Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 13.04.2005, Az.: 4 ME 73/05

Anspruch auf Erteilung einer befristeten Aufenthaltserlaubnis zur Aufrechterhaltung einer ehelichen Gemeinschaft; Frage der Wirksamkeit einer Ausweisungsverfügung; Voraussetzungen für die Erteilung einer befristeten Aufenthaltserlaubnis; Rechtmäßigkeitserwägungen hinsichtlich der Ausweisung; Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung der Rechtmäßigkeit der Ausweisung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
13.04.2005
Aktenzeichen
4 ME 73/05
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2005, 36121
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2005:0413.4ME73.05.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Oldenburg - 08.02.2005 - AZ: 11 B 159/05

Fundstellen

  • DVBl 2005, 992 (amtl. Leitsatz)
  • InfAuslR 2005, 264 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 2005, XIV Heft 29 (Kurzinformation)
  • NVwZ 2005, 968-969 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz

Bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ausweisung eines Ausländers, der nicht freizügigkeitsberechtigter Bürger der Europäischen Gemeinschaft ist und auch nicht aufgrund eines sonstigen Abkommens der EG mit einem anderen Staat ein Aufenthaltsrecht besitzt und rechtlich insoweit wie die EU-Bürger zu behandeln ist, ist weiterhin die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der (letzten) Behördenentscheidung zugrunde zu legen. Weder die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte noch die neuere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geben Anlass, von dieser Praxis abzuweichen.

Gründe

1

I.

Der Antragsteller zu 2) ist algerischer Staatsangehöriger und führte zunächst unter dem Namen D. im Jahre 1998 erfolglos ein Asylverfahren durch. Sein Antrag auf Gewährung politischen Asyls wurde bestandskräftig durch Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 9. Juli 1998 als offensichtlich unbegründet abgelehnt, zugleich wurde dem Antragsteller zu 2) die Abschiebung nach Algerien angedroht. Durch Bescheid der Bezirksregierung Weser-Ems vom 16. Oktober 1998 wurde der Antragsteller zu 2) sodann aufgefordert, seinen ständigen Wohnsitz in der Gemeinde E. im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners zu begründen. Nachdem er in der Bundesrepublik während seines Aufenthaltes wiederholt strafrechtlich in Erscheinung getreten und strafgerichtlich zunächst als Heranwachsender belangt worden war, wies der Landkreis F. den in der JVA F. einsitzenden Antragsteller zu 2) mit Bescheid vom 23. August 1999 aus der Bundesrepublik Deutschland aus. Der Bescheid wurde der JVA F. übersandt und dem für die Entgegennahme von amtlichen Schriftstücken zuständigen Vollzugsbeamten übergeben, der den Ausweisungsbescheid dem Antragsteller zu 2) aushändigen wollte. Auf dem von der JVA ausgefertigten Empfangsbekenntnis befindet sich diesbezüglich folgender Vermerk unter dem Datum des 25. August 1999:

"Der Gef. verweigert die Unterschrift. Das Schriftstück wurde ausgehändigt."

2

Der Antragsteller zu 2) beauftragte sodann Rechtsanwalt Mühlbauer in Oldenburg mit seiner Vertretung. Dieser teilte dem Landkreis F. mit Schreiben vom 12. September 1999 mit, dass ihm sein Mandant aus der JVA G. mitgeteilt habe, er habe einen Brief erhalten, wonach er abgeschoben werden solle. Der Anwalt bat um Übersendung eines Duplikates des Schreibens und legte mit Schreiben vom 23. September 1999 sodann "Namens und im Auftrag" seines Mandanten Widerspruch gegen eine nicht näher bezeichnete Verfügung ein. Nachdem ihm der Ausweisungsbescheid nochmals übersandt worden war, wiederholte der Prozessbevollmächtigte mit Schreiben vom 8. November 1999 seinen Widerspruch gegen die Ausweisung "aus der Bundesrepublik Deutschland H. D. ". Die Bezirksregierung Weser-Ems wies den Widerspruch des Antragstellers zu 2), adressiert an Rechtsanwalt Mühlbauer in Oldenburg, mit Bescheid vom 6. Januar 2000 als unbegründet zurück.

3

Der Antragsteller zu 2) verweigerte im Abschiebungsverfahren jegliche Mitwirkung. Die Ausländerbehörden stellten im Dezember 2001 sodann fest, dass für den Antragsteller zu 2) unter dem nunmehr verwendeten Namen B. Aliasdaten bestanden. Der Antragsteller zu 2) wurde zum Zwecke der Vollziehung der angeordneten Abschiebung zur Identitätsprüfung auch durch Einholung von Sprachgutachten Nachprüfungen unterzogen, die jedenfalls ergaben, dass er über seine ldentität zu täuschen versuchte. Mit Schreiben weiterer Bevollmächtigter vom 12. Juni 2001 erklärte der Antragsteller zu 2) sodann, tatsächlich unter dem Namen B. in Algier geboren worden zu sein. Entsprechende Papiere legte er vor.

4

Über die Rechtsanwälte Hausin und Partner erklärte der Antragsteller zu 2) sodann am 11. Juni 2004, er wolle eine deutsche Staatsangehörige ehelichen. Er war zuvor schließlich durch Urteil des Amtsgerichts I. vom 16. April 2003 unter anderem wegen versuchter schwerer Brandstiftung zu zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Seine Bewährungszeit wurde bis zum 15. April 2006 festgesetzt. Der Antragsgegner leitete daraufhin zunächst mit Schreiben vom 19, November 2003 ein weiteres Ausweisungsverfahren gegen den Antragsteller zu 2) ein, ehe festgestellt wurde, dass er bereits unter dem Namen D. ausgewiesen worden war. Der Antragsteller zu 2) seinerseits verfolgte zugleich sein Interesse, nach der Eheschließung mit der Antragstellerin zu 1 ), einer deutschen Staatsangehörigen, in der Bundesrepublik Deutschland bleiben zu dürfen, weiter. Zwischenzeitlich übersiedelte er an den Wohnsitz seiner Ehefrau nach I.. Einen entsprechenden ausdrücklichen Antrag auf Erteilung einer auf ein Jahr befristeten Aufenthaltserlaubnis stellte er über seine früheren Bevollmächtigten am 10. September 2004, nachdem die Eheschließung am 2. September 2004 erfolgt war. Nach Anhörung lehnte der Antragsgegner sodann mit Bescheid vom 6. Dezember 2004 die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für den Antragsteller zu 2) ab und kündigte zugleich dessen Abschiebung an.

5

Mit dem am 11. Januar 2005 gestellten Antrag der Eheleute auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat der Antragsteller zu 2) vorgetragen: Er habe den Ausweisungsbescheid des Landkreises F. vom 23. August 1999 nicht ordnungsgemäß erhalten. Auch wenn es hierzu einer förmlichen Zustellung nicht bedurft hätte, könne ihm die formlose Übersendung per Fax an seinen früheren Bevollmächtigten Rechtsanwalt Mühlbauer am 15. Oktober 1999 nicht zugerechnet werden. Dieser habe zeitgerecht gegen den Ausweisungsbescheid Widerspruch eingelegt, über den durch Bescheid der Bezirksregierung Weser-Ems am 6. Januar 2000 ablehnend entschieden worden sei. Dieser sei gegen Empfangsbekenntnis an Rechtsanwalt Mühlbauer tatsächlich adressiert und übersandt worden. Rechtsanwalt Mühlbauer habe aber bereits zuvor mit Schreiben vom 6. Dezember 1999 ihm gegenüber das Mandat niedergelegt und dies mit Schreiben vom 12. Januar 2000 auch der Bezirksregierung Weser-Ems mitgeteilt. Den Bescheid habe Rechtsanwalt Mühlbauer dann direkt an ihn am 12. Januar 2000 übersandt. Dies bestätige dieser auch in seinem Schreiben vom 26. Januar 2005. Ein Empfangsbekenntnis habe er wohl nicht - mehr - unterzeichnet und zurückgesandt. Ein solcher Widerspruchsbescheid sei aber auf jeden Fall förmlich zuzustellen gewesen. An ihn sei eine solche förmliche Zustellung tatsächlich niemals erfolgt. Die erfolgten Übersendungen hätten auch etwaige Formverstöße nicht geheilt. Gegen die Ausweisung sei daher nach wie vor Widerspruch eingelegt, über den noch nicht entschieden sei, so dass ihm die Ausweisung im vorliegenden ausländerrechtlichen Verfahren nicht entgegengehalten werden könne. Dabei sei nunmehr auch für ihn maßgeblich die neuere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach der Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ausweisung der Erlass eines Widerspruchsbescheides sei. Zu diesem Zeitpunkt, der ja in der Zukunft liege, sei nunmehr zu berücksichtigen, dass er mittlerweile eine deutsche Staatsangehörige geehelicht habe und diese Ehe auch schutzwürdig sei.

6

Weiter haben die Antragsteller das Fehlen der Zuständigkeit des Antragsgegners für die beabsichtigte Abschiebung gerügt und ausgeführt, bei fernmündlichen Nachfragen habe der Antragsgegner immer wieder erklärt, die Abschiebung tatsächlich durchführen zu wollen, obwohl der Antragsteller zu 2) mittlerweile seinen Aufenthalt in der Stadt I. habe.

7

Die Antragsteller haben beantragt,

dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig die Abschiebung des Antragstellers zu 2) zu untersagen.

8

Der Antragsgegner hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

9

Er hat geltend gemacht: Die Ausweisungsverfügung des Landkreises F. vom 23. August 1999, die dem Antragsteller zu 2) auch bekannt sei, sei rechtmäßig.

10

Die zwischenzeitlich erfolgte Eheschließung sei erst im Rahmen einer Entscheidung über die Befristung der Wirkungen der Ausweisung zu berücksichtigen.

11

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschlüssen vom 08. Februar 2005 abgelehnt und zur Begründung ausgeführt:

12

Der Antrag sei zulässig, aber nicht begründet. Die Antragsteller hätten nicht Anspruch gemäß § 80 Abs. 5 VwGO auf Aussetzung der Abschiebung des Antragstellers zu 2) gemäß der durch eine zuständige Ausländerbehörde verfügten Abschiebungsandrohung. Die Abschiebung des Antragstellers zu 2) sei nach dem ablehnenden Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 9. Juli 1998 bestandskräftig vollziehbar. Der Antragsteller zu 2) habe sich durch die Vortäuschung einer falschen Identität über Jahre der Vollziehung der Abschiebung entzogen und sei auch nach Aufdeckung seiner tatsächlichen Identität auch nicht freiwillig in sein Herkunftsland Algerien zurückgekehrt, was ihm tatsächlich jederzeit möglich gewesen wäre. Angesichts der bestandskräftigen Abschiebungsandrohung im Bescheid des Bundesamts sei auch durch die Stellung des Antrages des Antragstellers zu 2) auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Familiennachzuges (gemäß den nach § 102 des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet vom 30. Juli 2004 nunmehr an Stelle der Vorschriften des Ausländergesetzes maßgeblichen §§ 27 ff. AufenthG) sein Aufenthalt auch nicht als vorübergehend erlaubt gemäß der bei Antragstellung noch geltenden Regelung des § 69 AuslG anzusehen.

13

Einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 AufenthG habe der Antragsteller zu 2) offensichtlich nicht.

14

Der Antragsgegner sei zunächst ungeachtet dessen, dass der Antragsteller zu 2) mittlerweile seinen Wohnsitz in I. habe, für die Vollziehung der Abschiebung des Antragstellers zu 2) nach wie vor örtlich zuständig. Für die Abwicklung des Abschiebungsverfahrens sei ausschließlich maßgeblich, dass er im Asylverfahren in den Landkreis Wesermarsch zugewiesen worden sei, der Landkreis Wesermarsch somit die für die Vollstreckung des Bescheides des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge zuständige Ausländerbehörde gewesen sei, dieser das Abschiebungsverfahren bereits in der Vergangenheit betrieben habe und dieses auch weiter zu führen habe. Dieses Verfahren sei zeitlich deutlich vor der Eheschließung der Antragsteller eingeleitet gewesen.

15

Unabhängig davon, ob die sonstigen Erteilungsvoraussetzungen gegeben seien, habe der Antragsteller zu 2) nach den Regelungen des nunmehr anzuwendenden AufenthG (s. § 104 AufenthG) jedenfalls derzeit keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten befristeten Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Führung der Ehe im Inland. In der Person des Antragstellers zu 2) lägen offensichtlich Ausweisungsgründe im Sinne des § 5 Abs. 1 Ziff. 2 AufenthG vor. Es komme nicht darauf an, ob die Ausweisung des Antragstellers zu 2) tatsächlich - wie auch das Gericht meine - schon bestandskräftig sei. Entscheidend sei - dies bestreite der Antragsteller zu 2) ausweislich seiner Ausführungen im Schriftsatz vom 28. Januar 2005 auch selbst nicht mehr - dass die Ausweisung verfügt worden und ihm auch zugegangen sei. Danach sei auch der Widerspruchsbescheid bezüglich der Ausweisungsverfügung rechtmäßig zugegangen. Der damalige Bevollmächtigte des Antragstellers zu 2) habe seine schriftliche Vollmacht im Ausweisungsverfahren vor- und Widerspruch eingelegt. Die Bezirksregierung Weser-Ems sei nach den Regelungen des § 8 VwZG somit verpflichtet gewesen, den Widerspruchsbescheid diesem zuzustellen. Dieser sei nach der Darstellung des Antragstellers zu 2) an den damaligen Anwalt auch tatsächlich zugegangen, dieser habe lediglich das Empfangsbekenntnis mit dem Hinweis darauf, das Mandatsverhältnis gekündigt zu haben, nicht zurückgesandt. Im Außenverhältnis habe dieses Mandatsverhältnis jedoch am Tage des Zuganges des Widerspruchsbescheides noch fortbestanden, so dass die Zustellung auch an den Anwalt habe erfolgen dürfen und müssen. Eine Rückgabe des Widerspruchsbescheides an die Bezirksregierung Weser-Ems sei auch nach dem jetzigen Vorbringen offensichtlich nicht erfolgt. Danach komme es nicht darauf an, ob der damalige Prozessbevollmächtigte - ggf. unter Verletzung seiner anwaltlichen Pflichten - das Empfangsbekenntnis nicht mehr unterzeichnet an die Bezirksregierung Weser-Ems zurückgesandt habe. Tatsache sei, dass er den Widerspruchsbescheid aufgrund des bestehenden Mandatsverhältnisses erhalten und diesen Bescheid auch tatsächlich seinem Mandanten übersandt habe. Damit sei den Zustellungsbestimmungen Genüge getan gewesen und der Verfahrensbevollmächtigte habe seine Pflichten auch nicht gröblich verletzt, da er tatsächlich den Bescheid weitergeleitet und der Antragsteller zu 2) somit hiervon Kenntnis erlangt habe, so dass das Verhalten des Rechtsanwaltes nicht als grober Verstoß gegen anwaltliche Pflichten zu betrachten sei, der eine Zurechnung ausschließen würde.

16

Unabhängig davon, ob die Ausweisung schon bestandskräftig sei, reichten die dort aufgeführten Gründe jedenfalls aus, auch mit Blick auf die Eheschließung die begehrte Aufenthaltsgenehmigung zu versagen. Der Antragsteller zu 2) sei nämlich auch nach der Ausweisung noch in erheblichem Umfange strafrechtlich auffällig geworden und schließlich sogar noch zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt worden. In seiner Person bestehe zum gegenwärtigen Zeitpunkt der zwingende Ausweisungsgrund gemäß § 53 Ziff. 2 AufenthG, weil er ausweislich der Auskunft aus dem Bundeszentralregister in den letzten fünf Jahren wiederholt insgesamt zu mehr als drei Jahren Jugend- und Freiheitsstrafen verurteilt worden sei. In Kenntnis all dieser Verhältnisse habe er die Eheschließung zur Erlangung eines weiteren Aufenthaltsrechts während des andauernden Abschiebungsverfahrens geschlossen, um eben diese Abschiebung zu verhindern. Danach sei nach den insoweit eindeutigen Bestimmungen des AufenthaltG schon wegen des erheblichen Ausweisungsgrundes derzeit die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht möglich. Unter Berücksichtigung dessen stehe dem Antragsteller zu 2) jedoch nach Rückkehr in sein Herkunftsland frei, einen Antrag auf Befristung der Wirkungen der Ausweisung zu stellen (§ 11 Abs. 1 AufenthG).

17

Gegen diese Beschlüsse richten sich die Beschwerden der Antragsteller (4 ME 73/05 wegen der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, 4 PA 74/05 wegen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe).

18

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

19

II.

Die zulässige Beschwerde gegen die Nichtgewährung vorläufigen Rechtsschutzes (4 ME 73/05) ist nicht begründet. Daraus folgt, dass den Antragstellern auch für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe nicht bewilligt und ihr Prozessbevollmächtigter nicht beigeordnet werden kann (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).

20

Der Senat macht sich die tragenden Erwägungen des angefochtenen Beschlusses zu eigen und verweist deshalb auf sie (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt eine andere Entscheidung nicht.

21

Soweit es hier um das noch nicht beschiedene Begehren des Antragstellers zu 2) auf Erteilung einer befristeten Aufenthaltserlaubnis geht, ist auf der Grundlage des am 01. Januar 2005 in Kraft getretenen AufenthaltG zu entscheiden (§ 104 AufenthG). Soweit dagegen die Wirksamkeit der ausgesprochenen Ausweisung und deren Rechtsfolgen zu beurteilen sind, ist gem. § 102 Abs. 1 AufenthG auf die Bestimmungen des bei Erlass des Bescheids noch gültig gewesenen Ausländergesetzes (AuslG) abzustellen.

22

Für das Beschwerdeverfahren ist davon auszugehen, dass der Antragsteller zu 2) aufgrund des bestandskräftigen ablehnenden Bescheides des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 9. Juli 1998 vollziehbar ausreisepflichtig ist und dass er mit Bescheid des Landkreises F. vom 23. August 1999 ausgewiesen worden ist.

23

Der (weiteren) Erteilung einer befristeten Aufenthaltserlaubnis für den Antragsteller zu 2) zur Aufrechterhaltung der ehelichen Gemeinschaft mit der Antragstellerin zu 1) (§ 28 AufenthG) steht § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG entgegen. Danach setzt die Erteilung eines Aufenthaltstitels voraus, dass ein Ausweisungsgrund nicht vorliegt. Der Antragsteller zu 2) ist aber ausgewiesen worden. Ein ausgewiesener Ausländer darf sich nach § 11 Abs. 1 AufenthG nicht im Bundesgebiet aufhalten.

24

Die Ausweisungsverfügung vom 23. August 1999 ist wirksam. Dass sie dem Antragsteller zu 2) seinerzeit in der Haftanstalt durch Übergabe bekanntgegeben werden sollte, er die Bekanntgabe aber durch Verweigerung der Annahme vereitelt hat und sich dies zurechnen lassen muss, wird mit der Beschwerde nicht in Frage gestellt.

25

Offen bleiben kann hier - entgegen der Meinung der Beschwerdeführer -, ob die Ausweisungsverfügung bestandskräftig ist. Daran könnten im Hinblick auf die Umstände der Zustellung des Widerspruchsbescheids vom 06. Januar 2000 Zweifel bestehen (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.05.1979 - BVerwG 2 C 1.79 -, BVerwGE 58, 107;Beschl. v. 07.05.2002 - BVerwG 3 B 114.01 -, Buchholz 340 § 5 VwZG Nr. 20). Diese Frage ist hier nicht entscheidungserheblich, weil gemäß § 72 Abs. 2 S. 1 AuslG Widerspruch und Klage unbeschadet ihrer aufschiebenden Wirkung die Wirksamkeit der Ausweisung unberührt lassen. Die "Sperrwirkung" der Ausweisung gegenüber der Neuerteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltsgenehmigung tritt deshalb kraft Gesetzes auch dann ein, wenn die Ausweisung nicht sofort vollziehbar bzw. nicht bestandskräftig ist (VGH BW, Beschl. v. 26.03.2001 - 11 S 2111/00 -, VBlBW 2001, 327).

26

Anhaltspunkte dafür, dass die ausgesprochene Ausweisung offensichtlich rechtswidrig wäre, liegen nicht vor. Die Ausweisung ist als Ermessensentscheidung getroffen (§ 45 Abs. 1 AuslG) und auf Verstöße gegen Rechtsvorschriften (§ 46 Abs. 1 Nr. 2 AuslG) gestützt worden. Offensichtliche Bedenken gegen diese Würdigung bestehen nicht.

27

Die Eheschließung des Antragstellers zu 2) mit einer deutschen Staatsangehörigen war damals noch nicht absehbar.

28

Entgegen der Meinung der Antragsteller ist bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ausweisung nicht auf den Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Entscheidung abzustellen. Es entspricht ständiger Rechtspraxis, Ausweisungsverfügungen nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der (letzten) Behördenentscheidung zu beurteilen. Diese Praxis führt nicht zu unbilligen Härten. Denn nach § 8 Abs. 2 S. 3 AuslG bzw. § 11 Abs. 1 AufenthG sind die Wirkungen der Ausweisung auf Antrag regelmäßig zu befristen. Das eröffnet der Ausländerbehörde die Möglichkeit, nachträglich eingetretene Umstände wie eben auch eine Eheschließung zu berücksichtigen. Zwar setzt die Befristung der Ausweisung die vorherige Ausreise des Ausländers voraus. Auch darin liegt aber regelmäßig keine unverhältnismäßige Härte (vgl. BVerwG, Beschl. v. 17.01.1996 - BVerwG 1 B 3.96 -, Buchholz 402.240 § 45 AuslG 1990 Nr. 5 = InfAuslR 1996, 137). Im Übrigen wäre auch ein Abstellen auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung für den Ausländer nicht stets von Vorteil, weil dann auch nachteilige Umstände wie etwa eine Trennung von Eheleuten zu berücksichtigen wären.

29

Eine grundsätzliche Änderung dieser Rechtspraxis folgt nicht aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom 17.04.2003 - 52853/99 - (NJW 2004, 2147 [BVerwG 13.05.2004 - BVerwG 3 C 45/03] [EGMR 17.04.2003 - III - 52853/99]) und den in der Folge ergangenen Urteilen des BVerwG vom 03. August 2004 - BVerwG 1 C 29.02 - (ArbuR 2004, 359 = ZAR 2004, 289 ) und - BVerwG 1 C 30.02 - (ArbuR 2004, 359 = ZAR 2004, 288 ).

30

Die Urteile des BVerwG betreffen freizügigkeitsberechtigte Bürger der Europäischen Gemeinschaft, die nach § 12 AufenthG/EWG i.V.m. §§ 45, 46 AuslG (ab 01. Januar 2005 nach § 6 FreizügG/EU) nur noch unter eingeschränkten Voraussetzungen ausgewiesen werden dürfen, bzw. türkische Staatsangehörige, die ein Aufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 besitzen und rechtlich insoweit wie die EU-Bürger zu behandeln sind. Dass das BVerwG für diese Personengruppen nunmehr in Änderung seiner Rechtsprechung bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ausweisungsverfügung auf den Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Entscheidung abstellt, beruht darauf, dass Art. 3 der Richtlinie 64/221/EWG hierzu für (nur) diese Personengruppen verpflichtet. Daraus folgt aber nicht, dass dies auch für Personen gilt, die - wie der Antragsteller zu 2) - nicht zu den genannten Personengruppen und auch nicht zu anderen Gruppen von Ausländern gehören, die den genannten Gruppen durch anderweitige vertragliche oder gemeinschaftsrechtliche Regelungen insoweit gleichgestellt sind.

31

Dem Urteil des EGMR ist auch nicht zu entnehmen, dass nach Konventionsrecht jegliche Ausweisung eines Ausländers nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Entscheidung zu beurteilen wäre. Es hat vielmehr bei seiner Entscheidung maßgeblich auf die persönliche Situation des dortigen Klägers abgestellt und auch darauf hingewiesen, dass Beziehungen zwischen Erwachsenen nicht ohne weiteres den Schutz nach Art. 8 EMRK genössen, wenn nicht zusätzliche Elemente einer Abhängigkeit dargelegt würden, die über die üblichen gefühlsmäßigen Bindungen hinausgingen. Jedenfalls das Vorliegen dieser Voraussetzungen haben die Antragsteller nicht dargelegt.