Finanzgericht Niedersachsen
Beschl. v. 29.11.2000, Az.: 14 V 496/00
Anspruch auf Ratenzahlung der Kfz-Steuer bei einem Jahressteuerbetrag von weniger als 1000 DM
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 29.11.2000
- Aktenzeichen
- 14 V 496/00
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2000, 14438
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2000:1129.14V496.00.0A
Rechtsgrundlage
- § 11 Abs. 2 KraftStG
Fundstellen
- EFG 2001, 237-238 (Volltext mit red. LS)
- EFG 2001, 596-597 (Volltext mit red. LS)
Tatbestand
Die Antragstellerin ist Halterin eines PKW mit 1.977 ccm Hubraum. Das Fahrzeug wurde am 27. April 1984 erstmals zum Straßenverkehr zugelassen. Die Jahressteuer beträgt 832 DM. Mit Schreiben vom 27. Juni 2000 beantragte die Klägerin statt einer Einmalzahlung der im Juni 2000 fällig gewordenen Kraftfahrzeugsteuer eine halbjährige Zahlungsweise in analoger Anwendung der Vorschrift in § 11 Abs. 2 Kraftfahrzeugsteuergesetz KraftStG -. Der Antrag wurde im Juli 2000 abgelehnt. Der dagegen eingelegte als Einspruch gewertete Widerspruch wurde mit Einspruchsbescheid vom 28. Juli 2000 zurückgewiesen. Dagegen erhob die Antragstellerin Klage (Az. 14 K 483/00). Gleichzeitig stellte sie den vorliegenden Antrag auf einstweilige Anordnung.
Die Antragstellerin trägt vor, sie sei nicht in der Lage, nach Zahlung der Hälfte der Jahressteuer in Höhe von 416 DM die andere Hälfte in einer Summe zu zahlen. Eine Stillegung des Fahrzeugs sei aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zulässig. Eine Stillegung würde gegen den Gleichheitsgrundsatz, die Eigentumsgarantie, den Freiheitsgrundsatz und gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit verstoßen. Es sei nicht einzusehen, weshalb im Gegensatz zur Antragstellerin bei höheren Steuerschulden eine Zahlungserleichterung gewährt werde. Weiterhin sei nicht hinzunehmen, dass ab 1000 DM eine Erleichterung gewährt werde, aber bei einer minimalen Unterschreitung seit 1. Januar 2001 habe sie 992 DM Kraftfahrzeugsteuer zu zahlen dies nicht gelte. In den Fällen mit geringer Steuerlast seien häufig Bürger mit geringem Einkommen betroffen. Es sei deshalb diesen Bürgern in gleicher Art Zahlungsfristen einzuräumen, wie sie Bürgern mit höherer Steuerlast gewährt werden. Darüber hinaus sei nicht berücksichtigt worden, dass Halter von Altfahrzeugen wie die Antragstellerin durch die Erhöhung der Kraftfahrzeugsteuer massiv betroffen seien. Auch müsse beachtet werden, dass mit der Verpflichtung zur Zahlung in einer Summe das Ziel, neuere emissionsärmere Fahrzeuge zu kaufen, erschwert werde, weil die Mittel ein Jahr im voraus entzogen würden. Im Übrigen wird auf die Ausführungen in den Schriftsätzen der Antragstellerin vom 3. August 2000, 20. September 2000, 9. November 2000, 21. November 2000 und 24. November 2000 verwiesen.
Die Antragstellerin beantragt,
einstweilig anzuordnen, der Antragstellerin eine halbjährige Zahlung für die Kraftfahrzeugsteuer zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Er trägt vor, mit dem Antrag würde der Hauptsache vorgegriffen. Unter welchen Voraussetzungen eine halbjährige Zahlungsweise möglich sei, stehe in § 11 Abs. 2 KraftStG. Das Gesetz lasse insoweit eine halbjährige Zahlungsweise der Antragstellerin nicht zu.
Gründe
1.
Der Antrag wird als unbegründet zurückgewiesen, denn die Voraussetzungen des § 114 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sind nicht erfüllt. Es fehlt am Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund.
Die Antragstellerin begehrt eine Regelungsanordnung im Sinne des § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO. Erforderlich für eine einstweilige Anordnung gem. § 114 Abs. 1 Satz 2 Finanzgerichtsordnung ist, dass neben den allgemeinen Prozessvoraussetzungen die besonderen Voraussetzungen des § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO, Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund, dargelegt und glaubhaft gemacht sind (§ 114 Abs. 3 FGO, § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung). Es fehlt im vorliegenden Streitfall an einem Anordnungsanspruch und auch an einem Anordnungsgrund.
a.
Anordnungsanspruch ist in der Regel das materiell-rechtliche (künftige) Hauptsachebegehren; mit der einstweiligen Anordnung soll zum Zweck des vorläufigen Rechtsschutzes eine gerichtliche Zwischenregelung zur Wahrung des Rechtsfriedens bis zur endgültigen Entscheidung des Rechtsstreits erreicht werden (BFH-Beschluss vom 21. Dezember 1983 I B 81/82, BFHE 139, 501, 505, BStBl II 1984, 206; Beschluss vom. 11. September 1990 VII B 172/89, BFH/NV 1991, 541). Hauptsachebegehren in diesem Sinne ist im Streitfall das Begehren einer halbjährigen Zahlungsweise für die Entrichtung der Kraftfahrzeugsteuer. Der Senat lässt offen, ob die formellen Voraussetzungen für eine Änderung des Entrichtungszeitraumes gem. § 11 Abs. 2 Satz 3 KraftStG vorliegen. Die Antragstellerin kann jedenfalls einen Anspruch auf halbjährige Zahlungsweise nicht auf das KraftStG stützen. Die materiellen Voraussetzungen für eine halbjährige Zahlungsweise für die Entrichtung der Kraftfahrzeugsteuer gem. § 11 Abs. 2 Satz 1 KraftStG liegen nicht vor. Die Jahressteuer der Antragstellerin beträgt nicht gem. § 11 Abs. 2 Satz 1 KraftStG mehr als 1000 DM.
Die Vorschrift des § 11 Abs. 2 Satz 1 KraftStG verstößt auch nicht gegen das Grundgesetz (GG) (FG München, Urteil vom 22. April 1980 X 78/79 Kfz, EFG 1980, 465; FG München, Urteil vom 21. Dezember 1994 4 K 502/93, UVR 1995, 122; Strodthoff, Kraftfahrzeugsteuer Kommentar (Loseblatt), § 11 Tz. 2). Sie liegt innerhalb der dem Gesetzgeber zustehenden Gestaltungsfreiheit. Insbesondere verstößt die Verpflichtung zur Vorwegentrichtung der KraftSt in einer Summe nicht gegen Art. 14 GG und gegen die sich aus dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 GG) ergebende Verpflichtung des Staates, bei seiner Steuergesetzgebung auf die Belange der schwächeren Schichten der Bevölkerung Rücksicht zu nehmen (vgl. FG München, Urteil vom 22. April 1980 a.a.O.). Die Erhebung von Kraftfahrzeugsteuerbeträgen bis 1000 DM in einer Summe im voraus führt nicht zu einer derartigen wirtschaftlichen Schwächung der davon Betroffenen, dass generell ihre wirtschaftliche Lebensfähigkeit beeinträchtigt würde. Denn die Kraftfahrzeugsteuer ist im Verhältnis zu den sonstigen Kosten der Autohaltung (Anschaffungskosten, Betriebskosten, Versicherungen) gering (vgl. FG München, Urteil vom 22. April 1980 a.a.O.).
Eine Verletzung von Art. 3 GG ist ebenfalls nicht zu erkennen. Der Gesetzgeber war befugt, Steuerschuldnern mit höheren Kraftfahrzeugsteuern bei der Entrichtung Ratenzahlungen einzuräumen, da eine Einmalzahlung in diesen Fällen eine besondere Belastung darstellt. Insoweit kann daher nicht von einer willkürlichen Ungleichbehandlung gesprochen werden. Dass die Antragstellerin mit ihrer Steuerlast nur gering unterhalb der Grenze von 1000 DM liegt, ändert daran nichts. Der Gesetzgeber ist befugt, bei der Ordnung von Massenerscheinungen, wie hier bei der Besteuerung von Kraftfahrzeugen, Pauschalierungen vorzunehmen, um eine praktikable Rechtsanwendung zu ermöglichen (vgl. BFH-Urteil vom 24. Februar 2000 III R 59/98, BStBl II 2000, 273, 275 m.w.N.). Auch der mit den Erhöhungen der Kraftfahrzeugsteuer für Altfahrzeuge verfolgte Zweck der Umweltentlastung gebietet nicht zwingend eine Erleichterung der Zahlungsweise für Steuern unter 1000 DM. Da Alteigentümer durch die Höherbesteuerung gerade zur Anschaffung eines schadstoffärmeren Fahrzeugs veranlasst werden sollen, war es sachgerecht, den wirtschaftlichen Druck nicht durch Maßnahmen der Zahlungserleichterung abzuschwächen. Insoweit ist der durch Art. 3 und 14 GG begrenzte Gestaltungsspielraum nicht überschritten.
b.
Neben dem Anordnungsanspruch fehlt es auch am Anordnungsgrund. Erforderlich ist für die im Streitfall begehrte Regelungsanordnung gemäß § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO, dass die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder drohender Gefahr oder aus anderen Gründen nötig erscheint. "Andere Gründe" im Sinne des § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO sind nur solche, die ähnlich gewichtig und bedeutsam sind wie die ausdrücklich genannten Gründe (BFH-Beschluss vom 26. Januar 1983 I B 48/80, BStBl II 1983, 233, 236; Beschluss vom 14. Januar 1987 II B 102/86, BStBl II 1987, 269). Eine Regelungsanordnung darf nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich nur eine einstweilige Regelung enthalten und das Ergebnis des Hauptprozesses nicht vorwegnehmen oder diesem endgültig vorgreifen (BFH-Beschluss vom 22. August 1995 VII B 153, 154, 167, 172/95, BStBl II 1995, 645). Die von der Antragstellerin begehrte einstweilige Anordnung, eine halbjährige Zahlungsweise für die Entrichtung der Kraftfahrzeugsteuer zuzulassen, entspricht dem Begehren, das sie im Hauptsacheverfahren verfolgt. Würde dem Antrag auf Zulassung eine halbjährige Zahlungsweise für die Entrichtung der Kraftfahrzeugsteuer bereits im Wege der einstweiligen Anordnung stattgegeben, so würde die Hauptsacheklage gegenstandslos und das Interesse der Antragstellerin im Hauptsacheverfahren einseitig und endgültig vorweg befriedigt.
Ist gemäß § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO bereits für die Regelung eines bloß vorläufigen Zustandes hinsichtlich des Anordnungsanspruchs erforderlich, dass sie zur Verhinderung gravierender Nachteile für den Steuerpflichtigen nötig ist, so ist eine die Hauptsache vorwegnehmende Regelung allenfalls dann möglich und zulässig, wenn auf andere Weise ein effektiver Rechtsschutz nicht zu gewährleisten wäre und die Nachteile, die bei Ablehnung des Antrages entstünden, sich als besonders gravierend und nicht wieder gutzumachend darstellten (vgl. BFH-Beschluss vom 16. Januar 1974 II B 59/73, BFHE 111, 228, BStBl II 1974, 221; Beschluss vom 14. Januar 1987 a.a.O.; Beschluss vom 22. August 1995 VII B 153, 154, 167, 172/95, BStBl II 1995, 645).
Die Antragstellerin hat hier noch nicht einmal die Voraussetzungen für einen einfachen Anordnungsgrund substantiiert dargetan und durch präsente Beweismittel glaubhaft gemacht (BFH-Beschluss vom 6. Juni 1989 VII B 25/89, BFH/NV 1990, 77). Es ist nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin aufgrund ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht zur zeitgerechten Entrichtung der Kfz-Steuer in der Lage ist. Auch fehlt es an der Glaubhaftmachung, dass die wirtschaftliche Existenz der Antragstellerin im Fall einer Zwangsabmeldung des Pkw unmittelbar bedroht wäre (BFH-Beschluss v. 6. Juni 1989 a.a.O. 78). Da auch keine anderen Nachteile an Hand der Akten ersichtlich sind noch dargetan wurden, bleibt es bei dem Fehlen eines Anordnungsgrundes.
2.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.