Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 26.04.2005, Az.: 8 LA 296/04
Friedhof; Friedhofsordnung; Gestaltungsvorschrift; Grab; Grabeinfassung; Grabgestaltung; Grabstelle; Rasenfriedhof; Steineinfassung; Ästhetik
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 26.04.2005
- Aktenzeichen
- 8 LA 296/04
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2005, 50981
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 20.09.2004 - AZ: 1 A 193/04
Rechtsgrundlagen
- Art 2 Abs 1 GG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Friedhofsträger dürfen in Niedersachsen besondere Gestaltungsvorschriften jedenfalls dann erlassen, wenn nicht auf demselben, aber auf einem nahe gelegenen anderen Friedhof im selben Stadtgebiet Grabflächen ohne diese Beschränkungen zur Verfügung stehen.
Gründe
Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet.
Es bestehen aus den von der Klägerin in ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung geltend gemachten Gründen keine ernstlichen Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils. Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, dass die vorliegend umstrittene Gestaltungsvorschrift in der Friedhofs- und Bestattungsordnung der Beklagten, wonach das Einfassen mit Steinen und jegliche Bekiesung von Grabstellen auf dem Friedhof “ E.“ untersagt ist, mit höherrangigem Recht vereinbar sei. Diese satzungsrechtliche Bestimmung greife nicht unverhältnismäßig in das nach Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Grundrecht der Klägerin auf freie Entfaltung der Persönlichkeit ein. Sie habe die Möglichkeit, auf den keine 1,5 km Luftlinie entfernten Friedhof "An der F. Straße" auszuweichen. Auf diesem stadtnah gelegenen und mit öffentlichen Verkehrsmitteln leicht zu erreichenden Friedhof könne sie das Grab wunschgemäß mit einer Steineinfassung herrichten. Dem Urteil liegt also die Annahme zugrunde, dass der Friedhofsträger jedenfalls befugt ist, im Rahmen des ihm zustehenden normativen Ermessens besondere Gestaltungsvorschriften zu erlassen, um bestimmte ästhetische Vorstellungen - hier einen Parkfriedhof - zu verwirklichen, wenn rechtlich und tatsächlich gewährleistet ist, dass auf nahe gelegenen anderen Friedhöfen in dem Zuständigkeitsbereich des Friedhofsträgers Grabfelder zur Verfügung stehen, für die allein die allgemeinen Gestaltungsvorschriften gelten.
Diese Annahme steht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats (vgl. Urt. v. 21.10.1996 - 8 L 1014/95 - und v. 27.9.1995 - 8 L 1219/93 -, OVGE 45, 473 ff. = NVwZ 1996, 810 f., m. w. N.) und des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urt. v. 13.5.2004 - 3 C 26/03 -, NJW 2004, 2844 ff.; Beschl. v. 29.9.2000 - 3 B 156/00 -, Buchholz 408.2 FriedhofsbenutzungsR Nr. 17).
Der Einwand der Klägerin, besondere Gestaltungsvorschriften seien grundsätzlich nur dann zulässig, wenn auf demselben Friedhof Grabflächen ohne diese Beschränkungen zur Verfügung stünden, trifft daher nicht zu und wird auch nicht durch das von ihr in Bezug genommene Urteil des VGH Mannheim (v. 16.10.1996 - 1 S 3164/95 -, NVwZ-RR 1997, 359 f.) gestützt. Zwar wird darin ausgeführt, dass eine Wahlmöglichkeit regelmäßig auf dem Friedhof selbst bestehen müsse. Diese Ausführungen werden nachfolgend aber gerade dahin gehend eingeschränkt, dass besondere Gestaltungsvorschriften für einen Friedhof auch dann zulässig sein können, wenn mindestens auf einem Friedhof innerhalb desselben Gemeinde- oder Stadtteils Grabfelder, für die keine besonderen Gestaltungsvorschriften gelten, zur Verfügung stehen. Vorliegend sind auch diese engeren Voraussetzungen für den Erlass der streitigen Grabgestaltungsvorschrift gegeben, so dass offen bleiben kann, ob der die Normsetzungsbefugnis des Friedhofsträgers weiter einschränkenden Ansicht des VGH Mannheim zu folgen ist. Auf dem im selben Stadtteil der Beklagten wie der Friedhof “ E.“ gelegenen, mit öffentlichen Verkehrsmittel erreichbaren Friedhof "An der F. Straße" stehen Grabfelder zur Verfügung, für die nur die allgemeinen Gestaltungsvorschriften gelten. Das Verwaltungsgericht hat daher zutreffend angenommen, dass die Klägerin dorthin zumutbar ausweichen kann. Dass die dortigen Grabfelder von ihr als unattraktiv empfunden werden, ist unerheblich.
Soweit die Klägerin sinngemäß weiter vorträgt, dass das streitige Verbot von Grabeinfassungen zur Erreichung des verfolgten Gestaltungsziels, d.h. zum Erhalt eines Rasenfriedhofs, schon nicht erforderlich, jedenfalls aber unverhältnismäßig und deshalb unwirksam sei, greift auch dieser Einwand nicht durch. Zwar müssen besondere Gestaltungsvorschriften auch durch einen legitimen Zweck gedeckt sein und dürfen die Rechte der Friedhofsbenutzer nicht unverhältnismäßig beschränken (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.5.2004, a. a. O.). Diesen Anforderungen genügt aber das hier streitige Verbot. Es dient dem legitimen Zweck, den Friedhof “ E.“ als Rasenfriedhof zu gestalten, und beeinträchtigt dazu die freie Wahl der Grabgestaltung nicht unverhältnismäßig (ebenso zu einem vergleichbaren Verbot Bay. VerfGH, Beschl. v. 21.3.1985 - Vf. 9-VII-84 -, NVwZ 1986, 371 f.). Würden die untersagten Einfassungen verwirklicht, so hätte dies zur Folge, dass der Rasen im unmittelbaren Bereich der Einfassungskante des jeweiligen Grabes nicht mit einem üblichen Rasenmäher gemäht werden könnte, sondern ein zweiter Arbeitsgang mit einem Kantenschneider erfolgen müsste. Wie die Beklagte nachvollziehbar dargetan hat, wäre dies zeit- und personalaufwändig und damit kostenträchtig. Um diesen Zusatzaufwand zu vermeiden, stellt es keinen unangemessenen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit im Sinne des Art. 2 Abs. 1 GG dar, wenn auf dem Friedhof “ E.“ allein die äußere Umfassung eines Grabes mit Steinen untersagt wird. Es ist entgegen dem Vorbringen der Klägerin auch nicht widersprüchlich, sondern trägt der Handlungsfreiheit der Grabnutzungsberechtigten gerade Rechnung, wenn Grababdeckungen erlaubt sind, soweit sie keine vergleichbare Beeinträchtigung darstellen. Das ist mit der Folge ihrer Zulässigkeit bei Grababdeckungen der Fall, die in die Grabfläche integriert sind, deshalb gegenüber der umgebenden allgemeinen Rasenfläche keine Abgrenzung in Form eines Sockels darstellen und den Einsatz des Rasenmähers daher - anders als eine sockelförmige Grabeinfassung am äußeren Rande des Grabes - nicht behindern. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils bestehen daher aus den von der Klägerin geltend gemachten Gründen nicht.
Die Klägerin hat auch nicht dargelegt, dass der Rechtssache eine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zukommt. Eine Rechtssache ist nur dann grundsätzlich bedeutsam, wenn sie eine höchstrichterlich oder obergerichtlich bislang noch nicht beantwortete Rechtsfrage oder eine obergerichtlich noch nicht geklärte Tatsachenfrage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die im Rechtsmittelzug entscheidungserheblich ist und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Weiterentwicklung des Rechts einer fallübergreifenden Klärung durch das Berufungsgericht bedarf. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache ist daher nur dann im Sinne des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt, wenn eine derartige Frage bezeichnet und zudem erläutert worden ist, warum sie im angestrebten Berufungsverfahren klärungsbedürftig wäre und aus welchen Gründen ihre Beantwortung über den konkreten Einzelfall hinaus dazu beitrüge, die Rechtsfortbildung zu fördern oder die Rechtseinheit zu wahren (vgl. Senatsbeschl. v. 7.2.2005 - 8 LA 238/04 -, m. w. N.).
Diesen Anforderungen genügt die Begründung des Zulassungsantrages nicht. Die Klägerin hat keine konkrete Frage herausgearbeitet, die ihrer Rechtssache grundsätzliche Bedeutung verleihen soll. Sollte die Begründung des Zulassungsantrages so zu verstehen sein, dass die Klägerin die Frage für grundsätzlich bedeutsam hält, ob ein Friedhofsträger in Niedersachsen nur dann besondere Gestaltungsvorschriften erlassen darf, wenn der Bestattungspflichtige an anderer Stelle auf demselben Friedhof einen Grabstein seiner Wahl aufstellen kann, so führt auch diese Fragestellung nicht zu einer Zulassung der Berufung. In der zitierten Rechtsprechung des Senats und des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass diese Frage zu verneinen ist.
Aus den Darlegungen der Klägerin ergibt sich schließlich auch kein zur Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO führender Verfahrensfehler. Dass in der Verhandlung nach einer weithin üblichen Praxis ein Entscheidungsentwurf des Einzelrichters in Urteilsform vorlag, ist nicht zu beanstanden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 17.3.1959 - 1 BvR 53/56 -, BVerfGE 9, 213, 215). Dass das Verwaltungsgericht diesen Urteilsentwurf verwendet hätte, ohne von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung etwa neu vorgetragene wesentliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen, und ihr dadurch unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG das rechtliche Gehör versagt hätte, hat die Klägerin selbst nicht behauptet. Nach dem Protokoll der mündlichen Verhandlung ist vielmehr gemäß § 104 Abs. 1 VwGO die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert worden. Sie haben zudem gemäß § 103 Abs. 3 VwGO das Wort erhalten und zur Sache Ausführungen gemacht. Aus dem Protokoll ergibt sich weiterhin, dass sich der Einzelrichter nach Schluss der mündlichen Verhandlung zur Entscheidungsfindung zurückgezogen hat. Ob sich die Beweiskraft des Protokolls gemäß § 105 VwGO i. V. m. § 165 ZPO auch hierauf bezieht und die Klägerin schon deshalb mit ihrem gegenteiligen Vorbringen ausgeschlossen ist, kann dahinstehen (vgl. zum Umfang der Beweiskraft eines Protokolls gem. § 165 ZPO insoweit: BSG, Beschl. v. 21.2.1986 - 5 a BKnU 9/85 -, SozR 1500 § 160 Nr. 57). Denn es gibt keine Vorschrift, die einen Einzelrichter verpflichtet, sich zur Beratung und Entscheidungsfindung aus dem Sitzungssaal zurückzuziehen. Entscheidet ein Einzelrichter, so ist die Entscheidungsbildung vielmehr ein innerer Vorgang, der keiner Regelung unterliegt (vgl. Wolf im: Münchner Kommentar zur ZPO mit GVG und Nebengesetzen, vor § 192 GVG, Rn. 1).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 52 Abs. 1, 47 Abs. 1 und 3 GKG i.V.m. Ziffer 15.3 des Streitwertkatalogs 2004 (DVBl. 2004, 1525 ff.). Es besteht kein Anlass, den in Ziffer 15.3 bei einem Streit um die Rechtmäßigkeit einer Grabmalgestaltung allgemein vorgesehenen Wert in Höhe von 2.500 EUR (halber Auffangwert) für den vorliegenden Fall abzusenken.