbstablehnungsgesuch ihres Vorsitzenden und hält dieses für begründet.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 146 Abs. 2 VwGO).