Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 21.10.2011, Az.: 12 OA 156/11

Erstattungsfähigkeit von im Rahmen der gerichtsnahen Mediation anfallenden Kosten eines Rechtsanwaltes

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
21.10.2011
Aktenzeichen
12 OA 156/11
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2011, 26924
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2011:1021.12OA156.11.0A

Fundstellen

  • JurBüro 2012, 86-87
  • NVwZ-RR 2012, 87-88
  • NdsVBl 2012, 52-54
  • NordÖR 2012, 33-34
  • ZAP 2012, 498
  • ZAP EN-Nr. 304/2012

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Die im Rahmen der gerichtsnahen Mediation anfallenden Kosten des Rechtsanwaltes sind gemäß § 162 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 VwGO erstattungsfähig.

  2. 2.

    Die von seinem Prozessbevollmächtigten in Rechnung gestellte Umsatzsteuer ist auch bei einem pauschalierenden Landwirt erstattungsfähig, soweit die Erklärung nach § 104 Abs. 2 Satz 3 ZPO vorliegt (wie FG Nürnberg, Beschl. v. 12.1.2011 - 1 Ko 1790/10 -).

Gründe

1

Die Antragsteller wenden sich gegen den im Tenor bezeichneten Beschluss des Verwaltungsgerichts, mit dem dieses ihre Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 27. April 2011 zurückgewiesen hat. Das Verwaltungsgericht hatte zuvor - nachdem eine Mediation gescheitert war - mit Beschluss vom 14. März 2011 den Antrag der Antragsteller auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruches gegen eine dem Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung zurückgewiesen und diesen die Kosten des Verfahrens auferlegt. Mit dem angegriffenen Beschluss hatte die Urkundsbeamtin auf Antrag des Beigeladenen im Anschluss die von den Antragstellern an den Beigeladenen zu erstattenden Kosten auf 1.363,98,- EUR festgesetzt und dabei sowohl eine Terminsgebühr und Reisekosten für die Teilnahme an der Mediationsverhandlung als auch Umsatzsteuer berücksichtigt.

2

Mit ihrer Beschwerde rügen die Antragsteller - wie bereits erstinstanzlich -, die für die Durchführung der Mediationsverhandlung angefallene Terminsgebühr sowie die Reisekosten seien nicht erstattungsfähig. Bei der Mediation handele es sich um ein freiwilliges Verfahren, so dass die damit verbundenen Kosten nicht als "notwendige" Kosten i.S.d. § 162 VwGO angesehen werden könnten. Auch die Umsatzsteuer sei ausweislich einer Entscheidung des Niedersächsischen Finanzgerichtes bei pauschalierenden Landwirten wie dem Beigeladenen nicht berücksichtigungsfähig.

3

II.

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.

4

Das Verwaltungsgericht hat die Erinnerung der Antragsteller zu Recht zurückgewiesen. Auch nach Auffassung des Senates war es rechtmäßig, sowohl die Terminsgebühr und die Reisekosten als auch die Umsatzsteuer bei der Ermittlung der dem Beigeladenen zu erstattenden Kosten zu berücksichtigen.

5

Anders als die Antragsteller meinen, sind die im Rahmen der gerichtlichen oder gerichtsnahen Mediation anfallenden Kosten erstattungsfähig (vgl. die vom Verwaltungsgericht bereits genannten Entscheidungen des OVG Meckl.-Vorp., Beschl. v. 6.6.2006 - 1 O 51/06 -, NordÖR 2006, 299 [OVG Mecklenburg-Vorpommern 06.06.2006 - 1 O 51/06] und des Hess. VGH, Beschl. v. 22.11.2007 - 1 TJ 2287/07 - ZKM 2008, 61; zu der § 161 VwGO insoweit vergleichbaren Regelung des § 91 ZPO: OLG Celle, Beschl. v. 5.12.2008 - 2 W 261/08 -, NJW 2009, 1219; OLG Rostock, Beschl. v. 5.1.2007 - 8 W 67/06 -, [...], jeweils m.w.N.). Der Einwand, sie seien nicht "notwendig" i.S.d. § 162 Abs. 1 VwGO, überzeugt nicht. Die Antragsteller verkennen bei ihrer Argumentation, dass gemäߧ 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts stets erstattungsfähig sind. Etwas anderes gilt, wenn die Gebühren schon nach der anwaltlichen Gebührenordnung nicht verlangt werden können. Dass für die Teilnahme eines Rechtsanwaltes an einer Mediationssitzung bei Gericht - jedenfalls gegenüber dem eigenen Mandanten - die Terminsgebühr nach dem Vergütungsverzeichnis (VV) Nr. 3104 in Verbindung mit Vorbemerkung (Vorbem.) 3 Abs. 3 der Anlage 1 zum RVG entsteht und auch die geltend gemachten Reisekosten abgerechnet werden können, hat das Verwaltungsgericht in dem angegriffenen Beschluss überzeugend begründet und wird von den Antragstellern auch nicht in Frage gestellt. Anders als die Antragsteller offenbar meinen, setzt eine Erstattungsfähigkeit der Kosten nach § 162 VwGO nicht voraus, dass die Gebühren unmittelbar durch das gerichtliche Verfahren selbst ausgelöst wurden. Gemäß VV Nr. 3104 in Verbindung mit Vorbem. 3 Abs. 3 der Anlage 1 zum RVG entsteht eine - nach der Rechtsprechung auch erstattungsfähige - Terminsgebühr vielmehr auch für die Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen ohne Beteiligung des Gerichtes (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 25.10.2006 - 8 OA 119/06 -, NVwZ-RR 2007, 215 = AnwBl 2007, 156 [OVG Niedersachsen 25.10.2006 - 8 OA 119/06]). Dieses Ergebnis erscheint vor dem Hintergrund, dass die gerichtsnahe Mediation auch im Übrigen gebührenrechtlich als "dieselbe Angelegenheit" i.S.d. § 16 RVG wie das zugrundeliegende gerichtliche Verfahren oder jedenfalls als "Tätigkeiten, die mit dem Verfahren zusammenhängen" i.S.d. § 19 RVG gewertet wird (vgl. OLG Rostock, a.a.O.; OLG Celle, a.a.O.; OLG Braunschweig, Beschl. v. 7.11. 2006 - 2 W 155/06 -, AnwBl 2007, 88; Gerold/Schmidt, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 19. Auflage, § 19 Rn. 34 und Vorb. 3 VV Rn. 147) auch sachgerecht. Kommt es nach einem (gescheiterten) Mediationstermin im weiteren Verfahren daher zu einer mündlichen Verhandlung oder einem Erörterungstermin, kann dafür nicht erneut eine Terminsgebühr angesetzt werden (vgl. Gerold/Schmidt, a.a.O., Rn. 147 m.w.N.; OLG Rostock, a.a.O.; OLG Braunschweig, a.a.O.). Angesichts dessen werden in der Regel durch die Mediation keine zusätzlichen Gebühren, sondern allenfalls Reisekosten etc. anfallen. Dabei kann offenbleiben, ob die Mediation wie ein Gütetermin gemäß § 278 Abs. 2 ZPO und damit als Bestandteil des gerichtlichen Verfahrens behandelt wird (so: OLG Rostock, a.a.O.; fernerOLG Hamm, Beschl. v. 29.12.2005 - 23 W 246/05 -, NJW 2006, 2499). Selbst wenn man dies verneint und kostenrechtlich von einer außergerichtlichen Tätigkeit ausgeht (so: OLG Braunschweig, a.a.O.) so wäre diese jedenfalls dem gleichen Rechtszug i.S.d. § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 RVG zuzuordnen und ein doppeltes Anfallen von Gebühren deshalb auch dann nicht zu besorgen (vgl. Gerold/Schmidt, a.a.O., Vorb. 3 VV Rn. 147). Zwar trifft es zu, dass die Antragsteller im vorliegenden (Eil-)Verfahren, in denen weder eine mündliche Verhandlung vorgesehen ist noch ein Erörterungstermin durchgeführt wurde, mit einer Terminsgebühr belastet werden, die ohne die Mediation nicht angefallen wäre. Dies erscheint jedoch nicht unbillig. Das schon vom Verwaltungsgericht zitierte OVG Mecklenburg-Vorpommern (Beschl. v. 6.6.2006 -1 O 51/06 -, NordÖR 2006, 299 [OVG Mecklenburg-Vorpommern 06.06.2006 - 1 O 51/06]) weist insoweit nämlich zutreffend darauf hin, dass sich ein Mediationstermin im Eilverfahren mit dem Ziel einer gütlichen Einigung gebührenrechtlich nicht von einem durch den Berichterstatter anberaumten Erörterungstermin unterscheide und ein solcher Erörterungstermin noch nicht einmal das Einvernehmen der Beteiligten voraussetze (vgl. § 87 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VwGO).

6

Ebenso bestehen keine Bedenken gegen die Berücksichtigung der Umsatzsteuer bei der Ermittlung der zu erstattenden Kosten. Der Senat verweist insoweit - wie bereits das Verwaltungsgericht - auf die Entscheidung des Finanzgerichtes Nürnberg (Beschl. v. 12.1.2011 - 1 Ko 1790/10 -). Dieses hat ausführlich - auch unter Auseinandersetzung mit der von den Antragstellern zitierten Entscheidung des Nds. Finanzgerichtes (Beschl. v. 23.11.2000 - 5 Ko 14/00 -, NJW-RR 2001, 934 [FG Niedersachsen 23.11.2000 - 5 Ko 14/00]) - begründet, warum auch bei einem pauschalierenden Landwirt die von seinem Prozessbevollmächtigten in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als erstattungsfähig zu betrachten ist, soweit eine Erklärung nach § 104 Abs. 2 Satz 3 ZPO vorliegt. Insbesondere vor dem Hintergrund der vom Gesetzgeber durch die Regelung des § 104 Abs. 2 Satz 3 ZPO angestrebten Klärung ist diese Auffassung auch aus Sicht des Senates vorzugswürdig. Der Gesetzgeber hat sich mit dieser Norm bewusst dafür entschieden, dass das Verfahren der Kostenfestsetzung nicht mit schwierigen und kontroversen Fragen des materiellen Umsatzsteuerrechts belastet werden soll (vgl. dazu BVerfG, 1. Senat, 1. Kammer, Beschl. v. 17.2.1995 - 1 BvR 697/93 -, NJW 1996, 382).