Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 30.11.2000, Az.: 5 K 80/97
Abzugsfähigkeit von Reparaturaufwendungen, die im Rahmen eines Wirtschaftsüberlassungsvertrages vom Wirtschaftsübernehmer erbracht wurden, als Sonderausgaben
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 30.11.2000
- Aktenzeichen
- 5 K 80/97
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2000, 21997
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2000:1130.5K80.97.0A
Rechtsgrundlage
- § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG
Fundstellen
- DStRE 2001, 854-856 (Volltext mit amtl. LS)
- ZEV 2002, 83
Tatbestand
Streitig ist, ob Reparaturaufwendungen, die im Rahmen eines Wirtschaftsüberlassungsvertrages vom Wirtschaftsübernehmer erbracht wurden, abzugsfähig sind.
Die Kläger werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist Landwirt. Im Juni 1983 schloß er mit seiner Mutter einen Wirtschaftsüberlassungsvertrag. In diesem war in § 3 geregelt, dass die Wirtschaftsüberlassung zunächst bis zum 30. Juni 1992 erfolgen und sich anschließend stillschweigend jeweils um ein Jahr verlängern sollte, wenn nicht zuvor die Kündigung erfolgt.
Als Gegenleistung für die Wirtschaftsüberlassung war in § 4 des Vertrages vereinbart, dass der Kläger als Wirtschaftsübernehmer die "gewöhnlichen Ausbesserungen"an den Wohn- u. Wirtschaftsgebäuden zu tragen habe. Im Juli 1992 wurde dieser Teil des Vertrages dahingehend geändert, dass sämtliche Reparaturarbeiten durch den Wirtschaftsübernehmer zu tragen sind.
Im Wirtschaftsjahr 1992/1993 machte der Kläger Renovierungsarbeiten am vermieteten Wohngebäude in Höhe von 46.000,00 DM und Aufwendungen für Maurerarbeiten am Kälberstall in Höhe von 14.000,00 DM steuerlich geltend.
Der Beklagte versagte den Abzug dieser Aufwendungen mit der Begründung, dass es sich bei den genannten Reparaturen nicht um gewöhnliche Ausbesserungen gehandelt habe. Die nachträgliche Vereinbarung vom Juli 1992 erkannte der Beklagte nicht an, weil für diese Vertragsänderung seiner Auffassung nach keine wirtschaftlichen Gründe maßgebend waren.
Hiergegen wenden sich die Kläger. Sie tragen vor, man sei sich bereits bei Abschluß des Vertrages darüber einig gewesen, dass sämtliche Reparaturaufwendungen durch den Wirtschaftsübernehmer getragen werden sollten. So sei in der Folgezeit auch verfahren worden; in den Wirtschaftsjahren von 1983 - 1989 seien regelmäßig Aufwendungen in Höhe von ca. 70.000,00 DM jährlich von den Klägern getragen worden. Diese Beträge hätten von der Wirtschaftsüberlasserin aufgrund der geringen Einnahmen (Barpacht: ca. 20.000,00 DM jährlich) auch gar nicht erbracht werden können. Im übrigen habe der Beklagte die Aufwendungen in den Vorjahren stets anerkannt.
In dem Nachtrag vom Juli 1992 hätten die Vertragsparteien nur klargestellt, was von Anfang an gewollt gewesen sei. Jedenfalls sei mit der Nachtragsvereinbarung nachgewiesen, dass der Kläger und Wirtschaftsübernehmer ab dem Juli 1992 zur Übernahme sämtlicher Aufwendungen verpflichtet gewesen sei.
Die Kläger beantragen,
den Beklagten zu verpflichten, den Gewinn des Wirtschaftsjahres 1992/93 auf 97.696,45 DM herabzusetzen und die Einkommensteuer 1992 auf 17.230,00 DM und 1993 auf 15.240,00 DM festzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt vor, dass bei einem Wirtschaftsüberlassungsvertrag die gegenseitigen Verpflichtungen bereits im Ursprungsvertrag festgelegt sein müssten.
Im Ursprungsvertrag sei lediglich die Vornahme "gewöhnlicher Ausbesserungen" vorgesehen. Die streitbefangene Grundrenovierung des Mietgebäudes und des Kälberstalles stellten außergewöhnliche Maßnahmen dar, für welche der Wirtschaftsübergeber als Eigentümer aufzukommen habe.
Die nachträgliche Vereinbarung vom Juli 1992 sei insoweit ohne Bedeutung. Abzustellen sei ausschließlich auf die Pflichten im ursprünglichen Wirtschaftsüberlassungsvertrag; nachträglichübernommene Pflichten begründeten steuerlich nicht abziehbare Zuwendung an Angehörige.
Das Gericht hat durch Vernehmung der Wirtschaftsübergeberin C. (Mutter des Klägers) als Zeugin und durch Parteivernehmung des Klägers Beweis erhoben über die Vorstellungen der Vertragsparteiein beim Abschluß des Wirtschaftsüberlassungsvertrages vom 20. Juli 1983 und dessen tatsächlicher Durchführung. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 30. November 2000 Bezug genommen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Finanzgerichtsakte Bezug genommen. Dem Gericht haben die Steuerakten der Kläger zu Steuernummer ... vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Die geltend gemachten Aufwendungen für die Renovierung des Mietgebäudes und des Kälberstalles sind wegen § 12 Nr. 2 EStG nicht als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG (dauernde Lasten) abzugsfähig.
Wie bei der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen handelt es sich beim Wirtschaftsüberlassungsvertrag um einen familienrechtlichen Vertragstypus mit erbrechtlichem Bezug, dem in aller Regel die Vermögensübertragung in Vorwegnahme der künftigen Erbregelung folgt. Im vorliegenden Fall war der Kläger als Hoferbe vorgesehen (§ 7 des Wirtschaftsüberlassungsvertrages). Insoweit gelten die Erwägungen des großen Senats zur Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistung entsprechend (BFH, Urteil vom 18. Februar 1993 - IV R 106/92 -, BStBl II 1993, 546 unter Bezugnahme auf den Beschluß des Großen Senats des BFH vom 15. Juli 1991 GrS 1/90, BStBl II 1992, 78).
Der große Senat des BFH hat entschieden, dass Versorgungsleistungen, die anläßlich der Übertragung von Vermögen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge vom Übernehmer des Vermögens zugesagt werden, sich durch ihre Charakterisierung als vorbehaltene Vermögenserträge von Unterhaltsleistungen im Sinne von§ 12 EStG unterscheiden. Hieraus folgt im Gegenschluß, dass es für freiwillig zugesagte Versorgungsleistungen außerhalb der Vermögensübertragungsvertrages keinen rechtlichen Grund für eine einschränkende Anwendung des § 12 EStG gibt. Soweit wiederkehrende Leistungen ohne Bezug zu einem vom Versprechensempfänger dafür erhaltenen Vermögenswert gewährt werden, sind sie als Zuwendungen aufgrund einer freiwillig begründeten Rechtspflicht i.S. von§ 12 Nr. 2 EStG nicht abziehbar (BFH, Urteil vom 14. Dezember 1994 X R 1-2/90, BStBl II 1996, 680 unter Bezugnahme auf die Beschlüsse des Großen Senats vom 5 Juli 1990 GrS 4-6/89, BStBl II 1990, 847).
Die Aufwendungen für die Renovierung des Mietgebäudes und des Kälberstalles haben die Kläger nicht aufgrund des Wirtschaftsüberlassungsvertrages, sondern aufgrund einer freiwilligübernommenen Rechtspflicht zu tragen.
Nach § 4 des Wirtschaftsüberlassungsvertrages vom 20. Juni 1983 war der Kläger lediglich verpflichtet, die gewöhnlichen Ausbesserungen an den Wohn- und Wirtschaftsgebäuden zuübernehmen.
Die streitbefangenen Renovierungsarbeiten in Höhe von insgesamt ca. 60.000,00 DM übersteigen den Umfang und das Ausmaß von gewöhnlichen Ausbesserungen.
Ausweislich der eingereichten Rechnungen und der Erklärungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung hat dieser das frühere Landarbeiterhaus umfassend renoviert, um es vermieten zu können. Das Bad wurde komplett erneuert, Innenausbauarbeiten wurden vor-genommen, Elektroleitungen neu verlegt, etc.. Die diesbezüglichen Aufwendungen in Höhe von ca. 46.000,00 DM sind als Gebäudeherstellungskosten bzw. Erhaltungsaufwand typischerweise vom Eigentümer (Wirtschaftsübergeber) zu tragen.
Daneben hat der Kläger den Kälberstall mit einer Trapezverkleidung aus Aluminium versehen. Diese Maßnahme war nach Auskunft des Klägers erforderlich geworden, nachdem das Mauerwerk des Fachwerkgebäudes insgesamt brüchig geworden war. Diese neue"Verkleidung" des Gebäudes ist ebenfalls keine gewöhnliche Ausbesserung. Vielmehr wird mit dieser Maßnahme langfristig sichergestellt, dass das Gebäude weiterhin als Kälberstall genutzt werden kann; die Vornahme solch außergewöhnlicher "die Nutzung der Gebäude verlängernder Maßnahmen " obliegt grundsätzlich dem Wirtschaftsübergeber als Eigentümer der Gebäude.
Der Einwand des Klägers, er und seine Mutter hätten sich seinerzeit - abweichend von § 4 des Wirtschaftsüberlassungsvertrages - dahingehend geeinigt, dass"sämtliche" Reparaturen von ihm als Wirtschaftsübernehmer getragen werden sollten, konnte in der mündlichen Verhandlung nicht nachgewiesen werden.
Zwar hat der Kläger im Rahmen seiner Vernehmung als Partei ausgeführt, dass sowohl er als auch sein Vater (als Vertreter der Mutter und Eigentümerin) bei Abschluß des ursprünglichen Wirtschaftsüberlassungsvertrages davon ausgegangen seien, dass er (der Kläger) alle Baumaßnahmen bezahlen sollte. Diese Aussage des Klägers wurde von der Zeugin ... jedoch nicht bestätigt. Zwar meinte diese zunächst, sich erinnern zu können, dass ihr Sohn aufgrund des ursprünglichen Vertrages "alles, was zu tun war, auch machen sollte". Anschließend hat sie jedoch ausgesagt, dass sie zu den streitbefangenen Vorgängen eigentlich gar nichts sagen könne, weil ihr Mann alles gemacht habe und sie nur die von ihrem Mann vorgelegten Verträge unterschrieben habe. Die Aussage der Zeugin deckt sich insofern mit der des Klägers als auch dieser bekundet hat, dass er die vertraglichen Vereinbarungen damals ausschließlich mit dem (inzwischen verstorbenen) Vater geführt habe.
Festzuhalten bleibt damit, dass die Behauptung des Klägers, er sei bereits mit Abschluß des ursprünglichen Wirtschaftsüberlassungsvertrages zur Übernahme sämtlicher Reparaturen verpflichtet gewesen, nicht nachgewiesen werden konnte. Insofern hätte es schon einer schlüssigen und nachvollziehbaren Aussagebeider Vertragsparteien bedurft. Denn der abweichende Wortlaut in § 4 ("gewöhnliche Ausbesserungen") ist klar und eindeutig gefaßt; er beinhaltet zudem einen Terminus, der auch für einen rechtlichen Laien verständlich ist. Deshalb sind an die behauptete " vom Vertragstext abweichende "Vereinbarung hohe Anforderungen zu stellen.
Anders als bei fremden Dritten kann auch aus der tatsächlichen Übernahme aller Reparaturen durch den Kläger nicht gefolgert werden, dass die Übernahme sämtlicher Aufwendungen vereinbart gewesen ist. Denn bei den Verträgen, die eine Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen zum Gegenstand haben, werden nur die Leistungen des Übernehmers zum Sonderausgabenabzug zugelassen, die anläßlich der Vermögensübertragung vomÜbernehmer zugesagt werden. Werden vom Übernehmer Leistungen ohne einen konkreten Bezug zum Vermögensübertragungsvertrag zugesagt und tatsächlich" wie vorliegend " auch erbracht, sind diese Zahlungen als Unterhaltszahlungen nicht abzugsfähig. Ein Rückschluß auf den Umfang der vertraglichen Pflichten kann aus derÜbernahme"freiwillig " begründeter Rechtspflichten nicht hergeleitet werden.. Ebenso ist der Umstand, daß die Mutter als Wirtschaftsübergeberin aufgrund der geringen Barpacht tatsächlich nicht in der Lage gewesen ist, die Arbeiten selbst (auf eigene Rechnung) durchführen zu lassen, in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung.
Sofern die Kläger vortragen, dass sie jedenfalls aufgrund des Nachtragsvertrages sämtliche Aufwendungen zu tragen gehabt hätten, ist dem zuzustimmen. Dieser Verpflichtung haben sie sich jedoch" unabhängig von demWirtschaftsüberlassungsvertrag freiwillig unterworfen".
Der Wirtschaftsüberlassungsvertrag sieht in § 4 nur eine Kostentragungspflicht hinsichtlich der "gewöhnlichen Ausbesserungen"vor. Dem Kläger stand es insoweit frei, sich später zur Übernahme sämtlicher Reparaturen zu verpflichten. Die Mutter des Klägers hatte aufgrund des Wirtschaftsüberlassungsvertrages keinen Anspruch darauf, dass der Kläger andere als "gewöhnliche Ausbesserungen" auf seine Kosten vornimmt. Wenn sich der Kläger dennoch durch Nachtragsvertrag vom 3. Juli 1992 verpflichtet, sämtliche Reparaturen an den überlassenen Gebäuden zu übernehmen, so begründet er damit eine freiwillige Rechtspflicht i.S.v. § 12 Nr. 2 EStG, die ohne Bezug zu dem Wirtschaftsüberlassungsvertrag steht. Denn die Nutzungsüberlassung erfolgte bereits mit Wirkung vom 01. Juli 1983.
Dass der Beklagte die Aufwendungen an den Gebäuden in der Vergangenheit zum Abzug zugelassen hat, begründet wegen des Prinzips der Abschnittsbesteuerung kein schutzwürdiges Vertrauen.
Auf einen etwaigen durch die Umbaumaßnahmen begründeten Aufwendungsersatzanspruch in entsprechender Anwendung der§§ 547, 590b BGB können sich die Kläger ebenfalls nicht berufen.
Es ist nämlich davon auszugehen, dass die Baumaßnahmen nicht unter dem Vorbehalt eines solchen Anspruchs erfolgten, sondern steuerlich nicht abziehbare Zuwendungen an die Eltern beinhaltet haben.
Die Renovierungsarbeiten an dem Mietgebäude und dem Kälberstall sind der Mutter als Eigentümerin des Objekts zugute gekommen. Dass sie dieser auch entschädigungslos verbleiben sollten, ergibt sich daraus, dass in der Zusatzvereinbarung keine Regelung über einen etwaigen Aufwendungsersatzanspruch getroffen wurde, so dass davon auszugehen ist, dass der Kläger auf die Geltendmachung eines solches Anspruchs verzichtet hat. Verzichtet der Nutzungsberechtigte aber auf den Aufwendungsersatzanspruch, so sind die ohne rechtliche Verpflichtung getragenen Aufwendungen nach § 12 Nr. 2 EStG nicht abziehbar.
Für einen Verzicht spricht auch, dass der Kläger ausweislich seiner Bilanzen den möglichen Anspruch auf Verwendungsersatz nicht bilanziert hat. Er hat auch nicht vorgetragen, dass ein solcher Anspruch gegenüber der Mutter geltend gemacht werden sollte. Die Geltendmachung eines solchen Anspruchs macht auch keinen Sinn, weil der Kläger nach§ 7 des Wirtschaftsüberlassungsvertrages als Hoferbe für den jetzt zur Bewirtschaftung übernommenen Hof vorgesehen war und ihm die mit den Renovierungsarbeiten verbundene Wertsteigerung der Gebäude letztlich zugute kommt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.