Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 02.12.2021, Az.: 8 U 58/21

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
02.12.2021
Aktenzeichen
8 U 58/21
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2021, 70566
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 21.01.2021 - AZ: 6 O 72/19
nachfolgend
BGH - AZ: IV ZR 9/22

In dem Rechtsstreit
VHV Allgemeine Versicherung AG, vertreten durch den Vorstand, VHV-Platz 1, 30177 Hannover,
Beklagte und Berufungsklägerin,
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt ...
gegen
...,
Kläger und Berufungsbeklagter,
Prozessbevollmächtigte:
Anwaltsbüro ...
hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Apel, den Richter am Oberlandesgericht Kaufert und die Richterin am Oberlandesgericht Wiegand am 2. Dezember 2021 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 21. Januar 2021 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 6. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Das landgerichtliche Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des insgesamt vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 26.438,20 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger verfolgt einen Entschädigungsanspruch aus einer Teilkaskoversicherung wegen eines Schadensfalls seines Fahrzeugs Mercedes-Benz CLK 320, amtliches Kennzeichen ....

Für das Fahrzeug unterhielt der Kläger bei der Beklagten eine Kraftfahrtversicherung, die eine Teilkaskoversicherung mit einer Selbstbeteiligung von 150 € einschloss. Vereinbart waren die Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB 2015), wegen deren Inhalt auf die Anlage K5 (Anlagenband Kläger) Bezug genommen wird.

Im Nachtrag zum Versicherungsschein vom 17. Oktober 2017 (Anlage K1, Anlagenband Kläger) war bestimmt:

"Als max. Entschädigung gilt der Wert laut Gutachten vom 10. Juli 2017 in Höhe von 27.000 €, falls kein geringerer Wert festgestellt wird."

Bei dem genannten Gutachten handelt es sich um die Fahrzeugbewertung des Kfz-Sachverständigenbüros ... (Anlage K6, Anlagenband Kläger). Dort wurde unter dem 10. Juli 2017 ein mittlerer Marktwert für ein entsprechendes Fahrzeug der Note 2 von 12.000 € sowie unter dem 28. Juli 2017 für die ermittelte Zustandsnote 2+ ein Marktwert von 13.000 € und ein Wiederbeschaffungswert von 15.600 € festgestellt. In einem Nachtrag zu diesem Gutachten (Anlage K7, Anlagenband Kläger) erläuterte der Gutachter, dass sich die Bewertung auf ein Serienfahrzeug ohne Tuningzubehör beziehe, am Fahrzeug aber zahlreiche, dort in Einzelnen aufgeführte Dinge verändert worden seien. Für dieses im Gutachten beschriebene Fahrzeug ergebe sich ein Wiederherstellungswert von 27.000 € inklusive Mehrwertsteuer.

Am 14. März 2018 um 7:45 Uhr wurde das versicherte Fahrzeug durch Mitarbeiter der Autobahnmeisterei ... auf der L 39 unterhalb der Autobahnbrücke der A 10 am ...-Kanal in ... in vollständig ausgebranntem und zerstörtem Zustand aufgefunden. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Kläger auf einer Urlaubsreise im Ausland. Die Reste des Fahrzeugs wurden der Verwertung zugeführt.

Der Kläger meldete der Beklagten den Schaden und reichte unter dem 20. März 2018 eine schriftliche Schadenanzeige ein (Bl. 85 f. d. A.). Eine Regulierung durch die Beklagte erfolgte nicht.

Das bei der Staatsanwaltschaft Cottbus (1460 UJs 8797/18) eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen besonders schweren Falls des Diebstahls (Aktenauszug: Anlage K2, Anlagenband Kläger) wurde mit Verfügung vom 4. Juli 2018 eingestellt, weil der Täter nicht ermittelt werden konnte (Anlage K3, Anlagenband Kläger).

Der Kläger hat behauptet, er habe das Fahrzeug am 9. März 2018 um ca. 15:30 Uhr auf seinem Stellplatz (Parkplatz Nr. 11) im Untergeschoss der Tiefgarage des Wohnkomplexes ... verschlossen abgestellt, wobei er in Begleitung des Zeugen ... gewesen sei (Bl. 58 d. A.).

Er hat weiter behauptet, das Fahrzeug von einem privaten Verkäufer zu einem Preis von mindestens 7.000 € erworben zu haben. Im Anschluss habe er das Fahrzeug umfassend umgebaut und verändert; wegen der Einzelheiten wird auf die Auflistung der Umbauarbeiten (Bl. 102/102 R d. A.) verwiesen. Das Fahrzeug sei zum Schadenszeitpunkt noch in dem in der Fahrzeugbewertung dokumentierten sehr guten Zustand gewesen. Eine Wiederbeschaffung sei ohne weiteres möglich, indem ein entsprechendes Serienfahrzeug aus der Baureihe 208 angeschafft und entsprechend den ursprünglichen Umbauten wiederhergestellt werde. Der entsprechende Wiederherstellungswert ergebe sich aus dem Nachtrag zum Gutachten und belaufe sich auf mindestens 27.000 €; die Bewertung eines Wiederbeschaffungswerts in Höhe von 15.600 € beziehe sich auf ein Serienfahrzeug ohne Tuningzubehör (Bl. 103 d. A.).

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 26.438,20 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, es handele sich um eine vorgetäuschte Fahrzeugentwendung und um eine Eigenbrandstiftung. Darüber hinaus wolle der Kläger über den Wert des Fahrzeugs täuschen. Das klägerische Fahrzeug habe sich in einem desolaten und nicht ordnungsgemäß nutzbaren Zustand befunden, wobei die gesamte betroffene Baureihe mit ganz erheblichen Mängeln behaftet sei und die entsprechenden Fahrzeuge nur zu Dumping-Preisen angeboten würden.

Für die Annahme eines Wiederbeschaffungswerts von 27.000 € bestehe keine substantiierte Grundlage; ferner werde auch ein Wiederbeschaffungswert von 15.600 € oder ein Marktwert von 13.000 € bestritten. Die Beklagte hat behauptet, im Mai 2015 habe das Fahrzeug beim vorherigen Halter einen Unfallschaden mit einem Schadenumfang von etwa 3.500 € erlitten. Der tatsächliche Wert könne nur bei Berücksichtigung der Vorschäden ermittelt werden (Bl. 34 R, 82 d. A.). Die Vorschäden habe der Kläger bewusst verschwiegen, sodass die Beklagte wegen arglistiger Verletzung der Aufklärungsobliegenheit leistungsfrei sei; dies auch gemäß § 81 VVG wegen einer Eigenbrandstiftung, denn es bestehe keine Wahrscheinlichkeit für eine Fremdbrandstiftung (Bl. 34 d. A.).

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen .... Darüber hinaus hat es den Kläger persönlich angehört. Mit dem am 21. Januar 2021 verkündeten Urteil hat es die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung verurteilt. Der Kläger habe den Beweis der Fahrzeugentwendung geführt. Aufgrund der Angaben des Zeugen ... und des Klägers im Rahmen von dessen persönlicher Anhörung zum Abstellvorgang am 9. März 2018 in der Tiefgarage sei das Gericht vom Vorliegen des äußeren Bildes eines Diebstahls überzeugt. Die Beklagte habe auch keine Tatsachen bewiesen, welche die Redlichkeit des Klägers infrage stellten. Die Anmeldung eines neuen Fahrzeugs bereits am 19. März 2018 und die Inbrandsetzung des Fahrzeugs seien keine solchen Tatsachen. Konkrete Vorschäden ließen sich dem Vortrag der Beklagten nicht entnehmen, ebenso wenig eine etwaige Kenntnis des Klägers von einem Unfallschaden über 3.500 € im Mai 2015. Der vom Kläger angegebene Wiederbeschaffungswert sei nicht falsch, sondern ergebe sich aus dem Gutachten in Form eines Wiederherstellungswerts mit Tuningzubehör. Tatsachen, die die erhebliche Wahrscheinlichkeit eines vorgetäuschten Diebstahls begründeten, seien weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Eine Obliegenheitsverletzung des Klägers komme insofern nicht in Betracht. Unabhängig davon liege auch das versicherte Ereignis einer Zerstörung durch Brand vor.

Zur Höhe der Entschädigung hätten die Parteien eine Taxe im Sinne des § 76 VVG in Höhe von 27.000 € vereinbart. Die Beklagte müsse diesen Betrag daher ohne weiteren Nachweis der Schadenshöhe zahlen. Soweit sie einen niedrigeren Wert darlegen und beweisen könne, genüge das Bestreiten des Fahrzeugwerts hierfür nicht. Da der Kläger unter Berücksichtigung der Selbstbeteiligung einen Anspruch auf Zahlung von 26.850 € habe, jedoch nur Zahlung von 26.438,20 € erstrebe, sei ihm mit Rücksicht auf § 308 Abs. 1 ZPO nur der letztere Betrag zuzusprechen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagten, mit der sie ihr Klagabweisungsbegehren weiterverfolgt.

Die Beklagte macht geltend, das Landgericht habe fehlerhaft sowohl das Vorliegen eines Versicherungsfalls angenommen als auch das Vorliegen einer Obliegenheitsverletzung verneint. Es bestehe die erhebliche Wahrscheinlichkeit der Vortäuschung einer Entwendung, weil das Fahrzeug für die praktische Nutzung unbrauchbar gewesen sei und sich die Laufleistung über neun Monate hinweg praktisch nicht verändert habe. Da das Fahrzeug nicht bzw. nicht zu adäquatem Preis verwertbar gewesen sei, lägen ausreichende Indizien für eine Eigenbrandstiftung vor. Darüber hinaus seien am Fahrzeug ganz erhebliche Reparaturspuren vorhanden gewesen, welche dem Kläger bei seiner umfangreichen Restaurierung des Fahrzeugs nicht verborgen geblieben sein könnten. Schließlich sei entgegen der Auffassung des Landgerichts auch keine Taxe vereinbart worden, sondern lediglich eine maximale Entschädigung. Hier sei der Beklagten der Nachweis eines geringeren Wertes möglich. Das Landgericht habe trotz substantiierten Vortrags der Beklagten zum Wiederbeschaffungswert den Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens unberücksichtigt gelassen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Hannover - 6 O 72/19 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines bereits erstinstanzlich vorgetragenen Standpunkts, die Beklagte könne ihre Vermutungen nicht mit belastbaren Tatsachen untermauern. Vorschäden seien ihm nicht bekannt gewesen. Der gute Zustand des Fahrzeugs sei bei Vereinbarung der Taxe berücksichtigt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das landgerichtliche Urteil Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das angefochtene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von § 546 ZPO, noch rechtfertigen die gemäß § 529 ZPO zu Grunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, und eine Entscheidung des Berufungsgerichts ist weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 2 und 3 ZPO). Eine mündliche Verhandlung ist - insbesondere auch unter Berücksichtigung der derzeit wegen der gesundheitlichen Gefahren durch das Corona-Virus angezeigten Reduzierung nicht dringend nötiger persönlicher Kontakte - nicht geboten (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO).

Jedenfalls im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht dem Kläger die Leistung aus der Teilkaskoversicherung in der geltend gemachten Höhe aus § 1 Satz 1 VVG in Verbindung mit A.2.2.1 AKB 2015 zugesprochen.

1. Als Versicherungsfall im Sinne des A.2.1.1 AKB 2015 kommt vorliegend nur eine Zerstörung des Fahrzeugs durch Brand (A.2.2.1.1 AKB 2015) in Betracht. Eine solche lag hier vor, nachdem das Fahrzeug nach dem Inhalt der Ermittlungsakte (Anlage K2, Anlagenband Kläger), der zwischen den Parteien nicht im Streit steht, am Morgen des 14. März 2018 vollständig ausgebrannt aufgefunden wurde und daraufhin entsorgt werden musste.

Um eine bedingungsgemäße Entwendung (A.2.2.1.2 AKB 2015) handelte es sich demgegenüber nicht, denn dieser Versicherungsfall setzt in Form des hier geltend gemachten Diebstahls (Buchst. a) voraus, dass es dem Täter um die endgültige Zueignung des Fahrzeugs gehen muss (vgl. Klimke in Prölss/Martin, VVG, 31. Aufl., AKB 2015 A.2.2.1.2 Rn. 12). Im Streitfall fehlt es aber an einer endgültigen Zueignung, da der oder die Täter das Fahrzeug unter der Autobahnbrücke für jedermann zugänglich abstellte(n) und damit keinen eigenen Gewahrsam begründete(n). Soweit in dem Verbringen des Fahrzeugs an den Auffindeort auf der L 39 ein unbefugter Gebrauch (Buchst. c) liegen kann, hat eine solche Handlung nicht zu einem Schaden an dem Fahrzeug geführt, der - soweit erkennbar - allein durch die Inbrandsetzung entstanden ist. Das versicherte Risiko hat sich mithin allein in der unstreitigen brandbedingten Zerstörung verwirklicht.

Insofern kann dahinstehen, ob der Kläger den Beweis des Minimalsachverhalts der Entwendung geführt hat, sowie weiter, ob eine Entwendung möglicherweise vorgetäuscht worden ist.

2. Gründe, die zu einer Leistungsfreiheit der Beklagten führen, liegen nicht vor.

a) Für eine Eigenbrandstiftung (§ 81 Abs. 1 VVG) hat die Beklagte keine zureichenden Anhaltspunkte vorgetragen. Hierfür genügt es nicht, dass die Beklagte gemeint hat, es bestehe angesichts des Aufwandes einer Entwendung keinerlei Wahrscheinlichkeit für eine Fremdbrandstiftung (Bl. 34 d. A.). Vielmehr hätte sie auch ein Motiv des Klägers für eine Eigenbrandstiftung darlegen müssen. Denn unter Zugrundelegung des Prozessvortrags bieten weder die wirtschaftliche noch die persönliche Lage des Klägers Anhaltspunkte dafür, dass er ein Interesse an einer Beschädigung des Fahrzeugs und der Herbeiführung eines Versicherungsfalls gehabt haben könnte. Er hatte den Wagen erst vor kurzer Zeit nach eigenem Vorbringen umfangreich und wertsteigernd umgebaut, was durch das Gutachten (Anlagen K6 und K7) bestätigt wird. Selbst wenn eine erhebliche Wahrscheinlichkeit der Vortäuschung eines Diebstahls - abgesehen davon, dass ein Diebstahl im Streitfall nicht vorliegt - gegeben sein sollte, wäre auch damit eine Eigenbrandstiftung noch nicht bewiesen (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 2. Juli 1993 - 20 U 72/93, VersR 1994, 590, 2. Leitsatz).

Soweit die Beklagte in der Berufungsbegründung als Indiz für eine Eigenbrandstiftung darauf abstellt, das Fahrzeug sei nicht adäquat verwertbar gewesen, unterlegt sie auch dieses (neue) Vorbringen nicht mit der nötigen Substanz. Nach dem Gutachten handelte es sich um ein Fahrzeug mit der Zustandsnote 2+ und einem Marktwert vor dem Umbau von 13.000 €. Hiergegen hat die Beklagte nichts Konkretes vorgebracht. Ein einfaches Bestreiten der Feststellungen des Gutachters genügt schon deshalb nicht, weil die Beklagte selbst das Gutachten zur Grundlage der Bestimmung im Nachtrag zum Versicherungsschein vom 17. Oktober 2017 gemacht hat, wonach als maximale Entschädigung der im Gutachten ermittelte Wert gelten soll.

b) Dem Kläger liegt auch keine Obliegenheitsverletzung in Form einer (arglistigen) Verletzung seiner Aufklärungspflicht aus E.1.1.3 AKB 2015 zur Last. Die Beklagte ist deshalb nicht gemäß E.2.1, E.2.2 AKB 2015 in Verbindung mit § 28 Abs. 2, 3 VVG leistungsfrei.

In der Schadenanzeige vom 20. März 2018 (Bl. 85 d. A.) hat der Kläger auf die Frage nach unreparierten Vorschäden "nein" angekreuzt und die Fragen nach reparierten Vorschäden sowie Schäden beim Vorbesitzer jeweils nicht beantwortet. Auf dieser Grundlage bestehen schon keine Anhaltspunkte für eine objektive Falschangabe im Formular und erst recht nicht für eine Täuschung.

aa) Dass unreparierte Vorschäden vorgelegen hätten, behauptet die Beklagte selbst nicht dezidiert. Soweit sie einen Unfall beim Vorbesitzer im Mai 2015 behauptet, müsse der Kläger diesen aus ihrer Sicht im Rahmen der Restaurierung des Fahrzeugs bemerkt haben, weil am Fahrzeug ganz erhebliche Reparaturspuren vorhanden gewesen seien (Bl. 82, 209 d. A.). Dies setzt aber voraus, dass der behauptete Vorschaden repariert worden ist. Sollte dies gleichwohl nicht der Fall gewesen sein, müsste der Kläger den behaupteten Vorschaden im Rahmen des Tunings repariert haben, denn das Gutachten bewertet den Zustand des Fahrzeugs als "absolut mängelfrei im original erhaltenen oder aufwändig restaurierten Zustand ohne Fehlteile". Aufgrund dieser Bewertung liegt das Vorhandensein unreparierter Vorschäden fern.

bb) Soweit der Kläger die weiteren Fragen nach reparierten Vorschäden und Schäden beim Vorbesitzer im Formular unbeantwortet gelassen hat, liegt hierin keine Falschangabe und schon gar keine Täuschung. Denn mit der Nichtbeantwortung einer Frage im Antragsformular ist eine Aussage des Versicherungsnehmers, welcher Art auch immer, nicht verbunden, sodass in der bloßen Nichtbeantwortung weder eine Verneinung der Frage noch eine Täuschung zu sehen ist (vgl. Senatsbeschluss vom 14. Februar 2013 - 8 U 253/12, juris Rn. 31 mwN; OLG Köln, Urteil vom 21. Januar 1997 - 9 U 65/96, VersR 1997, 962, juris Rn. 17). Eine Leistungsfreiheit kommt beim Offenlassen von Fragen im Allgemeinen nur dann in Betracht, wenn der Versicherer Nachfrage hält und der Versicherungsnehmer auch darauf nicht reagiert (vgl. OLG Köln, Urteil vom 21. Januar 1997 - 9 U 65/96, aaO Rn. 11; OLG Hamm, Urteil vom 8. Februar 1995 - 20 U 236/94, VersR 1996, 53, juris Rn. 10). Eine solche Nachfrage ist hier nicht vorgetragen. Ebenso bleibt nach dem Beklagtenvortrag unklar, aus welchem Grunde die Beantwortung der Fragen durch den Kläger unterblieben ist, denn dies muss nicht zwingend auf einen Täuschungswillen hindeuten, sondern kann ebenso gut auf einer Unachtsamkeit beruht haben.

3. Im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht die Versicherungsleistung in voller geltend gemachter Höhe zuerkannt.

a) Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist die Bestimmung, wonach als maximale Entschädigung der Wert laut Gutachten in Höhe von 27.000 € gilt, nicht als Vereinbarung einer Taxe im Sinne des § 76 VVG anzusehen. Dies würde voraussetzen, dass im Falle eines Totalschadens der Betrag der Taxe ohne weiteren Nachweis gezahlt werden solle. Demgegenüber basiert die streitgegenständliche Vereinbarung auf der Schätzung des Fahrzeugwerts gemäß dem Gutachten und nennt keinen zu entschädigenden Festbetrag, sondern lediglich einen Maximalbetrag, der auf Nachweis unterschritten werden kann. Dies spricht für die Vereinbarung einer Versicherungssumme als Höchstgrenze für die Leistung und gerade nicht für eine Taxe (vgl. Armbrüster in Prölss/Martin, aaO, § 76 Rn. 4 f.; Schnepp in Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl., § 76 Rn. 21, 23).

b) Letztlich kann diese Frage dahinstehen, weil der Kläger auch bei bloßer Vereinbarung einer Versicherungssumme als Höchstgrenze für die Leistung in der geltend gemachten Höhe zu entschädigen ist. Nach der Bestimmung im Nachtrag zum Versicherungsschein vom 17. Oktober 2017 ist dabei grundsätzlich von dem im Gutachten ermittelten Wiederherstellungswert von 27.000 € inklusive Mehrwertsteuer auszugehen, wobei der Beklagten der Nachweis eines geringeren Wertes offen steht. Von einer solchen Beweislastumkehr geht die Beklagte selbst aus (Bl. 210 d. A.).

Soweit die Beklagte hierfür Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens angeboten hat, brauchte das Landgericht diesem Beweisantritt nicht nachzugehen. Denn angesichts des im Nachtrag zum Versicherungsschein zum Ausdruck kommenden Willens der Beklagten, das Gutachten und den dort ermittelten Wiederherstellungswert grundsätzlich zur Grundlage der Regulierung zu machen, reicht ein einfaches Bestreiten der im Gutachten ermittelten Werte insbesondere vor dem Hintergrund nicht aus, dass sich der Schadensfall nur ca. ein Dreivierteljahr nach Erstellung des Gutachtens ereignete und aufgrund dieses kurzen Zeitraums nicht mit einer umfangreicheren Verschlechterung des Fahrzeugzustandes zu rechnen war. Dies gilt umso mehr, als das Fahrzeug nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten in der Zwischenzeit nicht genutzt worden sein soll (Bl. 34, 209 d. A.). Hier hätte die Beklagte näher darlegen müssen, inwiefern bei dem ungenutzt in einer Tiefgarage abgestellten Fahrzeug eine - von der Beklagten zahlenmäßig genauer zu beziffernde - Wertminderung gegenüber dem Gutachten eingetreten sein sollte. Unbehelflich sind in diesem Zusammenhang die Behauptungen der Beklagten zur Mangelhaftigkeit sämtlicher Fahrzeuge der betroffenen Baureihe. Denn hierbei handelte es sich im Falle ihres Vorliegens um dem versicherten Fahrzeug von Anfang an anhaftende Mängel, welche somit auch schon zum Begutachtungszeitpunkt bestanden und deshalb Eingang in das Gutachten gefunden hätten. Auch eine etwaige generell verminderte Werthaltigkeit der Fahrzeuge aus der Baureihe 208 wäre dem Gutachter aufgrund seiner Sachkunde bekannt gewesen und bei der Wertermittlung berücksichtigt worden. Selbst wenn dies nicht der Fall wäre, hat die Beklagte das Gutachten grundsätzlich als Regulierungsgrundlage akzeptiert und kann sich somit nicht mehr auf etwaige im Gutachten fehlerhaft nicht berücksichtigte Umstände berufen, die ihr zum Zeitpunkt der Ausstellung des Nachtrags zum Versicherungsschein zumindest hätten bekannt sein müssen.

Soweit die Beklagte die Ausführung der vom Kläger vorgetragenen umfangreichen Umbauarbeiten am Fahrzeug und eine dadurch eingetretene Wertsteigerung bestreitet, werden diese Umstände durch den Nachtrag zum Gutachten (Anlage K7) belegt. Hieraus ist ersichtlich, dass sich der zunächst ermittelte Wiederbeschaffungswert von 15.600 € auf ein Serienfahrzeug ohne Tuningzubehör bezog. Nach Durchführung der Tuningarbeiten belaufe sich der Wiederherstellungswert auf 27.000 €. Dieser berechne sich aufgrund des belegbaren Materialeinsatzes, der Fremdleistungen durch Fachwerkstätten, des Arbeitsaufwandes durch Eigenleistung sowie der Ausführung der Restaurierungs-/Instandsetzungsarbeiten. Der angegebene Wiederherstellungswert entspricht damit dem Wiederbeschaffungswert gemäß A.2.5.1.1 AKB 2015. Auch hier hätte sich die Beklagte nicht auf ein einfaches Bestreiten der gutachterlichen Feststellungen beschränken dürfen, sondern hätte näher darlegen müssen, welche Tuningarbeiten entgegen dem Nachtrag zum Gutachten nicht ausgeführt gewesen sein sollten und aus welchem Grunde sie gleichwohl das Gutachten mit den darin aufgeführten Arbeiten und deren angegebenem Wert akzeptiert hat.

c) Hat die Beklagte das Gutachten demnach nicht mit Substanz angegriffen, hat der Kläger, da aufgrund des geringen Zeitablaufs von der Gutachtenerstellung bis zum Schadensfall und der zwischenzeitlichen Nichtnutzung des Fahrzeugs keine sonstigen Anhaltspunkte für einen niedrigeren Wert vorliegen, Anspruch auf die maximale Entschädigung in Höhe von 27.000 € abzüglich der vereinbarten Selbstbeteiligung von 150 €. Gemäß § 308 Abs. 1 ZPO war damit die Klageforderung von 26.438,20 € in voller Höhe zuzusprechen.

Der Zinsanspruch des Klägers ergibt sich aus § 288 Abs. 1, § 291 BGB.

III.

Die Ausführungen der Beklagten in ihrer Stellungnahme vom 30. November 2021 rechtfertigen keine abweichende Würdigung der Sach- und Rechtslage.

1. Soweit sich die Beklagte auf eine ständige Rechtsprechung des Inhalts beruft, dass die unvollständige Beantwortung von Fragen in der Schadenanzeige stets zu einer Leistungsfreiheit des Versicherers führe und im Bereich der Aufklärungspflichtverletzungen nach Eintritt des Versicherungsfalls keine Nachfrageobliegenheit des Versicherers bestehe (a.A. BGH, Urteil vom 14. November 1979 - IV ZR 41/78, VersR 1980, 159, juris Rn. 22; OLG Bremen, Urteil vom 2. Oktober 2007 - 3 U 27/07, VersR 2007, 1692, juris Rn. 23; OLG Hamm, Urteil vom 8. Februar 1995 - 20 U 236/94, VersR 1996, 93, juris Rn. 10; OLG Köln, Urteil vom 21. Januar 1997 - 9 U 65/96, VersR 1997, 962, juris Rn. 13), kann diese Frage im hier zu entscheidenden Einzelfall letztlich offenbleiben. Denn ein Verstoß des Versicherungsnehmers gegen die Auskunftspflicht ist bei unvollständiger Beantwortung einer Formularfrage zu verneinen, wenn die Frage für den konkreten Fall von ganz unwesentlicher Bedeutung ist oder wenn sich die geforderten Angaben aus Antworten zu anderen Fragen ergeben (vgl. Armbrüster in Prölss/Martin, aaO, § 31 Rn. 20). So liegt es hier. Die vom Kläger im Schadensformular nicht beantworteten Fragen nach reparierten Vorschäden und Schäden beim Vorbesitzer sollten der Beklagten allein zur Ermittlung der Schadenshöhe dienen; auf die Feststellung des Eintritts des Versicherungsfalls "Brand" konnten diese Angaben keinen Einfluss haben. Zum Zustand des versicherten Fahrzeugs lag der Beklagten allerdings unstreitig das Gutachten des Kfz-Sachverständigenbüros Kramer (Anlage K6) vor, aus welchem sich der absolut mängelfreie, original erhaltene bzw. aufwändig restaurierte Zustand sowie der Wert des Fahrzeugs ergab. Dem konnte die Beklagte entnehmen, dass etwaige Vorschäden jedenfalls in einer Weise repariert worden waren, dass sich hieraus keine Werteinbuße des Fahrzeugs ableiten ließ. Soweit die Beklagte einen Vorschaden aus Mai 2015 behauptet hat (Bl. 82 d. A.), war dieser bei Erstellung des Gutachtens am 10. Juli 2017 bereits entstanden und muss dem Gutachtenergebnis zufolge, welches dem Fahrzeug einen absolut mängelfreien Zustand (Gesamtzustandsnote 2+) bescheinigt, somit fachgerecht und beanstandungsfrei repariert gewesen sein, sodass aus diesem - unterstellten - Vorschaden kein Minderwert resultierte. Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang meint, das Gutachten sei in Bezug auf Vorschäden nicht aussagekräftig, weil es keinen konkreten Vorschaden bzw. dessen Reparatur aufführe, kann dies im Übrigen ebenso gut seinen Grund darin haben, dass keine Vorschäden existierten. Da sich der die Beklagte im Rahmen der Regulierung interessierende Fahrzeugzustand und -wert bereits aus dem Gutachten ergab, war die Beantwortung der Frage nach reparierten Vorschäden im Fragebogen für die Erfüllung des Aufklärungsinteresses der Beklagten nicht von weiterer Bedeutung.

2. In der Berufungsbegründung (Bl. 210 d. A.) trägt die Beklagte vor: "Außer sich des Versicherungsscheins war der Beklagten jedenfalls der Nachweis eines geringeren Wertes möglich." Diese Sichtweise dürfte bedeuten, dass die Beklagte den entsprechenden Nachweis zu führen hätte. Unabhängig von der Frage der Beweislast kann der Auffassung der Beklagten, sie habe nur den Wiederbeschaffungswert von 15.600 €, nicht aber den Wiederherstellungswert von 27.000 € zu leisten, nicht gefolgt werden. Selbst wenn man davon ausgeht, dass der im Gutachten genannte Wiederherstellungswert nicht dem Wiederbeschaffungswert gemäß A.2.5.1.1 AKB 2015 entspricht, ist der Wiederherstellungswert von 27.000 € unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das Gutachten vom 10. Juli 2017 als maximale Entschädigungshöhe in den Versicherungsschein übernommen worden, womit die Beklagte jedenfalls akzeptiert hat, dass der dort ausgewiesene Wiederherstellungswert maßgeblich für die Ermittlung der Entschädigung sein sollte. Dementsprechend ist ihrem Vortrag auch nicht zu entnehmen, aus welchem Grunde sie die maximale Entschädigung im Versicherungsschein auf 27.000 € festgelegt hat, wenn sie der Auffassung gewesen sein will, maximal den Wiederbeschaffungswert von 15.600 € zu schulden. Ob das Fahrzeug vor dem Umbau einen Marktwert von 13.000 € hatte, ist für diese Betrachtung ohne Belang, da die Entschädigung nach der für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer eindeutigen Angabe im Versicherungsschein auf der Grundlage des im Gutachten genannten Wiederherstellungswerts ermittelt werden sollte.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Apel
Kaufert
Wiegand