Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 13.12.2021, Az.: 11 U 88/21

Angemessene Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit; Ausbruch einer schweren Krankheit oder Epidemie am Reiseziel als unvermeidbarer und außergewöhnlicher Umstand

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
13.12.2021
Aktenzeichen
11 U 88/21
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2021, 72709
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Stade - 23.06.2021 - AZ: 5 O 254/20

In dem Rechtsstreit
1. P. E., ...,
2. E. L. E., ...,
Kläger und Berufungskläger,
Prozessbevollmächtigte zu 1 und 2:
Anwaltsbüro M., ...,
Geschäftszeichen: ...
gegen
A., vertreten durch den Vorstand, ...,
Beklagte und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte:
Anwaltsbüro D., ...,
Geschäftszeichen: ...
hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Amtsgericht ... am 13. Dezember 2021 beschlossen:

Tenor:

  1. I.

    Der Senat erwägt, die Berufung der Kläger gegen das am 23. Juni 2021 verkündete Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Stade vom durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

  2. II.

    Die Kläger erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme und zu einer eventuellen weitere Kosten zum Teil vermeidenden Berufungsrücknahme binnen drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe

I.

Die Rechtsache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Ebenso wenig erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung. Auch im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung hier geboten wäre. Die Berufung hat nach derzeitiger Sach- und Rechtslage offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

1. Das Landgericht dürfte zu Recht einen Anspruch der Kläger auf Ersatz für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit gemäß § 651n Abs. 2 BGB abgelehnt haben.

a) Nach § 651n Abs. 2 BGB kann der Reisende, wenn die Pauschalreise vereitelt oder erheblich beeinträchtigt wird, auch wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Der Anspruch besteht neben dem Schadensersatzanspruch aus § 651 Abs. 1 BGB und hat - neben den zusätzlichen haftungsbegründenden Voraussetzungen der Vereitelung oder erheblichen Beeinträchtigungen der Pauschalreise - zunächst dieselben Voraussetzungen wie der Schadenersatzanspruch gemäß § 651n Abs. 1 BGB (BeckOGK/Klingberg, BGB Stand 1. November 2020, § 651n Rn. 39). Mithin kann eine Entschädigung gemäß § 651n Abs. 2 BGB nicht verlangt werden, wenn der Mangel der Reise durch unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände im Sinne von § 651n Abs. 1 Nr. 3 BGB verursacht wurde.

b) Die Beklagte hat die streitbefangene Kreuzfahrt nicht vereitelt, weil sie gemäß § 651h Abs. 4 Nr. 2 BGB von dem Reisevertrag zurücktreten durfte. Sie war an der Durchführung der Reise aufgrund unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstände an der Durchführung der Kreuzfahrt gehindert.

aa) Gemäß § 651h Abs. 3 BGB sind unvermeidbare und außergewöhnliche Umstände solche, die nicht der Kontrolle der Partei unterliegen, die sich hierauf beruft, und deren Folgen auch dann nicht hätten vermieden werden können, wenn alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen worden wären. Ob ein Ereignis einen solchen Umstand darstellt, ist im Einzelfall zu beurteilen. Der Ausbruch einer schweren Krankheit oder Epidemie am Reiseziel stellt unzweifelhaft ein solches Ereignis dar (vgl. Staudinger/Ruks, DAR 2020, 314 (315)). Dabei ist es nicht zwingend erforderlich, dass zum Zeitpunkt des Rücktritts das Zielgebiet bereits von dem Ausbruch der Krankheit betroffen ist. Es genügt vielmehr eine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine gesundheitsgefährdende Ausbreitung der Krankheit. Maßgeblich ist, ob bei objektiver Betrachtung eine sichere Durchführung der Pauschalreise unmöglich sein wird, der Reisezweck also insgesamt infrage steht. Entsprechendes gilt, wenn eine die Reise prägende Reiseleistung schwere Mängel aufweisen würde, wie beim Ausfallen wichtiger Häfen bei einer Kreuzfahrt oder Highlights einer Rundreise. Bei der Ausbreitung von Krankheiten resultiert die erhebliche Beeinträchtigung aus der Gefährdung der körperlichen Gesundheit des Reisenden. Erst recht gilt dieses für den Ausbruch einer Epidemie am Zielort. Indiziert wird das Vorliegen einer Gesundheitsgefährdung insbesondere durch eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes. Aus dem Fehlen einer Reisewarnung kann allerdings nicht zwingend gefolgert werden, dass eine erhebliche Beeinträchtigung zu verneinen wäre. Dasselbe gilt auch für Warnungen der Weltgesundheitsorganisation. Gerade bei Gesundheitsrisiken dürfen die Anforderungen an die Erheblichkeit nicht zu hoch angesetzt werden. Daher ist die Erheblichkeitsschwelle bereits erreicht, wenn bei der Prognoseentscheidung ex ante unter Berücksichtigung der Umstände des konkreten Einzelfalls mit dem Eintritt des Umstandes mit einer Wahrscheinlichkeit von 25 % zum Zeitpunkt der Anreise beziehungsweise während der Reise zu rechnen ist (vgl. BGH, Urteil vom 15.10.2002 - X ZR 147/01, juris Rn. 11 zu § 651i Abs. 1 BGB a. F.).

bb) Nach diesen Maßstäben hat die Beklagte entgegen der Auffassung der Kläger ausreichend dargelegt, dass sie am 14. Februar 2020 von der Durchführung der Reise zurücktrat, weil die Ausbreitung von Covid 19 die gebuchte Kreuzfahrt maßgeblich zu beeinträchtigen drohte. Zur Begründung hat sie vorgetragen, dass neben China im Januar 2020 auch erste Erkrankungen in Deutschland und am 14. Februar 2020 ca. 64.000 Fälle mit dem neuartigen Coronavirus in 25 Ländern aufgetreten seien. Am 25. Januar 2020 sei auf der Reiseroute in Malaysia der erste Infektionsfall festgestellt worden (S. 4, 8 f. d. Klagerwiderung, Bl. 22 R, 24 R f. d. A.). Die WHO habe am 30. Januar 2020 eine gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite, bei der sich eine Krankheit über Landesgrenzen hinweg auszubreiten drohe, deklariert und die EU-Gesundheitsminister hätten am 14. Februar 2020 beschlossen, dass Passagiere aus Gebieten mit dem Coronavirus künftig bei der Einreise nach Europa nach möglichen Infektionsrisiken befragt würden (S. 4 f. d. Klagerwiderung, Bl. 22 R f. d. A.). Zudem hat sie auf die Probleme der Kreuzfahrtschiffe "MS W." und "D. P." sowie die Schließung von Häfen hingewiesen (S. 5 ff. d. Klagerwiderung, Bl. 23 R ff. d. A.).

Dieser Vortrag genügt der Darlegungslast insbesondere, weil es sich um unstreitige und offenkundige Tatsachen handelt. Es gibt keinen Zweifel, dass die Corona-Pandemie, die im Verlauf des Frühjahrs 2020 zu einer nahezu weltweiten Abschottung und zur Annullierung sämtlicher Reisen und internationaler Flüge führte, einen unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umstand darstellt, der die Erfüllung des Reisevertrages unmöglich gemacht hat (vgl. LG Frankfurt, Urteil vom 17. November 2020, 2-24 O 189/20, juris Rn. 15).

cc) Entgegen der Auffassung der Kläger war bereits zum Rücktrittszeitpunkt am 14. Februar 2020 mit einer ausreichenden Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, dass in der Reisezeit vom 16. März 2020 bis 30. März 2020 eine erhebliche Beeinträchtigung vorliegen wird, so dass die Beklagte zur Stornierung der Kreuzfahrt berechtigt war.

Auch wenn sich Mitte Februar 2020 Covid 19 noch nicht weltweit und auch nicht nachweisbar in sämtlichen Regionen, die das Kreuzfahrtschiff anlaufen sollte, ausgebreitet hatte, so war doch bereits zu diesem Zeitpunkt klar, dass die Covid-19-Erkrankung ein erhebliches Risiko für Leib und Leben der Reisenden und der Mitarbeiter darstellt. Zwar gab es zum Rücktrittszeitpunkt noch keine offizielle Reisewarnung des Auswärtigen Amtes und der WHO für den gesamten asiatischen Raum. Am 26. Januar 2020 stufte das Robert Koch Institut lediglich die chinesische Provinz Hubei inklusive der Stadt Wuhan als Risikogebiet in China ein. Es konnte aber bereits Ende Januar 2020 anhand der Anzahl der Infizierten auf eine sehr schnelle Ausbreitung des Virus geschlossen werden. So wurden am 29. Januar 2020 bereits in sämtlichen Provinzen der Volksrepublik China Fälle der Sars-CoV-2-Infektion gemeldet. Insgesamt waren zu diesem Zeitpunkt 9.700 Personen positiv getestet und 213 aufgrund des Virus verstorben. In Singapur traten erste Corona-Fälle im Januar 2020 auf. Reisenden wurde ab 31. Januar 2020 teilweise die Einreise oder Durchreise durch Singapur untersagt. In Malaysia, Vietnam, Thailand und Kambodscha gab es seit Januar 2020 erste Erkrankungsfälle. Das Landgericht hat die Entwicklung der Fallzahlen vom 27. Januar 2020 über den 6. Februar 2020 bis zum Reiserücktritt am 14. Februar 2020 für China (von 2.863 über 30.553 auf 66.292), Singapur (von 5 über 28 auf 67) und Malaysia (von 4 über 12 auf 19) dargestellt (LGU S. 5).

Schon allein dieser rasante Anstieg der Infektionszahlen zeigte, dass es sich bei Covid 19 um ein extrem ansteckendes Virus handelt, so dass bereits zum Reiserücktrittszeitpunkt eine große Wahrscheinlichkeit einer weiteren Ausbreitung auch auf der vorgesehenen Reiseroute und damit auch auf dem gebuchten Kreuzfahrtschiff bestand. Entgegen der Auffassung der Kläger gab es auch in den angefahrenen Ländern Singapur und Malaysia Corona-Infektionen und nicht lediglich in China. Soweit die Kläger behaupten, es habe auf der Reiseroute am 14. Februar 2020 gar keine Infektionen gegeben (Bl. 37 R d. A.), kann unterstellt werden, dass an dem Tag keine Neuinfektionen dazugekommen sind. Falsch ist dagegen, dass es in Malaysia und Singapur zu dem Zeitpunkt noch gar keine Infektionen gab. Zuzustimmen ist den Klägern nur, dass in Indonesien offiziell noch keine Erkrankungen nachgewiesen waren. Da zu der Zeit die Entwicklung von Impfstoffen oder medizinischen bzw. pharmazeutischen Behandlungsmöglichkeiten nicht absehbar war, war mit einem baldigen Ende der Infektionsausbreitung nicht zu rechnen, so dass Ansteckungen während der Reise hinreichend wahrscheinlich waren.

Zu bedenken ist auch, dass womöglich ein bereits Infizierter an der Reise hätte teilnehmen und die Erkrankung unter den Passagieren verbreiten können. Zu Recht hat die Beklagte deshalb auf das Kreuzfahrtschiff "D. P." verwiesen, auf dem am 31. Januar 2020 bei einem Reisenden eine Infektion mit dem Coronavirus nachgewiesen wurde. Das Schiff wurde am 5. Februar 2020 mit 3711 Passagieren und Crewmitgliedern an Bord im Hafen von Yokohama bis zum 19. Februar unter Quarantäne gestellt. In dieser Zeit infizierten sich insgesamt 705 Menschen auf dem Schiff und sechs starben. Das Kreuzfahrtschiff "W. D." mit über 3700 Menschen wurde am 5. Februar 2020 vor Hongkong unter Quarantäne gestellt, nachdem ein Gast bei seiner Ankunft positiv auf das neuartige Coronavirus getestet worden war. Der "MS W." wurde Ende Januar 2020 unter anderem in Japan, Taiwan, der Philippinen und Thailand das Anlegen in den dortigen Häfen untersagt. Wegen dieser Vorkommnisse durfte auch die Beklagte mit einem ähnlichen Reiseverlauf rechnen, wenn auf ihrem Kreuzfahrtschiff eine Covid-19-Infektion nachgewiesen werden sollte. Letztendlich hatte sie schon konkrete Erfahrungen, weil einem ihrer Schiffe am 13. Februar 2020 das Anlegen in einem vietnamesischen Hafen verwehrt worden war. Der Reiseverlauf der anderen genannten Kreuzfahrten konnte für die Beurteilung der Durchführbarkeit der streitbefangenen Reise entgegen der Auffassung der Kläger herangezogen werden, obwohl die Routen und die angefahrenen Länder sich unterschieden. Denn die Quarantäneanordnungen bzw. die Verweigerung des Anlegens erfolgten in unterschiedlichen Häfen, die in unterschiedlichen Ländern lagen. Es konnte daher mit einiger Wahrscheinlichkeit erwartet werden, dass mit Kreuzfahrtschiffen nicht lediglich regional beschränkt in dieser Form verfahren werde, so dass in sämtlichen asiatischen Häfen damit gerechnet werden konnte.

Diese Umstände sind für die Begründung des Reiserücktritts ausreichend, weil gerade bei der Corona-Infektion eine niedrige Schwelle genügen muss, weil der Reisende bei einer Infektion mit der Gefahr seines Todes oder erheblicher Krankheitsrisiken rechnen muss, für die bisher keine ausreichenden Therapien erforscht sind oder ausreichende Behandlungsmöglichkeiten im Urlaubsgebiet fehlen. Diese Grundsätze müssen erst recht bei einer Kreuzfahrt gelten, weil eine sofortige (intensiv) medizinische Versorgung des Erkrankten oft nicht möglich sein wird und wegen der großen Anzahl von Menschen auf engem Raum eine hohe Ansteckungsgefahr gegeben ist.

dd) Das Rücktrittsrecht der Beklagten ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Beklagte bereits wegen Covid 19 die ursprünglich überwiegend durch China verlaufende Reiseroute zunächst verlegt hatte und die Kreuzfahrt anschließend von Singapur über Malaysia nach Indonesien verlaufen sollte. Da die Ausbreitung von Covid 19 und die Beeinträchtigungen von Kreuzfahrten im asiatischen Raum sich über den 6. Februar 2020 hinaus fortsetzten bzw. massiver auftraten, waren die Voraussetzungen des Rücktritts nach dem 6. Februar 2020 weiterhin bzw. erst recht gegeben.

ee) Auch, wenn es im Streitfall nicht darauf ankommt (dazu unter c)), merkt der Senat an, dass der Reiserücktritt auch nicht vorzeitig erfolgte. Für eine sichere Prognose einer Eintrittswahrscheinlichkeit von Corona-bedingten erheblichen Beeinträchtigungen von 25 % und mehr, ist eine Rücktrittserklärung vier Wochen vor Reisebeginn nicht übereilt (vgl. Führich: Rücktritt vom Pauschalreisevertrag vor Reisebeginn wegen Covid-19-Pandemie, NJW 2020, 2137, beck-online Rn. 14). Teilweise wird in der Literatur sogar die Auffassung vertreten, dass von Pauschalreisen ins Ausland bereits mehrere Monate vor Reisebeginn zurückgetreten werden kann (vgl. Tonner, Anzahlungen und Restzahlungen bei Pauschalreisen während der Corona-Krise, Kurz-Gutachten für den Verbraucherzentrale Bundesverband; https://www.vzbv.de/sites/default/files/downloads/2020/05/04/kurzgutachten_reisepreis_restzahlung_2020-04-29.pdf).

c) Da die Kläger Schadensersatz verlangen, kann es in Streitfall letztendlich dahinstehen, ob die Prognose der Beklagten zur fehlenden Durchführbarkeit der streitbefangenen Kreuzfahrt zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung richtig war. Die Beklagte kann sich nämlich mit dem Einwand des hypothetischen Kausalverlaufs bei rechtmäßigem Alternativverhalten entlasten. Denn die Reise wäre auch dann nicht durchführbar gewesen, wenn die Beklagte sie im Februar 2020 noch nicht storniert hätte.

aa) Die Beklagte beruft sich zwar nicht ausdrücklich auf ein rechtmäßiges Alternativverhalten. Ihr Tatsachenvortrag ist aber dahingehend auszulegen. So trägt sie vor, dass der angeblich verfrühte Rücktritt für den behaupteten Schaden nicht kausal gewesen sei, weil es am 17. März 2020 eine weltweite Reisewarnung gegeben habe und die streitbefangene Kreuzfahrt vom 16. März 2020 bis 30. März 2020 ohnehin nicht habe durchgeführt werden können. In diesem Zeitraum hätten weltweit keine Kreuzfahrten durchgeführt werden können, so dass den Klägern der behauptete Schaden auch entstanden wäre, wenn die Beklagte zu einem späteren Zeitpunkt storniert hätte (Schriftsatz vom 21. Mai 2021, S. 3, Bl. 54 d. A.; S. 5 d. Berufungserwiderung, Bl. 120 d. A.).

bb) Die Berufung des Schädigers auf ein rechtmäßiges Alternativverhalten, d.h. der Einwand, der Schaden wäre auch bei einer ebenfalls möglichen, rechtmäßigen Verhaltensweise entstanden, kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für die Zurechnung eines Schadenserfolgs beachtlich sein. Die Erheblichkeit des Einwandes richtet sich nach dem Schutzzweck der jeweils verletzten Norm. Voraussetzung ist zudem, dass derselbe Erfolg effektiv herbeigeführt worden wäre; die bloße Möglichkeit, ihn rechtmäßig herbeiführen zu können, reicht nicht aus (BGH, Urteil vom 09. März 2012 - V ZR 156/11 -, juris Rn. 17 m. w. N.).

cc) Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor. Wenn die Beklagte nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt storniert hätte, wäre die Kreuzfahrt trotzdem nicht durchgeführt worden. Denn bereits am 6. März 2020 forderte Bundesgesundheitsminister Spahn dazu auf, auf nicht notwendige Reisen zu verzichten. Am 12. März 2020 empfahl die WHO, nicht unbedingt notwendige Reisen zu verschieben und sprach am 17. März 2020 eine weltweite Reisewarnung aus, die zur Folge hatte, dass Kreuzfahrten in dem Reisezeitraum der Kläger nicht mehr stattfanden.

(dd) Der Anwendung der Grundsätze es rechtmäßigem Alternativverhaltens steht auch nicht entgegen, dass die nach § 651h BGB zu treffende Prognoseentscheidung ex ante zu erfolgen hat und in dem Zeitpunkt der Stornierung die Voraussetzungen des Reiserücktritts vorzuliegen haben. Maßgeblich ist die Rechtsnatur des hier geltend gemachten Anspruchs als Schadensersatz, so dass die für das Haftungsrecht geltenden Grundsätze anzuwenden sind.

Der Ersatzanspruch des Reisenden richtet sich danach, wie sich der Fall ohne das haftungsbegründende Ereignis entwickelt hätte. Wäre die Beklagte nicht (vorzeitig) zurückgetreten, wäre die Reiseleistung, falls sie sich schließlich als nicht erbringbar oder unzumutbar erweist, dennoch nicht erfolgt, weil sie entweder faktisch oder an einem später von den Klägern oder der Beklagten bei Reisebeginn erklärten Rücktritt gescheitert wäre. Steht so wie im Streitfall fest, dass die Reise nicht stattgefunden hätte, kann der Reisende auch keine Entschädigung beanspruchen, weil der voreilige Rücktritt des Reiseveranstalters für den von ihm erlittenen Nachteil nicht kausal war. Da nicht gewiss ist, wie der Reisende und der Reiseveranstalter auf eine nachträglich aufgetretene Gefahr reagiert hätten, darf man zwar auf keinen beliebigen Moment zwischen Kündigung und geplantem Reisebeginn abstellen. Maßgeblich muss vielmehr der Zeitpunkt des hypothetischen Reiseantritts sein, in dem sich die Bedrohung abschließend beurteilen lässt. Der Entschädigungsanspruch fällt aber weg, wenn - wie im Streitfall - ein Reisehindernis bei Reisebeginn noch droht oder vorliegt (vgl. Harke, RRa 2020, 207-211, juris).

II.

Nach alledem regt der Senat - unbeschadet der Möglichkeit zur Stellungnahme - die kostengünstigere Rücknahme des offensichtlich aussichtslosen Rechtsmittels an.