Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 01.10.2014, Az.: 1 A 167/13

Nervendrucktechnik; unmittelbarer Zwang; verhältnismäßig; Zwangsmittel

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
01.10.2014
Aktenzeichen
1 A 167/13
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2014, 42547
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die Frage, ob die Anwendung einer Nervendrucktechnik als Maßnahme unmittelbaren Zwangs verhältnismäßig war, konnte nicht geklärt werden. Der Kläger trägt insoweit die Beweislast.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt im Wege der Feststellungsklage festzustellen, dass eine Maßnahme unmittelbaren Zwangs rechtswidrig war.

Am J. fand in K. eine Demonstration zum Thema „Gute Bildung und Wohnraum für alle“ statt. Im Anschluss daran kam es zu der Hausbesetzung eines leer stehenden ehemaligen Studentenwohnheims der Universität K. in der L. 10 in K.. Hieran war auch der Kläger beteiligt. Vertreter der Universität K. erschienen vor Ort und forderten die Hausbesetzer mehrfach vergeblich auf, das Gebäude zu räumen. Die letzte Aufforderung erfolgte am 17.01.2013, 10.00 Uhr, unter Anordnung der sofortigen Vollziehung mit Fristsetzung bis 11.30 Uhr. Anschließend stellte die Universität Strafantrag. Als die Polizei vor Ort erschien, hielten sich noch 11 Personen, unter ihnen der Kläger, auf dem Boden sitzend in einem Raum in der ersten Etage auf. Sie wurden von der Polizei zweimal, zuletzt unter Androhung unmittelbaren Zwangs, vergeblich aufgefordert, das Gebäude zu räumen. Danach wurden sie von der Polizei hinausgetragen. Der Kläger wurde von PK M. und PK N. aus dem Gebäude gebracht. Die Polizisten forderten ihn zunächst nochmals vergeblich auf, freiwillig mitzukommen; andernfalls müsse er mit Zwangsmaßnahmen rechnen.

Das weitere Geschehen nahm nach Darstellung der beiden Polizisten in dem von der Staatsanwaltschaft K. gegen den Kläger eingeleiteten Strafverfahren wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und Körperverletzung (Az.: O.) folgenden Verlauf: PK M. sei es zunächst gelungen, den Kläger durch einen Armbeugehebel zum Aufstehen zu bewegen. Anschließend habe sich der Kläger wieder zu Boden fallen lassen und beide Arme vor dem Körper verschränkt. Nach einem erfolglosen Versuch ihn am Arm zu ergreifen, seien die Polizisten zu der Auffassung gelangt, dass er ohne Anwendung weiterer Zwangsmaßnahmen nicht zum Aufstehen zu bewegen sei. Sie hätten ihn dann bis zur Treppe, die in das Erdgeschoss geführt habe, getragen. Die Treppe sei sehr feucht gewesen und es habe große Rutschgefahr bestanden. Der Kläger habe sich deshalb bereit erklärt, die Treppe hinabzusteigen. Im Erdgeschoss habe er sich am Treppenabsatz sofort wieder zu Boden fallen lassen. Die Polizisten hätten daraufhin erneut versucht, ihn wegzutragen. Dabei habe der Kläger erheblichen körperlichen Widerstand geleistet. Er habe sich aus der sitzenden Position fortlaufend auf die Seite und in die Bauchlage gedreht und die Arme vor dem Oberkörper verschränkt. Schließlich sei er mit über der Brust verschränkten Armen in Rückenlage liegen geblieben. Den Polizisten sei es lediglich gelungen, ihn erneut in eine sitzende Position zu bringen. PK M. habe gegenüber dem Kläger schließlich eine Nervendrucktechnik angewandt. Hierbei habe er mit seiner linken geöffneten Hand gegen den Hinterkopf des Klägers gedrückt und die rechte geöffnete Hand auf dessen Nase aufgelegt. Er habe gehofft, den Kläger durch diesen Druck zum Aufstehen zu bewegen. Die Maßnahme sei erfolglos geblieben und der Kläger habe ihn in den behandschuhten rechten Ringfinger gebissen. Daraufhin habe er die Nervendrucktechnik beendet. Auch der Versuch, den Kläger durch das Anlegen von Handfesseln zum Aufstehen zu bewegen, sei misslungen. Der Kläger sei von PK M. und PK N. schließlich zum Hinterausgang getragen worden. Beim Erreichen des Hinterausgangs habe er sich aufgerichtet und sei freiwillig in Richtung der Beamten gegangen, die für die Folgemaßnahmen zuständig gewesen seien (s. Vermerke von PK M. und PK N. vom P., Bl. 6-9 u. 11-13 Strafakte).

Der Kläger hat den Geschehensablauf in seiner schriftlichen Aussage vom 10.01.2012 in dem o. g. Strafverfahren nur zum Teil bestätigt. Er hat angegeben, die Polizisten hätten ihn im Obergeschoss ohne besonders schmerzhafte körperliche Einwirkung zur Treppe getragen. Da die Treppe sehr feucht gewesen sei, sei er dort selbst hinuntergegangen. Im Erdgeschoss habe er sich am Treppenabsatz wieder auf den Boden gesetzt. Dies hätten die Polizisten offenbar als Provokation empfunden. Obwohl er sich völlig friedlich verhalten habe, hätten diese Gewalt ausgeübt und ihm an verschiedenen Stellen seines Körpers Schmerzen zugefügt. Insbesondere der Polizist rechts von ihm (hierbei handelte es sich um PK M., Anm. des Gerichts) habe massiv Gewalt gegen ihn ausgeübt. Plötzlich sei wie aus dem Nichts heraus die Gewaltanwendung beendet und er wundersamer Weise friedlich hinaus getragen worden. Ohne dass er selbst Anlass hierzu gegeben habe, sei dann der Ermittlungsbeauftragte auf ihn zugekommen. Er habe vorgeschlagen, ein Foto von ihm zu machen, damit er - der Kläger -  Anzeige erstatten könne. In dieser Situation sei PK M. mit hochgeklapptem Visier zu ihm gekommen und habe gesagt „ Wenn du eine Anzeige erstattest, hast du mir in den Finger gebissen. Das ist dir klar, oder?“ (s. Bl. 30 – 31 Strafakte O.). Durch den Einsatz der Nervendrucktechnik erlitt der Kläger leichte Hautabschürfungen zwischen Nase und Oberlippe in der linken Gesichtshälfte (vgl. Bl. 19 Strafakte O.).

Das Strafverfahren gegen den Kläger wurde unter Berücksichtigung des vorliegenden Gerichtsverfahrens gemäß § 154 d StPO vorläufig eingestellt. Ein von der Staatsanwaltschaft K. gegen PK N. und PK M. eingeleitetes Strafverfahren wegen Körperverletzung im Amt (Q. ) wurde ebenfalls gemäß § 154 d StPO vorläufig eingestellt.

Der Kläger hat am 11.07.2013 Feststellungsklage erhoben. Er ist der Ansicht, dass es sich bei der Nervendrucktechnik um eine unverhältnismäßige Maßnahme unmittelbaren Zwangs gehandelt habe. Ungeachtet der Frage, ob die Nervendrucktechnik einem Polizeigriff vergleichbar sei, müsse jede Anwendung unmittelbaren Zwangs dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügen. Dies sei hier nicht der Fall gewesen. Die Polizisten hätten ihn auch ohne Einsatz der Nervendrucktechnik die noch verbleibenden 10 Meter zum Ausgang des Gebäudes tragen können. Der Einwand der Beklagten, er habe durch seine Körperhaltung, insbesondere durch das Verschränken seiner Arme vor dem Oberkörper, sein Wegtragen verhindert, überzeuge nicht. Eine Person könne nicht nur weggetragen werden, wenn sie Haltepunkte an ihren Gliedmaßen zur Verfügung stelle.

Der Kläger beantragt,

festzustellen, dass die Anwendung unmittelbaren Zwangs in Form einer schmerzhaften Nervendrucktechnik über die Nase des Klägers durch einen Beamten der Beklagten am 17.01.2013 rechtswidrig gewesen ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, bei der streitbefangenen Nervendrucktechnik handele es sich um ein zulässiges Zwangsmittel zur Anwendung unmittelbaren Zwangs. Dieses Zwangsmittel sei auch ermessensfehlerfrei angewendet worden. Unerheblich sei, dass die Polizeibeamten abwechselnd verschiedene Zwangsmittel wie das Wegtragen und die Nervendrucktechnik angewandt hätten. Zwangsmittel könnten so lange wiederholt und gewechselt werden, bis der zu vollstreckende Verwaltungsakt – hier die Räumung des besetzten Hauses – umgesetzt sei. Zwar handele es sich beim Wegtragen grundsätzlich um ein milderes Mittel als bei der Nervendrucktechnik. Es sei jedoch zu berücksichtigen, dass in dem besetzten Gebäude insbesondere im Eingangsbereich eine große Rutschgefahr bestanden habe. Da der Kläger keine Tragepunkte an seinem Körper zum Wegtragen zur Verfügung gestellt habe, sei das Wegtragen mit wesentlich höheren Risiken für alle Beteiligten verbunden gewesen.

Das Gericht hat zwei schriftliche Stellungnahmen der Polizeibeamten PK M. und PK N. zu dem vorliegenden Sachverhalt eingeholt. Wegen der Einzelheiten wird auf diese Stellungnahmen vom 06. und 10.03.2014 Bezug genommen (Bl. 37-40 GA).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte, den vom Gericht beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten und die beigezogenen Strafakten der Staatsanwaltschaft K. zu den Aktenzeichen O. und R. Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat keinen Erfolg.

Sie ist zulässig, aber unbegründet.

Der Verwaltungsrechtsweg ist nach § 40 Abs.1 VwGO eröffnet. Bei der streitbefangenen Nervendrucktechnik handelt es sich um eine Maßnahme der Gefahrenabwehr, nämlich um die Anwendung unmittelbaren Zwangs nach § 69 Abs. 1 und Abs. 2 Niedersächsisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung - Nds.SOG -. Unmittelbarer Zwang ist die Einwirkung auf Personen oder Sachen durch körperliche Gewalt, durch ihre Hilfsmittel und durch Waffen (§ 69 Abs. 1 Nds.SOG). Körperliche Gewalt ist jede unmittelbare körperliche Einwirkung auf Personen oder Sachen (§ 69 Abs. 2 Nds.SOG). Zur unmittelbaren körperlichen Einwirkung auf Personen zählen z.B. das Abdrängen, Wegtragen, Wegführen am Arm und die Anwendung von Polizeigriffen (Ausführungsbestimmung Nr. 69.2 zu § 69 Nds.SOG, s. Saipa, Nds. SOG, Loseblattkommentar, Stand Dezember 2012, § 69, Seite 1). Es kann dahingestellt bleiben, ob die Nervendrucktechnik einem Polizeigriff vergleichbar ist, denn unabhängig davon handelt es sich um eine unmittelbare körperliche Einwirkung auf eine Person.

Richtige Klageart ist die Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO. Nach dieser Vorschrift kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Diese Voraussetzungen liegen unzweifelhaft vor. Das notwendige öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnis ergibt sich hier aus einem öffentlich-rechtlichen Realakt, nämlich der Anwendung der Nervendrucktechnik durch die Polizei. Dem Kläger kommt auch das notwendige Feststellungsinteresse zu. Er macht geltend, durch die Nervendrucktechnik einen tiefgreifenden Eingriff in sein Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG erlitten zu haben. Eine vorrangig zu erhebende Gestaltungsklage (vgl. § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO) scheidet mangels Vorliegens eines Verwaltungsakts aus (vgl. allgemein zu § 43 Abs. 1 VwGO: Kopp/Schenke, VwGO, 19. Auflage, 2013, § 43 Rn. 11 ff.).

Die Klage ist unbegründet, weil nicht bewiesen ist, dass die angegriffene Zwangsmaßnahme rechtswidrig war.

Die formalen Voraussetzungen für die Anwendung unmittelbaren Zwangs nach §§ 64, 65, 69, 70, 74 Nds. SOG waren erfüllt. Insbesondere lag ein nach § 64 Abs. 1 Nds. SOG vollziehbarer Verwaltungsakt vor. Die Universität K. hatte die Hausbesetzer am 17.01.2013 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung aufgefordert, bis spätestens 11.30 Uhr das besetzte ehemalige Studentenwohnheim in der L. 10 in K. zu räumen. Soweit sie entgegen § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts nicht begründet haben sollte, berührt dies die Wirksamkeit der Vollziehbarkeit nicht (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 80 Rn. 87). Die Polizei hatte ausweislich des im Verwaltungsvorgang enthaltenen Verlaufsberichts von PHK S. (Bl. 11 VV) und der Vermerke von PK N. und PK M. vom P. (s. Strafakte O., Bl. 7, 11, 12) die Anwendung unmittelbaren Zwangs mündlich gegenüber den Hausbesetzern angedroht (§ 70 Abs. 1 Satz 1 Nds. SOG). Unerheblich ist, ob sie den Hausbesetzern eine angemessene Frist zum freiwilligen Verlassen des Gebäudes gesetzt hatte. Hier war bereits die Zwangsmittelandrohung selbst wegen Vorliegens einer gegenwärtigen Gefahr entbehrlich (§ 70 Abs. 1 Satz 3 Nds. SOG).

Nach § 69 Abs. 6 Nds. SOG setzt die Anwendung unmittelbaren Zwangs voraus, dass andere Zwangsmittel nicht in Betracht kommen oder keinen Erfolg versprechen. Damit statuiert Absatz 6 noch einmal ausdrücklich den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Übermaßverbot, geringstmöglicher Eingriff) für die Anwendung unmittelbaren Zwangs. Es ist zu prüfen, ob überhaupt und ggfs. welches Zwangsmittel notwendig ist. Ist unmittelbarer Zwang zulässig, muss stets die mildeste Ausführungsform gewählt werden (Saipa, a.a.O, § 69 Rn. 4).

Der unmittelbare Zwang diente dazu, die Verpflichtung des Klägers zum Verlassen des   besetzten Gebäudes durchzusetzen. Eine Ersatzvornahme nach § 66 Nds. SOG kam als milderes Zwangsmittel nicht in Betracht, weil es sich bei der Pflicht zum Verlassen des Gebäudes um eine unvertretbare Handlung handelte. Auch das mildere Mittel des Zwangsgeldes war nicht geeignet, ein zeitnahes Verlassen des besetzten Gebäudes durchzusetzen. Demnach war die Anwendung unmittelbaren Zwangs grundsätzlich zulässig. Der Einsatz der Nervendrucktechnik war zulässig, wenn unter Berücksichtigung der konkreten Umstände das Wegtragen des Klägers als mildere Ausführungsform des unmittelbaren Zwangs nicht (mehr) möglich und geeignet war, die Pflicht des Klägers, das Gebäude zu verlassen, durchzusetzen.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, unter welchen Umständen PK M. die Nervendrucktechnik einsetzte. Die Polizisten haben in ihren Vermerken vom P. (a.a.O.) und in ihren schriftlichen Stellungnahmen vom 06. und 10.03.2014 angegeben, die Situationen im Erdgeschoss und im Obergeschoss hätten sich erheblich unterschieden. Im Erdgeschoss sei das Verletzungsrisiko beim Wegtragen für den Kläger wesentlich höher gewesen. Wegen des rutschigen Bodens und des körperlichen Widerstands des Klägers habe die Gefahr bestanden, dass die Polizisten mit dem Kläger auf den harten Steinboden stürzen könnten. Bei einem Sturz hätte der Kläger mit dem Kopf auf den Boden aufprallen und sich schwerste Kopfverletzungen zuziehen können. Bei einem Aufprall mit dem Rücken hätte er sich Knochenbrüche zuziehen können. Bereits im Obergeschoss sei das Wegtragen des Klägers schwierig gewesen, weil dieser keine sicheren Haltepunkte an seinem Körper zur Verfügung gestellt habe. Bereits dort sei PK M. auf dem Weg zur Treppe weggerutscht. Nicht zuletzt deshalb hätten die Polizisten entschieden, zunächst durch den Einsatz von Armbeugehebel, Nervendrucktechnik über die Nase und Handfesseln zu versuchen, den Kläger zum Aufstehen und selbstständigen Gehen zu bringen. PK M. habe in der konkreten Situation die Nervendrucktechnik über die Nase gegenüber dem Wegtragen als das mildere Zwangsmittel angesehen. Bei dem Einsatz der Nervendrucktechnik sei grundsätzlich nicht mit größeren Verletzungsfolgen zu rechnen.

Demnach wäre die Anwendung der Nervendrucktechnik über die Nase verhältnismäßig gewesen. Die Nervendrucktechnik wäre in der konkreten Situation gegenüber dem Wegtragen die mildere Zwangsmaßnahme gewesen. Beim Wegtragen hätte eine größere Verletzungsgefahr für den Kläger bestanden. An der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme würde sich nichts ändern, weil der Kläger letztlich doch hinausgetragen wurde. Maßgebend ist eine „ex-ante“, d.h. aus gegenwärtiger Sicht vorgenommene Betrachtung des hypothetischen Geschehensablaufs. Im Zeitpunkt der Anwendung der Nervendrucktechnik wusste PK M. nicht, dass diese mildere Zwangsmaßnahme nicht zum Erfolg führen würde. § 65 Abs. 3 Nds. SOG lässt einen Wechsel von Zwangsmitteln zu. Danach können Zwangsmittel so lange wiederholt und gewechselt werden, bis der Verwaltungsakt befolgt worden ist oder sich auf andere Weise erledigt hat. Nach der Darstellung der Polizisten hätte die Feststellungsklage demnach keinen Erfolg.

Die abweichende Darstellung des Klägers führt zu keinem anderen Ergebnis. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung erstmals detailliert Folgendes ausgeführt: nachdem er sich im Erdgeschoss am Treppenabsatz wieder auf den Boden gesetzt habe, hätten ihn PK M. und PK N. hochgehoben. Während des Hochhebens sei bei ihm eine Nervendrucktechnik am Daumen angewandt und ihm seien in schmerzhafter Weise die Arme verdreht worden. Dies habe zur Folge gehabt, dass er seinen Körper ebenfalls gedreht habe. Die körperliche Gewalt sei nahezu ausschließlich von PK M. ausgegangen. Dann habe er Worte wie „auf den Bauch“ gehört, ohne zu verstehen, was damit gemeint gewesen sei. Anschließend sei ein Druck unter seiner Nase erfolgt. Danach habe die schmerzvolle Behandlung abrupt geendet und er sei ohne weitere Probleme zum Hinterausgang getragen worden. Er selbst sei völlig friedlich gewesen und habe den Polizisten auch gesagt, dass er keine Gewalt anwende. Seine schmerzvolle Behandlung habe seiner Erinnerung nach ausschließlich stattgefunden, als er sich in der Luft befunden habe. Dass die Gewaltanwendung so abrupt aufgehört habe, könne er sich nur dadurch erklären, dass die Polizisten gemerkt hätten, dass er unter der Nase geblutet habe.

Demnach hätte der Kläger sich völlig friedlich verhalten. Er hätte keinen Anlass gegeben, ihn u. a. durch Einsatz der Nervendrucktechnik über die Nase zum Aufstehen zu bewegen. Es kann dahingestellt bleiben, ob es „technisch“ überhaupt möglich ist, eine Person hochzuheben, in der Luft zu halten und bei ihr gleichzeitig mit den Händen eine Nervendrucktechnik über die Nase anzuwenden. Selbst wenn dies nicht ausgeschlossen sein sollte, konnte das Gericht in der mündlichen Verhandlung nicht die notwendige Überzeugung gewinnen, dass die Darstellung des Klägers richtig und die der Polizisten falsch ist. Die als Zeugen geladenen Polizisten haben sich in der mündlichen Verhandlung gemäß § 384 Nr. 2 ZPO in zulässiger Weise auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen. Nach dieser Vorschrift kann das Zeugnis zu Fragen verweigert werden, durch deren Beantwortung der Zeuge sich in Gefahr brächte, wegen einer Straftat verfolgt zu werden. Diese Voraussetzung ist hier mit Blick auf das gegen die Polizisten eingeleitete Strafverfahren wegen Körperverletzung im Amt (Staatsanwaltschaft K., Az: R.) erfüllt. Insofern war es dem Gericht in der mündlichen Verhandlung nicht möglich, die Polizisten mit der abweichenden Darstellung des Klägers zu konfrontieren und hierbei ggfs. weitere Erkenntnisse zu gewinnen. Damit stehen sich zwei widersprechende Sachverhaltsdarstellungen gegenüber. Das Gericht vermag mangels weiterer Anhaltspunkte nicht zu beurteilen, welche davon der Wahrheit entspricht. Das Klageverfahren muss deshalb zu Ungunsten des Klägers ausgehen. Er trägt für die von ihm behaupteten Tatsachen die Beweislast und konnte den notwendigen Beweis nicht erbringen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.