Finanzgericht Niedersachsen
Beschl. v. 23.11.2000, Az.: 5 Ko 14/00

Erstattungsfähigkeit der Umsatzsteuer bei den Prozesskosten eines pauschalierenden Landwirts; Kosten des finanzgerichtlichen Verfahrens

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
23.11.2000
Aktenzeichen
5 Ko 14/00
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2000, 14426
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2000:1123.5KO14.00.0A

Fundstellen

  • NJW-RR 2001, 934-935 (Volltext mit red. LS)
  • UR 2001, 74-75

Tatbestand

1

Die Erinnerungsführerin führte unter dem Az: 5 K 298/94 vor dem Niedersächsischen Finanzgericht eine Klage, weil der Erinnerungsgegner ihre land- und forstwirtschaftlichen Umsätze der Umsatzsteuer unterworfen hatte. Im Klageverfahren unterwarf der Erinnerungsgegner die Umsätze der Erinnerungsführerin antragsgemäß der Pauschalbesteuerung nach § 24 UStG und setzte die Umsatzsteuer für die Streitjahre 1988 und 1990 in nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 AO geänderten Umsatzsteuerbescheiden vom 9. Juni 1999 auf jeweils 0,00 DM herab. Der Senat übertrug dem Erinnerungsgegner daraufhin mit Beschluss vom 15. Juli 1999 die Verpflichtung zur Tragung der Kosten.

2

Im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 10. Mai 2000 berücksichtigte der Kostenbeamte nicht die dem Erinnerungsgegner von seinem Prozessvertreter in Rechnung gestellte Umsatzsteuer.

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Hiergegen richtet sich die Erinnerung. Die Erinnerungsführerin vertritt die Auffassung, sie habe Anspruch auch auf Ersatz der ihr in Rechnung gestellten Umsatzsteuer, weil sie diese wegen der Besteuerungsform des § 24 Abs. 1 bis 3 UStG vom Finanzamt nicht erstattet bekomme. Insoweit erleide sie eine Vermögenseinbuße. Aus welchem Rechtsgrund die Vorsteuer nicht erstattet werde, sei unbeachtlich. Auch in anderen Fällen von Schadens- und Kostenersatz und bei Versicherungsentschädigungen erhielten Land- und Forstwirte mit Durchschnittsbesteuerung nach § 24 Abs. 1 bis 3 UStG die entstandenen Aufwendungen einschließlich der Kosten ersetzt. Im Hinblick auf das Vorbringen der Erinnerungsführerin im Übrigen wird auf den Schriftsatz Ihres Beraters vom 31. Mai 2000 Bezug genommen.

Gründe

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Die Erinnerung ist unbegründet.

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Zu den Kosten des finanzgerichtlichen Verfahrens zählen neben den Gerichtskosten die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens (§ 139 Abs. 1 FGO). Soweit ein Beteiligter obsiegt, sind ihm seine Aufwendungen vom unterlegenen Gegner zu erstatten. Gesetzlich vorgesehene Gebühren und Auslagen eines Bevollmächtigten oder Beistandes, der nach den Vorschriften des Steuerberatungsgesetzes zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist, sind stets erstattungsfähig (§ 139 Abs. 3 Satz 1 FGO). Zu diesen Auslagen gehört auch die auf die Vergütung eines Prozessbevollmächtigten entfallende Umsatzsteuer, die dieser nach der Gebührenordnung von seinem Auftraggeber ersetzt verlangen kann (BFH-Beschluss vom 6. März 1990 VII E 9/89, BStBl II 1990, 584). Das Kostenrechtsänderungsgesetz vom 24. Juni 1994 (BGBl I 1994, 1325) hat dieser von der Rechtsprechung entwickelten Rechtslage mit Artikel 8 Abs. 3 Nr. 1 Buchstabe b des Gesetzes zur Änderung von Kostengesetzen und anderen Gesetzen (Kostenrechtsänderungsgesetz 1994 KostRÄndG 1994 -) und der Ergänzung des § 104 Abs. 2 ZPO durch Anfügung des Satzes 3 Rechnung getragen. Danach genügt im Kostenfestsetzungsverfahren zur Berücksichtigung von USt-Beträgen zunächst die Erklärung des Kostengläubigers, dass er die Beträge nicht als Vorsteuer abziehen kann. Mit der Voraussetzung, dass der Kostengläubiger nicht vorsteuerabzugsberechtigt ist, soll im Sinne der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs vermieden werden, dass vorsteuerabzugsberechtigte Kostengläubiger mit einer Festsetzung der Beträge einen nicht gerechtfertigten Vermögensvorteil erlangen (vgl. amtl. Begründung, BT-Drucks. 12/6962 vom 04.03.1994 zu Art. 8, zu Abs. 3 KostRÄndG 1994).

6

Daraus folgt, dass die obsiegende Partei vom unterlegenen Prozessgegner nur dann die Erstattung der ihr von ihrem Prozessbevollmächtigten in Rechnung gestellten Umsatzsteuer verlangen kann, wenn sie hinsichtlich der Umsatzsteuer nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Nur wenn der Kostenschuldner die Vorsteuer nicht abziehen kann, würde nämlich die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer für die obsiegende Partei zu einer Aufwendung im Sinne des § 139 Abs. 1 FGO.

7

Im Streitfall stellt die der Erinnerungsführerin vom Prozessbevollmächtigten in Rechnung gestellte Umsatzsteuer keinen Aufwand dar und ist nicht gemäß § 139 Abs. 1 FGO erstattungsfähig. Denn die Vorsteuer ist bei Landwirten, die ihre Umsatzsteuer nach § 24 Abs. 1 Satz 3 UStG berechnen, abzugsfähig, auch wenn die Vorsteuerbeträge nach dieser Regelung pauschaliert werden. Die hier in Streit stehende Vorsteuer ist den typischen land- und forstwirtschaftlichen Umsätzen des § 24 Abs. 1 Satz 1 UStG auch zuzurechnen.

8

Die Erinnerungsführerin war landwirtschaftlicher Unternehmer i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG. Nach Maßgabe des § 24 UStG in der für die Streitjahre jeweils geltenden Fassung waren sogenannte Durchschnittssteuersätze anzuwenden, denen jeweils pauschalierte Vorsteuern in gleicher Höhe gegenüberstanden. Die Pauschbesteuerung erfolgt im System der Mehrwertsteuer (Lange in Offerhaus/Söhn/Lange, § 24 UStG Rn. 119) und beruht auf der Bestrebung des Gesetzgebers, die Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft einerseits in das Mehrwertsteuersystem einzugliedern, sie andererseits im Regelfall von der Abgabe von USt-Voranmeldungen und Jahreserklärungen zu entbinden (Plückebaum/Malitzky/Rinne, UStG, Tz. 1 zu § 24; Bunjes/Geist, UStG, 5. Aufl., § 24 Anm. 2). Auf der Seite des Leistungsempfängers treten dadurch keine Nachteile ein, weil das Recht des Landwirts, Rechnungen mit offenem USt-Ausweis auszustellen, unberührt bleibt. Die Umsatzsteuer fließt den Land- und Forstwirten zu; der jeweilige Leistungsempfänger kann sie im Rahmen des § 24 Abs. 1 Satz 8 UStG als Vorsteuer abziehen.

9

Die pauschale Festsetzung der Vorsteuern hat zur Folge, dass für den Land- und Forstwirt eine an das FA abzuführende Zahllast nicht entsteht, gleichgültig, wie hoch und welcher Art diese Vorsteuern tatsächlich sind. In der Regel erhält der Landwirt durch die Pauschalierung höhere Vorsteuern abgezogen als ihm tatsächlich in Rechnung gestellt wurden. Dass darin für den Landwirt ein erheblicher Vorteil liegt, zeigt sich regelmäßig daran, dass Landwirte, die aus der Durchschnittsbesteuerung herauszufallen drohen, ihren land- und forstwirtschaftlichen Betrieb häufig in einen Einzelbetrieb und mehrere Gesellschaften aufgliedern, um den sich durch die Vorsteuerpauschalierung ergebenden Vorteil beibehalten zu können. Diese für den pauschalierenden Landwirt günstige Regelung kann in bestimmten Fällen zu Nachteilen führen, z.B. wenn größere Investitionen getätigt werden. In diesen Fällen würde einem pauschalierenden Landwirt der zu erwartende Vorsteuerüberhang nicht zugute kommen. Um diesen Nachteil zu vermeiden, hat der Gesetzgeber in § 24 Abs. 4 UStG die Möglichkeit eröffnet, die land- und forstwirtschaftlichen Umsätze der Regelbesteuerung zu unterwerfen. Nur wenn der Landwirt von dieser Optionsmöglichkeit Gebrauch gemacht hat, ist ihm nach der Konstruktion des Gesetzes der Abzug der betragsmäßig in Rechnung gestellten Umsatzsteuer als Vorsteuer möglich. Ein Hin- und Herspringen zwischen der Alternative im Sinne einer Rosinentheorie hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen. Dies ergibt sich bereits aus den Bindungsfristen, die der Gesetzgeber im Falle einer Option vorgesehen hat (vgl. § 24 Abs. 4 S. 2 ff UStG). Dementsprechend stellt das Gesetz in § 24 Abs. 1 Satz 6 UStG für den pauschalierenden Landwirt auch ausdrücklich klar, dass ein weiterer, d.h. über den § 24 Abs. 1 Satz 5 UStG hinausgehender Vorsteuerabzug nicht möglich ist. Ein Vorsteuerüberhang kann beim pauschalierenden Landwirt nicht entstehen (vgl. Plückebaum/Malitzky/Rinne, a.a.O., Tz. 3; Offerhaus/Söhn/Lange, a.a.O.).

10

Die Durchschnittsbesteuerung des UStG dient damit allein der Erleichterung der Erfüllung der umsatzsteuerlichen Pflichten der Land- und Forstwirte (Plückebaum/Malitzky/Rinne, a.a.O.) Durch die Pauschalierung bleibt der Vorsteuerabzug dem Grunde nach bestehen (Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, VII Rz. 211.1). Er wird nicht versagt. Die Pauschalierung ist vielmehr nur eine besondere, den Landwirt begünstigende Form der Festsetzung. Der Erinnerungsführerin ist als landwirtschaftlicher Unternehmer damit lediglich das Recht eingeräumt, die für sie günstigste Form der Umsatzsteuerfestsetzung zu wählen. Diese Möglichkeit geht jedoch nicht so weit, dass der Steuerpflichtige nach der Wahl der für ihn günstigsten Besteuerungsform auch noch die ihm günstigeren Bestandteile der Alternative der Besteuerung zugrunde legen kann. Hierfür bietet das Gesetz keine Grundlage.

11

Die Beratungs- und Vertretungsleistungen der Prozessbevollmächtigten stellt eine sonstige Leistung (§ 3 Abs. 9 UStG) für das Unternehmen der Erinnerungsführerin i.S.d. § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG dar. Die in Rechnung gestellte USt ist in der pauschalierten Vorsteuer nach Maßgabe des § 24 Abs. 1 UStG enthalten. Da die Erinnerungsführerin nicht optiert hat, ist davon auszugehen, dass die pauschalierte Vorsteuer höher als die tatsächlich insgesamt bei ihr angefallene Vorsteuer ist. Der ihr dadurch eingeräumte Vermögensvorteil dient dazu, alle ihr in Rechnung gestellten Vorsteuern abzudecken. Sie ist durch den Umstand, dass die ihr in Rechnung gestellte Umsatzsteuer in der Pauschalierung der Vorsteuer enthalten ist, wirtschaftlich nicht belastet. Damit handelt es sich nicht um Aufwendungen i.S.d. § 135 Abs. 1 FGO.

12

Der Senat hat diese Grundsätze bereits in dem den Beteiligten bekannten Beschluss vom 27. Oktober 1998 in dem Verfahren 5 KO 11/98 dargelegt. Die Argumentation der Erinnerungsführerin hat zu keinen neuen Erkenntnissen geführt und stellt keinen Grund für den Senat dar, von seiner Rechtsprechung abzuweichen.