Finanzgericht Niedersachsen
Beschl. v. 08.05.2012, Az.: 3 KO 1/12

Erstattungsfähigkeit der vom Prozessbevollmächtigten in Rechnung gestellten Umsatzsteuer bei einem die Umsatzsteuer pauschalierenden Landwirt

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
08.05.2012
Aktenzeichen
3 KO 1/12
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2012, 18691
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2012:0508.3KO1.12.0A

Fundstelle

  • EFG 2012, 1881-1883

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Die einem die Umsatzsteuer pauschalierenden Landwirt (nach § 24 Abs. 1 UStG) von seinem Prozessbevollmächtigten in Rechnung gestellte Umsatzsteuer ist nicht nach § 139 Abs. 3 Satz 1 FGO erstattungsfähig, soweit sie die Ermittlung des Gewinns betreffen und damit dem unternehmerischen Bereich zuzuordnen sind.

  2. 2.

    Die Verfahrensgebühr ist auch dann hälftig um die Geschäftsgebühr zu mindern, wenn der spätere Prozessbevollmächtigte im Vorverfahren als selbständige Honorarkraft eines anderen Verfahrensbevollmächtigten tätig geworden ist.

Tenor:

Unter Änderung des Beschlusses vom 28. Dezember 2011 werden die an den Erinnerungsführer zu 2) zu erstattenden Kosten ohne Berücksichtigung der ihm von seinem Prozessbevollmächtigten in Rechnung gestellte Umsatzsteuer festgesetzt.

Die Erinnerung des Erinnerungsführers zu 2) wird zurückgewiesen.

Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten über die Erstattungsfähigkeit der dem Antragsteller von seinem Prozessbevollmächtigten in Rechnung gestellten Umsatzsteuer sowie um die Anrechnung der Geschäfts- auf die Verfahrensgebühr.

2

Der Antragsteller wandte sich im Zusammenhang mit der Bildung einer Rücklage nach § 7g des Einkommensteuergesetzes (im Folgenden: EStG) mit Einspruch gegen die Bescheide über Einkommensteuer für die Jahre 1999 bis 2001. Vertreten wurde er durch die W.KG, für die Herr StB/Wp Z. als selbständige Honorarkraft mit der Bearbeitung des Verfahrens tätig wurde. Nach erfolglosem Abschluss des Vorverfahrens erhob er im November 2005 Klage wegen der Einkommensteuer 1999 bis 2001. Im Klageverfahren wurde der Antragsteller von Herrn StB/Wp Z. selbst als Prozessbevollmächtigtem vertreten.

3

Die Klage wurde durch Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 28. August 2008 (3 K 497/05, [...]) auf Kosten des Antragstellers abgewiesen. Auf die Beschwerde des Antragstellers ließ der Bundesfinanzhof die Revision gegen das Urteil zu, die im Hinblick auf das Jahr 1999 unzulässig und im Hinblick auf die Jahre 2000 und 2001 erfolgreich war (Urteil vom 30. Juni 2011 - IV R 30/09, BFH/NV 2011, 2054).

4

Der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers beantragte mit Schreiben vom 3. November 2011 die Kostenfestsetzung und begehrte insbesondere die Erstattung der für das Finanzgerichtsverfahren angefallenen Umsatzsteuer, die der Antragsteller als pauschalierender Landwirt nicht als Vorsteuer abziehen könne. Die Umsatzsteuer sei im Übrigen auch deshalb erstattungsfähig, weil das Finanzstreitverfahren die Einkommensteuer betroffen habe und daher wegen § 15 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (im Folgenden: UStG) ein Vorsteuerabzug nicht möglich sei.

5

Der Antragsgegner trat dem mit Schreiben vom 23. November 2011 entgegen. Die Umsatzsteuer sei bei den Prozesskosten eines pauschalierenden Landwirts nicht erstattungsfähig. Der Vorsteuerabzug bleibe durch die Pauschalierung gemäß § 24 Abs. 1 Satz 3 UStG dem Grunde nach bestehen mit der Folge, dass die in Rechnung gestellten Umsatzsteuern des Prozessbevollmächtigten in der pauschalierten Vorsteuer enthalten seien und somit keine erstattungsfähigen Kosten i.S.d. § 139 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (im Folgenden: FGO) darstellten. Auch wenn der Rechtsstreit sich auf die Einkommensteuer bezogen habe, so sei er doch ausschließlich wegen betrieblich veranlasster Aufwendungen geführt worden und der Abzug von Vorsteuer daher nicht ausgeschlossen.

6

Durch Beschluss des Kostenbeamten wurden die von dem Antragsgegner an den Antragsteller zu erstattenden Kosten auf 6.817,10 € festgesetzt.

7

Dabei legte er folgende Aufwendungen zugrunde:

8
Geschäftsgebühr957,75 €
§§ 40, 41 Abs. 1 - 6 StBGebV
9
Entgelte f. Post-/Telekommunikationsdienstleistungen20,00 €
§ 16 StBGebV
10
16 v. H. Umsatzsteuer156,44 €
§ 15 StBGebV
11
Verfahrensgebühr1.564,33 €
§ 13 RVG, Nr. 3200, 3201, 1008 VV RVG
12
Termingebühr1.532,40 €
§ 13 RVG, Nr. 3202 VV RVG
13
Pauschale f. Entgelte f. Post-/Telekommunikationsdienstl.20,00 €
§ 13 RVG, Nr. 7002 VV RVG
14
19 v. H. Umsatzsteuer592,18 €
§ 13 RVG, Nr. 7008 VV RVG
15
Verfahrensgebühr Nichtzulassungsbeschwerde2.043,20 €
§ 13 RVG, Nr. 3506 VV RVG
16
Pauschale f. Entgelte f. Post-/Telekommunikationsdienstl.20,00 €
§ 13 RVG, Nr. 7002 VV RVG
17
19 v. H. Umsatzsteuer392,01 €
§ 13 RVG, Nr. 7008 VV RVG
18
Termingebühr Revision1.915,50 €
§ 13 RVG, Nr. 3210 VV RVG
19
Pauschale f. Entgelte f. Post-/Telekommunikationsdienstl20,00 €
§ 13 RVG, Nr. 7002 VV RVG
20
19 v. H. Umsatzsteuer367,75 €
§ 13 RVG, Nr. 7008 VV RVG
21
Zusammen9.601,55 €
22
davon zu Lasten des Erinnerungsgegners (71 v. H.)6.817,10 €
23

Darin führte aus, die Umsatzsteuer sei erstattungsfähig. Sie könne vom Antragsteller nicht als Vorsteuer abgezogen werden, da die Beträge nach seiner Erklärung nicht als Vorsteuer zum Abzug gebracht werden könnten. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass die Geschäftsgebühr gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV-RVG zur Hälfte, jedoch höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75 auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet worden sei, weil der Prozessbevollmächtigte die Angelegenheit zunächst außergerichtlich und anschließend gerichtlich betrieben habe.

24

Mit Schreiben vom 6. Januar 2012 hat der Antragsgegner hiergegen Erinnerung eingelegt und beantragt,

den Festsetzungsbeschluss dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer nicht erstattungsfähig ist und die zu erstattenden Kosten i.H.v. 5.746,16 € festgesetzt werden.

25

Mit Schreiben vom 16. Januar 2012 hat auch der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss eingelegt und sich gegen die hälftige Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr gewandt. Der Antragsteller sei im Vorverfahren nicht von ihm, sondern von einem anderen Verfahrensbevollmächtigten vertreten worden. Außerdem seien die Einspruchsgebühren noch nach altem Recht gem. §§ 40, 41 StGebV entstanden und dürften deshalb nicht auf die Gebühren nach der neuen Rechtslage angerechnet werden.

II.

26

1.

Die Erinnerung des Erinnerungsführers zu 1) ist begründet. Die dem Antragsteller von seinem Prozessbevollmächtigten in Rechnung gestellte Umsatzsteuer ist nicht erstattungsfähig.

27

a)

Zu den Kosten des finanzgerichtlichen Verfahrens zählen neben den Gerichtskosten die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens (§ 139 Abs. 1 FGO). Gemäß § 139 Abs. 3 Satz 1 FGO sind die gesetzlich vorgesehenen Gebühren und Auslagen eines Bevollmächtigten oder Beistandes, der nach den Vorschriften des StBerG zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist, sind stets erstattungsfähig (§ 139 Abs. 3 Satz 1 FGO). Zu diesen Auslagen gehört auch die auf die Vergütung des Prozessbevollmächtigten entfallende Umsatzsteuer, die dieser nach Nr. 7008 VV in voller Höhe beanspruchen kann, sofern die Umsatzsteuer nicht nach § 19 Abs. 1 UStG unerhoben bleibt (BFH-Beschluss vom 6. März 1990 VII E 9/89, BFHE 160, 133, BStBl II 1990, 584).

28

Soweit die Umsatzsteuer allerdings als Vorsteuer abziehbar ist, stellt die vom Prozessbevollmächtigten in Rechnung gestellte Umsatzsteuer für den betreffenden Beteiligten keinen Aufwand dar, mit der Folge, dass sie nicht gemäß § 139 Abs. 1 FGO erstattungsfähig ist. Daraus folgt umgekehrt, dass die obsiegende Partei vom Prozessgegner nur insoweit die Erstattung Umsatzsteuer verlangen kann, als sie nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.

29

Nach dem Beschluss des Niedersächsischen FG vom 23. November 2000 (5 KO 14/00, EFG 2001, 307) ist die Umsatzsteuer, die ein pauschalierender Landwirt bei den Kosten für einen Prozess im Hinblick auf eine umsatzsteuerliche Streitfrage trägt, nicht erstattungsfähig. Der Vorsteuerabzug bleibt bei diesen durch die Pauschalierung nach § 24 Abs. 1 Satz 3 UStG dem Grunde nach bestehen mit der Folge, dass die in Rechnung gestellten Umsatzsteuern des Prozessbevollmächtigten in der pauschalierten Vorsteuer gem. § 24 Abs. 1 UStG enthalten sind und somit keine erstattungsfähigen Kosten im Sinne des § 139 Abs. 1 FGO darstellen.

30

Nach dem Beschluss des FG Köln (vom 8. Dezember 2008 - 10 Ko 1355/08, EFG 2009, 515[FG Köln 08.12.2008 - 10 Ko 1355/08]) gelten die Ausführungen des Niedersächsischen FG nur bei Prozesskosten im Zusammenhang mit Betriebsteuern. Soweit die Umsatzsteuer aber auf Beratungsleistungen entfällt, die wegen eines Klageverfahrens mit Bezug zur Einkommensteuer entstehen, könnten diese Leistungen nicht als "für das Unternehmen" qualifiziert werden. Sie seien dann, obwohl der pauschalierende Landwirt dem Grunde nach vorsteuerberechtigt sei, gar nicht von der Pauschalierung nach § 24 Abs. 1 UStG umfasst und deshalb erstattungsfähig.

31

Der BFH knüpft jedoch für die Einordnung von Aufwendungen für Beratungsleistungen zum unternehmerischen oder außerunternehmerischen Bereich daran an, ob die Aufwendungen auf die Ermittlung des Gewinns entfallen oder ob sie für die Erstellung der Einkommensteuererklärung in Rechnung gestellt werden (BFH, Urteile vom 13. Juli 1994 - XI R 55/93, BStBl. II 1994, 907 und vom 8. September 2010 - XI R 31/08, BStBl. II 2011, 197).

32

b)

Im Streitfall ging es in dem Rechtsstreit um die Bildung einer Rücklage nach § 7g EStG und damit um eine Frage der Gewinnermittlung. Es handelt sich damit bei den in diesem Zusammenhang entstandenen Beratungskosten um betrieblich veranlasste Aufwendungen, die dem unternehmerischen Bereich zuzuordnen sind und grundsätzlich zum Vorsteuerabzug berechtigen. Entsprechend dieser Unterscheidung ist die streitgegenständliche Umsatzsteuer dem Grunde nach als Vorsteuer nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG abziehbar, aber von der Pauschalierung nach § 24 Abs. 1 Satz 3 UStG abgegolten. Sie darf deshalb nicht noch einmal im Rahmen der Kostenerstattung berücksichtigt werden.

33

2.

Die Erinnerung des Erinnerungsführers zu 2) ist unbegründet. Die Verfahrensgebühr (Nr. 3100 RVG-VV) ist hälftig um die Geschäftsgebühr zu mindern.

34

a)

Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Teil 3 RVG-VV bestimmt, dass soweit wegen desselben Gegenstands eine Geschäftsgebühr nach den Nummern 2300 bis 2303 entsteht, diese Gebühr zur Hälfte, jedoch höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75, auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet wird.

35

Zweck der Anrechnungsvorschrift ist es, zu verhindern, dass die gleiche oder annähernd gleiche Tätigkeit zweimal honoriert wird, wenn die Angelegenheit zunächst als außergerichtliche und später als gerichtliche betrieben wird, während sie nur einmal honoriert worden wäre, wenn die Angelegenheit sofort vor das Gericht gebracht worden wäre (Gerold/Schmidt/Madert, RVG 18. Auflage 2008, VV 2300, 2301, Rz. 40; Hartmann, Kostengesetze, 39. Auflage 2009, Vorbemerkung zum 3. Teil VV RVG, VV 3100, Rz. 56; Niedersächsisches FG, Beschluss vom 6. Juli 2010 - 3 KO 6/10, [...]).

36

Die Anrechnungsregelung soll nach der Rechtsprechung nicht zur Anwendung kommen, wenn der Antragsteller vorprozessual und innerprozessual jeweils durch verschiedene Bevollmächtigte vertreten wurde (vgl. FG Köln, Urteil vom 30. Juli 2009 - 10 Ko 1450/09, EFG 2009, 1857). Eine Kürzung der Verfahrensgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren kommt dabei nur dann in Betracht, wenn im Innenverhältnis zwischen Rechtsanwalt (bzw. Steuerberater) und Mandant eine Anrechnung zu erfolgen hat. Entscheidend für die Anrechnung und damit für die von selbst einsetzende Kürzung der Verfahrensgebühr ist nämlich, ob der Rechtsanwalt zum Zeitpunkt des Entstehens der Verfahrensgebühr schon einen Anspruch auf eine Geschäftsgebühr aus seinem vorprozessualen Tätigwerden erlangt hat. Hat der erstmals im Verfahren tätige Anwalt bzw. Steuerberater eine solche Gebühr nicht verdient, so scheidet eine Anrechnung aus. Die von einem anderen, vorprozessual tätigen Anwalt verdiente Gebühr muss sich der prozessual tätige Anwalt nicht anrechnen lassen (BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2009 - VII ZB 41/09, [...]).

37

b)

Stellt man auf das Innenverhältnis zwischen Prozessbevollmächtigtem und Mandanten ab, so kommt im Streitfall eine Anrechnung der Geschäfts- auf die Verfahrensgebühr nicht in Betracht. Denn im Vorverfahren war der Prozessbevollmächtigte jedenfalls nicht unmittelbar beauftragt. Dieser fungierte nur als mittelbar tätiger Unterbeauftragter der W.KG Erst im Klageverfahren wurde der Prozessbevollmächtigte selbst unabhängig von der W.KG tätig und rechnete dementsprechend gegenüber dem Antragsteller die Verfahrensgebühr ohne Anrechnung einer Geschäftsgebühr ab. Es kann jedoch nach Auffassung des Gerichts nicht darauf ankommen, wer die Gebühr letztlich dem Antragsteller gegenüber abgerechnet hat. Auch im Vorverfahren wurde das Honorar des Prozessbevollmächtigten durch die W.KG letztlich dem Antragsteller in Rechnung gestellt. Maßgeblich ist vielmehr der Zweck der Anrechnungsregelung, wonach es verhindert werden soll, dass die gleiche oder annähernd gleiche Tätigkeit zweimal honoriert wird. Dieser Zweck würde verfehlt, stellte man nicht auf den Tätigwerdenden, sondern auf die Abrechnungsstelle ab. Die im Streitfall gewählte Gestaltung böte dann die einfache Möglichkeit, die Anrechnungsregelung zu umgehen.

38

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 66 Abs. 8 des Gerichtskostengesetzes.